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Loe raamatut: «Der Graf von Bragelonne», lehekülg 76

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»Malicorne, Monseigneur.«

»Ich werde mich nie an diesen Namen gewöhnen.«

»Ihr sagt wohl Manicamp, Monseigneur.«

»Oh! ich würde auch wohl Malicorne sagen, Die Gewohnheit müßte mich unterstützen.«

»Ah! Monseigneur, ich verspreche Euch, daß Euer Inspector der Gemächer sich nicht ärgern wird, er bat den glücklichsten Charakter, den man finden kann.«

»Nun denn! so verkündigt ihm seine Ernennung, Guiche . . . Doch wartet . . . «

»Was, Monseigneur?«

»Ich will ihn vorher sehen. Ist er so häßlich, wie sein Freund, so nehme ich meine Zusage zurück.«

»Monseigneur kennt ihn.«

»Ich?«

»Allerdings, Monseigneur hat ihn schon im Palais-Royal gesehen . . . und ich habe ihn sogar selbst Eurer Königlichen Hoheit vorgestellt.«

»Ah! sehr gut, ich erinnere mich . . . Teufel! das ist ein reizender Junge.«

»Ich wußte wohl, daß Monseigneur ihn hatte bemerken müssen.«

»Ja, ja, ja! Siehst Du, Guiche, weder meine Frau, noch ich sollen Häßlichkeiten vor den Augen haben. Meine Frau wird zu Ehrenfräulein nur hübsche Mädchen, ich zu Cavalieren nur wohl geformte Edelleute nehmen. Auf diese Art siehst Du, Guiche, wenn ich Kinder zeuge, werden sie von einer guten Inspiration sein, und wenn meine Frau zeugt, wird sie schöne Muster gesehen haben.«

»Das ist vortrefflich geschlossen, Monseigneur,« sagte Manicamp, der mit dem Auge und der Stimme zugleich billigte. .

Was Guiche betrifft, so fand er den Schluß ohne Zweifel nicht so glücklich, denn er stimmte nur mit der Geberde, und auch die Geberde behielt noch einen markirten Charakter der Unentschiedenheit.

Manicamp theilte die gute Kunde, die er vernommen, Malicorne mit.

Guiche machte, scheinbar wider seinen Willen, seine Hoftoilette.

Singend, lachend und sich im Spiegel beschauend, erreichte Monsieur die Stunde des Mittagsmahles in einer Verfassung, welche das Sprichwort:

»Glücklich wie ein Prinz!« gerechtfertigt hätte.

XIII.
Geschichte einer Dryade und einer Nayade

Jedermann hatte im Schlosse den Imbiß eingenommen und war sodann zur Hoftoilette geschnitten.

Der Imbiß fand gewöhnlich um fünf Uhr statt.

Setzen wir eine Stunde für den Imbiß und zwei für die Toilette. Jedermann war also gegen acht Uhr Abends bereit.

Um acht Uhr sing man auch an, sich bei Madame einzufinden.

Denn, wie gesagt, Madame empfing an diesem Abend.

Und bei den Abendunterhaltungen von Madame hütete sich Jeder zu fehlen, denn diese Unterhaltungen fanden mit all dem Zauber statt, den die Königin, diese fromme und vortreffliche Prinzessin, ihren Gesellschaften zu verleihen nicht im Stande gewesen war. Leider ist es einer von den Nachtheilen der Güte, weniger zu belästigen, als ein boshafter Geist.

Und dennoch, beeilen wir uns, dies zu bemerken, war boshafter Geist nicht ein Epitheton, das sich auf Madame anwenden ließ.

Diese Elfen Natur enthielt zuviel Edelmuth, zu viel hochherzige Regungen und erhabene Reflexionen, daß man sie eine böse Natur nennen konnte.

Aber Madame hatte die Gabe des Widerstands, eine so oft für den, welcher sie besitzt, unselige Gabe, denn er zerbricht, wo ein Anderer sich getragen hätte; eine Folge hiervon war, daß sich die Streiche und Stiche nicht auf ihr abstumpften, wie auf dem wattirten Gewissen von Marie Therese.

