Loe raamatut: «Estrichgeschichte»
Walter Böhl
Estrichgeschichte
Estrich im Wandel der Zeiten
Für Brigitte
1. Auflage 2017
© 2017 by Holzmann Medien GmbH & Co. KG, 86825 Bad Wörishofen
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Lektorat: Achim Sacher, Holzmann Medien | Buchverlag
Layout und Satz: Markus Kratofil, Holzmann Medien | Buchverlag
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
ISBN (Print): 978-3-7783-1218-6 | Artikel-Nr. 1523.01
ISBN (E-Book): 978-3-7783-1219-3 | Artikel-Nr. 1523.99
Vorwort des Autors
Estriche waren schon zu allen Zeiten materialtechnologisch und handwerklich komplexe Konstruktionen. Die Geschichte des Estrichs geht bis an den Anfang der Baugeschichte zurück – vielleicht war es sogar der Beginn des Bauens überhaupt.
Heute denkt man bei Estrich meist an den erst in der Nachkriegszeit entstandenen schwimmenden Estrich, der nur noch eine technische Funktion hat und ansonsten ein unsichtbares und unbeachtetes Dasein unter Bodenbelägen fristet.
Das vorliegende Werk soll die faszinierende Geschichte des Estrichs aufzeigen und dazu beitragen, diesem Bauteil den Stellenwert einzuräumen, den schon Vitruv im ersten Jahrhundert vor Christus erkannt hat. In seinen „Zehn Büchern über die Architektur“, dem ersten umfassenden Werk über Architektur überhaupt, lautet die Beschreibung des Estrichs wie folgt:
„Und zuerst will ich mit dem Estrich beginnen, der die erste Stelle der Innenausstattung einnimmt, sodass man seiner Haltbarkeit sorgfältig und mit großer Vorsicht Rechnung tragen soll.“
Mit Gips- und Kalkestrichen entstanden schon vor Jahrtausenden Fußböden, die man als Kunstwerke einstufen muss. Die Ausführung erfolgte mit hoher handwerklicher Fertigkeit. Bis in die 50er-Jahre war es selbstverständlich, Estriche als wohnfertigen Fußboden herzustellen. Dann verschwand der Estrich unter Bodenbelägen und führt seitdem ein Dasein im Verborgenen. Dem entspricht leider auch die öffentliche Wahrnehmung dieses sehr komplexen Bauteils und seines Handwerks.
Es ist deshalb an der Zeit, sich mit der Historie dieses Bauteils zu befassen. Man wird faszinierende Facetten erkennen.
Waiblingen, im Mai 2017
Walter Böhl
Geleitworte
Es war wirklich an der Zeit, die Geschichte des Estrichs darzustellen und damit aufzuzeigen, dass die Ausführung von Estrichen schon seit Jahrtausenden ein wesentlicher Bestandteil der Baugeschichte ist. Insbesondere die Darstellung der Entwicklungen in den 50er- und 60er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind schon fast in Vergessenheit geraten.
Möge dieses Buch ins Bewusstsein rufen, dass Estrich mehr ist als nur der unsichtbare und meist unterschätzte Bauteil unter irgendwelchen Belägen.
Michael Schlag Vorsitzender des Bundesverbands Estrich und Belag e. V.
Diese Geschichte des Estrichs ist nicht nur spannend, sie rückt auch die Komplexität dieses Bauteils und seine Bedeutung im Baugeschehen ins rechte Licht. Jeder, der sich heute mit Estrich beschäftigt, sei es als ausführender Estrichleger, Planer oder Bauherr, sollte auch dessen Geschichte kennen und sich der Komplexität bewusst sein. Vielleicht bringt er diesem traditionsreichen Gewerk dann wieder mehr Wertschätzung entgegen.
Simon Thanner Vorsitzender der Bundesfachgruppe Estrich und Belag im Zentralverband des Deutschen Baugewerbes
Herr Walter Böhl hat mit diesem Buch „Estrichgeschichte“ vieles niedergeschrieben, was etliche von uns in diesem Umfang nicht gewusst oder gar nicht geahnt haben.
