Loe raamatut: «Hauptwerke: Der Kaufmann von Venedig, Der Widerspenstigen Zähmung, Die Komödie der Irrungen, Ein Sommernachtstraum, V...», lehekülg 15

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Dritte Szene

Straße.

Antipholus von Syrakus.

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Kein Mensch begegnet mir, der mich nicht grüßt,

Als sei ich ihm ein längst bekannter Freund,

Und jedermann nennt mich bei meinem Namen.

Der bietet Gold mir an, der lädt mich ein,

Der dankt mir für erzeigte Höflichkeit,

Der schlägt mir vor, ihm Waren abzukaufen;

Erst eben rief ein Schneider mich ins Haus

Und zeigte Stoffe, die er mir gekauft,

Und nahm zugleich das Maß mir ohne weitres.

Gewiß, Trugbilder sind's der Phantasie,

Und Lapplands Hexenmeister wohnen hier.

Dromio von Syrakus kommt.

DROMIO VON SYRAKUS. Herr, hier ist das Gold, das ich Euch holen sollte. Nun, wo habt Ihr denn das Bild des alten Adam im neuen Rocke gelassen?

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS. Was für Gold ist dies? Welchen Adam meinst du?

DROMIO VON SYRAKUS. Nicht den Adam, der das Paradies hütete, sondern den Adam, der das Gefängnis hütet; den, der mit dem Fell des Kalbes angetan ist, das für den verlornen Sohn geschlachtet ward; den, der hinter Euch herkam, Herr, wie ein böser Engel, und Euch Eurer Freiheit entsagen hieß.

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS. Ich verstehe dich nicht.

DROMIO VON SYRAKUS. Nicht? die Sache ist doch klar! Ich meine den, der wie eine Baßgeige in seinem ledernen Futteral geht; den Kerl, Herr, der, wenn einer müde wird, ihn auf die Schulter klopft und ihn zum Sitzen nötigt; der sich über die Wildfänge erbarmt und sie zu gesetzten Leuten macht; den ein Gläubiger aussendet, um die Verleugner einzufangen –

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS. Was? du meinst einen Häscher?

DROMIO VON SYRAKUS. Ja, Herr, den schriftgelehrtesten aller Häscher; denn er weiß immer genau, ob sich einer verschrieben hat, und seine Hauptgeschicklichkeit besteht im bündigen Schließen.

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS. Nun, Freund, komm auch mit deinen Possen zum Schluß! Geht heut abend noch ein Schiff ab? Kommen wir fort?

DROMIO VON SYRAKUS. Ei, Herr, ich brachte Euch schon vor einer Stunde den Bescheid, daß die Jacht »Geschwindigkeit« heut abend in See stäche; da hielt der Häscher Euch auf, und Ihr mußtet erst das Boot »Aufschub« abwarten. Hier sind die Engel, nach denen Ihr schicktet, die Euch befreien sollen.

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Der Bursch ist ganz verwirrt, das bin ich auch;

Wir wandern unter Trug und Blendwerk hier;

Ein guter Geist entführ' uns bald von hinnen! –

Eine Kurtisane tritt auf.

KURTISANE.

Willkomm', willkommen, Herr Antipholus!

Ich seh', Ihr habt den Goldschmied jetzt gefunden;

Ist das die Kette, die Ihr mir verspracht?

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Satan, zurück! Führ' mich nicht in Versuchung!

DROMIO VON SYRAKUS. Herr, ist dies Mädchen der Satan?

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS. Es ist der Teufel.

DROMIO VON SYRAKUS. Nein, sie ist noch was Schlimmres, sie ist des Teufels Großmutter; und hier kommt sie und scheint ins Feld wie eine leichte Schöne oder eine schöne Leuchte. Denn, wenn die leichten Dirnen sagen, »Gott verdamme mich«, so heißt das eigentlich so viel als »Gott laß mich eine Leuchte werden«: denn es steht, geschrieben, sie erscheinen den Menschen wie leuchtende Engel; alle Leuchten aber sind feurig, und Feuer brennt; ergo, wenn sie zu den Leichten gehören, verbrennt man sich an ihnen; darum kommt ihr nicht zu nah!

KURTISANE.

Eu'r Bursch und Ihr seid heut sehr aufgeräumt;

Kommt mit, wir essen noch zu Nacht ein wenig.

DROMIO VON SYRAKUS. Herr, wenn's Suppe gibt, so seht Euch nach einem langen Löffel um!

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS. Warum, Dromio?

