Loe raamatut: «Hochschulrecht im Freistaat Bayern», lehekülg 4

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b) Die Welle postreformatorischer Universitätsgründungen

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Hatte bis in das 16. Jahrhundert hinein nur die altbayerische Landesuniversität in Ingolstadt als echte Hochschule in Bayern existiert,[18] so erfolgte nach der Reformation eine Vielzahl von Gründungen auch in den anderen Territorien. Die Gründungswelle im 16. und 17. Jahrhundert geht vor allem auf das Bedürfnis der fürstlichen Verwaltung nach gebildeten Bediensteten und die Auswirkungen des Seminardekrets des Konzils von Trient (1563) zurück, wonach jedes Bistum eine Einrichtung zur geistlichen Ausbildung unterhalten solle. In den meisten Fällen handelte es sich bei den neuen Einrichtungen aber nicht um originäre Gründungen. Vielmehr wurden lediglich bestehende Institutionen zur Universität erhoben, während anderen die Anerkennung als Hochschule verwehrt wurde, so dass bis in das 19. Jahrhundert zahlreiche Zwischenformen von Gymnasium und Universität existierten. Auch stellte nahezu jede Hochschule, als Konsequenz aus der Teilung Bayerns in Bistümer, katholische und protestantische Herzog- und Fürstentümer und schließlich Reichsstädte, einen eigenen Typus dar.[19] Eine übergreifende Erscheinung blieb der jesuitische Einfluss in den katholischen Gebieten, der oft auf den offenen Widerstand der Domkapitel traf.[20]

aa) Katholische Gründungen[21]

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In Dillingen[22] stiftete 1549 Fürstbischof Otto Truchseß von Waldburg eine Priesterlehranstalt. Das päpstliche (6. April 1551) und kaiserliche (30. Juni 1553) Privileg führte 1554 zur Umwandlung in eine Universität mit zwei Fakultäten, die bereits 1563 im offenen Widerstand zum Domkapitel zur Jesuitenuniversität umgebildet wurde. Damit war die erste Jesuitenuniversität auf deutschem Boden entstanden, die sich nicht am Prinzip der universitären Selbstverwaltung, sondern der strengen Ordenshierarchie orientierte. Als Besonderheit kann die 1616 erfolgte Gründung einer juristischen Fakultät vermerkt werden. Nach der Ordensauflösung erfolgte 1786 eine Umorganisation, die allerdings an der Degradierung zum bloßen Lyzeum im Jahre 1804 nichts mehr ändern konnte.[23]

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Würzburg[24] erhielt 1582 eine Universität mit allen Fakultäten im Zuge der Bemühungen des Fürstbischofs Julius Echter von Mespelbrunn. Die Universität, die auf das 1561 bischöflich gegründete und 1567 von den Jesuiten übernommene Gymnasium zurückgeht, war bereits 1575 durch Kaiser Maximilian II. sowie im Folgejahr durch Papst Gregor XIII. privilegiert worden und erhielt ihre Finanzierung aus umgewidmeten Kirchenmitteln. Die Statuten (1587) der Universität lehnten sich an die von Ingolstadt an. Der Einfluss der Societas Jesu blieb beschränkt. Sowohl Kanzler als auch Rektor entstammten der Hierarchie des Würzburger Doms und im Gegensatz zu Ingolstadt entschied allein der akademische Grad über die Berufung zum Professor. Mit Beginn des 18. Jahrhunderts wurde Würzburg zu einem „Vorort katholischer Aufklärung“[25]. Gekennzeichnet war die Reformperiode durch die Betonung der landesherrlichen Gewalt, Innovationen im Lehrbetrieb und das Zurückdrängen der durch die Jesuiten vertretenen Scholastik.