Ihr Herz prallte bei jedem Angriff wieder auf, und, jenen Stößen beim Ringelspiel ähnlich, gab Madame, wenn man sie nicht so traf, daß sie betäubt wurde, dem Unklugen, wer es auch sein mochte, der gegen sie zu streiten wagte, Stoß für Stoß zurück.

War dies Bösartigkeit? war es ganz einfach Schalkheit? Unseres Erachtens sind die reichen und mächtigen Naturen diejenigen, welche, dem Baum der Wissenschaft ähnlich, zugleich das Gute und Böse her»vorbringen, ein doppelter, beständig blühender, beständig fruchtbarer Zweig, dessen gute Frucht diejenigen zu unterscheiden wissen, welche Hunger haben, bei dem, weil sie schlecht gegessen, die Unnützen und die Schmarotzer sterben, was kein Uebel ist.

Madame, in deren Geist der Plan, zweite oder vielleicht sogar erste Königin zu sein, sehr feststand, machte ihr Haus angenehm durch die Conversation, durch die Begegnungen, durch die vollkommene Freiheit, sein Wort anzubringen, die sie Jedem ließ, unter der Bedingung indessen, daß das Wort nützlich oder hübsch war. Und, sollte man es glauben, gerade aus diesem Grund sprach man vielleicht weniger bei Madame, als anderswo.

Madame haßte die Schwätzer und rächte sich grausam an ihnen.

Sie ließ sie sprechen.

Sie haßte auch die Anmaßung und ließ diesen Fehler nicht einmal dem König hingehen.

Es war dies die Krankheit von Monsieur, und

Madame hatte die ungeheure Aufgabe, ihn zu heilen, unternommen.

Dichter, Männer von Geist, schöne Frauen, Alles empfing sie übrigens als erhabene Gebieterin ihrer Sklaven; träumerisch genug inmitten dieses muthwilligen Treibens, um den Dichterträumer zu machen, stark genug durch ihre Reize, um selbst unter den Schönsten zu glänzen; geistreich genug, daß die Merkwürdigsten sie mit Vergnügen anhörten.

Man begreift, welche Welt Unterhaltungen, wie sie bei der Prinzessin gegeben wurden, anziehen mußten; die Jugend strömte herbei. Wenn der König jung ist, ist Alles jung.

Man sah auch die alten Damen, starke Köpfe der Regentschaft oder der vorhergehenden Regierung, schmollen; aber man antwortete auf ihr Schmollen dadurch, daß man über diese ehrwürdigen Damen lachte, welche den Geist des Regierens so weit getrieben, daß sie Abtheilungen von Soldaten im Krieg der Feinde commandirten, um, wie Madame sagte, nicht ganz die Herrschaft über die Soldaten zu verlieren.

Auf den Schlag acht Uhr trat Ihre Königliche Hoheit in den großen Salon ein und traf mehrere Höflinge, welche schon seit zehn Minuten warteten.

Unter allen diesen Vorläufern der genannten Stunde suchte sie denjenigen, von welchem sie glaubte, er müsse zuerst von Allen gekommen sein, aber sie fand ihn nicht.

Doch beinahe in demselben Augenblick, wo sie diese Forschung endigte, meldete man Monsieur.

Monsieur war glänzend anzuschauen. Alle Edelsteine des Cardinals Mazarin, wohlverstanden diejenigen, welche der Cardinal zu hinterlassen nicht umhin konnte; alle Edelsteine der Königin Mutter, sogar einige seiner Frau trug Monsieur an diesem Tag. Monsieur strahlte auch wie eine Sonne.

Hinter ihm, mit langsamem Schritt und mit einer vortrefflich gespielten salbungsreichen Miene kam Guiche in einem mit Silber gestickten und mit blauen Bändern Verzierten Kleid von perlgrauem Sammt.

Guiche trug überdies Mechelner Spitzen, welche in ihrer Art so schön waren, als die Edelsteine von Monsieur in der ihrigen.

