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Loe raamatut: «Das Horoscop», lehekülg 7

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IV.
Bei den Hugenotten

Es war ungefähr acht Uhr Abends, als Robert Stuart das Minard'sche Haus verließ. Als er nun wieder allein in der alten Templestraße stand, die damals seit Einspruch der Nacht noch verödeter war, als sie heutigen Tages ist, so sprach er mit einer Anspielung auf die zwei Männer, die er ermordet hatte, die ausdrucksvollen Worte.

»Nun sind es zwei.«

Den vom Seineufer rechnete er nicht; er war eine Baarbezahlung für seinen Freund Medardus.

Als er vor das Stadthaus d. h. auf den Greveplatz gelangte, wo die Verurtheilten hingerichtet wurden, schaute er mechanisch nach dem Ort, wo man gewöhnlich den Galgen aufrichtete;. dann näherte er sich diesem Orte.

»Hier,« sagte er. »wird Anne Dubourg die Strafe für sein Genie erleiden, wenn der König ihn nicht begnadigt. Und wie kann man den König zwingen ihn zu begnadigen?« fügte er hinzu.

Mit diesen Worten entfernte er sich.«

Er trat in die Rue de la Tannerie und hielt vor einer Thüre an, über welcher ein Schild knarrte mit der Inschrift:

Zum Degen des Königs Franz I

Einen Augenblick konnte man glauben, er wolle hier eintreten, aber auf einmal sagte er:

»Nein, es wäre Wahnsinn in diese Schenke zurückzukehren; in zehn Minuten werden die Bogenschützen da sein. Nein, gehen mir zu Patrick.«

Er schritt schnell durch die Rue de la Tannerie und über die Notre-Damebrücke, warf im Vorüber gehen einen Blick auf den Ort, wo er Tags zuvor Julien Fresne getödtet hatte, sodann ging er mit groben Schritten durch die Cité und über den Pont-St.-Michel, bis er in der Rue du Battoir-St.-André ankam.

Hier blieb er, ruhig in der Rue de la Tannerie, vor einem Hause stehen, das ebenfalls einen Schild hatte; nur lautete die Inschrift desselben:

Zur Distel Schottlands

»Hier wohnte doch Patrick Macpherson,« sagte er, indem er sein Haupt erhob um das Fenster zu recognosciren; er hatte da oben unter dem Dach ein Stübchen und kam alle Tage hin, wenn er nicht im Louvre auf der Wache war.

Er gab sich alle Mühe, um die Mansarde zu bemerken; allein das vorgerückte Dach hinderte ihn daran.

Er wollte daher eben die Thüre ausstoßen oder, im Fall sie verschlossen war, mit seinem Degenknopf oder seinem Pistolenkolben klopfen, als besagte Thüre auf einmal sich öffnete und ein Mann im Costüm der Bogenschützen der schottischen Garde heraustrat.

»Wer da?« fragte der Bogenschütze, der beinahe auf den jungen Mann stieß.

»Ein Landsmann,« antwortete unser Held auf schottisch.

»Ah! Ah! Robert Stuart!« rief der Bogenschütze.

»Er selbst, mein lieber Patrick.«

»Und welcher Zufall führt Dich zu dieser Stunde in meine Straße und vor meine Thüre?« fragte der Bogenschütze, indem er seinem Freund beide Hände entgegenstreckte.

»Ich will Dich um einen Gefallen ersuchen, mein lieber Patrick.«

»Sprich; nur mußt Du Dich beeilen.«

»Du bist pressirt?«

»Zu meinem großen Leidwesen ja; aber Du begreifst, um halb zehn Uhr ist Appell im Louvres und es hat so eben aus der Kirche von St. André neun Uhr geschlagen; also ich höre.«

»Die Sache ist die, mein lieber Freund. In Folge des letzten Edicte bin ich von meiner Herberge fortgeschickt worden.«

»Ach ja, ich begreife: Du gehörst der rechten Religion an und solltest zwei katholische Bürgen haben.«

»Die zu suchen ich nicht die Zeit habe, und die ich vielleicht auch nicht finden würde, wenn ich sie suchte: nun aber würde ich heute Nacht Verhaftet werden, wenn ich in den Straßen von Paris umherirrte. Willst Du zwei oder drei Tage Dein Zimmer mit mir theilen?«

»Zwei oder drei Nachte, wenn Du willst, und sogar alle Nächte im ganzen Jahr, wenn Dir Das Vergnügen machen kann; aber mit den Tagen ist es etwas Anderes.«

»Und warum Das, Patrick?« fragte Robert

»Weil ich« antwortete der Bogenschütze mit einer von Eitelkeit ganz verwirrten Miene, »weil ich, seit ich nimmer das Vergnügen hatte Dich zu sehen, mein lieber Robert, so glücklich war eine Eroberung zu machen.«

»Du, Patrick?«

»Wundert es Dich?« fragte der Bogenschütze, indem er sich selbstgefällig wiegte.