Wenn man die Geschichte des Estrichs liest, wird einem aufmerksamen Leser nicht entgehen, dass die einzelnen Perioden einer Entwicklung oder Technik sich rasant verkürzen und verändern. Das Paradoxon an diesem Zustand ist, dass gerade die kurzlebigen Dinge einen immer größeren Stellenwert und höhere Wertigkeit in unserer Gesellschaft einnehmen. Alles Neue ist toll. Das Alte, Bekannte, Erfahrene und Erlernte wird oftmals zu Unrecht missachtet und nicht wertgeschätzt. Dieses Buch lässt den einen oder anderen Leser sicher die wahren, wichtigen und wertvollen Dinge unseres Handwerks erkennen.
Ich glaube, dieses Buch hilft vielen, ein ausgewogenes Maß aus Erfahrungen der Vergangenheit, dem Erleben der Gegenwart und den Visionen der Zukunft zu finden.
Michael Ruhland Vorsitzender der Bundesfachschule Estrich und Belag e. V.
Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
Vorwort des Autors
Geleitworte
I. Was ist Estrich überhaupt?
II. Zeitliche Einordnung
III. Verschiedene Arten von Estrich
1. Lehmestrich
2. Gipsestrich
3. Kalkestrich
4. Vitruv
5. Zementestrich
6. Magnesiaestrich
7. Verbände
8. Steinholzestriche
9. Der schwimmende Estrich
10. Fördertechnik
11. Heizestrich
IV. Estrichnormung
Quellenverzeichnis
Bildnachweis
Der Autor
I. Was ist Estrich überhaupt?
Erstmals ist der Begriff „Estrich“ in der DIN EN 13318 „Estrichmörtel und Estriche – Begriffe“ im Jahre 2000 normativ definiert worden. Das sind mindestens 30.000 Jahre, nachdem zum ersten Mal ein Estrich verlegt wurde. [1] In der DIN EN 13318 heißt es im Abschnitt 2.2 in schönstem Normendeutsch:
„ Estrich ist eine Schicht oder Schichten aus Estrichmörtel, die auf der
Baustelle direkt auf den Untergrund, mit oder ohne Verbund, oder auf einer zwischenliegenden Trenn- oder Dämmschicht verlegt wird, um eine oder mehrere der nachstehenden Funktionen zu erfüllen:
eine vorgegebene Höhenlage zu erreichen;
einen Bodenbelag aufzunehmen;
unmittelbar genutzt zu werden. “
Diese Definition ist sehr weit gefasst. Demgemäß ist sowohl eine dünne Spachtelmasse als auch ein 25 cm dicker Betonboden in einer Industriehalle ein Estrich.
Heute werden in der DIN 18560 Estriche im Bauwesen [2] folgende Estriche genannt: Zementestrich, Calciumsulfatestrich, Magnesiaestrich, Gussasphaltestrich, Kunstharzestrich.
Bei dieser Betrachtung muss man noch den Lehmestrich und den Kalkestrich dazunehmen. Gussasphalt und Kunstharzestrich werden dafür weggelassen, das würde ansonsten zu umfangreich werden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich deshalb auf die mineralischen Baustoffe.
II. Zeitliche Einordnung
Die nachfolgende Abbildung zeigt die genannten Estriche auf einem Zeitstrahl bis 30.000 v. Chr. Dabei fällt auf, dass es vom Lehmestrich erst ab ca. 5000 v. Chr. eindeutige Nachweise gibt. Es ist aber durchaus plausibel, dass der Lehmestrich, dessen Material von der Natur ja praktisch gebrauchsfertig geliefert wird, schon viel früher ausgeführt wurde. Man muss nur daran denken, dass sich die Menschen vor 35.000 bis 40.000 Jahren bereits mit Musik und bildender Kunst beschäftigt haben, wie die Funde des Löwenmenschen von Asselfingen, der Venus von Schelklingen und der Flöte vom Gaisenklösterle zeigen. Alle diese Funde wurden auf die Jahre um 35.000 bis 40.000 v. Chr. datiert. Es ist deshalb naheliegend, dass unsere Vorfahren auch schon den Boden ihrer Behausung am Eingang einer Höhle eingeebnet oder hergerichtet haben, auch wenn diese Behausung nur temporär benutzt wurde.
Versuch der zeitlichen Einordnung der Estricharten auf einem Zeitstrahl von 30.000 v. Chr. bis heute.