Seine Hutfeder war roth, Madame hatte mehrere Farben.

Sie liebte das Rothe bei den Tapeten, das Graue bei den Kleidern, das Blaue bei den Blumen.

So gekleidet, war Herr von Guiche von einer Schönheit, die Jedermann bemerken konnte. Eine gewisse interessante Blässe, ein gewisses Schmachten der Augen, mattweiße Hände unter großen Spitzen, den Mund melancholisch . . . man durste in der That Herrn von Guiche nur sehen, um zu verstehen, daß wenige Männer am französischen Hof ihm an Werth gleich kamen.

Eine Folge hiervon war, daß Monsieur, der die Anmaßung hatte, einen Stern zu verdunkeln, hätte sich ein Stern mit ihm in Parallele gestellt, im Gegentheil völlig in aller Phantasie, welche allerdings sehr schweigsame, aber auch auf ihr Urtheil sehr stolze Richter sind, verdunkelt wurde.

Madame hatte Guiche flüchtig angeschaut, aber so flüchtig auch dieser Blick war, so brachte er doch eine reizende Röthe auf ihre Stirne.

Madame hatte in der That Guiche so schön und elegant gefunden, daß sie beinahe die königliche Eroberung nicht mehr beklagte, von der sie fühlte, daß sie ihr zu entgehen im Begriff war.

Ihr Herz ließ also unwillkürlich all ihr Blut nach ihren Wangen zurückfließen.

Monsieur nahm nun seine störrische Miene an und näherte sich ihr. Er hatte die Röthe der Prinzessin nicht bemerkt, oder wenn er sie bemerkt, war er weit entfernt, sie der wahren Ursache zuzuschreiben.

»Madame,« sprach er, seiner Frau die Hand küssend, »es ist hier ein in Ungnade Gefallener, ein unglücklicher Verbannter, den ich Euch zu empfehlen übernommen habe. Ueberseht nicht, daß er zu meinen besten Freunden gehört, und daß Euer Empfang mich ungemein berühren wird.«

»Wer ist der Verbannte? Wer ist der in Ungnade Gefallene?« fragte Madame, indem sie umherschaute, ohne mehr bei dem, als bei den Andern zu verweilen.

Dies war der Augenblick, um seinen Schützlings vorzuschieben. Der Prinz trat zurück und ließ Guiche vorbei, der mit einer ziemlich verdrießlichen Miene auf Madame zuschritt und sich vor ihr verbeugte.

»Wie?« sagte Madame, als ob sie vom lebhaftesten Erstaunen ergriffen würde, »Herr von Guiche ist der in Ungnade Gefallene, der Verbannte?«

»Ah! Ihr glaubt wohl!« versetzte der Prinz.

»Ei! man steht nur ihn hier,« sagte Madame.

»Ah! Madame, Ihr seid ungerecht,« sprach der Prinz.

»Ich?«

»Allerdings. Auf, verzeiht diesem armen Jungen.«

»Ihm verzeihen, was? Was habe ich denn Herrn von Guiche zu verzeihen?«

»Ja, erkläre Dich, Guiche; was soll man Dir verzeihen?«

»Ah! Ihre Königliche Hoheit weiß es wohl,« erwiderte der Graf heuchlerisch.

»Gebt ihm Eure Hand, Madame,« sagte Philipp.

»Wenn Euch das Vergnügen macht . . . «

Und mit einer unbeschreiblichen Bewegung der Augen und der Schultern reichte Madame ihre schöne, duftende Hand dem jungen Manne, der seine Lippen darauf drückte.

Es ist anzunehmen, daß er sie lange darauf drückte und daß Madame ihre Hand nicht zu rasch zurückzog; denn der Herzog fügte bei:

»Guiche ist nicht boshaft, Madame, und er wird Euch sicherlich nicht beißen.«

Dieses Wort, das nicht sehr witzig war, nahm man in der Gallerie zum Vorwand, um übermäßig zu lachen.

