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Loe raamatut: «Der Chevalier von Maison-Rouge», lehekülg 25

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»Diesen Abend vor der Conciergerie.«

»Ja.«

Der Patriot bezahlte seine Rechnung und entfernte sich.

Von der Thüre aus hörte man ihn mit seiner Donnerstimme rufen:

»Vorwärts, Bürgerin! die Rippchen mit Gurken! mein Vetter Gracchus stirbt vor Hunger.«

»Dieser gute Mardoche!« sagte der Schließer, indem er den Burgunder verkostete, welchen ihm die Wirthin mit einem zärtlichen Blicke eingeschenkt hatte.

XLI.
Der Greffier des Kriegsministeriums

Der Patriot war weggegangen, hatte sich aber nicht entfernt. Durch die rauchigen Fenster beobachtete er den Schließer, um zu sehen, ob er nicht in Verbindung mit einem der Agenten der republikanischen Polizei, einer der besten Polizeien, die je bestanden, trete, denn die eine Hälfte der Gesellschaft bespähte die andere, minder noch zum Ruhme der Regierung, als zur Sicherheit ihres Kopfes.

Doch nichts von dem, was der Patriot befürchtete, geschah; einige Minuten vor neun Uhr stand der Schließer auf, nahm die Wirthin beim Kinn und ging weg

Der Patriot stieß aus dem Quai der Conciergerie zu ihm, und Beide traten in das Gefängniß ein.

Schon an demselben Abend wurde der Handel abgeschlossen; der Vater Richard nahm den Schließer Mordoche an der Stelle des Bürger Gracchus an.

Zwei Stunden, ehe diese wichtige Angelegenheit in, Kerker geordnet wurde, fiel in einem Theile des Gefängnisses eine Szene vor, welche, obgleich scheinbar ohne Interesse, eine nicht minder große Bedeutung für die Hauptpersonen dieser Geschichte hatte.

Müde seines Tagewerks, war der Greffier der Couriergerie im Begriff, seine Register zusammenzulegen und wegzugehen, als ein Mann, geführt von der Bürgerin Richard sich vor seinem Schreibtische zeigte.

»Bürger Greffier,« sprach sie, »hier ist Ihr College, vom Kriegsministerium, er kommt im Auftrage des Bürger Ministers, um einige militärische Listen zu entwerfen.«

»Ah! Bürger,« sagte der Greffier, »Sie komme, ein wenig spät, ich packte so eben zusammen.«

»Lieber College, verzeihen Sie,« erwiderte der Andere, »wir haben so viele Geschäfte, daß sich unsere Gänge nur in verlorenen Augenblicken machen lassen, und unsere verlorenen Augenblicke sind diejenigen, wo die Andern speisen oder schlafen.«

»Wenn dem so ist, so thun Sie es, mein lieber College, doch beeilen Sie sich, denn es ist, wie Sie sagen die Stunde des Abendbrotes und ich fühle Hunger. Haben Sie Ihre Vollmachten?«

»Hier sind sie,« sagte der Greffier des Kriegsministeriums, indem er ein Portefeuille vorwies, das sein College, so sehr er auch Eile hatte, mit ängstlicher Aufmerksamkeit prüfte.

, »Oh! Alles dies ist in Ordnung,« sagte die Richard »mein Mann hat bereits die Durchsicht vorgenommen.«

»Gleichviel,« versetzte der Greffier, in seiner Prüfung fortfahrend.

Der Greffier des Kriegsministeriums wartete geduldig und wie ein Mann, der aus strenge Erfüllung dieser Förmlichkeiten gefaßt war.

»Vortrefflich,« sagte der Greffier der Conciegerie, »Sie können nun anfangen, wann Sie wollen. Haben Sie viele Gefangene zu verzeichnen?«

»Etwa hundert.«

»Dazu brauchen Sie mehrere Tage.«

»Mein lieber College, ich will auch eine kleine Anstalt bei Ihnen gründen, das heißt, wenn Sie es erlauben.«

»Wie soll ich das verstehen?« fragte der Greffier der Conciergerie.