DROMIO VON SYRAKUS. Nun, mein' Seel', der braucht einen langen Löffel, der mit dem Teufel ißt.

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Fort, böser Geist! Was sagst du mir von Essen?

Du bist 'ne Hexe, wie ihr alle seid;

In's Himmels Namen: Laß von mir und geh! –

KURTISANE.

Gebt mir den Ring, den Ihr bei Tisch mir nahmt

Oder vertauscht die Kette für den Demant;

Dann geh' ich fort und fall' Euch nicht zur Last.

DROMIO VON SYRAKUS.

Sonst fodern Teufel wohl ein Stückchen Nagel,

Ein Haar, 'nen Strohhalm, Tropfen Blut, 'ne Nadel,

'ne Nuß, 'nen Kirschkern; aber die ist geiz'ger,

Die will 'ne Kette.

Nehmt Euch in acht; wenn Ihr die Kette gebt,

So klirrt der Teufel und erschreckt uns, Herr.

KURTISANE.

Ich bitt' Euch, gebt den Ring, wo nicht die Kette;

Das wär' zu viel: erst Raub und dann noch Hohn!

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Hebe dich weg, du Kobold! Fort, Dromio, fort, mein Sohn! –

DROMIO VON SYRAKUS.

Laß ab vom Stolz, so schreit der Pfau; nicht wahr, das wißt Ihr schon?

Antipholus und Dromio gehn ab.

KURTISANE.

Nun, ganz gewiß, Antipholus ist toll,

Sonst würd' er so verrückt sich nicht gebärden;

Er nahm 'nen Ring, vierzig Dukaten wert,

Und dafür bot er mir 'ne goldne Kette;

Doch beides will er jetzo mir verleugnen.

Woraus ich schon den Wahnsinn erst erriet

(Auch ohne seine jetz'ge Raserei),

War tolles Zeug: daß er bei Tisch erzählte,

Wie man die eigne Tür vor ihm verschlossen.

Ich denke wohl, die Frau kennt diese Schauer

Und schloß mit Fleiß das Tor ihm, als er kam.

Am besten wär's, gleich ging' ich in sein Haus

Und sagte seiner Frau, wie er im Fieber

Zu mir hineindrang und mir mit Gewalt

Den Ring entwandt: das wird das Klügste sein; –

Vierzig Dukaten büßt man ungern ein.

Ab.

Vierte Szene

Andre Straße.

Antipholus von Ephesus und der Schließer treten auf.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Sei unbesorgt, mein Freund, ich flüchte nicht:

Ich schaff' dir, eh' ich geh', die ganze Summe

Und kaufe so mich los von dem Verhaft.

Mein Weib ist heut in wunderlicher Laune

Und glaubt gewiß dem Boten nicht so leicht,

Daß ich gefangen sei in Ephesus;

Ich weiß, sie wird dem eignen Ohr nicht traun!

Dromio von Ephesus kommt mit einem Strick.

Hier kommt mein Bursch; ich denk', er hat das Geld. –

Nun, Freund? Bringst du mir mit, wonach ich schickte?

DROMIO VON EPHESUS.

Hier hab' ich bare Zahlung für sie alle.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Allein, wo ist das Geld?

DROMIO VON EPHESUS.

Ei, Herr, das Geld bezahlt' ich für den Strick.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Fünfhundert Stück Dukaten für 'nen Strick?

DROMIO VON EPHESUS.

Wenn Ihr's verlangt, ich schaff' Euch noch fünfhundert.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Zu welchem Ende schickt' ich dich nach Haus?

DROMIO VON EPHESUS. Zu des Stricks Ende, Herr, und zu dem Ende bin ich wieder da.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Und zu dem Ende, Herr, nehmt diesen Willkomm.

Er schlägt Dromio.

SCHLIESSER. Lieber Herr, seid geduldig!

DROMIO VON EPHESUS. Nein, an mir ist's, geduldig zu sein; ich bin in Trübsal.

SCHLIESSER. Mein Sohn, halt' dein Maul!

DROMIO VON EPHESUS. Nein, verlangt lieber, daß er seine Hände halte.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS. Du nichtsnutziger, fühlloser Schlingel!

DROMIO VON EPHESUS. Ich wollt', ich wäre fühllos, Herr, so täten mir Eure Schläge nichts.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS. Du hast nur Gefühl für Schläge, wie ein Esel.