»Nein, gewiß nicht; aber es trifft sich ungeschickt.«

Robert schien nicht geneigt mehr zu fragen; aber die Eigenliebe seines Landsmanns fand bei dieser Discretion ihre Rechnung nicht.

»Ja, mein Lieber,« sagte er, »die Frau eines Parlamentsraths hat mir ganz einfach die Ehre erwiesen sich in mich zu verlieben, und ich warte mit jedem Tag auf die Ehre sie zu empfangen.«

»Teufel!« machte Robert. »Dann nimm an, ich hätte Nichts gesagt Patrick.«

»Und warum das? Nimmst Du meine vertrauliche Mittheilung für eine Weigerung? Ich nehme an, diese rechtschaffene Dame, wie Herr von Brantome sagt, werde sich den einen oder andern Tag dazu verstehen in mein Stübchen hinauszukommen – bemerke jedoch wohl, daß Dieß bloß eine willkürliche Annahme ist —dann gehst Du; im entgegengesetzten Fall bleibst Du bei mir, so lang es Dir gefällt; man kann es doch nicht besser einrichten, das mußt Du selbst gestehen.«

»In der That, lieber Patrick,« sagte Robert, der, wie es schien, nur mit dem höchsten Bedauern auf seinen Plan verzichtet hätte; »ich nehme Dein Anerbieten dankbar an und warte nur auf Gelegenheit Dir den gleichen Gefallen zu erweisen, in was er auch bestehen mag.«

»Schon gut,« sagte Patrick, »darf man Unter Freunden, unter Landsleuten, unter Schotten von Dankbarkeit sprechen? Das ist, als ob. . . He! aber wart einmal!«

»Was?« fragte Robert.

»Oh, eine Ideen,« rief Patrick, wie wenn ihm plötzlich ein leuchtender Gedanke gekommen wäre.

»Um was handelt es sich? heraus mit der Sprache.«

»Mein lieber Freund,« sagte Patrick, »Du kannst nur einen großen Dienst erweisen.«

»Einen großen Dienst?«

»Eine«n ungeheuren Dienst.«

»Sprich, ich stehe zu Deiner Verfügung.«

»Danke! nur. . .«

»Vollende.«

»Glaubst Du, daß wir vom gleichen Wuchse sind?«

»So ziemlich.«

»Von derselben Dicke?«

»Ich glaube es.«

»Tritt einmal in den Mondschein, damit ich Dich ansehe.«

Robert that was sein Freund verlangte.

»Weißt Du auch, daß Du ein prächtiges Wamms hast?« fuhr Patrick fort, indem er den Mantel seines Freundes auf die Seite zog

»Prächtig ist nicht gerade das Wort.«

»Ganz neu.«

»Ich habe es vor drei Tagen gekauft.«

»Etwas zu dunkel freilich,« fuhr Patrick fort; »aber sie wird darin eine Absicht erblicken mich vor allen Blicken um so besser zu verbergen.«

»Auf was willst Du hinaus?«

»Das sollst Du sogleich vernehmen, lieber Robert: mit so freundlichem Auge die Dame meiner Gedanken mich ansieht, eben so scheel sieht ihr Gemahl mich an. Dieß geht so weit, daß er jedes mal wenn er einen Bogenschützen von der Garde vorbeikommen sieht, ihm die giftigsten Blicke zuwirft, und Du begreifst was für ein Auge er machen würde, wenn er diese Uniform auf seiner Treppe bemerkte.«

»Allerdings, Das begreife ich sehr wohl.«

»Nun hat mir,« fuhr Patrick fort, »die Frau den Rath gegeben nie mehr in meinem Nationalcostüm zu ihr zu kommen. Daraus folgt, daß ich schon den ganzen Abend auf ein anständiges Mittel sinne, um eine Kleidung zu erhalten,·wodurch ich meine Uniform vortheilhaft ersetzen könne: Dein Costüm scheint mir, obwohl etwas düster oder vielleicht gerade wegen seiner Farbe, dem Zweck zu entsprechen, den ich mir versetze. Erweis mir also die Freundschaft es mir auf morgen zu leihen;« ich werde mich so einrichten, daß ich es in den folgen den Tagen nicht mehr brauche.«

Diese letzten Worte des Schatten, welche das maßlose Selbstvertrauen verriethen, das die Schotten immer besaßen und noch jetzt besitzen, zwangen Robert Stuart ein Lächeln ab.