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In Bamberg ging aus dem von Fürstbischof Ernst von Mengersdorf 1586 gegründeten Priesterseminar 1648 eine echte Hochschule (Academia Ottoniana Bambergensis) hervor. Durch die zunächst vollständige Dominanz der Jesuiten und die Beschränkung auf zwei Fakultäten reiht sich Bamberg mit Dillingen in die Gruppe der reinen Jesuitenakademien ein. Nach Auflösung des Jesuitenordens konnte hieraus 1773 die Universitas Ottoniana Fridericiana mit einer Universitätsverfassung gebildet werden.

bb) Protestantische Gründungen

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Die protestantischen Universitäten unterschieden sich notwendigerweise organisatorisch von ihren katholischen Pendants, da das geistliche Kanzleramt auf die weltliche Regierung überging und zur Finanzierung der Hochschulen aufgelöste kirchliche Stiftungen nun auch ohne päpstliche Zustimmung herangezogen werden konnten. Die erste protestantische Hochschule war Altdorf,[26] die aus dem 1526 auf Anregung Melanchtons gegründeten Nürnberger Gymnasium zu St. Aegidien hervorging. Dieses erhielt 1578 durch kaiserliches Privileg die Graduierungslizenz für die Artes. Die konfessionellen Unterschiede zum katholischen Kaisertum und die Sorge der Stadt um ihre Gerichtsbarkeit verhinderten lange die Gründung einer Volluniversität, so dass Altdorf einen protestantisch-reichsstädtischen Typ der humanistischen Hochschule mit universitätsähnlichen Strukturen verkörpert. Durch kaiserliches Privileg von 1622 und Privilegienverbesserung von 1696 konnte sich Altdorf schließlich auch formal als Universität verfassen. Als der Hochschule im 18. Jahrhundert eine starke Konkurrenz in Erlangen entstand, wurde sie so geschwächt, dass 1809 die territoriale Einverleibung nach Bayern zugleich die Auflösung der Universität nach sich zog.

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Die Universität Erlangen[27] war gleichzeitig die letzte Universitätsgründung vor der napoleonischen Eroberung. Die ohnehin rege Schulpolitik der Markgrafen von Bayreuth-Ansbach hatte bereits im 16. Jahrhundert Bestrebungen nach einer Universität aufkommen lassen. Ausgangspunkt der heutigen Erlanger Universität war aber die erst 1702 eröffnete Ritterakademie in der seit 1686 vorangetriebenen Hugenottensiedlung Christian-Erlang.[28] Diese wurde 1741 mit dem Gymnasium Ernestinum in Bayreuth vereinigt und avancierte dort zur Bayreuther Academia Fridericiana (14. März 1742). Die Akademie wurde jedoch nach Erteilung eines kaiserlichen Privilegs sogleich nach Erlangen zurückverlegt und dort als Universität am 4. November 1743 eröffnet.[29] Dem Landesherrn war der Titel eines Rector Magnificentissimus vorbehalten. Die Aufsichtsfunktion lag zunächst in den Händen eines Direktors, seit 1746 beim Kurator, wurde seit 1751 aber durch Kollegialorgane ausgeübt. Konzipiert war Erlangen als protestantische Staatsuniversität im Geiste der Aufklärung mit Funktionen vor allem für den staatlichen Beamtenapparat. Die Universität litt in der Folgezeit allerdings unter einer finanziellen Unterversorgung, so dass erst die preußischen Reformen eine Stabilisierung der Hochschule ermöglichten.

cc) Kurzlebige Gründungen und Zwischenformen

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Beispiele kurzlebiger Gründungen finden sich etwa in Ottobeuren,[30] Schulen mit zumindest universitärem Charakter etwa in Passau.[31] Eine der wichtigsten Formen zwischen Hochschule und Gymnasium bildeten die Lyzeen,[32] von denen zahlreiche an den Schnittpunkten von Humanismus, Reformation und katholischer Reform entstanden. Eine besondere Rolle spielte das Collegium Willibaldinum in Eichstätt,[33] gegründet als ältestes tridentinisches Seminar 1564 durch Bischof Martin von Schaumberg. Durch Privileg von 1565 war es möglich, dass Studenten des Seminars an der Ingolstädter Universität einen akademischen Grad erwerben konnten.[34] Weitere Zwischenformen zwischen Gymnasium, Fachschule und Universität bildeten die auf den Adel ausgerichteten und auf die Regierungsführung spezialisierten Ritterakademien[35] sowie verschiedene städtische Einrichtungen, die etwa unter dem Titel eines Gymnasium illustre, eines Athenaeum, Paedagogium oder Lyzeum geführt wurden.[36]