»Ich werde Ihnen das erklären, indem ich Sie mit mit zum Abendbrot nehme; Sie haben Hunger, sagen Sie?«,

»Ich leugne es nicht.«

»Nun wohl, Sie werden meine Frau sehen, sie ist eine gute Köchin; dann werden Sie mit mir Bekanntschaft machen, ich bin ein guter Junge.«

»Meiner Treue, ja, Sie kommen mir so vor; doch lieber College . . .«

»Oh! nehmen Sie ohne Umstände die Austern an, die ich im Vorbeigehen beim Chatelet kaufen werde, sodann ein Huhn, das ich bei unserem Garkoch bestelle, und ein paar kleine Schüsseln, welche Madame Durand vortrefflich macht.«

»Sie verführen mich, lieber College,« sagte der Greffier der Conciergerie, geblendet durch dieses Mahl, an das ein Greffier nicht gewöhnt war, den das Revolutionstribunal mit zehn Livres in Assignaten bezahlte, einen wirklichen Werth von kaum zwei Franken hatten.

»Sie nehmen also an?«

»Ich nehme an.«

»Dann verschieben wir die Arbeit aus morgen; für diesen Abend gehen wir.«

»Gehen wir.«

»Kommen Sie.«

»Sogleich; lassen Sie mich nur die Gendarmen benachrichtigen, welche die Oesterreicherin bewachen.«

»Warum sie benachrichtigen?«

»Damit sie wissen, daß ich weggehe, und damit ihnen weil sie folglich wissen, daß Niemand mehr in der Kanzlei ist, jedes Geräusch verdächtig vorkommt.«

»Ah! sehr gut, meiner Treue eine vortreffliche Vorsicht.«

»Nicht wahr, Sie begreifen?«

»Ganz gut, gehen Sie.«

Der Greffier der Conciergerie klopfte wirklich an die Pforte, einer der Gendarmen öffnete und fragte:

»Wer ist da?«

»Ich, der Greffier, Sie wissen, ich gehe. Gute Abend, Bürger Gilbert.«

Und die Pforte schloß sich wieder.

Der Greffier des Krieqsministeriums hatte diese ganze Szene mit der größten Aufmerksamkeit beobachtet, und als die Thüre des Gefängnisses der Königin offen war, tauchte sein Blick rasch bis in den Hintergrund der ersten Abtheilung: er sah den Gendarme Duchesne an einem Tisch und überzeugte sich folglich, daß die Königin nur zwei Wächter hatte.

Es versteht sich von selbst, daß, als der Greffier der Conciergerie sich umwandte, sein College wieder die gleichgültigste Miene, die er nur immer seiner Physiognomie geben konnte, angenommen hatte.

Als sie die Conciergerie verließen, traten zwei Männer hier ein.

Diese zwei Männer, welche eben eintraten, waren der Bürger Gracchus und sein Vetter Mardoche.

Mit einer Bewegung, welche einem ähnlichen Gefühle zu entspringen schien, drückten der Vetter Mardoche und der Greffier des Kriegsministeriums, als sie sich erblicken der eine seine Pelzmütze, der andere seinen breitkrämpigen Hut auf die Augen.

»Wer sind diese Männer?« fragte der Greffier des Kriegsministeriums.

»Ich kenne nur einen, es ist ein Schließer Namens Gracchus.«

»Ah!« versetzte der Greffier des Krieges mit einer geheuchelten Gleichgültigkeit, »die Schließer der Conciergerie gehen also aus?«

»Sie haben ihren Tag.«

Die Forschung wurde nicht weiter getrieben; die zwei neuen Freunde schlugen den Weg nach dem Pont au Change ein, An der Ecke der Place du Chatelet kaufte der Greffier des Kriegs nach dem angekündigten Programm einen Korb von zwölf Dutzend Austern; dann ging man weiter über den Quai de Gèvres.

Die Wohnung des Greffier vom Kriegsministerium war sehr einfach: der Bürger Durand bewohnte drei kleine Zimmer aus der Place de Grève in einem Hause ohne Portier, Jeder Miethsmann hatte einen Schlüssel zu der Gangthüre und es war verabredet, daß man sich, wenn man seinen Schlüssel nicht mitgenommen, durch einen, zwei oder drei Schläge mit dem Klopfer, je nach dem Stockwerk, das man bewohnte, benachrichtigen sollte; die Person, welche eine andere erwartete und das Zeichen erkannte, kam dann herab und öffnete die Thüre.

