Pumpernickel

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Pumpernickel
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Pumpernickel


Ulrich Elsbroek

Roland Tauber

Kulinarische Randgebiete

neu entdeckt

Band 1

Pumpernickel


Haftungsausschluss: Die Rezepte dieses Buchs wurden von Verlag und Herausgeber sorgfältig erwogen und geprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Die Haftung des Verlags bzw. des Herausgebers für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

©2012 Oktober Verlag, Münster

Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des

Verlagshauses Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster

www.oktoberverlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Satz und Umschlaggestaltung: Thorsten Hartmann, MV-Verlag

Herstellung: Monsenstein und Vannerdat gedruckt in der EU

ISBN 978-3-941895-13-3

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Inhalt

Vorwort

H1 Vom Arme-Leute-Essen zum Lifestyle-Produkt. Bedeutung

R1 Das Brot an sich. Was ist drin?

H2 Ein hartes Brot. Herstellung

R2 Pumpernickel als Beilage

H3 Echt Kult. Bräuche und Riten

R3 Pumpernickel als Grundlage

H4 Von Klumpen und Steinen. Kulturkampf

R4 Pumpernickel als Bindemittel

H5 Pump the niggels. Name

R5 Pumpernickel als Einlage

H6 Besondere Grenzsteine. »Marke« Pumpernickel

R6 Pumpernickel als Aromahaube oder -mantel

H7 »Ohrale« Sensation. Pumpernickel im anglo-amerikanischen Raum

R7 Pumpernickel im Dessert oder Kuchen

Zitatnachweise

Inspirierende Küchen-Literatur

Rezepte

Dank

Erinnerungen Früher pfui, heute hui; Schwarzbrot – Unentbehrlich für Mensch und Tier

Grenzüberschreitend gut!; Pumpernickel und die Fußball-WM 1954;

Geraubte Illusion; Geschenk und Gegengeschenk

H1-7: Historischer Abriss / R1-7: Rezept-Kapitel


Vorwort

Wenn wir von Pumpernickel reden, so begreifen wir darunter einen großen, nein, einen verdammt großen Trumm von Brot, der schon im Mittelalter ungeteilte Aufmerksamkeit auf sich zog. Neben Form und Farbe war es die Grobkörnigkeit, die bei Nicht-Westfalen für großes Befremden sorgte – und bei den Konsumenten für eine Gesichtsfarbe, die man nicht anders als pumperlgsund bezeichnen kann.

Heute erfährt das alte Kulturgut eine echte Renaissance. Kein Wunder, liefert es doch viele wertvolle Inhaltsstoffe: Vitamine, essentielle Fettsäuren, Mineral- und Ballaststoffe. Hinzu kommt, dass Pumpernickel gleichzeitig süß und herzhaft ist. Das macht ihn zu einem echten Allrounder in der Küche. Pumpernickel passt zu Fisch, Fleisch und Gemüse ebenso wie zu Früchten, Eis, Soufflés und anderen Süßspeisen.

Dieses Buch ist ein Muss für jeden Hobbykoch, denn wir haben für Sie hier einige Rezepte zusammengetragen – bekannte, vor allem aber unbekannte. Denn in dem Buch finden Sie jede Menge Eigenkreationen, bei denen wir das gute alte Schwarzbrot mit Genüssen aus aller Herren Länder kombiniert haben. Herausgekommen ist etwas gänzlich Neues: Pumpernickel exotique.

Wir verstehen dieses Buch aber auch als Anregung für Sie, kreativ zu werden und Ihre eigenen Pumpernickel-Rezepte auszuprobieren. Kombinieren Sie Ihre Lieblingsspeise mit dem herzhaften-süßen Geschmack des westfälischen Dauerbrenners und stoßen Sie in neue Geschmacksdimensionen vor. Einfach verblüffend und verblüffend einfach.

Und während Sie sich Ihre Menüs genüsslich zu Gemüte führen, erfahren Sie Häppchen für Häppchen in den historischen Kapiteln viel Wissenswertes über die Kulturgeschichte des westfälischen Schwarzbrotes. Nahrung für Kopf und Bauch.