»Meine Kleider, meine Börse und mein Herz gehören Dir, lieber Freund,« antwortete er. »Inzwischen bemerke wohl, daß ich selbst morgen wahrscheinlich auszugehen haben werde, und für diesen Fall sind mir meine Kleider fast nothwendig.«

»Teufel!«

»Gleich dem antiken Philosophen trage ich all mein Hab und Gut bei mir.«

»Beim heiligen Dunstan! das ist ärgerlich.«

»Und thut mir unendlich leid.«

»Um Dir die Wahrheit zu gestehen, je mehr ich Dein Wamms ansehe, um so mehr scheint es mir für mich gemacht zu sein.«

»Das ist also ein wahres Wunder,« sagte Robert, der seinen Freund zu irgend einer offeneren Mitheilung drängen wollte.

»Gibt es gar kein Mittel, um diesem Uebelstand abzuhelfen?«

« »Ich sehe keines, aber Du bist ein Mann von Phantasie besinne Dich einmal.«

»Mir fällt etwas ein!« riet Patrick.

»Was?«

»Freilich darf der Gemahl Deiner Geliebten nicht denselben Abscheu vor den Herren Bogenschützen der schottischen Garde haben wie der Gemahl der meinigen.«

»Ich habe keine Geliebte, Patrick,« sagte Robert mit düsterer Miene.

»Nun wohl denn,« versetzte der Bogenschütze, der blos an die Ausführung seiner Idee dachte und sich folglich mit nichts Anderem beschäftigte, »in diesem Fall muß jedes Costüm Dir gleichgültig sein.«

»Ganz und gar gleichgültig,« sprach der junge Mann.

»Nun so nimm das meine, da ich das Deine nehme.«

Diesmal unterdrückte Robert Stuart sein Lächeln.

»Wie so?« fragte er,« wie wenn er nicht ganz begriffe.

»Es wäre Dir doch nicht zuwider die schottische Uniform anzuziehen?«

»Ganz und gar nicht«,

»Nun wohl, wenn eine gebieterische Nothwendigkeit Dich zum Ausgehen zwingt, so kannst Du in meiner Uniform ausgehen.«

»Du hast Recht, dieß ist in der That höchst einfach.«

»Sie wird Dir überdieß Zutritt im Louvre verschaffen.«

Robert bebte vor Vergnügen.

»Dieß war mein Ehrgeiz,« sagte er lächelnd.

»Also auf morgen!«

»Auf morgen!« sagte Robert Stuart, indem er die Hand seines Freundes ergriff.

Patrick hielt ihn auf.

»Du vergissest blos eine Sache,« sagte er.

»Welche?«

»Sie ist freilich von keinem allzu großen Nutzen: es ist mein Zimmerschlüssel.«

»Das ist bei Gott wahr,« sprach Robert, »gib her.«

»Hier! Gute Nacht, Robert.«

»Gute Nacht, Patrick.«

Und die beiden jungen Leute trennten sich, nach dem sie einander zum zweiten Mal die Hand gedrückt; Patrick ging nach dem Louvre zu, Robert ging in Patricks Haus.

Lassen wir Patrick in den Louvre treten, wo er noch gerade recht zum Verles ankam, und folgen wir Robert, der nachdem er an zwei oder drei Thüren herumgetappt war, endlich Patricks Schloß fand.

Ein Rest von noch brennendem Rebholz beleuchtete das ganz kleine Stückchen des jungen Gardisten. Es war recht sauber herausgeputzt und hatte große Aehnlichkeit mit den Stübchen unserer heutigen Studenten.

Das Ameublement bestand aus einem ziemlich gut ausgestatteten Bett, einer kleinen Truhe, zwei Strohsesseln und einem Tisch, aus welchem noch der Docht eines Talglichtes in einem langhalsigen Sandsteinkrügchen rauchte.

Robert nahm einen Brand, blies aus Leibeskräften und brachte zuletzt eine Flamme zu Stand, woran er das Licht anzündete.

Sodann setzte er sich vor das Tischchen und begann die Stirne in beide Hände gesenkt, tief nachzusinnen.

»Das ist es,« sagte er endlich, indem er mit der Hand in seine Haare fuhr, wie wenn er seine Stirne von einem furchtbaren Gewicht befreien wollte, »das ist es, ich will an den König schreiben.«

Und er erhob sich.