Der Bürger Durand hatte seinen Schlüssel in der Tasche und brauchte also nicht zu klopfen.

Man stieg zwei Stockwerke hinaus, der Bürger Durand zog einen zweiten Schlüssel aus seiner Tasche und trat ein.

Der Greffier des Palastes fand die Frau Greffière des Kriegs sehr nach seinem Geschmack; es war in der That eine reizende Frau, der ein über ihrem Gesicht verbreiteter Ausdruck tiefer Traurigkeit beim ersten Anblick im mächtiges Interesse verlieh. Wir haben zu bemerken, riß die Traurigkeit eines der sichersten Verführungsmittel hübscher Frauen ist: die Traurigkeit macht alle Männer ohne Ausnahme, selbst die Greffiers verliebt; denn die Greffiers sind Menschen, was man auch sagen mag, und es gibt keinen Menschen von großer Eigenliebe oder von empfindsamen. Herzen, der nicht eine betrübte hübsche Frau zu trösten und die weißen Rosen einer bleichen Gesichtsfarbe in lachende Rosen zu verwandeln hofft, wie der Bürger Dorat sagte.

Die zwei Greffiers speisten mit sehr gutem Apprtie nur Madame Durand aß nicht.

Die Fragen nahmen indessen von der einen Seite wie von der andern ihren Fortgang.

Der Greffier des Kriegs fragte seinen Collegen mit einer, in jenen Zeiten täglicher Dramen, sehr merkwürdigen Neugierde, was die Gebräuche des Palastes, die Gerichtstage und die Mittel der Überwachung wären.

Entzückt, daß man ihn mit so viel Aufmerksamkeit anhörte, antwortete der Greffier des Palastes mit großer Gefälligkeit und erzählte von den Gebräuchen der Schließer, von denen von Fouquier-Tinville und endlich von denen des Bürger Sanson, des Hauptschauspielers der Tragödie, die man täglich auf dem Revolutionsplatze spielte.

Dann wandte er sich an seinen Collegen und Wirth und erbat sich von ihm Auskunft über sein Ministerium.

»Oh!« sprach Durand, »ich bin minder gut unterrichtet, insofern ich eine bei Weitem geringere Stellung einnehme, als Sie, da ich viel mehr Secretaire des Greffier, als Titulaire9 dieses Platzes bin; ich besorge das Geschäft des ersten Greffier; ich, der unbekannte, der dunkle Beamte habe die Mühe, den Vornehmen kommt der Nutzen zu; das ist die Gewohnheit bei allen Bureaukratien, selbst bei den revolutionären. Die Erde und der Himmel werden sich vielleicht eines Tages verändern, doch die Bureaux verändern sich nie.«

»Nun wohl, ich werde Sie unterstützen, Bürger,« sagte der Greffier des Palastes, entzückt über den guten Wein seines Wirthes und besonders über die schönen Augen von Madame Durand.

»Oh! ich danke,« erwiderte derjenige, welchem dieses artige Anerbieten gemacht wurde, »Alles, was die Gewohnheiten und die Örtlichkeiten verändert, ist eine Zerstreuung für einen armen Beamten, und ich befürchte viel mehr, meine Arbeit in der Concergerie zu Ende gehen, als sich in die Länge ziehen zu sehen, und wenn ich jeden Abend Madame Durand, welche sich hier langweilen würde, mit in die Kanzlei nehmen kann . . .«

»Ich sehe darin nichts Unpassendes,« versetzte der Greffier des Palastes, höchlich erfreut über die liebenswürdige Zerstreuung, die ihm sein College versprach.