Herbert Pothorn bringt das in seinem Buch „Baustile“ [3] sehr schön zum Ausdruck. Er umschreibt dies wie folgt:
„Die vorgefundene Höhle war dem Menschen bald nicht gut genug. Das Erste, was er zu ihrer Verbesserung getan haben mag, war, den Boden zu ebnen, zu graben, plattenförmige Steine zu legen, Sand und Lehm aufzuschütten und festzustampfen. Das war der Anfang des Bauens.“
Sicher gab es schon viel früher einfache Asthütten oder zeltartige Konstruktionen, die einen leidlichen Witterungsschutz boten. Wenn man aber vom massiven Bauen ausgeht, muss man Pothorn zustimmen. Fußbodenbau war der Anfang des Bauens!
Von den Lehm-Estricharbeiten unserer Vorfahren sind zwar keine wissenschaftlich haltbaren Beweise übriggeblieben. Das ist jedoch für den Baustoff Lehm typisch. Es bildeten sich neue Schichten durch Ablagerungen oder durch menschliche Tätigkeit. Lehm „verschmolz“ mit diesen neuen Schichten. Deshalb sind die Spuren einer einfachen Bearbeitung, wie z. B. einer Einebnung oder Pflasterung mit Steinen, nicht mehr nachweisbar. Trotzdem kann man bei aller Unsicherheit annehmen, dass der Lehmestrich spätestens ab 35.000 v. Chr. plausibel ist.
III. Verschiedene Arten von Estrich
1. Lehmestrich
1.1 Erste Nachweise von Lehmestrich
Erste wissenschaftlich haltbare Beweise von Lehmestrich finden sich erst relativ spät, ab ca. 5000 v. Chr. im Nahen Osten und in Europa ab ca. 4500 v. Chr. (frühe Bandkeramikkultur) in sogenannten Langhäusern. [4] Diese Befunde schließen allerdings viel frühere Ausführungen nicht aus. Die verhältnismäßig spät datierten Funde sind deshalb wissenschaftlich eindeutig, da sich unter der Lehmestrichschicht Vorlageschichten aus Steinen, teilweise auch aus Ästen nachweisen ließen.
Ab 5000 v. Chr. finden sich auch in Hünengräbern (Megalithkultur) Fußbodenaufbauten, die aus einer Unterschicht aus Rollsteinen und darauf einem Lehmestrich bestehen. [5] Diese Konstruktion nennt man „Diele“. Der Begriff hat sich bis heute gehalten. Teilweise wurden auch Lehmplatten verwendet, die an anderer Stelle hergestellt wurden. [6] Wenn man so will, kann man das als ersten Fertigteilestrich bezeichnen.
Lehmestrich war im ländlichen Bereich bis in die neuere Neuzeit weit verbreitet. Und zwar nicht nur in Tennen und Scheunen, sondern auch in Wohnräumen. Er wurde sowohl auf ebener Erde als auch auf Holzbalkendecken ausgeführt, was einen guten Brandschutz und eine Schalldämmung ergab. Bis fast in unsere Zeit unterhielt jedes Gehöft eine eigene Lehmgrube, um die verschiedensten Arbeiten und Ausbesserungen an den Gebäuden vornehmen zu können. [7]
Lehmestrich in der „Pesel“, der „guten Stube“, im Ostenfelder Bauernhaus in Husum (Bild: Museumsverbund Nordfriesland).
1.2 Baustoff Lehm
Ton ist eine staubförmige Gesteinsverwitterung, die durch Wind oder Wasser verlagert wird. Lehm ist eine mit Ton vermischte Gesteinskörnung. Zwischen Lehm und Ton gibt es keine scharfe Trennung. Der Zusammenhalt erfolgt ohne chemische Reaktion durch die sehr feinen Teilchen des Tons (Teilchengröße < 0,001 mm) durch Van-der-Waals-Kräfte (Van-der-Waals-Wechselwirkung). Diese sind zwar relativ klein, reichen aber aus, um ausreichende Festigkeiten für verschiedene Anwendungsgebiete zu gewährleisten.