DROMIO VON EPHESUS. Jawohl, ein Esel; so lang werdet Ihr mir die Ohren noch ziehen. – Ich habe ihm von der Stunde meiner Geburt an bis auf diesen Augenblick gedient, und habe nie etwas davon gehabt, als Schläge. Wenn mich friert, so heizt er mir ein mit Schlägen; wenn ich heiß bin, so kühlt er mich ab mit Schlägen; ich werde damit geweckt, wenn ich schlafe, auf die Beine gebracht, wenn ich sitze, aus der Tür gejagt, wenn ich ausgehe, bewillkommt, wenn ich zu Haus komme; ja wahrhaftig, ich trage sie auf der Schulter, wie die Bettlerin ihren Balg, und ich denke, wenn er mich erst lahm geprügelt hat, werde ich von Tür zu Tür damit betteln gehn.

Adriana, Luciana, die Kurtisane, Zwick der Schulmeister und Bediente kommen.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

So folgt mir nur, denn dort kommt meine Frau.

DROMIO VON EPHESUS. Frau, respice finem; gedenkt ans Ende, oder vielmehr, wie der Prophet spricht und der Papagei sagt: Hütet Euch vor des Stricks Ende.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Wann wirst du schweigen, Kerl?

Schlägt ihn.

KURTISANE.

Was sagt Ihr nun? Nicht wahr, Eu'r Mann ist toll?

ADRIANA.

Nach seinem rauhen Wesen glaub' ich's fast.

Herr Doktor Zwick, Ihr seid ja ein Beschwörer:

Ich bitt' Euch, bringt ihn wieder zu Verstand,

Ich will Euch zahlen, was Ihr nur begehrt.

LUCIANA.

O Himmel! Wie er wild und grimmig blickt!

KURTISANE.

Seht, wie er zittert; recht wie ein Beseßner! –

ZWICK.

Gebt mir die Hand, laßt mich den Puls Euch fühlen!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Da ist die Hand, laßt Euer Ohr mich fühlen!

ZWICK.

Du Satan, der in diesem Manne wohnt,

Gib dich gefangen meinem frommen Spruch

Und kehr' zurück ins Reich der Finsternis!

Bei allen Heiligen beschwör' ich dich! –

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Blödsinn'ger Fas'ler, schweig'! Ich bin nicht toll.

ADRIANA.

Ach, wär'st du's nicht, du arme kranke Seele!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Sag, Schätzchen, sag: sind das die werten Freunde?

Die safrangelbe Fratze, schmauste sie

Und zecht' an meinem Tische heut bei dir,

Indes sich mir die sünd'ge Pforte schloß

Und mir das eigne Haus verweigert ward?

ADRIANA.

Gott weiß, zu Haus ja speistest du, mein Teurer,

Und wär'st du doch bis jetzt bei mir geblieben,

Frei von dem Schimpf und von dem Stadtgerede!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Zu Haus gespeist? Du Schurke, rede du!

DROMIO VON EPHESUS.

Herr, grad' heraus, Ihr speistet nicht zu Haus.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

War nicht die Türe zu? ich ausgesperrt?

DROMIO VON EPHESUS.

Mein' Seel', die Tür war zu, Ihr ausgesperrt.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Und hat sie selbst nicht schimpflich mir begegnet?

DROMIO VON EPHESUS.

Wahrhaftig, schimpflich hat sie Euch begegnet.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Schalt, höhnt' und zankte nicht die Küchenmagd?

DROMIO VON EPHESUS.

Weiß Gott, das Küchenfräulein zankt' Euch aus.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Und ging ich nicht in größter Wut von dannen?

DROMIO VON EPHESUS.

Ja, das ist wahr; mein Rücken kann's bezeugen;

Er trägt die Spuren Eurer kräft'gen Wut.

ADRIANA.

Ist's gut, ihm in dem Unsinn recht zu geben?

ZWICK.

Nicht übel; nein! Der Bursch merkt, wo's ihm fehlt:

Stets sagt er ja und fügt sich seinem Rasen.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Dem Goldschmied gabst du's an, mich zu verhaften! –

ADRIANA.

O Gott, ich schickte Geld, dich zu befrein,

Durch Dromio hier, der eilig deshalb kam.

DROMIO VON EPHESUS.

Was? Geld durch mich? Vielleicht wohl in Gedanken;

Doch Geld, mein' Seel'! empfing ich keinen Heller.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Gingst du nicht hin, die Börse Gold zu holen?

ADRIANA.

Er kam zu mir, ich gab sie ihm sogleich.

LUCIANA.