»Sie wird mir die Listen dictiren« fuhr der Bürger Durand fort, »und von Zeit zu Zeit, wenn das Geschäft beendet ist, und wenn Sie das Abendbrot heute nicht zu schlecht gefunden haben, kommen Sie und nehmen ein ähnliches bei uns ein.«

»Ja, doch nickt zu oft, nicht zu oft,« erwiderte mit einer gewissen Geckenhaftigkeit der Greffier des Palastes, »denn ich muß Ihnen gestehen, ich würde gezankt, käme ich später als gewöhnlich in ein gewisses Haus der Rue du Petit-Musc zurück.«

»Ah! das läßt sich vortrefflich ordnen,« sagte Durand, »nicht wahr, meine liebe Freundin?«

Immer sehr bleich und sehr traurig, erhob Madame Durand ihre Augen zu ihrem Gatten und erwiderte:

»Ihr Wille geschehe.«

Es schlug elf Uhr und es war Zeit sich zurückzuziehen. Der Greffier des Palastes stand auf und nahm Abschied von seinen neuen Freunden, wobei er sie versicherte, daß es ihm unendlich Vergnügen gewährt habe, mit ihnen und ihrem Abendbrote Bekanntschaft zu machen.

Der Bürger Durand führte seinen Gast bis auf den Ruheplatz zurück, ging dann wieder in das Zimmer und sagte:

»Vorwärts, Geneviève, legen Sie sich nieder.«

Die junge Frau erhob sich, ohne zu antworten, nahm eine Lampe und ging in das Zimmer rechts.

Durand, oder vielmehr Dinner, schaute ihr nach, blieb einen Augenblick nachdenkend und mit düsterer Stirne stehen und begab sich dann ebenfalls in sein Zimmer, das aus der entgegengesetzten Seite lag.

XLII.
Die zwei Billets

Von diesem Augenblicke an arbeitete der Greffier des Kriegsministeriums jeden Abend emsig im Bureau seines Collegen vom Palaste. Madame Durand entnahm die Listen aus den zum Voraus bereiteten Registern und Durand copirte voll Eifer

Nach einer Stunde des Gesprächs oder der Betrachtung, denn dem Greffier des Palastes gefiel es ungemein, seine Collegin vom Kriegsministerium anzuschauen, blieben der Mann und die Frau gewöhnlich allein. Dann kehrte der Beamte von Fouquier-Tinville nach der Rue du Petit-Musc zurück und murmelte:

»Alle Weiter! wie schön ist sie, diese kleine Madame Durand; aber was Teufels kann sie haben, das sie so traurig macht?«

Dann entfernte sich Durand ebenfalls, nachdem er die Gendarmen der Gewohnheit gemäß unterrichtet und die Bücher sorgfältig wieder geschlossen hatte.

Dies dauerte so vier Tage. Durand prüfte Alle, ohne daß er auf etwas aufmerksam zu sein schien.

Er hatte wahrgenommen, daß jeden Abend um neun Uhr ein Korb mit Mundvorräthen, den Richard oder seine Frau brachten, vor der Thüre niedergesetzt wurde.

Jeden Abend, wenn der Graffier zu dem Gendarme sagte: »Ich gehe, Bürger,« kam der Gendarme Gilbert oder Duchesne heraus, nahm den Korb und brachte ihn zu Marie Antoinette.

Während der drei aus einander folgenden Abende, wo Durand länger an seinem Posten geblieben war, war der Korb auch länger an dem seinigen geblieben, denn nur wenn er die Thüre öffnete, um dem Greffier guten Abend zu sagen, nahm der Gendarme die Mundvorräthe auf.

Eine Viertelstunde, nachdem er den vollen Korb hinein» genommen, stellte einer von den Gendarmen einen leeren Korb vom vorhergehenden Tage vor die Thüre, auf dieselbe Stelle, wo der andere gewesen war.

Am Abend des vierten Tages, es war am Anfang des Monats October, nach der gewöhnlichen Sitzung und als der Greffier des Palastes sich entfernt hatte und Durand, oder vielmehr Dirmer mit seiner Frau allein geblieben war, ließ er seine Feder fallen, schaute umher, horchte mit einer Aufmerksamkeit, als ob sein Leben davon abhängen würde, stand rasch auf, lies mit gedämpften Tritten auf die Thüre des Gefängnisses zu, hob die Serviette auf, welche den Korb bedeckte, und drückte in das für die Gefangene bestimmte weiche Brot ein silbernes Etui.

Bleich und zitternd durch die Aufregung, die selbst bei der mächtigsten Organisation den Menschen ergreift, welcher einen Akt von höchster Bedeutung, der lange vorbereitet war und sehnlichst erwartet wurde, vollzogen hat, kehrte er dann an seinen Platz zurück und drückte eine Hand auf seine Stirne, die andere aus sein Herz.