Wir wünschen viel Lesegenuss

und guten Appetit!


H1 Vom Arme-Leute-Essen zum

Lifestyle-Produkt. Bedeutung

Der Pumpernickel ist schwarz, er ist groß, und er ist grobkörnig. Es ist diese außergewöhnliche Herausforderung für die Sinne, die unser Grobbrot bereits in der ersten Darstellung Westfalens zu einem echten Wahrzeichen unserer Lebensart hat werden lassen. So beschreibt der Humanist Silvio Enea Piccolomini, der spätere Papst Pius II., im Jahre 1450 unseren Landstrich mit folgenden Worten: »Westfalen ist auch eine sehr kalte Gegend und von Frucht nicht gerade überfließende Region. Die Leute essen schwarzes Brot, das Getränk ist Bier«. Sie müssen wissen, dass der hochgebildete Gottesmann über viele Gegenden Europas mehr oder minder ausführliche Beschreibungen abgeliefert hat. Die über Westfalen gehört zu den besonders kurzen. Denn zu der gerade zitierten Sentenz kommt im Grunde (fast) nur noch die folgende hinzu: »Der Wein, der vom Rhein heraufgeführt wird, wird zu hohem Preis verkauft; nur die Reichen trinken davon, und das selten.« Mit anderen Worten: Die Westfalen sind arme Leute, sie können sich allenfalls Bier und Schwarzbrot leisten. Der im münsterländischen Laer geborene Werner Rolevinck stützt dieses Bild. In seinem um das Jahr 1478 erschienenen »Westfalenlob« beschreibt er den westfälischen Nachwuchs mit folgenden Worten: »In einer armseligen Hütte auf dem Lande steht ihre Wiege. Als kleine Kinder müssen sie schon das Vieh hüten. Mit bloßen Füßen trippeln sie über die harten Schollen. Ihre Kleidung besteht aus rauhem Hanfgewebe. Mit grobem Brot (= Schwarzbrot, d. Verf.) und Gerstengrütze stillen sie ihren Hunger.«


Seitdem es das Licht der Welt erblickt hat, ist Schwarzbrot also immer dabei, wenn in Westfalen hungrige Mäuler zu stopfen sind – durch die Jahrhunderte hindurch. Drei Beispiele sollen dies illustrieren. Um das Jahr 1500 gestaltet ein unbekannter Meister ein berühmt gewordenes Glasfenster der Soester Wiesenkirche – das »Westfälische Abendmahl«. Es zeigt Jesus inmitten seiner Jünger. Die Gaumenfreuden bestehen aus Schwarzbrot, Bier, Schinken und einem Schweinskopf. Im Jahr 1669 erscheint der »Simplicissimus Teutsch«. Darin beschreibt der ausgemergelte Romanheld die Tafelfreuden in einem Frauenkloster namens Paradeis: »Das Paradeis fanden wir, wie wirs begehrten, und noch darüber anstatt der Engel schöne Jungfrauen darinnen, welche uns mit Speis und Trank also traktierten, daß ich in Kürze wieder einen glatten Balg bekam, denn da setzte es das fetteste Bier, die besten westfälischen Schinken und Knackwürst, wohlgeschmack und sehr delikat Rindfleisch, das man aus dem Salzwasser kochte und kalt zu essen pflegte; da lernete ich das schwarze Brot fingerdick mit gesalzener Butter schmieren und mit Käs belegen, damit es desto besser rutschte, und wenn ich so über einen Hammelskolben kam, der mit Knoblauch gespickt war und ein gute Kanne Bier daneben stahn hatte, so erquickte ich Leib und Seel und vergaß all meines ausgestandenen Leids. In Summa, dies Paradeis schlug mir so wohl zu, als ob es das rechte gewesen wäre.« Im Jahre 1793 schreibt der Bielefelder Arzt Consbruch über die Ernährung im Ravensberger Land: »Die Hauptnahrungsmittel des Landsmanns bestehen aus Mehlspeisen, Mehlsuppen, Mehlbreyen, Eyerkuchen, Pumpernickel, Kartoffeln, Rüben, Möhren, großen Bohnen, Erbsen und Kohl.« Diese drei Beispiele dokumentieren, dass Pumpernickel seit jeher zum kulinarischen Kernbestand der ländlichen Bevölkerung gehört.

