Bonding mit dem Pferd

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Bonding mit dem Pferd
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Patricia Backhus

Bonding mit dem Pferd


Patricia Backhus














Impressum



1. Auflage 2018

© Spirit Rainbow Verlag

UG haftungsbeschränkt

www.spirit-rainbow-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany

Gestaltung, Druck und Vertrieb:

Druck- & Verlagshaus Mainz

Süsterfeldstraße 83

52072 Aachen

www.verlag-mainz.de

Abbildungsnachweis:

sämtliche Bilder stammen aus dem Privatarchiv der Autorin

Print:

ISBN-10: 3-940700-87-8

ISBN-13: 978-3-940700-87-2

e-Book:

ISBN-10: 3-948108-23-4

ISBN-13: 978-3-948108-23-6


Bonding – Bitte binde dich!


»Lasst uns gemeinsam den Funken finden,

Der das Feuer der Lebendigkeit entfacht,

Im Pferd und in seinem Menschen!«

Patricia Backhus


Ich bin als völlig Ahnungslose in die Pferdewelt eingetaucht, habe mich von zahlreichen Lehrern knechten, beleidigen, demütigen lassen. Mein erstes Pferd hat dieser Tyrannei immer ganz charmant ein Ende gesetzt: Mein zweites Pferd hat entsetzlich unter meiner Ausbildung leiden müssen, erst mein drittes Pferd kam in den Genuss, dass sich sein Frauchen nun von niemanden mehr sagen ließ, was sie zu tun hat. Und dieses Pferd steigt gerade in höchste Höhen auf! Ohne Ehrgeiz, ohne gesundheitsschädigende Maßnahmen, wie sie in der Islandpferdeszene leider üblich sind, nur in vollkommener Freude und Harmonie! Und hätte mein Pferd keine Freude an unserem gemeinsamen Tun, dann würde ich es lassen und das herausholen, was es entwickeln möchte.

Meine anderen beiden Pferde aber liebe ich genauso wie diesen Hengst und, lieber Leser, Sie dürfen mir glauben, die beiden lieben mich auch! Trotz allem, was gewesen ist, weil sie wissen, dass ich meine Fehler erkannt habe. Es war unser gemeinsamer Weg zur Erkenntnis. Sie haben mir vergeben! Deshalb möchte ich auch anderen Mut machen mit diesem Buch. Es ist ein solches Geschenk ein Pferd bei sich zu haben und auch vieler Mühe wert! Es ist so heilsam, denn die Pferde lassen eine Nähe zu, die wir Menschen Intimität nennen. Das macht Pferde zu Therapeuten! Wir können an ihnen wachsen oder sie uns unterwerfen.

Dieses Buch ist für diejenigen geschrieben, die mit ihrem Pferd eine sehr emotionale Beziehung leben möchten. Eine Klientin sagte zu mir: »Patricia, komm bitte noch einmal mit deinem Blick, der uns genau in die tiefste Seele blickt! Er tut mir und meinem Pferd so unheimlich gut!«

Meine Augen sind eher schlecht, ich war bis zu meinem 5. Geburtstag nahezu völlig blind durch einen Augenfehler. In dieser Zeit habe ich wohl gelernt, mit allen anderen Sinnen zu spüren, Stimmungen zu erfühlen und damit umzugehen. Außerdem haben meine Eltern nicht wirklich zueinandergestanden und ich hörte leider bei einem Streit, dass ich im Falle einer Scheidung der beiden ins Kinderheim sollte, weil meine Mutter nur meine Schwester zu sich genommen hätte. Ich lebte in der ständigen Angst vor dem Heim und versuchte jeden Streit meiner Eltern zu schlichten. Ich spürte schon den kleinsten Konflikt und war stets bemüht, zwischen beiden Elternteilen zu vermitteln.

Ich erzähle das nur, um zu erklären, woher ich mein Gespür mit Pferden habe. Und weil das so ist, betreibe ich heute das, was ich am besten kann: ich erspüre, was mein Klient von seinem Pferd möchte, und setze um, was das Pferd dazu sagt! Dann suche ich einen Weg, um beide gleichermaßen glücklich zu machen! Antoine de Saint-Exupéry hat es auf den Punkt gebracht: »Ich will dir ein Geheimnis verraten! Man sieht nur mit dem Herzen gut! Das Wesentliche ist für die Augen unsicht­bar!«

Meine Philosophie ist die, dass ich niemals ein anderes Geschöpf zu etwas drängen darf. Ich möchte erkennen, was sich mein Gegenüber für eine Entwicklung wünscht und genau diese fördern. So entsteht wahre Reitkunst, die uns vom Boden abheben lässt!