1. Kapitel Grundlagen › I. Die Geschichte der Bayerischen Hochschulen › 3. Säkularisation, Zentralisierung und Umzug der Landesuniversität

3. Säkularisation, Zentralisierung und Umzug der Landesuniversität

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Der große Umbruch, der die noch mittelalterlichen Strukturen der Universitäten bis ins Mark erschütterte, kam mit den Folgen der Französischen Revolution. Durch den Wegfall des Reiches und die Säkularisation wurde auch die bisherige Privilegierung der Universität ihrer Basis beraubt. Die Hochschulen wurden nun allein auf die Landeshoheit zurückgeführt und Promotionen nur noch regia auctoritate, also aus abgeleitetem Mandat, erteilt.[37] Die territoriale Neuordnung des Reiches brachte Bayern erhebliche Gebietsgewinne und damit auch eine große Zahl an Universitäten, die nebeneinander in einem Staat kaum Bestand haben konnten.[38] Diese Umbrüche griff Graf Maximilian von Montgelas, seit 1799 Minister des Kurfürsten Max IV. Joseph und späteren Königs Maximilian I.,[39] auf und nutzte sie zu einer grundlegenden Umgestaltung des bayerischen Universitätswesens, noch bevor in Berlin 1810 mit Humboldt eine neue Epoche deutscher Universitätsgeschichte begann. Überhaupt beschritt Bayern in den folgenden Jahrzehnten einen Sonderweg,[40] der mit Berlin aber den „Elan und die Rivalität im Rückgriff auf das Göttinger Vorbild“[41] teilte.

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Die Reformen Montgelas‘ und des für die Schulreform zuständigen Georg Friedrich Freiherr von Zentner waren von den Gedanken der Zentralisierung und der stärkeren staatlichen Kontrolle über die Hochschulen geprägt. Dazu wurde die Abkehr von der Vergangenheit inszeniert, die alten Universitätssiegel gebrochen und mit den Organisationsedikten für Würzburg (1803) und Landshut (1804) auch die Auflösung der Fakultätsverfassung verfügt. Weitere Maßnahmen waren die Straffung des Lehrbetriebs, die Abschaffung der akademischen Gerichtsbarkeit und der „Schutzverwandten“, Personen die bis dato dem universitären Rechtsbereich zugeordnet worden waren, außerdem die Aufhebung des Kanzleramts. Die Rektoren wurden fortan von der Verwaltung bestimmt, die Professoren wurden Staatsdiener. An die Stelle der alten Fakultäten traten eine in Sektionen gegliederte Allgemeine und eine Spezielle Klasse.[42] Zudem ergab sich eine Professionalisierung des Universitätsstudiums aus der Tatsache, dass 1809 das Abitur zur einzigen Zugangsberechtigung für die Universitäten erklärt wurde. Als entscheidend für die universitäre Selbstverwaltung erwies sich die Reform der Vermögensverwaltung.[43] Sie wurde durch Montgelas den Universitäten zunächst entzogen und zentralisiert. Da sich dieser Weg jedoch als wenig vorteilhaft erwies, beschritt man ab 1815 einen Mittelweg zwischen staatlicher Zentralisierung und Hochschulautonomie: Die Vermögensverwaltung oblag fortan einem Verwaltungsausschuss aus vier Professoren. Gleichzeitig mit der organisatorischen Gängelung wurde eine Lockerung der Zensurbestimmungen angestrebt. Das Zensur-Edikt Zentners (1803) bildete dazu den entscheidenden Schritt, auf den § 7 (Erster Titel) der Bayerischen Verfassung von 1808 verwies. Diese Entwicklung beförderte auch die wissenschaftliche Publizistik an den Universitäten, die sich sogleich mit dem Umzug der Landesuniversität beschäftigte.