 

Vor allem ab dem 16. Jahrhundert macht sich der Pumpernickel in immer mehr Wohnstuben breit – auch in den besser betuchten Haushalten. Dies hing mit einem einsetzenden Bevölkerungswachstum zusammen. Weil immer mehr Mäuler gestopft werden mussten, besann man sich zusehends auf eine preiswerte Form der Nahrungsmittelproduktion. Während die Viehhaltung zurückging, wuchs der Getreideanbau sprunghaft an. Eine Chance für den Pumpernickel, denn immer mehr Zungen ließen sich unmittelbar von dem gleichermaßen süßen wie herzhaften Geschmack überzeugen. Mit wachsendem Erfolg, wie das folgende »Honorar« für einen westfälischen Seelsorger nachweist: »Für die Taufe«, so heißt es in einer Quelle, »erhielt der Pastor in Oesede in der Zeit um 1670 von den Voll- und Halberben ein großes Roggenbrot (Schwarzbrot) mit einem Stück Fleisch und einen Schilling, dazu 9 Pfennig für das öffentliche Gebet und von den Paten als Opfergeld mindestens 9 Pfennig.« Einziger Haken bei der Sache: »Das Brot wurde […] nicht gebracht, der Pastor mußte es holen lassen«. Dieser Hinweis war vermutlich dem Umstand geschuldet, dass das schwarze Brot der Westfalen ein echtes Schwergewicht war: Nicht selten wog es zwischen 40 und 60 Pfund. Wie auch immer: Im 19. Jahrhundert hatte sich der Pumpernickel – zumindest in der Stadt – als Delikatesse durchgesetzt, wie eine Münstersche Quelle verrät: »Der Schinken aber und der Pumpernickel sind schon mehr das Gemeingut Aller. Ein Stück Weißbrod, mit Butter bestrichen, als Einlage einige derbe Schinkenstreifen und das Ganze mit einer Pumpernickel-Schnitte von der Dicke eines Messerrückens zugedeckt, ist ein nicht zu verachtender Genuß und schmeckt herrlich«. Diese Darstellung zeigt, wie sehr sich die kostengünstige Arme-Leute-Nahrung zu einem alles verfeinernden »Sahnehäubchen« entwickelt hat. Damit ist der Anfang zum Lifestyle-Produkt gemacht.


Wie es sich für einen echten Westfalen gehört: Gütertrennung gibt es nicht. Schon gar nicht bei der Herstellung des guten alten Schwarzbrots. Hier kommt alles gleichermaßen in den Teig. Tatsächlich besteht Schwarzbrot aus geschrotetem Roggen, bei dem alle Bestandteile verwertet werden: neben dem Mehlkörper zudem der Keimling, die Aleuronschicht sowie die Fruchtund Samenschale. Ein entscheidender Vorteil für den menschlichen Körper. Denn anders als bei herkömmlichen Mehlen kommen viele wundertätige Elemente zusammen. Alles in allem bietet der Pumpernickel folgende Stoffe:

Kohlenhydrate liefern die Energie für den menschlichen Körper und machen den weitaus größten Anteil des Roggenschrotes aus.

Pflanzliche Eiweiße sind für den Muskelaufbau und die Erneuerung der Körperzellen verantwortlich.

Ballaststoffe haben eine verdauungsfördernde Wirkung und helfen bei der Absenkung der Blutfettwerte.

Vitamine sorgen für einen reibungslosen Stoffwechsel.

Mineralstoffe übernehmen wichtige Funktionen etwa beim Aufbau von Knochen oder bei der Blutbildung.

Pflanzliche Fettsäuren können Herzund Kreislaufbeschwerden vorbeugen.

Sie sehen: Pumpernickel bietet den gesamten Kosmos an Stoffen, die der Mensch für eine gesunde Ernährung in der einen oder anderen Weise benötigt. Ein gefundenes Fressen also für unsere gesundheits- und schlankheitsbewussten Zeiten.