Geneviève schaute ihm zu, doch ohne ein Wort an ihn zu richten; seitdem sie ihr Gatte von Maurice geholt, wartete sie gewöhnlich, bis er zuerst mit ihr sprach.

Diesmal aber brach sie ihr Stillschweigen.

»Soll es diesen Abend geschehen?« fragte sie.

»Nein, morgen,« antwortete Dirmer.

Und nachdem er abermals geschaut und gehorcht hatte, schloß er die Register, näherte sich der Pforte und klopfte an.

»Was gibt es?« rief Gilbert.

»Bürger,« antwortete er, »ich gehe.«

»Gut,« sagte der Gendarme aus dem Hintergrunde der Zelle, »guten Abend.«

»Guten Abend, Bürger Gilbert.«

Durand hörte das Klirren der Riegel, er begriff, daß der Gendarme öffnen wollte, und ging.

In dem Gange, der von der Wohnung des Vater Richard in den Hof führte, stieß er au einen Schließer, der eine Pelzmütze aus dem Kopf hatte und einen schweren Schlüsselbund in der Hand trug.

Dirmer ergriff die Angst, er befürchtete, grob wie die meisten Leute seines Standes, würde dieser Mensch ihn anrufen, anschauen, vielleicht erkennen.

Er drückte seinen Hut auf die Stirne, während Geneviève die Garnitur ihres schwarzen Mäntelchens über die Augen zog.

Er täuschte sich.

»Ah! ich bitte um Verzeihung sagte der Schließer, obgleich er gestoßen worden war.

Dirmer bebte bei dem Tone dieser Stimme, welche sanft und artig klang. Doch der Schließer hatte ohne Zweifel Eile, er schlüpfte in den Gang, öffnete die Thüre des Vater Richard und verschwand.

Dirmer ging mit Geneviève seines Wegs.

»Das ist seltsam,« sagte er, als er außen war, als die Thüre sich wieder hinter ihm geschlossen und der Eindruck der Luft seine brennende Stirne abgekühlt hatte.

»Oh! ja, sehr seltsam,« flüsterte Geneviève.

Zur Zeit ihres innigen Verhältnisses hätten sich die zwei Gatten einander die Ursache ihres Erstaunens mitgeteilt.

Doch Dirmer verschloß seine Gedanken in seinem Innersten und bekämpfte sie wie ein Gebilde erhitzter Einbildunqskraft, während Geneviève sich darauf beschränkte, daß sie, als sie sich um die Ecke des Pont au Change wandte, einen letzten Blick auf den düsteren Palast warf, wo etwas wie das Gespenst eines verlorenen Freundes in ihr so viele süße und zugleich bittere Erinnerungen geweckt hatte.

Beide kamen nach der Grève, ohne ein einziges Wort gesprochen zu haben.

Mittlerweile war der Gendarme herausgegangen und hatte den für die Königin bestimmten Korb mit Mundvorräthen aufgenommen.

Er enthielt Obst, ein kaltes Huhn, eine Flasche weißen Wein, eine Caraffe Wasser und die Hälfte eines zweipfündigen Brotes.

Gilbert hob die Serviette auf und erkannte die gewöhnliche Anordnung der von der Bürgerin Richard in den Korb gelegten Gegenstände.

»Gut, hier ist mehr, als sie essen wird,« sagte er zu seinem Gefährten, der, seitdem er nicht mehr rauchte, seine Zeit damit hinbrachte, daß er alle alte Almanache las, die er sich verschaffen konnte. »Hier ist mehr, als sie essen wird, und dennoch bedurfte es nicht so vieler Köche, um ihr Mittagsbrot zu bereiten, als es in Versailles an dem Tage gab, wo wir sie holten, um sie nach den Tuilerien zurückzuführen,«

»Ei, mein Gott! ja,« erwiderte Duchesne philosophisch, »jetzt hat sie zum Küchenmeister den Bratkoch an der Ecke.«

»Das muß ihr hart vorkommen.«

»Oh! für das, was sie ißt . . .«

Gilbert machte mit den Schultern ein Zeichen, welches wohl sagen wollte:

»Ah! was Du da sprichst, ist wahr.«

Dann schob er den Windschirm auf die Seite und rief laut:

»Bürgerin, hier ist das Abendbrot.«

Der würdige Mann vermied es zu sagen: Dein Abendbrot, um die Königin nicht zu duzen, und Ihr Abendbrot, um nicht der Aristokratie beschuldigt zu werden.