Und ich bin Zeuge, daß er sie bekam.

DROMIO VON EPHESUS.

Gott und der Seiler können mir's bezeugen:

Ich ward nur ausgeschickt nach einem Strick!

ZWICK.

Frau! Herr und Diener, beide sind besessen,

Ich seh's an ihrem bleichen, stieren Blick:

Man bind' und führ' sie in ein dunkles Loch!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Sprich! warum hast du heut mich ausgesperrt?

Zu Dromio.

Und weshalb leugnest du den Beutel Gold?

ADRIANA.

Mein teurer Mann, ich sperrte dich nicht aus! –

DROMIO VON EPHESUS.

Und ich, mein teurer Herr, empfing kein Gold; –

Doch das bekenn' ich, Herr, man sperrt' uns aus.

ADRIANA.

Du heuchlerischer Schuft, das lügst du beides!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Du freche Heuchlerin, du lügst in allem

Und bist verschworen mit verruchtem Volk,

Ehrlosen Spott und Schimpf mir anzutun!

Ausreißen will ich dir die falschen Augen,

Die ihre Lust an meiner Schande sehn! –

Mehrere Diener kommen und wollen Hand an ihn legen; er sträubt sich.

ADRIANA.

Oh, bind't ihn, bind't ihn! Laßt ihn nicht heran! –

ZWICK.

Mehr Leute her! Der Feind ist stark in ihm!

LUCIANA.

Ach, armer Mann! wie krank und bleich er sieht!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Wollt ihr mich morden? Schließer, dir gehör' ich,

Als dein Gefangner: leid'st du, daß sie mich

Von hier entführen?

SCHLIESSER.

Leute, laßt ihn gehn;

's ist ein Gefangner, ihr bekommt ihn nicht.

ZWICK.

Bindet mir den, denn der ist auch verrückt.

ADRIANA.

Was willst du tun, du unverständ'ger Schließer?

Macht dir's Vergnügen, wenn ein armer Kranker

Sich selber in Verdruß und Unglück bringt?

SCHLIESSER.

's ist mein Gefangner; ließ' ich jetzt ihn los,

So müßt' ich Bürge sein für seine Schuld.

ADRIANA.

Die will ich tilgen, eh' ich von dir geh'.

Bring' mich von hier zu seinem Gläubiger,

Und weiß ich nur der Schuld Belauf, so zahl' ich.

Antipholus und Dromio werden gebunden.

Mein werter Doktor, schafft in Sicherheit

Ihn in mein Haus; o unglücksel'ger Tag!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

O unglücksel'ges, freches Weib! –

DROMIO VON EPHESUS.

Herr, Eurethalb bin ich in Banden hier.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Zum Teufel, Kerl! Willst du mich rasend machen?

DROMIO VON EPHESUS.

Wollt Ihr für nichts gebunden sein? So rast doch,

Und flucht bei Höll' und Teufel, lieber Herr!

LUCIANA.

Gott helf' euch Armen! Was für Zeug sie faseln!

ADRIANA.

Geht, bringt sie fort; du, Schwester, komm mit mir!

Zwick, Antipholus, Dromio und Bediente ab.

Nun sprich! Auf wessen Klag' ist er verhaftet?

SCHLIESSER.

Des Goldschmieds Angelo; kennt Ihr ihn nicht?

ADRIANA.

Ich kenn' ihn. Welche Summ' ist er ihm schuldig?

SCHLIESSER.

Zweihundert Stück Dukaten.

ADRIANA.

Und wofür?

SCHLIESSER.

Für eine Kette, die Eu'r Mann empfing.

ADRIANA.

Die hatt' er mir bestellt, doch nicht erhalten.

KURTISANE.

Nun seht: als Euer Mann, ganz wütig, heut

Zu mir ins Haus lief und den Ring mir nahm

(Ich sah den Ring noch jetzt an seiner Hand),

Gleich drauf begegnet' ich ihm mit der Kette.

ADRIANA.

Das kann wohl sein, allein ich sah sie nicht.

Kommt, Schließer, zeigt mir, wo der Goldschmied wohnt:

Genau erführ' ich gern, wie sich's verhält.

Antipholus von Syrakus kommt mit gezognem Degen; ihm folgt Dromio von Syrakus.

LUCIANA.

Gott sei uns gnädig; sie sind wieder los!

ADRIANA.

Und gar mit bloßem Degen! Ruf' nach Hülfe,

Daß man sie wieder binde!

SCHLIESSER.

Lauft, lauft, sie stechen uns tot!