Materialdaten von Lehmmörtel
Nachstehende Prüfwerte von Lehmmörtel wurden an der TU Berlin [8] beim Bau der Versöhnungskirche in Berlin, die ganz aus Lehm gebaut wurde, ermittelt. Die Prüfwerte können sich durch die Zusammensetzung des Lehmmörtels erheblich ändern:
Druckfestigkeit: 2,4 N/mm2
Biegezugfestigkeit: 0,52 N/mm2
Scherfestigkeit: 0,62 N/mm2
Schwindmaß: 0,25 %
Kriechmaß: 0,2 %
Wärmedehnung: 0,005 mm/mK
Wärmeleitfähigkeit: 0,6 bis 0,9 W/mK
Versöhnungskirche Berlin. Tragende Wände und Fußboden aus Stampflehm (Bild: Bruno Klamfar, Architektur Rudolf Reitermann und Peter Sassenroth, Ausführung Lehm Ton Erde Baukunst GmbH).
1.3 Handwerkliche Ausführung von Lehmestrich
In der handwerklichen Ausführung von Lehmestrich unterscheidet man die nasse und die trockene Methode.
Verarbeitungsfertige Konsistenz bei der nassen Methode. Hier sind Strohhäcksel als „Faserbewehrung” eingemischt (Bild: Gideon Weinrich).
Verarbeitungsfertige Konsistenz bei der trockenen Methode (Bild: Walter Böhl).
Die nasse Methode
Bei der nassen Methode wird der Lehm durch Mischen mit Wasser in eine weichbreiige Konsistenz gebracht. In Ermangelung von Mischmaschinen hat man Wasser und Lehm in Gruben geschüttet und barfuß durch Treten vermischt. Hilfsweise hat man auch ein Tier, z. B. ein Rind, in dieser Grube im Kreis laufen lassen.
Der Estrichmörtel wird dann in breiiger Konsistenz verlegt. Bei der nassen Ausführung entstehen beim Trocknen erhebliche Risse, die immer wieder zugestampft werden müssen, oder man nimmt diese einfach in Kauf und wartet, bis sie sich durch die laufende Benutzung von alleine schließen. Das benötigt allerdings viel Zeit.
Mischen von Lehm nach der nassen Methode. Das Mischen erfolgt durch Treten mit den Füßen. Teilrekonstruktion der hethitischen Stadtmauer in Boğazköy-Hattuša (Bild: Archiv der Boğazköy-Expedition des Deutschen Archäolgischen Instituts; Rekonstruktion einer hethitischen Stadtmauer [Jürgen Seher]).
Verlegen von Lehmestrich nach der nassen Methode. Boğazköy-Hattuša (Bild: Archiv der Boğazköy-Expedition des Deutschen Archäolgischen Instituts [Jürgen Seher]).
Typische Schwundrisse bei der nassen Methode (Bild: Walter Böhl).
Lehmestrich nach längerer Gebrauchsdauer mit geschlossenen Rissen (Bild: Walter Böhl).
Verlegung von Lehmestrich nach der trockenen Methode (historisch)
Der ausgegrabene Lehm wurde in Schichten von ca. 8 cm grob auf der Fläche verteilt und dann mit hölzernen Schlegeln so lange geschlagen, bis durch die Schläge keine Eindrücke mehr entstanden. Die endgültige Schichtdicke betrug bei Böden gegen Grund mit hoher Beanspruchung, wie z. B. Tennen, ca. 30 cm, in den übrigen Räumen ca. 15 cm und auf Balkendecken ca. 8 cm. Nachdem eine Schicht abgetrocknet war, zeigten sich Risse, die erneut zugeschlagen wurden. Die weiteren Schichten wurden in gleicher Art hergestellt. Zum Schluss wurde die Oberfläche vergütet. [7]
Diese Beschreibung ist etwas generalisiert. Die genauen Methoden unterscheiden sich im Detail. Örtlich haben sich unterschiedliche Methoden entwickelt, die auch davon abhängen, ob der Lehm fett oder mager ist. Man kann z. B. den Lehm vor Einbau fein zerhacken (zerkrümeln) und ihn so gleichmäßig einbauen oder in größeren Brocken auf die zu belegende Fläche aufbringen und ihn dort zerhacken und feststampfen. Es haben sich auch Mischformen der Verarbeitung entwickelt. Aus der „Enzyklopädie der Wissenschaft und Künste“ von 1843 [9] wurde folgende Verarbeitungsanleitung entnommen:
„ Das Verfahren auf dem nassen Wege wird wie folgt gelehrt. Man grabe den Boden da, wo es nöthig ist, wo nämlich die Tenne mit der äußeren Bodenfläche waagrecht oder doch nur ein Wenig über derselben erhöht liegen soll, etwa 1 Fuß tief und darüber aus, ebne die Grundfläche und fülle das Ganze mit kleinen Kieseln. Die eben gerecht und fest zusammengestoßen werden. Über diese Kiesellage bringe man eine etwa 4 Zoll dicke Lage trockenen, klein geschlagenen Thones und stampfe diesen fest. Darauf schütte man nach und nach mit Wasser verdünnten Thon, so wird sich die Feuchtigkeit in die untere trockene Lage hineinziehen und die obere leicht erhärten. Hier aber entstehen Risse; diese schlägt man jetzt mit Pritschbläueln sorgfältigst zusammen, bis die Oberfläche vollständig geebnet und der Estrich trocken ist. Nun nimmt man Rindsblut, zur Häfte mit Wasser und mit dem feinsten Thone vermischt, und trägt diese Mischung mit einem Maurerpinsel auf. Wenn dieser Überzug trocken ist, wiederhole man ihn noch einige Male, und so lange bis keine Risse mehr sichtbar werden. “
Stampfwerkzeuge für Lehmestrich (Bild: Walter Böhl).