»Ich danke, mein Herr,« antwortete die Königin, »ich habe keinen Hunger.«

»Ei! Bürgerin,« versetzte Gilbert mit einer Erschütterung, die er nicht zu bemeistern vermochte, »es ist nicht damit abgemacht, daß man immer sagt! »»Ich habe keinen Hunger,«« was Teufels, man muß auch essen.«

»Warum dies?« fragte die Königin so leise, daß es Duchesne nicht hörte.

Doch Gilbert hörte es.

»Ei! Bürgerin, wenn es nur wäre, um mir ein wenig Vergnügen zu machen!« rief Gilbert, fortgerissen durch die Rührung, die ihm diese lange, heilige Resignation verursachte.

Die Königin lächelte traurig und sprach:

»Um Ihnen Vergnügen zu machen, mein Freund, werde ich ein wenig Brot brechen.«

Und Sie hob den Deckel vom Korb ab und nahm das Brot heraus, während Gilbert durch die Öffnung des Windschirmes streckte und ihr, Thränen in den Augen, zuschaute.

Marie Antoinette brach das Brot, doch kaum hatten sich ihre Finger in dasselbe eingedrückt, als sie die kalte Berührung des Silbers fühlte und errieht, daß dieses Brot etwas Außerordentliches enthielt.

Da machte sie unwillkürlich eine Bewegung, das Blut stieg ihr zu Gesicht und verlieh ihren Augen und ihren Wangen einen fieberhaften Glanz.

Mit maschinenartigen Instinkte schaute sie gleichzeitig umher, erblickte Gilbert und stieß einen schwachen Schrei aus.

»Ah! ich bitte um Verzeihung,« sagte er, indem er sich rasch zurückzog, »ich habe ihnen bange gemacht, Bürgerin.«

Diesmal war Gilbert so bewegt durch den Schrei der Königin, daß er geradezu Ihnen sagte, auf die Gefahr, was daraus entstehen dürfte, wenn er gehört würde.

»Nein aber es ist . . .«

Sie hielt inne, denn sie wußte nicht, womit sie sich entschuldigen sollte.

»Gut,« sagte er, »gut, speisen Sie ruhig zu Nacht, es ist traurig für Männer, eine Frau so ohne zu essen leben zu sehen; wenn Sie dann gespeist haben, so suchen Sie zu schlafen, ohne zu seufzen, wie Sie es gewöhnlich im Schlafe thun. So wahr ich Gilbert heiße, ich würde lieber sehen, daß Sie sich am Tage beklagten und ärgerten, statt Sie in der Nacht so seufzen zu hören.«

Die Königin blieb einen Augenblick unbeweglich; sie hörte nicht nur auf das, was er sagte, sondern sie berechnete auch seine stufenweise Entfernung.

Als sie gewiß zu sein glaubte, daß er sich zu seinem Kameraden gesetzt hatte, zog sie das Etui aus dem Brot.

Das Etui enthielt ein Billet.

Sie entfaltete es und las, wie folgt:

»Madame, halten Sie sich morgen zur Stunde, wo Sie dieses Billet empfangen werden, bereit, denn morgen zu dieser Stunde wird eine Frau in den Kerker Eurer Majestät eingeführt. Diese Frau nimmt Ihre Kleider und gibt Ihnen die ihrigen, dann verlassen Sie die Conciergerie am Arm von einem Ihrer ergebensten Diener.

»Kümmern Sie sich nicht um den Lärm, der im ersten Zimmer entstehen wird; halten Sie sich weder bei dem Geschrei noch bei den Seufzern auf; sorgen Sie einzig und allein dafür, daß Sie rasch das Kleid und den Mantel der Frau anziehen, welche den Platz Eurer Majestät einnehmen soll.«

»Eine Ergebenheit!« flüsterte die Königin; »ich danke Dir, mein Gott, ich bin also nicht, wie man sagte, ein Gegenstand der Verwünschung für Alle!«

Sie las das Billet noch einmal

Da fiel ihr der zweite Paragraph aus.