Sie entfliehn eilig.

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Ich seh', die Hexen fürchten blanke Degen!

DROMIO VON SYRAKUS.

Die Eure Frau will sein, lief nun vor Euch!

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Komm zum Zentauren; schaff' die Sachen weg!

Und wären wir doch sicher erst am Bord! –

DROMIO VON SYRAKUS. Wahrhaftig, Ihr solltet die Nacht noch hier bleiben, sie werden uns nichts antun. Ihr seht, sie geben uns noch gute Worte und bringen uns Gold; mich dünkt, es ist eine so liebe Nation, daß, wäre nicht jener Berg von tollem Fleisch, der mich zur Ehe verlangt, ich könnte es übers Herz bringen, immer hier zu bleiben und unter die Hexen zu gehn.

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Nicht um die ganze Stadt bleib' ich die Nacht;

Drum fort, und schaff' die Sachen schnell an Bord!

Sie gehn ab.

Fünfter Aufzug
Erste Szene

Straße.

Der Kaufmann und Angelo treten auf.

ANGELO.

Es tut mir leid, daß ich Euch aufgehalten,

Doch auf mein Ehrenwort, die Kett' empfing er,

Obgleich er mir's recht schändlich abgeleugnet.

KAUFMANN.

Was hat der Mann für Ruf an diesem Ort?

ANGELO.

Den besten, Herr; von unbescholtnem Leumund;

Unendlich sein Kredit; er selbst beliebt,

Und gilt als erster Bürger dieser Stadt;

Ein Wort von ihm wiegt mehr als all mein Gut.

KAUFMANN.

Sprecht leise: denn mich dünkt, ich seh' ihn kommen.

Antipholus von Syrakus und Dromio von Syrakus kommen.

ANGELO.

Er ist's, und trägt dieselbe Kett' am Hals,

Die er vorhin so unerhört verschwur.

Kommt näher, lieber Herr, – ich red' ihn an! –

– Signor Antipholus, mich wundert sehr,

Daß Ihr den Schimpf mir und die Unruh' macht

Und (nicht ohn' ein'gen Makel für Euch selbst)

Umständlich und auf Euren Eid verleugnet

Die Kette, die Ihr jetzt so offen tragt.

Denn, abgesehn von Klage, Schimpf und Haft,

Bringt Ihr in Schaden meinen würd'gen Freund,

Der, hätt' ihn unser Streit nicht aufgehalten,

Auf seinem Schiff jetzt unter Segel wär'.

Von mir habt Ihr die Kette; könnt Ihr's leugnen?

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Mich dünkt, von Euch; noch hab' ich's nie geleugnet.

KAUFMANN.

O ja, Ihr tatet's, Herr, und schwurt sogar!

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Wer hörte mich das leugnen und verschwören?

KAUFMANN.

Mit diesen Ohren, weißt du, hört' ich's selbst.

Schäm' dich, Elender! daß du lebst und wandelst,

Wo Männer dir von Ehre je begegnen!

ANTIPHOLUS VON SYRAKUS.

Du bist ein Schurke, klagst du so mich an;

Ich will dir meine Ehr' und Redlichkeit

Sogleich beweisen, wagst du's, mir zu stehn.

KAUFMANN.

Ich wag's und fodre dich als einen Schurken.

Sie ziehen.

Adriana, Luciana, die Kurtisane und Diener kommen.

ADRIANA.

Halt! Tut ihm nichts! Um Gott, er ist verrückt;

Führt ihn von hier, nehmt ihm den Degen weg;

Auch Dromio bindet; bringt sie in mein Haus!

DROMIO VON SYRAKUS.

Lauft, Herr, um Gottes willen! Sucht ein Haus;

Hier ist ein Kloster; fort! Sonst fängt man uns.

Antipholus und Dromio flüchten sich in die Abtei.

Die Äbtissin tritt auf.

ÄBTISSIN.

Seid ruhig, Leute; welch Gedräng' ist hier?

ADRIANA.

Ich will zu meinem armen tollen Mann;

Laßt uns hinein, damit wir fest ihn binden

Und führen ihn nach Haus, daß er genese.

ANGELO.

Ich dacht' es gleich, er sei nicht recht bei Sinnen!

KAUFMANN.

Nun tut's mir leid, daß ich den Degen zog.

ÄBTISSIN.

Seit wann befiel der Wahnsinn diesen Mann?

ADRIANA.