Auf dem Kamin fand er ein volles Tintenfäßchen und eine Feder; aber vergebens suchte er nach Papier oder Pergament, vergebens durchwühlte er die Schublade des Tisches und die drei Fächer der Truhe, es fand sich nicht das geringste Fetzchen vor.

Er suchte von Neuem, aber umsonst sein Kamerad hatte ohne Zweifel sein letztes Blatt zu einem Schreiben an seine Räthin verbraucht.

Verzweiflungsvoll setzte er sich wieder.

»Oh!« sagte er, »so soll ich also dieses letzte Mittel blos deßhalb nicht versuchen können, weil es an einem Stückchen Papier fehlt.«

Es schlug wirklich zehn Uhr: die Kaufleute in jener Zeit blieben nicht wie heutzutage bis Mitternacht auf; die Verlegenheit war also wirklich vorhanden.

»Auf einmal erinnerte sich Robert an den Brief des Königs, den er bei sich behalten hatte; er zog ihn aus seiner Brust hervor, und beschloß auf der Rückseite dieses Blattes an Seine Majestät zu schreiben.

Er nahm Tinte und Feder und schrieb folgen den Brief: »

»Sire,

»Die Verurtheilung des Rathes Anne Dubourg ist ungerecht und gottlos. Man blendet Eure Majestät und veranlaßt sie das reinste Blut ihres Königreichs zu vergießen.

»Sire, ein Mann ruft Euch mitten aus der Menge zu: Oeffnet die Augen und betrachtet die Flamme der Scheiterhaufen, welche Ehrgeizige rings um Euch her auf allen Punkten Frankreichs entzünden.

»Sire, öffnet die Ohren und höret das klägliche Geächze, das auf dem Greveplatz ausgestoßen wird und bis in den Louvre dringt.

»Höret und sehet, Sire. Wenn Ihr gehört und gesehen haben werdet, so werdet Ihr sicherlich verzeihen.«

Der Schotte übeberlas seinen Brief noch einmal und legte ihn dann verkehrt zusammen, d. h. so, daß die erste Seite auf welcher der Brief des Königs stand, die Kehrseite seines eigenen Briefes wurde und vice versa.

»Jetzt,« murmelte er, »wie soll ich diesen Brief in den Louvre bringen? Wenn ich bis morgen auf Patrick warte so wird es zu spät. Ueberdieß würde der unglückliche Patrick als mein Mitschuldiger verhaftet werden. Ich compromittire ihn schon genug dadurch, daß ich seine Gastfreundschaft annehme. Was thun?«

Er trat ans Fenster und besann sich auf eine Idee. In verzweifelten Fällen fragt man gern die äußern Gegenstände um Rath.

Wir haben gesagt, daß es für den December ein herrlicher Tag gewesen war.

Robert fragte die frische Luft, den Sternenhimmel, die stille Nacht um Rath was er zu thun habe.

Von Patricks Dachstübchen aus, dem höchstgelegenen Orte des Hauses, erblickte er die Thürmchen des königlichen Palastes.

Auf einmal trat ihm der hölzerne Thurm, der am äußersten Ende dieses Palastes, so ziemlich dem Neslethurm gegenüber, zwischen dem Fluß und dem innern Louvrehof sich erhob, prächtig gezeichnet im phantastischen Mondschein vor die Augen.

Beim Anblick dieses Thurmes schien Robert das gesuchte Mittel gefunden zu haben, um seine Botschaft an den König gelangen zu lassen; denn er steckte sein Pergament wieder in seine Brust, löschte das Licht aus, setzte seinen Hut wieder auf, holte sich von Neuem in seinen Mantel und stieg rasch die Treppe hinab.

Einige Tage vorher war eine Ordonnanz er lassen worden, welche Jeder männiglich verbot nach fünf Uhr Abends zu Fuß oder zu Wasser die Seine zu passiren.

Es war Nachts zehn Uhr; Robert konnte also nicht daran denken die Fähre zu nehmen.

»Er konnte weiter Nichts thun, als daß er den selben Weg, auf welchem er vom Greveplatz her gekommen war, zurück machte.

Er ging also wieder nach dem Pont St. Michel hinauf, ließ die Rue de la Barillerie links liegen, um nicht unter die Palastwachen zu gerathen, und kehrte über die Notre-Damebrücke in das Netz von Straßen zurück, die ihn zum Louvre führen konnten.

Der Louvre war seit der Regierung Franz I. mit Steinen, Kies und Zimmerbalken verschüttet.

Man hätte ihn eher für das Innere eines Steinbruchs oder für einen jener unvollendeten Paläste, die schon vor dem Aufbau in Trümmer zerfallen, als für die Wohnung des Königs von Frankreich halten können.