»Pumpernickel gehört zu Münster und dem Münsterland, wie Butter auf‘s Brot. Es ist ein fester und köstlicher Bestandteil der westfälischen Küche. Das ist seit Jahrhunderten so. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum der Päpstliche Gesandte Fabio Chigi im Jahr 1648 im Rahmen des Friedenskongresses zu Münster so abfällig über Pumpernickel als »unglaublichen Fraß« hergezogen ist. Wenigstens hat er in Rom die Bescheidenheit der Münsteraner lobend erwähnt: »Gott sei‘s geklagt, es gibt hier kaum etwas anderes als Regen und Pumpernickel.«

Markus Lewe,

Oberbürgermeister von Münster

R1 Das Brot an sich.

Was ist drin?

Ein knochentrockener Westfale würde wahrscheinlich recht schmucklos zwei, und wirklich nur zwei Zutaten verbal in den Raum werfen, aus denen Swattbraut oder Pumpernickel besteht, und damit basta! Sollte er ein wenig kreativ-fantasievoll angehaucht sein – und auch solche Westfalen gibt es – nennt er möglicherweise vier Zutaten, von denen aber mitnichten auch nur eine einzige Farbstoff, Hefe oder Rübenkraut ist, die man zum Leidwesen der Traditionalisten dennoch in vielen Pumpernickel-Rezepten und -Produkten findet. Vielmehr könnte man als Zutat drei und vier Zeit und Gefühl benennen, die es braucht, um aus Zutat eins und zwei – Roggenschrot und Wasser … und etwas Salz, dass hat der knorrige Westfale vergessen zu erwähnen – ein klebrig-saftiges, im Geschmack erdiges, aber auch süßliches Brot ohne Kruste zu fabrizieren. Dafür braucht es dann mindestens einen Tag, lassen wir es uns auf der Zunge zergehen: vier-und-zwan-zig Stunden, in denen der vorbereitete Roggenschrotteig in sorgsam verschlossenen Metallkästen bei nicht mehr als 110° C zur Vollendung gebracht wird. Backen kann man es kaum nennen, Dämpfen oder Garen wäre der richtigere Ausdruck.

Daher gibt es auch keine Kruste, aber in der langen Zeit kann die Stärke des Korns karamellisieren, wodurch der Pumpernickel schließlich die typische süße Note erhält, die ihn nicht nur für herzhafte Speisen geeignet sein lässt, sondern auch für sehr viele Desserts. Das Gefühl schließlich gibt dem Pumpernickel-»Bäcker« die Zeitabstände vor, in denen er ein wenig Wasserdampf über die Brotkästen sprüht, damit die Brote nicht so knochentrocken werden, wie besagte Westfalen. Die oben genannten pumpernickelfremden Zutaten werden von manchen Bäckern gerne benutzt, um in deutlich kürzerer Zeit zu einem ähnlichen Ergebnis zu gelangen, z. B. das Rübenkraut für die süße Note, denn in kürzerer Zeit ist die Stärke des Korns eben noch nicht karamellisiert.

Dabei kann man sogar im privaten Hausgebrauch auf relativ klassische Art und Weise Pumpernickel »backen«. Es ist alles nur eine Frage der Geduld, wir stellen Ihnen ein entsprechendes Rezept vor.

Vorab sei noch kurz erwähnt, dass Swattbraut eben doch nicht immer gleich Pumpernickel ist, zumindest wenn wir der Erklärung der letzten Swattbraut- und Pumpernickel-Bäckerei Münsters (Prünte) folgen, die wir fragten, wo der Unterschied ihrer beiden Produkte läge. Demnach sei Swattbraut die rustikalere Version mit 100 % grobem Roggenschrot, während für Pumpernickel ein Teil des Roggenschrots vorab nochmals feiner geschrotet wird (etwa 20 %), somit Schrot und schließlich Brot auch etwas feiner schmecken.