Die letzte Woche war er trüb und still

Und finster, ganz ein andrer Mann wie sonst;

Doch erst heut nachmittag ist seine Krankheit

Zu diesem höchsten Grad von Wut gesteigert.

ÄBTISSIN.

Verlor er große Güter auf der See?

Begrub er einen Freund? Hat wohl sein Auge

Sein Herz betört zu unerlaubter Liebe?

Der Sünde sind viel junge Männer schuldig,

Die ihrem Blick zu große Freiheit lassen.

An welcher dieser Sorgen liegt er krank? –

ADRIANA.

An keiner, wenn es nicht die letzte ist;

Ein Liebchen wohl hat ihm sein Haus verleidet.

ÄBTISSIN.

Das hättet Ihr ihm dann verweisen sollen.

ADRIANA.

Das tat ich auch.

ÄBTISSIN.

Doch wohl nicht scharf genug.

ADRIANA.

So scharf, als mir's Bescheidenheit erlaubte.

ÄBTISSIN.

Vielleicht geheim nur?

ADRIANA.

In Gesellschaft auch.

ÄBTISSIN.

Ja, doch nicht oft genug?

ADRIANA.

Es war der Inhalt jeglichen Gesprächs.

Im Bette schlief er nicht vor meinem Mahnen;

Am Tische aß er nicht vor meinem Mahnen;

Allein wählt' ich's zum Text für meine Rede,

Und in Gesellschaft spielt' ich darauf an;

Stets sagt' ich ihm, es sei gemein und schändlich.

ÄBTISSIN.

Und deshalb fiel der Mann in Wahnsinn endlich.

Das gift'ge Schrei'n der eifersücht'gen Frau

Wirkt tödlicher als tollen Hundes Zahn.

Es scheint, dein Zanken hindert' ihn am Schlaf,

Und daher kam's, daß ihm der Sinn verdüstert.

Du sagst, sein Mahl ward ihm durch Schmähn verwürzt:

Unruhig Essen gibt ein schlecht Verdaun,

Daher entstand des Fiebers heiße Glut;

Und was ist Fieber, als ein Wahnsinnschauer?

Du sagst, dein Toben störte seine Lust:

Wo süß Erholen mangelt, was kann folgen,

Als trübe Schwermut und Melancholie,

Der grimmigen Verzweiflung nah verwandt?

Und hintendrein zahllos ein siecher Schwarm

Von bleichen Übeln und des Lebens Mördern?

Das Mahl, den Scherz, den süßen Schlummer wehren,

Verwirrt den Geist und muß den Sinn zerstören;

Und hieraus folgt: durch deine Eifersucht

Ward dein Gemahl von Tollheit heimgesucht. –

LUCIANA.

Wenn sie ihn schalt, so war es mild und freundlich,

Doch er erwies sich heftig, rauh und feindlich.

Hörst du den Tadel ruhig an und schweigst?

ADRIANA.

Sie weckt mir des Gewissens eigne Stimme!

Jetzt, Freunde, geht hinein, legt Hand an ihn!

ÄBTISSIN.

Nein, keine Seele darf mein Haus betreten.

ADRIANA.

So schickt durch Diener meinen Mann heraus!

ÄBTISSIN.

Er suchte Schutz in diesem Heiligtum,

Und schirmen soll es ihn vor euern Händen,

Bis ich ihn wieder zur Vernunft gebracht,

Wenn nicht vergeblich alle Mühe bleibt.

ADRIANA.

Ich pflege meinen Mann und steh' ihm bei

Als Krankenwärterin, das ist mein Amt;

Und keinen Anwalt duld' ich, als mich selbst,

Und deshalb soll er mir nach Hause folgen.

ÄBTISSIN.

Gib dich zur Ruh', denn ich entlass' ihn nicht,

Bis ich versucht die oft erprobten Mittel,

Heilkräft'gen Balsam, Tränke, fromm Gebet,

Zur Manneswürd' ihn wieder herzustellen.

Es ist ein Tun, das mein Gelübde heischt,

Ein Liebeswerk, das meines Ordens Pflicht.

Drum geh nur heim und laß ihn hier zurück!

ADRIANA.

Ich will nicht fort und meinen Mann Euch lassen,

Und wenig ziemt sich's Eurer Heiligkeit,

Den Gatten so von seiner Frau zu trennen.

ÄBTISSIN.

Sei still und geh von hier; ich geb' ihn nicht.

Äbtissin geht ab.

LUCIANA.

Dem Herzog klage, wie man hier dich kränkt!

ADRIANA.