Es war also leicht zwischen den Steinblöcken, womit der Louvre von innen wie von außen verstellt war, durchzuschlüpfen.

Von Stein zu Stein, von Graben zu Graben kam Robert Stuart, indem er der Seine entlang ging, bis aus hundert Schritte von dem großen Portal des Louvre, gerade dem Fluß gegenüber, welcher in der Tiefe das ganze Terrain einnahm, den jetzt das Quai einnimmt, sodann ging er am Gebäude hin bis an den neuen Thurm, und als er zwei Fenster beleuchtet sah, hob er in einem der Großen einen Stein auf, den er in das Pergament wickelte, machte die Schnur von seinem Hut los und band damit Stein und Pergament zusammen; hierauf trat er zwei oder drei Schritte zurück, um seinen Anlauf zu nehmen, bemaß die Entfernung, zielte, wie wenn es sich um einen Flinten- oder Pistolenschuß handelte, und warf Stein und Pergament in eines der beleuchteten Zimmer des ersten Stocks.

Das Getöse des zerbrochenen Fensters und die Bewegung, die in Folge desselben im Zimmer stattzufinden schien, verkündeten ihm, daß seine Botschaft angekommen war, und daß der Mangel an Boten nicht Schuld daran war, wenn sie etwa nicht zum König gelangte.

»Ganz vortrefflich,« sagte er. »Und jetzt müssen wir warten; wir werden morgen sehen, ob mein Brief seine Wirkung hervorgebracht hat.«

Indem er sich zurückzog, schaute er sich behutsam um, weil er sich versichern wollte, daß er nicht bemerkt worden sei; er sah auch in der Ferne Nichts als die Schildwachen, die mit ihrem gewohnten langsamen und abgemessenen Gang auf und abschritten.

»Es war klar, daß sie Nichts bemerkt hatten.

Robert Stuart ging daher auf dem gleichen Weg, wie er gekommen war, nach der Rue du Battoir-St.-André zurück mit der festen Ueberzeugung, daß er von Niemand gesehen oder gehört worden sei.

Er täuschte sich: er war von zwei Männern gesehen worden, die ungefähr fünfzig Schritte vor ihm in einem der Winkel des neuen Thurms, im Schatten desselben verborgen waren und sich so lebhaft mit einander unterhielten, daß sie zwar sahen und hörten, aber es durch keinerlei Zeichen zu verstehen gaben.

Diese beiden Männer waren der Prinz von Condé und der Admiral Coligny.

Sagen wir, welcher Gegenstand der Unterhaltung die erlauchten Herrn dermaßen beschäftigen konnte, daß sie sich um die Steine, die man in dieser späten Stunde der Nacht in die Fenster des Louvre warf ganz und gar nicht zu bekümmern schienen.

V.
Am Fuß des neuen Thurmes

»Jetzt,« sagt Brantome in seinem Buch von den berühmten Feldberrn, »müssen wir von einem der größten Kriegshelden sprechen, die je gelebt haben.«

Machen wirs, wie Brantome; nur wollen wir gegen Gaspar von Coligny Herrn von Chatillon gerechter sein, als es der Höfling der Guises ist.

In zwei andern Büchern haben wir bereits ausführlich von dem berühmten Vertheidiger von St. Quentin gesprochen; aber unsere Leser können die Königin Margot vergessen haben und den Pagen des Herzogs von Savoyen noch nicht kennen; es erscheint uns daher dringend einige Worte von der Geburt, der Familie und den Antecedenzien, wie man heutzutage sagt, des Admirals zu sprechen.

Wir unterstreichen das Wort Admiral, weil der Mann, von dem wir sprechen, unter diesem Namen bekannt war, und man ihn nur sehr selten Gaspar von Coligny oder Herrn von Chatillon nannte.

Gaspar von Coligny war am 17. Februar 1517 in Chatillon-sur-Loing, dem herrschaftlichen Sitz seiner Familie, geboren.

Sein Vater, ein bressanischer Edelmann, hatte sich nach der Vereinigung seiner Provinz mit dem Königreich in Frankreich niedergelassen; er behauptete einen hohen Rang in den Armeen des Königs und nahm den Namen Chatillon an, nachdem er Eigenthümer dieser Herrschaft geworden war.

Seine Gemahlin war Louise von Montmorency, Schwester des Connetabels, von welchem wir schon sehr oft zu sprechen Gelegenheit hatten, ganz besonders im Ascanio, in den beiden Dianen und im Pagen des Herzogs von Savoyen.

Die vier Söhne des Herrn von Chatillon, Peter, Odet, Gaspar und Dandelot waren also die Neffen des Connetabels.