Meine Methode habe ich »Bonding« genannt. Es ist ein Begriff aus der Psychotherapie. Dan Casriel hat den Begriff in der Psychotherapie festgelegt und Walter Lechler wurde damit berühmt. »Bonding« ist der Begriff für das Bedürfnis nach körperlicher Nähe und emotionaler Offenheit. »Holding« ist eine Methode für traumatisierte Pferde, ist emotionale Bindung, die entsteht, wenn man fest gehalten wird, während man sich seiner Ängste oder Traumata stellt. Irina Prekopp machte die »Festhaltemethode« mit den Werken »Der kleine Tyrann« oder »Hättest du mich fest gehalten« berühmt.

Ein großes Problem unserer Zeit ist eine immer stärkere Tendenz zum Individualismus, zum Egoismus und zum Singleleben. Wir verlieren unsere Beziehungsfähigkeit und mit ihr die kraftspendende Tatsache, dass jemand immer zu uns steht, in guten, wie in schlechten Zeiten. Es gibt sehr verschiedene Beziehungen, weil es ja so unterschiedliche Charaktere auch unter den Pferden gibt. Deshalb darf jeder entscheiden, wie intensiv er die Beziehung aufbauen möchte. Und ich bin natürlich für alle da, denen das Buch nicht hilft, weil sie an eine persönliche Grenze gekommen sind. Wenden Sie sich direkt über meine Homepage an mich!

Mein Bonding ist das heilige Versprechen gegenüber dem Pferd, es nicht alleine zu lassen. Wenn der Mensch bei seinem Pferd ist, dann ist er mit diesem mental in Verbindung und bleibt es, mindestens bis er das Pferd wieder in die Herde entlassen hat und geht erst, wenn er merkt, dass das Pferd sich dort gut aufgehoben fühlt. Während des gemeinsamen Tuns gibt es keine Wertung, keine »Hilfen«, keine wichtigen Telefonate ..., nur Dialog in tiefer Verbundenheit, der Genuss gemeinsamen Seins! Diese Verbundenheit ist Verbindlichkeit, die so lange bewusst trainiert wird, bis sie im Unterbewusstsein automatisiert ist. Wenn das geschehen ist, wird alles andere extrem leicht. Dann erst ist das Pferd frei und kann sich dorthin entwickeln, wo es selbst hinmöchte! Und nicht selten wird es geschehen, dass Sie plötzlich das Gefühl haben werden, zu Ihrem Pferd zu müssen, oder davon träumen werden, dass es Sie gerade braucht. Und wenn Sie dann zu ihm fahren, werden Sie erkennen, dass Sie telepathische Kräfte entwickelt haben, weil Sie auch in Abwesenheit tief mit ihm verbunden sind.


Kapitel 1 Die erste Begegnung


»Man darf nicht nur keine Gedanken haben,

man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.«

Karl Kraus


Spüren, was fasziniert uns so?

Das »Eu« spüren und genießen!

Loslassen, selbst das Lassen lassen

Wie wir zum Pferd kommen, ist meistens nicht optimal, es passiert, ist Schicksal!

Meine erste Stute hat sich definitiv mich ausgesucht, als ich weder von Pferden, noch deren Ausbildung eine Ahnung hatte. Sie hat mich gesehen und lief immer vor mein Auto, wenn sie meinen Motor hörte. Sie war nicht mehr von ihrem damaligen Besitzer hinterm Zaun zu halten und hat nicht mehr zugelassen, von jemand anderem irgendwie »bearbeitet« zu werden. Sie stand da in ihrer Schönheit und für mich blieb die Welt stehen! Dieser Stolz, diese Kraft – wow!

Die Vorbesitzer ließen sich anfangs alles Mögliche einfallen, um sie zu züchtigen. Keine Chance! Sie brach sogar aus der Box aus, wenn ich kam, zerstörte unbeschlagen die Boxentüre, schmiss alle Reiter ab, ließ sich nicht vom Reitlehrer führen oder reiten, sie holte lediglich ständig die Jungpferde aus ihren Verbundsteinpaddocks und brachte sie auf Wiesen. Dafür erhielt sie jedes Mal solche Schläge, dass sie blutige Striemen am Hals hatte. Das machte ihr allerdings nicht viel aus, sondern erhärtete nur ihren Verdacht, dass Menschen für den Umgang mit Pferden ziemlich ungeeignet waren.