Komm mit, ich will mich ihm zu Füßen werfen

Und nicht aufstehn, bis ich mit Flehn und Tränen

Den Herzog rühre, daß er selber komme

Und der Äbtissin meinen Mann entreiße.

KAUFMANN.

Der Zeiger, denk' ich, weist jetzt grad' auf fünf;

Und sicher kommt der Fürst alsbald hieher,

Den Weg zu jenem melanchol'schen Tal,

Dem Platz des Tods und ernsten Hochgerichts,

Der hinter dieses Klosters Gräben liegt.

ANGELO.

Und weshalb kommt er?

KAUFMANN.

Um einen würd'gen Syrakuser Kaufmann,

Der wider dieser Stadt Gesetz und Recht

Zu seinem Unglück in den Hafen lief,

Vor allem Volk enthaupten hier zu sehn.

ANGELO.

O still, sie kommen; schaun wir seinen Tod!

LUCIANA.

Knie vor dem Herzog, eh' er weiter geht! –

Der Herzog tritt auf; ihm folgen Ägeon mit bloßem Haupte, der Scharfrichter und Gerichtsdiener.

HERZOG.

Noch einmal macht es öffentlich bekannt:

Wenn hier ein Freund die Summe zahlen will,

So sterb' er nicht; mehr können wir nicht tun.

ADRIANA.

Gerechtigkeit,

Erhabner Herzog, gegen die Äbtissin!

HERZOG.

Sie ist 'ne würd'ge, tugendhafte Dame,

Unmöglich hat sie je dein Recht gekränkt. –

ADRIANA.

Erlaubt, o Herr, Antipholus, mein Gatte,

Gebieter über mich und all mein Gut

(Nach Eurem Brief und Siegel), ward heut krank

(O Tag des Wehs!) an höchst unbänd'gem Wahnsinn;

So, daß er rasend durch die Straßen lief,

Mit ihm sein Diener, wie er selbst verrückt,

Und viele Bürger dieser Stadt verletzte,

In ihre Häuser dringend, Gold und Ringe,

Und was nur seiner Wut gefiel, sich raubend.

Schon einmal sandt' ich ihn gebunden heim

Und ging umher, den Schaden zu vergüten,

Den hier und dort sein Wahnsinn angerichtet.

Drauf – Gott mag wissen, wer ihm half zur Flucht –

Entsprang er denen, die ihn hüteten.

Die beiden nun, er und sein toller Knecht,

Im stärksten Anfall und mit bloßem Schwert

Begegnen uns aufs neu'; wir müssen weichen

Vor ihrer Tobsucht, bis wir Hülfe finden,

Sie abermals zu fesseln; hierauf fliehn sie

In dieses Kloster, und wir folgen nach; –

Und nun schließt die Äbtissin uns die Pforte

Und will uns nicht gestatten, ihn zu holen,

Noch selbst ihn senden, um ihn heim zu schaffen.

Deshalb, o edler Herzog, gib Befehl,

Ihn auszuliefern, daß ihm Hülfe werde!

HERZOG.

Schon lange diente mir dein Mann im Krieg,

Und ich versprach dir auf mein fürstlich Wort,

Als du zu deines Bettes Herrn ihn wähltest,

Ihm alle Huld und Liebe zu erweisen.

Geh wer von euch, klopf' an das Klostertor

Und ruf' die Frau Äbtissin zu mir her;

Ich will die Sach' entscheiden, eh' ich gehe.

Ein Diener kommt.

DIENER.

Ach, gnäd'ge Frau, eilt fort und rettet Euch!

Denn Herr und Knecht sind wieder losgebrochen;

Die Mägde alle nach der Reih' geprügelt,

Der Doktor festgebunden, und sein Bart

Mit Feuerbränden schmählich abgesengt;

So oft erflammte, gossen sie aus Eimern'

Schlammwasser drüber hin, das Haar zu löschen.

Jetzt predigt ihm mein Herr Geduld, indes

Der Bursch wie einem Narr'n den Kopf ihm schert;

Und wahrlich, schickt Ihr Hülfe nicht sogleich,

Die beiden bringen Euch den Zaubrer um.

ADRIANA.

Schweig', Narr, dein Herr so wie sein Bursch sind hier,

Und alles ist erlogen, was du sprichst.

DIENER.

Bei meinem Leben, Frau, ich rede wahr;

Ich habe kaum geatmet, seit ich's sah!

Er ruft nach Euch und schwört, wenn er Euch greift,

Er seng' Euch das Gesicht und zeichn' es schlimm.