Der erste, Peter, starb mit fünf Jahren. Der zweite, Odet, erhielt also die Bestimmung die Ehre des Namens aufrecht zu erhalten.

Zwanzig Jahre nach diesem Todesfall hatte der Connetabel einen Cardinalshut zu seiner Verfügung. Keiner seiner Söhne wollte ihn haben; er bot ihn also den Söhnen seiner Schwester an; Gaspar und Dandelot, zwei kriegerische Naturen, lehnten ihn ab, Odet, eine ruhige und beschauliche Natur, nahm ihn an.

Gaspar war also das Haupt der Familie, um so mehr als sein Vater schon im Jahr 1522 gestorben war.

Wir haben anderswo gesagt, wie er seine Uebungen als Gesellschafter des Herzogs Franz von Guise durchmachte, und welche Freundschaft die beiden jungen Leute vereinigte, bis sich nach der Schlacht von Renty, wo Beide Wunder der Tapferkeit verrichtet hatten, eine Erkaltung zwischen ihnen einschlich. Als nach dem Tod des Herzogs Claude von Lothringen Franz und sein Bruder, der Cardinal, sich an die Spitze der katholischen Partei gestellt, und der Staatsangelegenheiten benöhtigt hatten, schlug diese Erkaltung in einen ehrlichen und gründlichen Haß um.

Während dieser Zeit war der junge Gaspar von Chatillon, trotz des Hasses der Guises, einer der ausgezeichnetsten Männer seiner Epoche geworden, und hatte sich großen Ruhm und viele Ehren erworben. Er war, wie auch sein Bruder Dandelot vom Herzog von Enghien zum Ritter geschlagen worden, und zwar auf dem Schlachtfeld von Cerisoles, wo Jeder von ihnen eine Fahne genommen hatte; dann war er im Jahre 1544 zum Oberst, drei Jahre später zum Generaloberst der Infanterie und zuletzt zum Admiral ernannt worden.

Damals hatte er zu Gunsten seines Bruders Dandelot, den er zärtlich liebte, wie er denn auch seine zärtliche Gegenliebe besaß seine Stelle als Generaloberst der Infanterie niedergelegt.

Ums Jahr 1545 hatten die beiden Brüder zwei Töchter aus dem edlen bretagnischen Hause Laval geheirathet.

Im Pagen des Herzogs von Savoyen wird man den Admiral bei der Belagerung von St. Quentin wieder finden und sehen, mit welcher bewundernswürdigen Standhaftigkeit er die Stadt Stein um Stein vertheidigte, bis er endlich beim letzten Sturm mit den Waffen in der Hand gefangen genommen wurde.

Während seiner Gefangenschaft in Antwerpen fiel ihm eine Bibel in die Hände, und nun wechselte er seine Religion.

Sein Bruder Dandelot war schon seit sechs Jahren Calvinist.

Vermöge seiner hohen Stellung galt der Admiral natürlich als der militärische Chef der reformirten Religion.

Da indeß der Bruch zwischen den beiden Parteien noch nicht stattgefunden hatte, da die Zeit der Verfolgungen nach nicht gekommen war, so nahmen Dandelot und sein Bruder bei Hof die Posten ein, welche ihr Rang ihnen anwies.

»Aber sagt ein Geschichtschreiber aus jener Zeit, »der Hof hatte keinen furchtbareren Gegner.«

Seine Kaltblütigkeit, sein Muth und seine Gewandtheit waren von der seltensten Art; er schien geboren, um das zu werden, was er wirklich geworden war, natürlich der wahre Chef der calvinistischen Partei: er besaß die dazu erforderliche Beharrlichkeit und unbezwingbare Thatkraft; obschon oft besiegt, wurde er beinahe immer nach seinen Niederlagen furchtbarer als seine Feinde nach ihren Siegen. Er schlug seinen Rang für Nichts, sein Leben nur sehr gering an, war zu jeder Stunde bereit dasselbe zur Vertheidigung des Königreichs oder für den Sieg seines Glaubens zu opfern, und verband mit seinem kriegerischen Genie die gediegenen Tugenden der größten Bürger.

Mitten in diesen stürmischen Zeiten gewährt der Anblick dieses heitern Kopfes dem Auge einen lieblichen Ruhepunkt; es verhält sich damit wie mit jenen großen Eichen, die mitten in den Ungewittern aufrecht stehen bleiben, wie mit jenen hohen Bergen, deren Gipfel mitten in den Stürmen ruhig emporragt, weil dieser Gipfel den Blitz überherrscht.