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Zugleich erkannte Montgelas, dass nur eine Konzentration auf wenige Universitäten dem Königreich erlauben würde, eine erfolgreiche Bildungspolitik zu betreiben. Erklärtes Ziel war es, nur zwei Landesuniversitäten zu erhalten, darunter die traditionsreiche Alma Mater in Landshut. Würzburg ging 1806 verloren, so dass Erlangen 1810 die Rolle der zweiten Universität für sich gewann. Im Gegensatz zu Preußen wurde in Bayern ausführlich der Gedanke einer Spezialschulen-Organisation diskutiert, der eine Auflösung des klassischen Modells der universitas litterarum bedeutet hätte und im Rheinbund-Staat Bayern direkt vom französischen Vorbild übernommen worden war.[44] Die heftig umstrittenen Spezialschulpläne wurden jedoch letztlich ebenso wenig Wirklichkeit wie die Vorstellungen von einer Zentraluniversität des Königreiches. Ein Schritt wurde allerdings mit der Reform der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gemacht, welche 1807 in eine „Centralanstalt“, also eine staatliche Forschungsinstitution, des bayerischen Königreiches umgewandelt wurde.

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In einer besonderen Lage befand sich die Landesuniversität in Ingolstadt. Aus Kriegsgründen wurde diese 1799 nach Landshut verlagert,[45] ein Umzug, der allerdings erst 1804 wirklich abgeschlossen war. Die Universität hieß nun Ludovico Maximilanea und war durch Statuten von 1799 noch einmal reformiert worden.[46] Mit der Gründung eines Kameralinstitutes wurde der Grundstein für die spätere Staatswirtschaftliche Fakultät gelegt. Die altbayerische Landesuniversität hatte stets die Rolle des gesamtbayerischen Modells inne. Hier musste sich nach dem Verlust Würzburgs die Organisationsreform von 1804 bewähren und hier entschied sich die Richtung der bayerischen Hochschulpolitik.[47]

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Die Würzburger Universität[48] stand zwar zunächst nur 1802 bis 1806 unter bayerischer Herrschaft, wurde aber unter dem Kurator Friedrich Karl Graf von Thürheim durch die Organisationsakte von 1803 im Sinne Montgelas‘ zentralstaatlich umgeformt. Dies schloss die Aufhebung der Fakultäten und der akademischen Gerichtsbarkeit sowie die Einführung einer paritätischen Theologie ein. Gleichzeitig wurde der umfangreiche Austausch des Ordinarienkollegiums in Angriff genommen, um der Universität eine hervorgehobene Reputation zu sichern. Die organisatorischen Reformen wurden allerdings durch die Organisationsakte von 1809 zu weiten Teilen wieder zurückgenommen.

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Die Universität Erlangen[49] war zwischen 1791 und 1806 durch die Abdankung des Markgrafen Alexander vorübergehend Teil Preußens geworden und hatte unter der Ägide Karl August von Hardenbergs, der auch Kurator der Universität wurde, ihr Ansehen nicht zuletzt durch die neue Berufungspolitik[50] steigern können. Bereits geschwächt durch das französische Intermezzo von 1806 bis 1810 wurde die Alma Mater allerdings nach der territorialen Eingliederung nach Bayern 1810 zunächst von ernsten Existenzsorgen geplagt. Die Bedeutung Erlangens als einziger protestantischer Landesuniversität verhalf ihr letztlich zur Fortexistenz. König Ludwig I. nahm schließlich 1842 den Titel des Rector magnificentissimus an und bekannte sich damit ausdrücklich zu Erlangen.

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Ein kurzes Zwischenspiel im bayerischen Raum hatte die 1808 gegründete Karls-Universität Aschaffenburg.[51] Diese war ursprünglich aus der provisorischen Ausgliederung der Universität Mainz nach dem Reichsdeputationshauptschluss entstanden, wurde jedoch bereits 1814 erneut zum Lyceum zurückgestuft.