Die Lage der Dinge war allerdings bemerkenswerth, und einige gute Seelen hatten sie bemerkt.

Monsieur weidete sich noch an der Wirkung seines Wortes, als man den König meldete.

In diesem Moment war der Anblick des Salon derjenige, welchen wir zu schildern versuchen wollen.

Im Mittelpunkt, vor dem mit Blumen beladenen Kamin, befand sich Madame mit ihren Ehrenfräulein, welche zwei Flügel bildeten, an deren Linie die Schmetterlinge des Hofes flatterten.

Andere Gruppen nahmen die Fenstervertiefungen ein und faßten in ihren bezüglichen Plätzen die Worte auf, welche aus der Hauptgruppe hervorkamen.

Aus einer dieser Gruppen, welche am nächsten beim Kamin, flammte Malicorne, der auf der Stelle von Guiche und Manicamp zum Posten des Oberaufsehers der Gemächer erhoben worden war, Malicorne, dessen Officiantenkleid beinahe seit zwei Monaten bereit lag, in seiner Vergoldung, und strahlte auf Montalais, die äußerste Linke von Madame, mit allem Feuer seiner Augen und mit dem ganzen Reflex seines Sammets.

Madame plauderte mit Fräulein von Chatillon und Fräulein von Crèqui, ihren beiden Nachbarinnen, und sandte ein paar Worte Monsieur zu, der sogleich verschwand, sobald man gemeldet:

»Der König.«

Fräulein de la Vallière war, wie Montalais, auf der Linken von Madame, das heißt die Vorletzte der Linie; auf ihrer Rechten hatte man Fräulein von Tonnay-Charente gestellt. Sie befand sich also in der Lage jener Truppencorps, deren Schwäche man muthmaßt, und die man zwischen zwei erprobte Kräfte stellt.

So gedeckt von ihren zwei Gefährtinnen, verbarg La Vallière, war sie nun betrübt über die Abreise von Raoul, oder war sie noch bewegt von den neuerdings vorgefallenen Ereignissen, welche ihren Namen in der Welt der Höflinge sehr bekannt zu machen anfingen, verbarg La Vallière, sagen wir, hinter einen Fächer ihre etwas gerötheten Augen und schien eine große Aufmerksamkeit den Worten zu schenken, die ihr Montalais und Athenais abwechselnd in das eine und in das andere Ohr flüsterten.

Als der Name des Königs erscholl, entstand eine große Bewegung im Salon.

Madame, als die Herrin des Hauses, stand auf, um den königlichen Gast zu empfangen; doch während sie aufstand, so sehr sie auch in Anspruch genommen sein mußte, warf sie einen Blick auf ihre Rechte, und dieser Blick, den der anmaßende Guiche als an seine Adresse abgesandt erklärte, heftete sich, indem er im Kreise umherlief, auf la Vallière, deren lebhafte Röthe und Aufregung sie hatte bemerken können.

Der König trat mitten in die Gruppe, welche durch eine Bewegung, die sich natürlich vom Umkreise aus bewerkstelligte, eine allgemeine geworden war.

Alle Stirnen senkten sich vor Seiner Majestät. Die Frauen beugten sich, wie schwache, aber herrliche Lilien vor König Aquilo.

Seine Majestät hatte an diesem Abend nichts Heroisches, wir möchten sogar sagen, nichts Königliches, wenn nicht seine Jugend und seine Schönheit.

Ein gewisses Aussehen lebhafter Freude und gute Stimmung erweckte jedes Gehirn, und Jeder versprach sich einen reizenden Abend, schon da er das Verlangen Seiner Majestät, sich bei Madame zu belustigen, wahrnahm.

Konnte Jemand durch seine Freude und durch seine gute Laune dem König das Gleichgewicht hatten, so war es Herr von Saint-Aignan, rosenfarbig, was seinen Anzug, sein Gesicht und seine Bänder betraf, rosenfarbig besonders hinsichtlich seiner Ideen, und Saint-Aignan hatte an diesem Abend viele Ideen.