Wie Recht sie hatte! Alle potentiellen Käufer landeten im Dreck und schaffte sie es nicht, sich dieser lästigen Drangsalierer durch Abwerfen zu entledigen, weil diese zu gut reiten konnten, dann schmiss sie sich eben auf den Boden und wälzte sich! Als der Reitlehrer dann vorschlug, ich solle sie mal reiten, an mir hätte sie ja doch den Narren gefressen, musste ich erst einmal ablehnen, weil ich keine Ahnung, eine dreijährige Tochter und viel Angst hatte. Sie ließ mich aber nicht los! Ich träumte davon, mit ihr ohne Sattel und Zaumzeug über die schönsten Wiesen zu galoppieren! Schließlich sagte ich doch zu, mich mal auf sie zu setzen: mit Sicherheitsweste, Helm und auf dem kleinen Sandplatz. Außerdem hatte ich befohlen, dass kein anderer sie festhält oder sich auf dem Platz befindet. Und was erlebte ich? Meine Randalin hatte die Ohren bei mir und trug mich wie rohe Eier! Alle waren fassungslos! Ich am meisten!

Da ich nun erlebt hatte, wie sie mit mir umging, wollte ich erst einmal nichts weiter von ihr, um diesen Zauber nicht kaputt zu machen. Ich stieg ab, stand da wie vom Donner gerührt und vergaß zu atmen! Sie allerdings stand irgendwie um mich herum, als wollte sie mich vor den anderen Zweibeinern beschützen, und sah mich direkt an.

Und da wusste ich: Dieses ist mein Pferd!

 

Meine ganze Familie war begeistert: »Juchhe, wir haben ein Pferd!«

Mein Mann kaufte sie direkt am nächsten Tag vollkommen überteuert, aber das war uns egal! Sie war es uns wert!

Dies war der Anfang meiner Pferdewelt! Ich war plötzlich Insider und musste mich ständig behaupten gegen alle möglichen grässlichen Ratschläge und Angebote.

Zu meinem zweiten Pferd kam ich ganz anders: Halastjarna und mein Mann verliebten sich auf einem Reitkurs, er wollte unbedingt reiten lernen und nahm sie direkt mit. Erst hatte ich noch eine ganze Nacht versucht, es ihm auszureden, weil er schnell den Spaß verliert, wenn es ein Problem gibt, aber keine Chance. Schließlich gab ich nach, denn er brauchte dringend einen Ausgleich zu seiner Arbeit und er überzeugte mich mit dem Argument, dass wir ja zwei Pferde auch bei uns am Haus halten könnten, eins allein aber nicht. Und ich überdachte, dass Halastjarna nicht nur strahlend schön, sondern auch in der Dressur sehr gut war und für meine Ausbildung zur Reittherapeutin sicher geeigneter, als die unnachgiebige Randalin.

So kam ich zum zweiten Pferd, denn mein Mann entschied tatsächlich, nachdem er einmal von Halastjarna heruntergeflogen war, dass er als Selbstständiger solch ein Risiko nicht eingehen könnte! Sie ist mein Sensibelchen. Sehr ängstlich, etwas misstrauisch und zu extremen Überreaktionen neigend, wenn sie überfordert wird. Sie ist mir sehr ähnlich, deshalb spiegelt sie mir vortrefflich meinen Ehrgeiz und meine eigenen Ängste.

Mein drittes Pferd drang in mein Leben, nachdem ich schon sehr lange den Wunsch gehegt hatte, einen Hengst zu halten. Ich hatte immer Bedenken, ob ich es neben meinem Beruf schaffen würde, ein drittes Pferd zu versorgen. Und dann auch noch einen Hengst, obwohl ich doch nur Stuten bei mir hatte! Der Ärmste würde dann jeden Tag mit der Schönheit meiner Stuten konfrontiert werden, ohne wirklich Kontakt zu ihnen haben zu können! Plötzlich erhielt ich die Information einer befreundeten Reitlehrerin, dass Svalur verkauft werden musste, weil der Vorbesitzer die Nachzucht nicht mehr mit ihm decken konnte und sich einen neuen Hengst nur leisten konnte, wenn er Svalur verkaufen würde. Ich könnte ihn als Hengst oder Wallach kriegen. Das Foto von ihm haute mich regelrecht um! Svalur gehört zur Charaktergruppe der »Weisen«, ist schwarz-weiß gescheckt, so perfekt gescheckt wie Ying und Yang! Und genau das ist er auch innerlich: Er ruht in sich! Ich sah es sofort und wusste, wenn ein Pferd zu meinen Stuten passt, dann dieses! Ich schaute ihn mir an. Als ich kam, hatte er gerade eine neue Stute zum Decken bekommen. Er ließ sie augenblicklich stehen, als er mich sah, kam freundlich zu mir getöltet, und baute sich dann riesengroß vor mir auf, als wollte er mir sagen: »Du wirst doch nicht an mir vorbeigehen!« Und wir standen beide wie die Salzsäulen voreinander, kaum in der Lage zu atmen!