1.4 Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung
Lehmestriche ohne eine weitere Vergütung stauben und sind gegenüber kratzender Beanspruchung empfindlich. Für höhere Ansprüche wurden deshalb schon früh zahlreiche Methoden zur Verbesserung entwickelt, auf die man die heute üblichen Fachbegriffe durchaus anwenden kann.
Faserbewehrung
Bei der nassen Methode wurde alles, was faserig ist, z. B. Strohhäcksel, Roggenspelzen oder Tierhaare, beigemischt. Dadurch wurde vermieden, dass sich einzelne große, dafür aber viele kleine Risse bildeten, die leicht zu schließen waren.
Polymermodifizierung
Eine weitere Verbesserung der Mörteleigenschaften wird auch schon sehr früh beschrieben. [7 / 9] Man nahm Blut, verdünnte dies im Verhältnis von 1 : 2 und gab es bereits während des Mischvorgangs für die oberste Schicht zu. Eine weitere Möglichkeit bestand darin, das verdünnte Blut während des Schlagens der Oberfläche einzuarbeiten oder die fertige Oberfläche damit zu behandeln. Einige Literaturstellen berichten auch von der Zugabe von Milch bzw. Milchprodukten. Das wirkte auch wie ein Plastifikator bzw. Verflüssiger.
Verflüssiger
Man hat wohl beim Einsatz von Rindern während des Durchmischens des Mörtels empirisch festgestellt, dass sich auch Urin als Verflüssiger eignet. Somit wurde also weniger Wasser benötigt, um die gleiche Mörtelkonsistenz zu erreichen.
Hartstoffeinstreuung
Sowohl bei der nassen als auch bei der trockenen Methode kann man zusätzlich Sand in die Oberfläche einstampfen. Es gibt zahlreiche Literaturstellen, die auch das Einstampfen von Hammerschlag beschreiben. Hammerschlag ist der metallische Abfall, der beim Schmieden anfällt. Das wäre fast eine frühe Anwendung der Hartstoffgruppe M. [7] Praktisch war das wohl die Ausnahme, obwohl es sehr oft erwähnt wird. Hauptsächlich ist wohl Sand verwendet worden. Nach heutigem Sprachgebrauch wäre das eine integrierte Verschleißschicht.
Imprägnierung
Sowohl bei der nassen als auch bei der trockenen Methode bleibt die Oberfläche staubig. Bei bestimmten Arten der Nutzung, z. B. in einer Küche, stellte sich aber nach einiger Zeit eine dichte, „speckige“ Oberfläche ein, die nicht mehr staubte. Dadurch hat man wohl die Erfahrung gewonnen, dass man diesen Effekt auch durch Einlassen der Oberfläche mit Fetten und insbesondere auch durch trocknende Öle, wie z. B. Leinöl, erreichen konnte. [7]
1.5 Fertigteilestrich
In Hünengräbern wurden Lehmestriche in Platten gefunden, deren Fugen verstrichen (verfugt) waren. Der Lehm stammte nicht aus der unmittelbaren Umgebung. [6] Es ist deshalb anzunehmen, dass diese Lehmplatten nicht an Ort und Stelle, sondern woanders hergestellt und getrocknet wurden. Auf diese Art und Weise wurden auch Lehmziegel hergestellt.