Hier nun also ein klassisches PUMPERNICKEL-Rezept, Zutaten für 1 Brot:

1000 g Roggen, in ganzen Körnern

3 Liter Wasser

2 EL Salz

500 g feines Roggenschrot

(beim ersten Backvorgang noch etwas Sauerteig, bei folgenden Backvorgängen kann man Teigreste von den vorigen Broten nehmen)

Die Roggenkörner unter fließendem Wasser gründlich ausspülen. In einem großen Topf mit der dreifachen Menge Wasser kurz zum Kochen bringen. Den Herd ausschalten und die Roggenkörner im Wasser mindestens 12 Stunden quellen lassen. Die eingeweichten Körner abschütten und durch einen Fleischwolf drehen. Die Scheibe sollte eine Stärke von 4 bis 5 mm haben. Die durchgedrehte Roggenmasse zusammen mit dem Roggenschrot, dem Salz und Sauerteig bzw. Teigresten in eine Rührschüssel geben und gut durchmischen. Die Masse mit dem Handrührgerät (Knethaken) 5-6 Minuten auf niedrigster Stufe rühren und dann noch einmal 10-15 Minuten auf höchster Stufe durchkneten. Die Pumpernickelmasse in eine ausreichend große Kastenform mit Deckel geben. Wer keine Form mit Deckel besitzt, kann auch eine oben offene Kastenform mit etwa fünf Lagen Alufolie fest ummanteln. Wichtig ist einfach, dass kein Dampf aus der Form entweicht!

Der Pumpernickel wird auf der untersten Schiene des Backofens in drei Stufen »gebacken«. Zunächst geht er für 45 Minuten bei 150° C in den Ofen, danach die Temperatur auf 100° absenken und für weitere 45 Minuten »backen«. Noch einmal den Ofen auf 75° herunterdrehen und den Pumpernickel in 24 Stunden »fertigbacken«.

Für die Umsetzung der folgenden Rezepte ist unbedingt zu erwähnen, dass Pumpernickel im Handel in verschiedensten Größen angeboten wird. Am bekanntesten sind sicherlich die kleinen Pumpernickel-Taler mit einem Durchmesser von ca. 4,5 cm (etwa 10 g pro Scheibe), die gerne für Fingerfood-Partys oder das klassische Buffet genutzt werden, aber auch größere runde Scheiben finden sich, z. B. vom Soester Pumpernickel-Bäcker Haverland (Durchmesser 8,5 cm, etwa 30 g/ Scheibe). Klassisch ist allerdings die rechteckige Kastenform, bei Münsters Bäcker Prünte ist das Pumpernickelbrot 11 x 9,5 cm (ca. 30 g/Scheibe) und das Swattbraut 12,5 x 12,5 cm (ca. 60 g/Scheibe). Wir benutzen in unseren Rezepten die rechteckigen Scheiben à 30 g oder die Taler à 10 g – was wir jeweils angeben – da sie im Handel am meisten verbreitet sind.


»Als münsterscher Bäcker in der 5. Generation hat man natürlich ein besonderes Verhältnis zu dieser urwestfälischen Brotspezialität. Ein westfälisches Schinkenschnittchen ohne Pumpernickel mit Butter ist für mich absolut undenkbar. Dieses leicht süße, saftige Geschmackserlebnis sollte sich keiner entgehen lassen, der sich Brotliebhaber nennt. Die Familie Prünte als letzte münstersche Pumpernickelbäckerei sorgt ja, Gott sei Dank, dafür, dass die Münsteraner/innen nicht auf ihr handwerklich hergestelltes Pumpernickel verzichten müssen.«