Die Besitzer erzählten einander irgendetwas, die Stute gesellte sich zu uns und ging dann wieder, denn wir waren nur auf uns fokussiert. Er war so bildschön! Seine schwarze Mähne lag hoheitsvoll mit leichtem Rotschimmer auf der Schulter, seine Augen strahlten diese unglaublich wissende Tiefe aus – ich war verloren und hörte mich sagen: »Ja, wir gehören zusammen!«

»Das sieht hier jeder«, bemerkte mein Mann. Ich wollte einfach nicht weg, auch Svalur wich keinen Millimeter zur Seite. Schließlich gelang es mir, zu atmen und ich roch ihn. Rauchig roch er, nicht so erdig wie meine Stuten. Ich inhalierte ihn regelrecht. Um den Vertrag zu unterschreiben, riss man uns auseinander.

Ich hoffe es ist deutlich geworden, dass man auf unglaublich unterschiedliche Weise zum Pferd kommen kann. Natürlich gibt es seriöse und unseriöse Verkäufer, aber es ist letztlich dann doch Schicksal, wer zueinander findet. Und genau in der ersten Begegnung liegt ein wunderbarer Zauber. Im Idealfall entsteht schon hier die innere tiefe Verbundenheit, die ich als Bonding bezeichne. Die erste Begegnung sollte im Picadero stattfinden, denn sie ist von großer Bedeutung. Der erste Eindruck hält ewig!

Die Spanier haben den Picadero als heiligen Raum bezeichnet, wo ganz intensive Gespräche zwischen Mensch und Pferd geführt werden. Im Idealfall ist der gar nicht nötig, im Problemfall aber Gold wert!

Bei meinem Hengst war die erste Begegnung auf der Koppel, aber das Umfeld verschwand im Hintergrund. Es waren mehrere Menschen und seine Stute bei uns, aber ich hätte mit meinem Bonding direkt in die Hohe Schule mit ihm einsteigen können. Er verstand jede Geste, meine Angst, er reagierte supereinfach und sensibel auf jeden Fingerdeut, leckte mir die Hand und zeigte mir seine Angst, weil er bisher nur zum Decken benutzt wurde. Und das bei seiner Klugheit! Er wollte lernen, jeden Tag dazu lernen. Als die Vorbesitzerin mich schließlich von ihm weg zog, um den Vertrag zu unterschreiben, wurde er riesengroß und wollte sie abdrängen.

Es fiel mir so schwer, ihn noch 4 Wochen bei der Vorbesitzerin zu lassen, aber ich wollte ihm sein Zuhause so perfekt wie möglich präsentieren. Mein Reitplatz wurde nach hinten verlegt, damit sein Offenstall direkt bei den Stuten sein konnte. Obwohl meine Angst vor dem Unbekannten riesengroß war, zog ich es durch. Nach einem Monat Schwerstarbeit holten wir ihn ab. Ich verlangte von der Vorbesitzerin, dass sie ihn in den Hänger führte, damit Svalur wusste, dass sie ihn abgegeben und nicht ich ihn ihr weggenommen hatte.


So schritt die arme Vorbesitzerin weinend mit ihm in den Hänger, ich hinter den beiden. Und schon bei diesem Gang ging Svalur mit mir im Gleichschritt, obwohl ich hinter ihm lief! Auch seine Ohren wiesen deutlich daraufhin, mit wem er verbunden war. Die Vorbesitzerin hatte er schon gar nicht mehr im Auge gehabt. Sie hat so schrecklich gelitten, weil sie ihn angehimmelt hat. Das ganze Haus war voller Fotos von ihm, aber die Beziehung war leider nicht das gewesen, was Svalur sich vorgestellt hatte. Er hatte bis dahin 91 Fohlen gezeugt, war aber selbst ziemlich vernachlässigt worden.