1. Kapitel Grundlagen › I. Die Geschichte der Bayerischen Hochschulen › 4. Die Universität zwischen Revolution und Vormärz

4. Die Universität zwischen Revolution und Vormärz

a) Restauration und Repression

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Mit Montgelas‘ Sturz 1817 und den Karlsbader Beschlüssen 1819 begann auch für die bayerischen Universitäten eine neue Zeit.[52] Einerseits wurden einige der Zentralisierungsmaßnahmen zurückgenommen, etwa die Fakultäten wiederhergestellt und die Universitätssiegel wiedereingeführt. Andererseits begann eine stärkere inhaltliche Kontrolle und vor allem Zensur. So sorgte die im Bundesuniversitätsgesetz von 1819 vorgesehene Einsetzung staatlicher Ministerialkommissäre für eine Kontrolle der Universitäten bis in Detailfragen hinein. Die Bayerische Verfassung vom 1818 sicherte unterdessen mittelbar den Bestand der Landesuniversitäten, indem sie bestimmte, dass jede der drei Universitäten, ohne diese namentlich zu nennen, ein Mitglied in die zweite Kammer der Stände-Versammlung entsenden solle.[53]

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In dieser Zeit stellte sich auch heraus, dass Landshut aufgrund atmosphärischer Störungen innerhalb der Professorenschaft und in Bezug auf das als zu provinziell empfundene Umfeld nicht der ideale Standort für die wichtigste Landesuniversität war. Unter König Ludwig I. kam es zu einer bewussten Verlagerung nach München. Der König veranlasste die Vereinigung der Akademie der Wissenschaften und der traditionsreichen Universität, nicht zuletzt um die Zwistigkeiten zwischen beiden Institutionen auszuräumen. Die Akademie selbst hatte 1823 neue Statuten und auch einen Vorlesungsbetrieb zugebilligt bekommen, der durch die Medizinisch-Praktische Lehranstalt von 1824 mit Promotionsrecht seit 1825[54] schnell den Charakter einer Universität aufwies. Im Jahre 1826 erließ der König ein Translokationsdekret und schon im November 1826 nahm die „Ludwig-Maximilians-Universität“ (Bezeichnung seit 1802) den Lehrbetrieb in München[55] auf. Abgeschlossen durch die Statutenrevision für Akademie und Universität von 1827 war nun auch in Bayern die Einheit von Forschung und Lehrbetrieb hergestellt worden. Gleichzeitig gewährte die Studienordnung von 1827, die erstmals für alle drei Landesuniversitäten gleichermaßen galt, völlige Studienfreiheit. Die Wiedereinführung der Fakultäten hatte bereits mit der Statutenrevision von 1814 eingesetzt. Im Jahre 1829 wurde offiziell die Fakultätsstruktur wieder etabliert, eine neue Staatswirtschaftliche Fakultät integriert und die freie Wahl von Rektor und Senat sowie zur Sichtbarmachung universitärer Freiheit die Verwendung der alten Siegel wieder vorgesehen. Eine partielle Revision dieser liberalen Anteile der ludovizischen Studiengesetzgebung erfolgte freilich nach der Julirevolution und dem Amtsantritt des Ministers Karl August von Abel durch die Statuten von 1838 und 1842. Zudem wurde das Amt des Ephors geschaffen, eines Professors, der die sittliche Aufsicht über die jungen Studenten ausüben sollte. Die Lyzeen[56] behielten unterdessen ihre Zwischenstellung zwischen Universität und Fachschule bei.[57]