Georg Krimphove

Bäckermeister

H2 Ein hartes Brot. Herstellung

Schmeichelt das Schwarzbrot auch heutzutage unseren Sinnen, die Herstellung des westfälischen Schwarzbrotes selbst hatte mit Genuss nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil, es war – zumindest in früheren Zeiten – ziemlich hartes Brot. War die Ernte eingebracht, musste das Getreide zu einer Mühle transportiert werden. Dabei waren bisweilen lange Strecken in Kauf zu nehmen. Bis weit ins 19. Jahrhundert befanden sich die Mühlen in den Händen des jeweiligen Landesfürsten. Und die waren vor allem daran interessiert, dass ihre mahlenden »Goldesel« ausgelastet waren. Da ging jede weitere Mühle, die über den tatsächlichen Bedarf hinaus gebaut wurde, nur zu Lasten des landesherrschaftlichen Portefeuilles. Lange Wegstrecken waren also das Ergebnis einer bewussten Verknappung der Mahlressourcen. Weil viele Bauern weder über Pferd und Wagen verfügten, mussten diese Wege nicht selten per pedes apostulorum und mit dem Sack auf der Handkarre absolviert werden. Doch oh Wunder: In aller Regel waren die Säcke nach dem Mahlen leichter als vor dem Mahlen. Einerseits gut, weil der Bauer so weniger zu schleppen hatte. Andererseits schmälerten sich so seine Möglichkeiten des Gelderwerbs. Denn diese »Leichterung« war die Folge der Naturalabgabe, die der Bauer sowohl an den Landesfürsten als auch an den Müller zu entrichten hatte. Ein weiterer unangenehmer, weil unberechenbarer Störfaktor konnte das Wetter sein. Ausbleibender Wind oder anhaltender Frost führte zu unangenehmen Wartezeiten, weil die Mühle ihr Werk nicht tun konnte. Zudem konnte der gute westfälische Landregen An- wie Abfahrt zu einem Abenteuer machen, weil die Wege tief und morastig wurden. Waren diese vielfältigen Hürden aber einmal genommen, und war der gute Landmann glücklich mit seiner Ware zuhause angekommen, konnte es endlich ans Backen gehen. Auch dies ein kraftraubendes Unterfangen.


Ein Teil des Roggenschrots wurde abends mit heißem Wasser vermengt, so dass es über Nacht aufquellen konnte. Hierfür benutzte man längliche Tröge mit Längen bis zu 4 m, die aus dicken Bohlen zusammengezimmert oder aus Baumstämmen geschlagen waren. Hinzu kam dann Sauerteig, der die Aufgabe hatte, die Gärung anzukurbeln und so den Brotteig aufzulockern. (Ohne diesen Zusatz wäre der Pumpernickel genau das, was man ihm ohnehin Jahrhunderte lang nachsagte: ein schwerer, nur schlecht verdaulicher Klumpen). Da dieser Prozess gut und gerne auch durch alte Teigreste in Gang kam, hat man darauf verzichtet, die Backtröge nach jeder Nutzung gründlich zu reinigen. Denn die darin anhaftenden Überbleibsel des Vorgängerteiges taten hier ihr blähendes Wunder. Die mangelnde Reinigung des Troges galt deshalb hierzulande auch nicht als Ausdruck von Schlampigkeit, sondern als eine gezielte Vorbereitung des nächsten Backganges. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Am nächsten Tage wurde der restliche Teil des Roggenschrotes hinzugegeben und miteinander vermengt. Nun müssen Sie sich vorstellen, dass dieser mit Wasser vollgesogene Roggenschrot sehr schwer war. Deshalb war das gründliche Durchkneten und -walken eine äußerst kräfteraubende Angelegenheit. Es sei denn, man bediente sich innovativer Ideen. So haben vornehmlich Männer den Teig – Stichwort »walken« – noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein mit den nackten Füßen bearbeitet. Eine erhebliche Erleichterung, weil ein wesentlicher Anteil der benötigten Kräfte durch die natürliche Schwerkraft des Körpers bereitgestellt wurde. Nachdem nach mehreren Bearbeitungsgängen die Homogenität des Teiges sichergestellt worden war, wurde er mit Hilfe eines spezielle Spatens – »Deegschüppe« oder »Deegstiäcke« genannt – aus dem Backtrog geholt, portioniert und in eine große, eckige Form geschlagen. Da lagen sie nun – echte »Kanten« mit einem Gardemaß von nicht selten einem halben Meter. Bernd, das Brot, lässt grüßen.