Der Regen wird niemals durch die runzelige Rinde der Eiche eindringen, der Wind wird ihren Gipfel nicht beugen; um sie zu entwurzeln, bedarf es eines jener Orkane, die Alles über den Haufen werfen.

Der Berg wird zum Vulkan werden, bei jedem seiner Ausbrüche wird der Thron bis in seine Grundlage erschüttert, zittern, und um diesen Krater auszufüllen, um diese Lava zu löschen, bedarf es einer jener Sündfluthen, welche die Gestalt der Reiche verändern.

Der Prinz von Condé besprach sich, wie wir gesagt haben, mit dem Admiral. Mit diesem berühmten jungen Mann unterhielt sich Coligny während der Nacht vom 18. auf den 19. December im Schatten des neuen Thurms.

Wir kennen den Prinzen von Condé wenigstens von außen; wir haben ihn in das Wirthshaus zum rothen Roß treten sehen und aus einigen Worten, die er sprach, eine Idee von seinem Character bilden können.

Man erlaube uns jetzt sowohl daß er diesen Character als auch über seine Stellung am Hof einige Einzelheiten, die uns unumgänglich nöthig erscheinen.

Herr von Condé zeigte noch nicht was er war; aber man ahnte was aus ihm werden konnte, und diese Voraussicht verlieh dem schonen jungen Prinzen, der bis jetzt nur durch seine tollen und flüchtigen Liebschaften bekannt war und gleich seinem Zeitgenossen Don Juan, riesige Listen von den berühmtesten Damen des Hofes führte, große Bedeutsamkeit.

Er war damals, wie wir bereits gesagt zu haben glauben, neunundzwanzig Jahre alt. Er war der fünfte und letzte Sohn Karls von Bourbon, Grafen von Vendome, des neuen Stammvaters aller Zweige des Hauses Bourbon.

Seine älteren Brüder waren Anton von Bourbon, König von Navarra und Vater Heinrichs IV.; Franz, Graf von Enghien; der Cardinal Karl von Bourbon, Erzbischof von Rouen; und Johann, Graf von Enghien, der zwei Jahre vorher in der Schlacht von St. Quentin getötet worden.

Ludwig von Condé war also damals nur ein jüngerer Sohn der Nichts sein nannte, als sein Schwert und seinen Rittermantel.

Und das Schwert war noch mehr werth als der Mantel.

Dieses Schwert hatte der Prinz glorreich in den Krieger Heinrichs II. gezogen, wie auch in einigen Privatfehden, worin er sich beinahe, einen eben so großen Ruf für seinen Muth geschaffen hatte, als er bereits für sein Liebesglück und seine Flatterhaftigkeit in der Liebe besaß.

Für den Prinzen von Condé schien das Axiom: Der Besitz tötet die Liebe, eigens erfunden worden zu sein.

Sobald der Prinz besaß, liebte er nicht mehr.

Die Sache war wohl bekannt unter den schönen Damen, deren galante Geschichte Brantome uns geschrieben, und sonderbar genug, dennoch that dieß den Interessen des jungen Prinzen keinen Eintrag, denn er war so verliebt und so jovial, daß man folgenden vierzeiligen Vers in Gebetform auf ihn gemacht hatte:

 
Schaut nur das hübsche Männlein an,
Wie lachen es und singen kann,
Hält stets ein Liebchen in den Armen,
Mög' seiner Seel' sich Gott erbarmen!
 

Wie man sieht, war bei dem Dichter die Absicht besser als das Vermögen, aber da das Verschen deutlich genug die allgemeine Sympathie kennzeichnet, welche Ludwig von Condé dem Hof einflößte, so haben wir es zu citiren gewagt.

Unser Buch ist übrigens Alexander Dumas unterzeichnet und nicht Richelet.

Diese Sympathie war groß zwischen dem Admiral und dem jungen Prinzen. Der Admiral, der noch jung war – zweiundvierzig – Jahre liebte Ludwig von Condé wie er einen seiner jüngern Brüder geliebt haben w?de, und der Prinz von Condé seinerseits, ein ritterlicher und abenteuerlicher Character, von Natur weit mehr geneigt das Mysterium der Liebe zu studiren, als sich um die Triumphe oder Niederlagen der Religion zu bekümmern, zumal da er damals noch ein gleichgültiger Katholik war, der Prinz von Condé verhielt sich zu dem strengen Admiral wie ein Schüler zu einem geliebten Lehrer, er hörte ihn mit einem Ohr an, während er in der Ferne mit seinen Augen dem Galopp einer schönen Amazone folgte, die von der Jagd heimkehrte, oder mit dem andern Ohr Auf das Liedchen eines jungen Mädchens lauschte, das vom Felde zurückkam.