b) Vorrevolutionäre Unruhen und Liberalisierungsansätze

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In München war es 1830 zu den „Weihnachtsunruhen“ gekommen. Am 3. April 1833 scheiterte der Frankfurter Wachensturm, an dem insbesondere Studenten der Würzburger Universität maßgeblich beteiligt waren. Das Münchener Ministerium verfolgte in Ansehung dieser Vorfälle fortan eine antiliberale Politik, die schließlich zur „vorgezogenen Revolution“ 1847 führte.[58] Aufgrund studentischer Unruhen wurde die Universität vorübergehend geschlossen, bis die Solidarisierung der Bürger mit den Studenten die Wiedereröffnung erzwang. Nach dem Ausbrechen der Revolution in Paris waren es außerdem die Studenten, die beim Münchener Zeughaus-Sturm am 4. März 1848 eine Eskalation des Konflikts verhinderten. Nach dem Rücktritt Ludwigs I. im März 1848 bildeten sich zahlreiche Verbindungen, die sich im Sommer zur Repräsentantenverfassung zusammenschlossen, um eine ständige Vertretung der Studentenschaft in den Hochschulorganen zu erreichen, eine Forderung, die auch im Studentenparlament vom Juni 1848 in Eisenach unter Vorsitz des Münchener Jura-Studenten Elias Lang vorgebracht wurde. Die Professoren gruppierten sich im September 1848 als „Versammlung deutscher Universitätslehrer zur Reform der deutschen Hochschulen“ in Jena und forderten eine Neugestaltung der Universitätsverfassung im Sinne größerer korporativer Autonomie und Lehrfreiheit. Die revolutionären Bemühungen der Studenten endeten indes mit der baldigen Auflösung der Repräsentanten-Versammlung. In Bayern bedeuteten die Unruhen von 1847/48 dennoch, auch wenn der neue König Maximilian II. kein neues Hochschulgesetz erließ, die Abkehr von der Abelschen Hochschulpolitik,[59] was zu einer partiellen Liberalisierung der Studienordnungen führte. Die endgültige Abschaffung der Sonderrolle der Philosophischen Fakultät erfolgte allerdings erst 1913. Damit gehörte Bayern zu den letzten deutschen Staaten, die das reformierte nördliche Modell nach dem Vorbild der preußischen Universitäten in Abkehr von den mittelalterlichen Studienstrukturen übernahmen.

c) Eintritt des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit in die deutsche Verfassungsgeschichte

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Im Siebzehner-Entwurf des deutschen Reichsgrundgesetzes vom 26. April 1848, vorgelegt von der kurz nach der Märzrevolution noch vom alten Frankfurter Bundestag einberufenen Verfassungskommission der „Siebzehn Männer des allgemeinen Vertrauens“, erscheint zum ersten Mal ein Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft in der deutschen Verfassungsgeschichte und fand von dort aus Eingang in § 152 der Paulskirchenverfassung von 1849 („Die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei“). Die Wissenschaftsfreiheit war eng verknüpft mit der umstritteneren Forderung nach allgemeiner Freiheit des Bildungs- und Unterrichtswesens von – je nach Standpunkt – staatlicher und/oder kirchlicher Bevormundung, eine Gewährleistung, für die Art. 17 Verf. Belgien (1831) als Vorbild wirkte.[60] Die Aufnahme der Wissenschafts- und Lehrfreiheit in den Grundrechtskatalog der Frankfurter Reichsverfassung stellte vor allem eine Reaktion auf staatliche Unterdrückung der Geistesfreiheit durch die Restauration infolge der Karlsbader Beschlüsse dar.[61] Die Lehrfreiheit sollte gegen staatliche Frage-, Forschungs- und Publikationsverbote in Schutz genommen werden, wobei stets eine enge Verbindung zwischen der akademischen Freiheit und der allgemeinen Unterrichtsfreiheit angenommen wurde. Vermöge seiner Eigengesetzlichkeit sei der wissenschaftliche Lehrbetrieb der rechtlichen Normierung und Nachprüfung aus der Natur der Sache heraus entzogen. Darüber hinaus sollte mit § 152 RV 1849 – nach heute allerdings umstrittener Auffassung – an die Universitäts- und Wissenschaftskonzeption des deutschen Idealismus angeknüpft werden.[62] Unter den 71 bayerischen Vertretern im Frankfurter „Professorenparlament“ der Paulskirchenversammlung waren auch eine Reihe an Hochschulprofessoren, etwa der Orientalist Ph. Fallmerayer, der Mathematiker T v. Hermann, der Historiker J.N. Sepp und der Staatswissenschaftler W. Stahl.

1. Kapitel Grundlagen › I. Die Geschichte der Bayerischen Hochschulen › 5. Die Universität in der konstitutionellen Monarchie