»»Halten Sie sich weder bei dem Geschrei noch bei den Seufzern auf,«« murmelte sie; »Oh! das bedeutet, daß man meine zwei Wächter niederstrecken will, arme Leute, die mir so viel Mitleid bewiesen haben; Oh! Nie! Nie!l«

Sie riß die zweite Hälfte des Billets, welche weiß war, ab, und da sie weder Bleistift noch Feder hatte, um dem unbekannten Freund, der sich mit ihr beschäftigte, zu antworten, so nahm sie die Nadel von ihrem Halstuch und stach in das Papier Buchstaben, welche folgende Worte bildeten:

»Ich darf und kann das Opfer irgend eines Menschenlebens gegen das meinige nicht annehmen.«

M. A..

Dann schob sie das Papier in das Etui und steckte dieses in den zweiten Theil des gebrochenen Brotes.«

Diese Operation war kaum vollendet, es schlug eben zehn Uhr, die Königin hielt das Stück Brot in der Hand und zählte die Glockenschläge, welche langsam und in Zwischen, räumen vibrierend, als sie an einer der Scheiben ihres Fensters, das nach dem Hose ging, den man den Frauenhof nannte, ein scharfes Geräusch, dem ähnlich, hörte, welches ein auf dem Glase knirschender Brillant hervorbringen würde. Aus dieses Geräusch folgte ein leichter Stoß an die Scheibe, der mehrere Male wiederholt wurde und den absichtlich das Husten eines Menschen bedeckte.

Dann erschien an der Ecke der Scheibe ein kleines zusammengerolltes Papier, das langsam hereinschlüpfte und an den Fuß der Mauer fiel.

Endlich vernahm die Königin das Geräusch eines Bundes von Schlüsseln, welche an einander schlugen, und von Tritten, die sich aus dem Pflaster schallend entfernten.

Sie erkannte, daß die Scheibe an ihrer Ecke durch» löchert worden, und daß durch diese Ecke der Mann, der sich entfernte, ein Papier geschoben hatte, welches ohne Zweifel ein Billet war.

Dieses Billet lag auf dem Boden.

Die Königin schaute es starr an, während sie horchte, ob sich ihr nicht einer ihrer Wächter näherte; doch sie hörte sie mit leiser Stimme sprechen, wie sie es gewöhnlich und in Folge einer Art von stiller Übereinkunft thaten, um sie nicht zu belästigen.

Dann hob sie das Papier sachte und den Athem an sich haltend auf.

Ein dünner, harter Gegenstand schlüpfte wie aus einer Scheide und klang metallisch, als er auf den Backstein fiel.

Es war eine Feile von der größten Feinheit, mehr ein Juwel als ein Werkzeug, eine von jenen stählernen Federn, mit denen eine Hand, so schwach und ungeschickt sie auch sein mag, in einer Viertelstunde die dickste Eisenstange zu durchschneiden im Stande ist.

»Madame,« sagte das Billet, »morgen um halb zehn Uhr wird ein Mann kommen und mit den Gendarmen, welche Sie bewachen, durch die Fenster des Frauenhofes sprechen.

»Während dieser Zeit wird Eure Majestät die dritte Stange Ihres Fensters, von der Linken zur Rechten gerechnet, durchfeilen.

»Feilen Sie schief, eine Viertelstunde wird Eurer Majestät genügen; dann halten Sie sich bereit, durch das Fenster zu schlüpfen.

»Diese Kunde kommt Ihnen von einem Ihrer treusten und ergebensten Unterthanen zu, welcher sein Leben dem Dienste Eurer Majestät gewidmet hat und glücklich sein wird, es für Sie aufzuopfern.«

»Oh!« flüsterte die Königin, »das ist eine Falle. Doch nein, mir scheint, ich kenne diese Handschrift, es ist dieselbe wie im Temple; es ist die des Chevalier von Maison-Rouge. Auf! Gott will vielleicht, daß ich entkomme.«

Und die Königin fiel auf ihre Kniee und flüchtete sich in das Gebet, in diesen mächtigen Balsam der Gefangenen.

9.In Frankreich nennt man Titulaire den wirklichen Besitzer eines Amtes, wenn er es auch nicht selbst verwaltet.