Man vornehme seht was sich eine Stunde vorher zugetragen.

Der Admiral hatte, als er aus dem Louvre kam, wo er dem jungen König seine Aufwartung gemacht, mit seinem an die Finsternis gewohnten Feldherrnauge am Fuß des neuen Thurmes einen in einen Mantel gehüllten Mann erblickt, der zu einem Balcon vor zwei beleuchteten Fenstern emporschaute und ein Signal entweder zu erwarten oder geben zu wollen schien.

Von Natur nicht sehr neugierig, wollte er seinen Weg nach seinem Hotel in der Rue de Bethisy fortsetzen, als es ihm durch den Kopf fuhr, daß nur ein einziger Mann zu einer Stunde, wo man gerne alle Vorhergehenden verhaftete, wenn sie nur ein wenig in die Nähe des Louvre kamen, die Kühnheit haben könne vor dem Palast des Königs hundert Schritte von der Schildwache, spazieren zu gehen, und daß dieser Mann der Prinz von Condé sein müsse.

Er ging also auf ihn zu, und da der Mann sich bei der Annäherung des Admirals so viel als männlich in die Dunkelheit vertiefte, rief er ihm in einer Entfernung von zwanzig Schritten zu:

»He Prinz!«

»Wer ist da?« fragte der Prinz von Condé denn er war es wirklich.

»Gut Freund antwortete der Admiral, indem er fortwährend näher kam und sich freute, daß sein Scharfblick ihn auch die´mal nicht getäuscht habe.

»Ah, ah! es ist die Stimme des Herrn Admirals, wenn ich mich nicht täusche, sagte der Prinz, der ihm jetzt entgegen kam.

Die beiden Herrn trafen sich aus der Gränze des Schattens; der Prinz zog den Admiral zu sich her, so daß sich Beide jetzt in der Dunkelheit befanden.

»Wie zum Teufel,« fragte der Prinz, nachdem er dem Admiral zärtlich und mit einer gewissen Ehrerbietung die Hand gedrückt, »wie habt Ihr erfahren daß ich hier bin?«

»Ich habe es errathen,« antwortete der Admiral.

»Ei wahrhaftig. Das ist ein wenig stark. Wie habt Ihrs angegriffen?«

»Oh ganz einfach.«

»Sagt mirs doch.«

»Als ich einen Mann in der Nähe der Schildwache bemerkte, sagte ich zu mir, daß es in Frankreich nur einen einzigen Ritter gebe, der im Stand sei sein Leben zu riskiren, um den Wind im Vorhang einer hübschen Frau spielen zu sehen, und daß Eure Hoheit dieser Mann sei.«

»Mein lieber Admiral, erlaubt mir Euch zuvörderst für die vortreffliche Meinung zu danken, die Ihr von mir habt, und Euch dann mein höchst auf richtiges Compliment zu machen: es ist unmöglich einen vollendeteren Scharfblick zu besitzen, als Ihr beweiset.«

»Ah!« machte der Admiral.

»Ich sehe,« sagte der Prinz, »allerdings nach dem Fenster eines Zimmers hinauf, wo zwar keine hübsche Frau, denn Diejenige die mich hier fesselt war vor sechs Monaten noch ein Kind und ist jetzt kaum ein junges Mädchen, aber doch ein bezauberndes junges Mädchen von vollendeter Schönheit wohnt.«

»Ihr meint das Fräulein von St. André,« fragte der Admiral.

»Ganz richtig. Es kommt immer besser, mein lieber Admiral,« antwortete der Prinz; »und Dieß erklärt mir welches Interesse mich getrieben hat, Euch zum Freunde zu nehmen.«

»Also hat Euch ein Interesse dazu getrieben?« fragte Coligny lachend.

»Ja, und zwar ein sehr großes.«

»Welches? Macht mich zu Eurem Vertrauten, Prinz:«

»Seht, wenn ich Euch nicht zum Freund gehabt hätte, Herr Admiral, so hätte ich Euch vielleicht zum Feind bekommen, und dann werde ich wohl einen unversönlichen Feind in Euch gehabt haben.«

Der Admiral warf bei dieser Schmeichelei von Seiten eines Mannes, dem er Vorwürfe machen wollte, den Kopf in die Höhe und antwortete ihm blos:

»Es ist Euch ohne Zweifel nicht unbekannt Prinz, daß Fräulein von St. André mit Herrn von Joinville, dem ältesten Sohn des Herzogs von Guise, verlobt ist.«

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
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04 detsember 2019
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