Dann fuhren wir ins neue Heim. Es war eine lange Fahrt, wir standen stundenlang im Stau, aber er mümmelte zufrieden sein Heu und ich beobachtete ihn durch die Kamera. Wir hielten an einer Raststätte, weil mein Mann und meine Tochter Hunger hatten, ich hatte keinen Hunger und gesellte mich in dieser Zeit zu ihm in den Hänger. Ich war total aufgeregt, aber kaum war ich bei ihm, leckte er mir die Hand, als wolle er sagen: »Alles gut, ich liebe dich und werde alles tun, was du möchtest!« Es hat mich augenblicklich beruhigt und ich freute mich! So sehr, das kann sich keiner vorstellen! Mir war in diesem Moment klar, dass wir beide eine traumhafte Zeit vor uns hatten. Und ja, ich wollte ihm natürlich auch jeden Wunsch von den Augen ablesen!

Auf dem folgenden Foto will er mich auf dem Fotografen hinweisen, deshalb hat er den Kopf abgewendet.


Trotzdem ist er mit mir im Gleichschritt. Ein Geschenk, wenn ein Pferd sich so in jeder Beziehung auf seinen Besitzer einstellt!

So ist es bis heute geblieben. Meine mentale Verbindung zu ihm ist so automatisiert, dass ich gar nicht mehr darauf achten muss. Aber genau durch dieses Bonding reichen schon Gedanken als Hilfen, es gibt kein Treiben und kein Ziehen. Es ist unglaublich einfach mit ihm, mir macht es nur Freude, was auch ihn beflügelt und so starten wir gemeinsam in die Hohe Schule. (Von den Versuchen der armseligen Reitlehrer, die Druck auf ihn ausüben wollten, erzähle ich später noch.)

Ein Trainer sagte, ich könne ihn doch auch ohne Gebiss und Zaumzeug reiten, er würde ja niemals etwas tun, was ich nicht will. Und genauso ist es! Obwohl er ein Hengst ist, können wir mit Stuten und Wallachen oder anderen Hengsten trainieren. Svalur ist mental bei mir, ich weiß es zu schätzen.

Ich möchte mit meiner Methode und durch dieses Buch jedem Pferdebesitzer Mut machen, sich den Zauber der Liebe nicht zerstören zu lassen! Durch keinen Ehrgeiz, keinen Druck, keinen falschen Ratgeber! Das, was passieren soll, passiert sowieso. Aber erzwingen lässt sich eine Beziehung nicht. Und jedes Pferd stellt sich seine Beziehung anders vor! Im Erkennen der Sehnsüchte des Pferdes liegt der Schlüssel zum Erfolg!

Wenn Sie also Ihr Pferd kennenlernen, machen Sie sich bewusst, wie wichtig die erste Begegnung ist! Hier entscheidet sich, ob die Zuneigung beidseitig ist. Sie geben Ihrem neuen Familienmitglied an dieser Stelle die Gelegenheit, Sie zu scannen. Das können Sie am besten im Picadero mit dem freien Pferd. Wenn Sie also die Möglichkeit haben, dann machen Sie es dort! Wenn nicht, dann stellen Sie sich vor, alle anderen sind weg, damit es wirklich nur um Sie und das Pferd geht.

Diese erste Begegnung entscheidet über künftige Umgangsfragen. Erwarten Sie bitte gar nichts von dem Pferd, sondern schauen Sie es nur an. Sie müssen es auch nicht wegschicken, den Abstand prüfen oder gar direkt longieren, schon gar nicht reiten! Lassen Sie sich lieber Noten und Fotos zeigen, um sicherzustellen, dass der Ausbildungsstand tatsächlich so wie vom Vorbesitzer versprochen ist! Stehen Sie einfach da und nehmen Sie mit allen Sinnen auf, wer da vor Ihnen steht. Bei manchen Pferden ist es nötig, den eigenen Raum zu wahren, freundlich und in Zuneigung! Mehr nicht!

Bitte stürzen Sie sich nicht gleich auf das Pferd, sondern halten Sie erst einmal inne und schauen sich Ihr Pferd an, bevor es zu Ihnen gebracht wird! Wenn es auf der Koppel steht, können Sie eine ganze Menge Hinweise auf seinen Charakter bekommen:

Wie ist der gesundheitliche Gesamteindruck?

Wirkt es zufrieden oder unglücklich?

Wie steht es da? Ruhig und ausgeglichen oder ängstlich und

nervös?

Wird es an seinem Fressplatz von anderen gestört, oder stört

es selbst andere Pferde?