Lärm hinter der Szene.

Horcht! Horcht! Ich hör' ihn, Frau; entflieht nur schnell!

HERZOG.

Kommt her, seid furchtlos; stellt euch, Hellebarden!

ADRIANA.

O Gott! es ist mein Mann! Ihr alle zeugt,

Er ist unsichtbar durch die Luft geführt;

Noch eben hielt das Kloster ihn verwahrt,

Nun ist er hier, und kein Verstand begreift's.

Antipholus von Ephesus und Dromio von Ephesus treten auf.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Gerechtigkeit! –

Mein gnäd'ger Herzog, o Gerechtigkeit!

Um jenen Dienst, den ich dir vormals tat,

Als in der Schlacht ich über dich mich stellte

Und tiefe Wunden deinethalb empfing, –

Des Blutes halb, das ich für dich vergoß,

Gewähre jetzo mir Gerechtigkeit!

ÄGEON.

Wenn Todesfurcht mich nicht betört, sind dies

Mein Sohn Antipholus und Dromio!

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Gerechtigkeit,

Mein teuer Fürst, hier gegen dieses Weib,

Die du mir selbst gegeben hast zur Frau,

Sie hat mir Schmach erzeigt und Spott und Haß,

Bis zu der Kränkung höchstem Übermaß;

Ja, allen Glauben übersteigt der Schimpf,

Den sie mir heut so schamlos angetan.

HERZOG.

Entdeck' ihn mir: du sollst gerecht mich finden.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Heut, großer Fürst, schloß sie das Haus mir zu,

Indes sie mit Gesindel drinnen schmauste.

HERZOG.

Ein schwer Vergehn! Frau, hast du das getan?

ADRIANA.

Nein, edler Herr! Ich, er und meine Schwester,

Wir aßen heut zusammen; ich will sterben,

Wenn das nicht falsch ist, wes er mich beschuldigt.

LUCIANA.

Nie will ich sehn den Tag, noch ruhn die Nacht,

Sagt sie Euch schlichte Wahrheit nicht, mein Fürst.

ANGELO.

O falsche Weiber! Beide schwören Meineid,

Denn hierin klagt der Tolle ganz mit Recht.

ANTIPHOLUS VON EPHESUS.

Mein Fürst, ich weiß genau, was ich Euch sage;

Nicht bin ich durch des Weines Glut verstört,

Noch wild im Kopf, durch heft'gen Zorn gereizt,

Obgleich so großer Schimpf auch Weisre törte.

Dies Weib da schloß mich aus vom Mittagsmahl;

Der Goldschmied, ständ' er nicht mit ihr im Bund,

Könnt' es bezeugen, denn er war dabei

Und ging dann, eine Kette mir zu holen,

Wo Balthasar und ich zusammen aßen.

Als wir gespeist und er nicht wieder kam,

Sucht' ich ihn auf; ich traf ihn auf der Straße

Und in Gesellschaft jenes andern Herrn.

Hier schwur der tück'sche Goldschmied hoch und teuer,

Daß ich indes die Kette schon empfangen,

Die ich, Gott weiß? noch nie gesehn; deshalb

Ließ er durch einen Häscher mich verhaften.

Ich schwieg und sandte meinen Burschen heim

Nach barem Geld; allein er brachte nichts.

Drauf redet' ich dem Häscher freundlich zu,

Mich selber zu begleiten in mein Haus;

Da traf ich unterwegs

Mein Weib, die Schwester und ein ganzes Pack

Von mitverschwornem Volk! Mit diesem war

Ein Meister Zwick, ein blasser Hungerleider,

Ein wahres Beingeripp', ein Scharlatan,

Ein Taschenspieler, schäb'ger Glücksprophet,

Hohläug'ger Schlucker mit gespenst'gem Blick

Wie ein lebendig Toter; dieser Unhold,

Er denkt doch! spielte den Beschwörer nun:

Sah mir ins Auge, fühlte mir den Puls,

Rief geisterbleich, ich sei von Geistern selbst

Und bösem Spuk besessen; – darauf fiel

Der Schwarm mich an, band mich und riß mich fort,

Und in ein finstres, dumpfes Loch des Hauses

Warf man uns beide, mich und ihn, gebunden,

Bis ich, das Band zernagend mit den Zähnen,

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Objętość:
920 lk
ISBN:
9783754178744
Kustija:
Õiguste omanik:
Bookwire
Allalaadimise formaat:
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