 

Nun kam der Teig in den Ofen. Aber stellen Sie sich bitte nicht eine handelsübliche Backröhre von Miele oder Siemens vor. Der Backofen des gemeinen Landmannes bestand bis ins 20. Jahrhundert aus einem simplen Hohlraum, der aus Backsteinen gemauert war. Funktionen wie Heißluft, Umluft, Grillen, Auftauen und Infrabraten gab es nicht. Dieser Hohlraum wurde zunächst mit Hilfe von Brennmaterial, wie z. B. Holz oder Torf, aufgeheizt. War die notwendige Hitze erreicht, wurden die Reste des Brennmaterials entfernt, danach der Ofen mit den Teiglingen bestückt. Hierfür nutze man einen Brotschieber, der allerdings mit den Teigspaten nicht zu verwechseln ist. Nun wurde die Ofenklappe vor die mundförmige Öffnung (das so genannte Mundloch) geklemmt und mit Hilfe von Lehm o. Ä. abgedichtet. Das Ziel war, dass so wenig Hitze wie möglich verloren ging. Dieses Setting hatte enorme Konsequenzen auf das Endprodukt. Denn dadurch wurde gleichzeitig der Luftaustausch mit der Außenluft verhindert. Die Folge: Die Feuchtigkeit, die durch die hohen Temperaturen aus dem Teig herausgetrieben wurde, konnte nicht entweichen, sondern verblieb im Ofen. Hinzu kam, dass die Temperatur nicht höher als 100° C war. Das bewirkte, dass die Brote in dem eher feucht-warmen Tropenklima weniger buken als garten. Dieses lange Garen im eigenen Dunst, das nicht selten bis zu 24 Stunden dauerte, bewirkte, dass die Mehlstärke sich in Zucker verwandelte, der daraufhin karamellisierte und für die dunkle Einfärbung des Brotes sorgte. Das Backen des Pumpernickels war also ein äußerst komplexer, anspruchsvoller Prozess.


Bereits die frühesten Öfen waren freistehend. Der Grund lag darin, dass im Falle eines Brandes das Feuer nicht auf die umliegenden Gebäude übergreifen konnte. Das Ofengewölbe dieses frühen Typs wurde auf einem Sandfundament gelagert und dann oberhalb mit einer dicken Lehmpackung und einer Schicht aus Grasplaggen bepackt. Nicht selten wurde der Ofen zudem mit einem Satteldach versehen, damit er vor Regen geschützt war. Im 16. Jahrhundert wurde der Ofen zunehmend im Rahmen eines Gebäudes realisiert: dem Backhaus. Es ermöglichte den Bauern, unabhängig vom Wetter zu arbeiten. Zudem wurde der Dachboden als Speicher benutzt. Der Backofen war in der Regel an den Hintergiebel angebaut und wurde von innen beschickt. Auch dieser Typ befand sich aus Gründen der Feuergefährlichkeit fernab der Wohn- und Wirtschaftsgebäude. Eine besondere Erwähnung verdient die spezielle Form der Lüftung. Denn Kamine, durch die die Düfte und Rauchgase abgeführt werden konnten, waren in früher Zeit noch unbekannt. Ihre Funktion übernahm bis auf weiteres die Backhaus-Tür. »Aus diesem Grund war sie meistens in der Mitte quergeteilt: Stand die obere Hälfte offen, so konnte der Rauch abziehen, während dem auf dem Hofgelände frei herumlaufenden Vieh gleichzeitig der Weg zu den verlockenden Brotdüften versperrt war«. Erst nach und nach wurden die Backöfen mit Rauchabzügen versehen. Man sieht also, dass der Trend zum Hi-Tech-Ofenbau ungebrochen war. Und ein Ende des Fortschritts war nicht in Sicht. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wechselte das Backen des täglichen Brotesc vom Bauernhaus auf professionelle Bäckereien über. Damit »verschwand das Westfälische Schwarzbrot als Alltagsspeise vom Tisch der ländlichen Bevölkerung. Dafür fand es, nun in verfeinerter Form von Brotfabriken hergestellt und in Delikatessenläden und Konditoreien angeboten, überraschenderweise seine Liebhaber weit über Westfalens Grenze hinaus.«


»Pumpernickel kann man essen oder auch lesen. Als Einblick in vergangenes münsterländisches Leben sehr empfehlenswert: ›Weihrauch und Pumpernickel‹ von Otto Jägersberg.«

Jürgen Kehrer,

Autor der Wilsberg-Krimis

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