Wie ist der Ernährungszustand? Ist das Pferd gut bemuskelt,

oder wirkt es schwach?

Hat es Interesse an seiner Umwelt?

Hat es pferdische Freunde oder steht es ganz allein?

Nimmt es Sie eventuell schon wahr?

Und jetzt kommt das Wichtigste:

Können Sie diesem Pferd bei sich denselben oder gar einen

besseren Platz bescheren? Oder wissen Sie schon jetzt, dass

Sie ihm eine Menge nehmen müssen?

Dies ist ein wirklich wichtiger Punkt, deshalb seien Sie ehrlich zu sich! Die geistig hochstehenden Pferde werden aggressiv, wenn der Mensch mehr nimmt als gibt, die zarten Seelchen sterben im Extremfall an plötzlich auftretenden Krankheiten wie Koliken und die Mitte wehrt sich auf unterschiedliche Weise.

Wie oft habe ich von den ›Problempferdebesitzern‹ gehört: »Ich habe das Pferd erst seit kurzer Zeit und beim Vorbesitzer war es lammfromm, ließ sich reiten und versorgen, aber seit ich es hier bei mir habe, lässt es das nicht mehr so einfach und es wird immer schlimmer! Ich traue mich nicht mehr in die Nähe meines Pferdes!« Auf meine Frage, was sich denn haltungstechnisch für das Pferd verändert hat, bekomme ich immer haarsträubende Antworten wie zum Beispiel: »Na, ich musste ihn ja kastrieren, sonst hätte er nicht hier eingestellt werden können, daraufhin ist er aggressiv geworden, deshalb muss er jetzt allein in der Box stehen!«

Wenn ein Pferd einen neuen Besitzer bekommt, verliert es so viel: seine Eltern und Verwandten, seine Kumpel und Freunde, seine vertrauten Abläufe, seine vertraute Umgebung ... Dafür sollte es doppelt so viel zurückbekommen!

Ich bekam von meinem Reitlehrer damals das liebe Angebot, sein Pferd zu kaufen. Er müsste jetzt ein Sportpferd haben, deshalb wollte er sein Pferd in gute Hände abgeben. Natürlich hätte ich ihm diesen Gefallen niemals tun können. Es war sein Pferd, es hatte nur Augen für ihn. Es hat mich im Unterricht gerne getragen, weil ich auf es eingegangen bin und nie ohne Leckerlis zu den Pferden gehe. Aber das Herz des Pferdes schlug nicht für mich. Ich fragte nach, ob er dieses Angebot nicht unmoralisch fände und sah Tränen in seinen Augen. »Ich schaffe es nicht, zwei Pferde richtig zu reiten und zu beglücken, ich mache das ja nebenberuflich!«

»Du musst es schaffen, du kannst dein Glück mit dem neuen Pferd nicht auf dem Unglück des ersten aufbauen!« Er nickte wissend. Er hat es heute noch und lässt es im Schulbetrieb laufen.

 

Wenn Sie spüren, dass es für das Pferd das Beste ist, zu Ihnen zu kommen (Auflösung des Stalls, Notkauf, weil es sonst zum Schlachter muss ...), auch wenn das Pferd es bei Ihnen schlechter hat, ist es okay! Sie werden dem Pferd rüberbringen können, dass es das Beste für es ist. Aber wenn Sie schon vor dem Kauf wissen, dass es dem Pferd nachher schlechter gehen wird, sollten Sie noch einmal tief in sich gehen. Denn welche Chance hat ihre Beziehung, wenn sie aus egoistischen Motiven heraus in Abhängigkeit entstanden ist? Dem Pferd bleibt ja nichts Besseres übrig, als sich anzupassen. Und ein Mensch, der weiß, was er dem Pferd genommen hat, wird bemüht sein, es dem Pferd so schön wie möglich zu machen, Wiedergutmachung zu leisten, ja förmlich Abbitte!

Leider erlebe ich immer wieder, dass gerade die Menschen, die ganz neu in der Pferdeszene sind, sich dabei von ziemlich unsensiblen Ratgebern leiten lassen. Statt dem eigenen Herzen und Gefühl zu vertrauen, werden die vierbeinigen neuen Familienmitglieder direkt in die Reitstunde gezerrt und sollen sofort »funktionieren«! Wenn das verunsicherte Pferd dann anders als gewünscht reagiert, werden schnell drastische Methoden angewandt, was die neue Beziehung leider entzweit. Es gibt natürlich auch gute Reitlehrer, besonders im Individualtraining (die Gruppe muss ja schnell so ablaufen, dass kein Chaos entsteht, der Reitlehrer wird schnell unter Druck geraten, wenn ein Pferd sich zu »äußern« beginnt). Trotzdem empfehle ich meinen Klienten, langsam vorzugehen, erst am Boden die Kommunikation zu betreiben, die danach auch reiterlich umgesetzt werden kann. (Dazu mehr in Kapitel 6.)