Lehmestriche wurden auch noch in der neueren Zeit in Kellerräumen ausgeführt. Dann verschwanden der Lehmestrich und der Lehmbau in Deutschland fast völlig. 1971 wurden alle Normen und Vornormen, die sich mit Lehmbau befassten, ersatzlos zurückgezogen. Erst seit August 2013 gibt es wieder „Lehmnormen“.
1.6 Lehmestrich heute
Mittlerweile gibt es eine sehr agile Lehmbauszene. Der Dachverband Lehm e. V. hat ca. 300 Mitglieder. [10] Es gibt auch Literatur, Seminare, Forschungsarbeiten und detaillierte Verarbeitungsanleitungen für Lehmestrich. Als Estrich kommt heute nur noch die trockene Methode in Form von „Stampflehmboden“ zum Einsatz. Das Material wird entweder erdfeucht und feinkrümelig in Big Bags angeliefert oder einer Lehmgrube entnommen und in einem Zwangsmischer zerkrümelt.
Dazu wird nachstehend eine Verarbeitungsanleitung der Firma Lehm Ton Erde Baukunst GmbH in Schlins, Österreich, wiedergegeben:
Stampflehmboden
„ Lehmböden sind geprägt von ihrer heterogenen Oberfläche, weisen feine Mikrorisse auf und haben dadurch keine Oberflächenspannung. Sie wirken im Gegensatz zu zementgebundenen Böden weich, obwohl sie extrem hart und strapazierfähig sind. Stampflehmböden sind fugenlos einbaubar, wirken durch ihre Farbnuancen lebendig und sind stets ein Unikat.
Die Herstellung eines Stampflehmbodens erfordert ein großes Maß an Erfahrung. Die Ausführung erfolgt in mehreren Etappen und über einige Wochen.
Erdfeuchtes Material wird ca. 15 cm stark plan aufgezogen und verdichtet. Der Verdichtungsprozess erfolgt zunächst mit einem Handstampfer, wobei von Trittbrettern aus und später mit Glättschuhen gearbeitet wird. Danach wird mit einer kleinen, bis zu 240 kg schweren Vibrationsplatte verdichtet. Nach dem Verdichten wird die Oberfläche mit dem aus dem Lehmmaterial hergestellten Schlicker verspachtelt, abgeschabt mit Quarzsand und mit einer Einscheibenmaschine abgerieben. Durch den Schlamm sind alle Fugen, Öffnungen und Unebenheiten ausgefüllt, Steine bleiben jedoch sicht- und spürbar. Bei störenden Unebenheiten wird der Lehmboden mit einem Diamantflächenschleifer leicht abgeschliffen, dadurch entsteht ein terrazzoähnlicher Effekt, der die Oberfläche zusätzlich noch strapazierfähiger macht.
Durch den Trocknungsprozess schwindet der Lehm, und der Boden ist übersät mit vielen kleinen Rissen. Dank dieser Mikrorisse baut der Lehmboden keinerlei Spannungen auf und ist relativ elastisch. Nach dem vollständigen Austrocknen wird die Oberfläche mit Casein und Wachs imprägniert, sodass der Lehmboden sehr pflegeleicht und im Wohnbereich uneingeschränkt nutzbar ist. Die Farbigkeit kann entsprechend den Anforderungen angepasst werden.“
Heizungsrohre werden abgedeckt und überhöhte Abziehlehren hergestellt (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Überhöhtes Abziehen des Estrichs (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Mit einem Handstampfer wird von Trittbrettern aus vorverdichtet (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Endgültig wird mit einer Rüttelplatte verdichtet (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Verdichtung der Ränder von Hand (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Schleifen der Oberfläche (Bild: Lehm Ton Erde Baukunst GmbH).
Schleifen der Oberfläche (Bild: Uwe Wirthwein, Lehmprojekt).
Abschließende Oberflächenbehandlung mit Wachsemulsion (Bild: Lehm Ton Erde Baukunst GmbH).
Fertiger Stampflehmestrich in einem Wohnraum (Bild: Bruno Klomfar, Ausführung Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Architektur Nägele Waibel ZT GmbH).
Oberfläche des Stampflehmestrichs (Bild: Bruno Klomfar, Ausführung Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Architektur Nägele Waibel ZT GmbH).