Bei mir melden sich schon Klienten, die bereits merken, dass es schiefläuft, als das Pferd erst eine Woche im neuen Stall stand! Sie sind verunsichert, hören viel von fehlender Dominanz und folgern leider falsch, dass Dominanz etwas mit »ich setze mich auf jeden Fall durch«, mit Kraft und Gewalt und unschönen Hilfsmitteln zu tun hat. Dabei wird der Teufelskreis bei ranghohen Pferden durch diese nur umso schlimmer! Und rangniedrige Pferde ziehen sich augenblicklich in sich zurück, werden krank und leiden. Die anderen Pferde finden eine Lösung, die Situation irgendwie hinter sich zu bringen. Auch das sind Beziehungen, aber keine Glück bringenden. Sehr viele Pferde müssen in solchen Zusammenkünften überleben und ihre Aufgabe meistern.

Aber ich möchte mit diesem Buch diejenigen Reiter ansprechen, die in die Tiefe gehen wollen, die es wissen wollen, zu welchen Gefühlen ihr Gegenüber fähig ist. Und die bereit sind, sich auf ihr Pferd einzulassen und auf dessen Talente, Wünsche, Möglichkeiten und Grenzen. Besonders die Grenzen bringen uns leider am häufigsten dazu, die Beziehung wieder hinzuschmeißen, weil wir denken, wir könnten uns nicht genug entwickeln. Dabei sind die Konflikte ja genau die Chancen, sich zu hinterfragen und neue Wege zu finden.

Der Beginn soll also einfach nur der Funke sein, den es erst einmal zu genießen gilt. Alles sein lassen. Selbst das Lassen bleiben lassen, nur sein. Einfach da sein. Zusammen mit diesem zauberhaften vierbeinigen Geschöpf.

Jetzt genau ist der Moment, um sich selbst zu beobachten. Was macht das Pferd mit mir? Wie fühle ich mich? Bin ich freudig erregt oder bin ich ängstlich? Was ängstigt mich? Zeigt sich das in meiner Körpersprache? Bin ich gleichgültig? Und warum wohl? Wie gehe ich mit meinen Gefühlen um? Warum habe ich mir gerade dieses Pferd ausgesucht? Was hat mich so fasziniert, dass ich denke, mit dir möchte ich es angehen?

Holen Sie sich bitte diesen Zauber der ersten Begegnung zurück in Ihre Erinnerung! Was geschah bei Ihnen in diesem Augenblick? Vergessen Sie ihn niemals! Wirklich niemals! Auch Ihre Gedanken, die Träume, die Sie in diesem Moment im Kopf hatten. Das große Glück zu spüren! Genau das gilt es zu bewahren! Jeden einzelnen Tag! Auch jeden gottverdammten Tag! Diesen Moment im Herzen zu tragen, schafft den Zustand des In-Sich-Ruhens. So haben Sie den besten Grundstein für die wirkliche Dominanz, der Autorität, der das Pferd folgt, weil es Ihnen vertraut! Ein Grundstein, der Ihnen ein gelassenes Lächeln ins Gesicht zaubert, wenn etwas mal nicht so gut läuft. Die Gewissheit, auch dieses Problem zu bewältigen und daran zu wachsen.

Kapitel 2 Beobachten, beobachten, beobachten!


»Das Leben ist ein Traum. Verwirkliche ihn!«

Mutter Theresa


Begrüßen im eigenen Stall und Hilfe bei der Eingewöhnung

Leicht machen, Gutes schaffen, Zeit verbringen, Freude ent-

wickeln

Verschiedene Charaktere (Nicht alle Pferde sind gleich!)

Dann ist es endlich soweit! Sie haben das neue Zuhause eingerichtet, so schön, wie es Ihnen möglich war. Natürlich haben Sie dafür gesorgt, dass das Pferd nicht direkt in die neue Herde geschmissen wird und nette Boxennachbarn hat. Im Offenstall bekommt es erst einmal die Gelegenheit, die Herde im separaten Teil zu beobachten und kennenzulernen. Im märchenhaften Idealfall haben Sie schon ein Pferd und dieses Pferd fährt im Hänger mit, wenn das neue abgeholt wird. Denn Hängerfahren verbindet unglaublich. Wenn zwei sich gar nicht vertragen, sollte man mit den beiden am besten Hänger fahren, meist ergibt sich dadurch eine »Leidensgemeinschaft«, die sie für immer zusammenschweißt. Diese beiden Pferde können Sie anschließend direkt zusammenstellen.

Als ich vor zwanzig Jahren meine zweite Stute gekauft habe, habe ich es so gemacht. Und so hatte die »Neue« es sehr leicht, weil meine erste Stute extrem ranghoch ist und entzückend für das Sensibelchen gesorgt hat. Meine Erste hatte selbst nicht so ein Glück. Als sie zu uns kam, ging es ihr extrem schlecht. Damals hatte ich die Pferde noch eingestellt und sie standen in einer großen Herde. Sie hatte keine Möglichkeit, sich erst einmal einzugewöhnen, da sie sofort in die Gruppe katapultiert wurde. Dort hat sie direkt allen klargemacht, dass sie die Chefin ist. Sie musste sich ständig mit den anderen Pferden auseinandersetzen und es dauerte zwei Tage, bis ihr Rang geklärt war. Bis dahin konnte sie nicht fressen, hatte extremen Durchfall und an Schlaf war gar nicht zu denken! Dann aber haben die Pferde erkannt, dass ihre Ranghöhe sehr fürsorglich war, und folgten ihr auf Schritt und Tritt! Ranghöhe ist immer fürsorglich, ist sie es nicht, so ist es keine Ranghöhe. Rangniedrige Pferde suchen den Schutz ranghöherer Pferde, die sich das Vertrauen durch Fürsorglichkeit verdient haben. Deshalb ist es so wichtig, dass sich der Reiter ebenfalls das Vertrauen durch Hingabe und Fürsorglichkeit verdient; so erhält er Ranghöhe. Darum sollte der Pferdebesitzer darauf achten, dass die gemeinsame Zeit immer sicherer, leckerer und schöner ist, als wenn das Pferd in der Herde steht.

Später als meine zweite Stute zu mir kam, jagte Randalin alle anderen Pferde aus dem Unterstand, nur sie und Heli durften dort hinein und sie stellte immer sicher, dass mein rangniedriges Sensibelchen Futter hatte, bevor sie selbst fraß. Das ist Ranghöhe! Besser für das Pferd Sorgen zu können, als dieses das selbst könnte. Randalin hat die anderen Pferde nur weggejagt, damit die rangniedrigste am besten versorgt war. Die anderen Pferde haben diesen Umstand verstanden und direkt akzeptiert. Wenn Heli satt war, durften die anderen Pferde fressen, aber den Unterstand hat Randalin für sich und ihre Heli reserviert, damit Heli auch immer hinein konnte, wenn sie wollte. Die beiden Pferde lieben sich abgöttisch, das ist bis heute so geblieben.

Ohne Randalins Fürsorge im großen Offenstall, wäre Heli nicht mehr am Leben. Sie ist so stark vergeistigt, dass sie sich um banale Dinge wie ihre Bedürfnisse nicht selbst kümmern kann. Um sie reiten zu können und sie stressfrei von Randalin weg zu holen, musste ich ranghöher als Randalin sein. Und um Randalin reiten zu können, dasselbe.

Heli kann sich allerdings hervorragend die Hohe Schule vorstellen. Gemeinsam in höchste Höhen fliegen, das ist der Pegasus! Immer nach oben orientiert, kein bisschen bodenständig! Dafür müssen andere sorgen. Da mir Randalin ganz deutlich zeigte, dass sie lieber getrennt von den anderen Pferden sein wollte, holte ich sie ans Haus zu mir. Ich überzeugte meinen Mann, dass wir aus der Enge der Stadt sowieso heraus mussten und wir suchten uns außerhalb ein Grundstück auf dem Land, welches wir so bebauten, dass wir hinter dem Haus einen Reitplatz, Koppeln und Ställe Platz hatten. Niemals hätte ich geglaubt, dass mein Mann da so schnell zustimmen würde, aber am Ende war sogar er die treibende Kraft!

Auch eine Freundin holte ihre Pferde zu sich. Sie pachtete sich ein Stück Land, befestigte den Stallbereich und vervollkommnete ihre Haltung dann Stück für Stück. Sie hat sogar eine Auszeichnung dafür bekommen! Wir unterstützten uns gegenseitig in Planung und Ausführung.