Was allen diesen Ideen, die in seinem lachenden Geiste keimten, eine neue Blüthe verliehen hatte, war der Umstand, daß er bemerkte, Fräulein von Tonnay-Charente sei, wie er, rosenfarbig gekleidet. Wir möchten indessen nicht behaupten, der verschmitzte Höfling habe nicht zum Voraus gewußt, die schöne Athenais werde so gekleidet sein. Er verstand zu gut die Kunst, einen Schneider oder eine Kammerfrau über die Pläne ihrer Gebieterin schwatzen zu machen.

Er sandte eben so viele mörderische Blicke an Fräulein Athenais ab, als er Bandknoten an den Beinkleidern und am Wamms hatte, das heißt, er schoß eine wüthende Menge ab.

Nachdem der König Madame sein Kompliment gemacht und Madame sich zu setzen aufgefordert worden war, bildete sich alsbald der Kreis.

Ludwig erkundigte sich bei Monsieur nach dem Bad; er erzählte, während er die Damen anschaute. Dichter beschäftigen sich damit, die galante Belustigung der Bäder von Balvins in Verse zu bringen, und einer derselben besonders, Herr Loret, scheine Geständnisse von einer Wassernymphe erhalten zu haben, so viel Wahrheit enthalten seine Reime.

Mehr als eine Dame glaubte erröthen zu müssen.

Ludwig benützte diesen Augenblick, um nach Gefallen zu betrachten; Montalais allein erröthete nicht genug, um den König nicht anzuschauen und sie sah ihn mit dem Blick Fräulein de la Vallière verschlingen.

Das kühne Ehrenfräulein, das man die Montalais nannte, zwang den König, die Augen niederzuschlagen und schützte so Louise de la Vallière vor einem sympathetischen Feuer, das Ihr vielleicht durch diesen Blick zugeströmt wäre.

Ludwig wurde von Madame in Anspruch genommen, die ihn mit Fragen überhäufte, und Niemand in der Welt wußte so gut zu fragen, wie sie.

Er aber suchte die Conversation allgemein zu machen, und damit ihm das gelinge, verdoppelte er Geist und Galanterie.

Madame wollte Komplimente; sie beschloß, solche um jeden Preis zu entreißen, und sie sagte, indem sie sich an den König wandte:

»Sire, Eure Majestät, die Alles weiß, was in ihrem Reiche vorgeht, muß zum Voraus die Verse wisset, welche ihrem Loret von jener Nymphe erzählt worden sind; will uns Eure Majestät dieselben wohl mittheilen?«

»Madame,« erwiederte der König mit vollkommener Anmuth, »ich wage es nicht . . . Es ist gewiß, daß es für Euch persönlich nicht ergötzlich wäre, gewisse Einzelheiten anzuhören, aber Saint-Aignan erzählt ziemlich gut und behält die Verse vortrefflich im Gedächtnis; wenn er sie nicht behält, improvisirt er sie. Ich bezeichne ihn Euch als verstärkten Dichter.«

So in die Scene gesetzt, war Saint-Aignan genöthigt, sich so wenig als möglich unvortheilhaft zu produciren. Zum Unglück für Madame dachte er nur an seine Privatangelegenheiten, nämlich statt Madame die Komplimente zu spenden, aus die sie hoffte, ließ er es sich einfallen, sich selbst ein wenig mit seinem Glück breit zu machen.

Er warf einen hundertsten Blick auf die schöne Athenais, welche fortwährend ihre Theorie vom vorhergehenden Tag in Anwendung brachte, das heißt, sich durchaus nicht herbeiließ, ihren Anbeter anzuschauen.

»Sire,« sagte er, »Eure Majestät wird mir ohne Zweifel verzeihen, daß ich die von der Nymphe Loret diktirten Verse zu wenig im Gedächtniß behalten habe; wo aber der König nichts behalten hat, was hätte ich, ein armer Gebrechlicher, thun können?«

Madame nahm diese Ausflucht des Höflings durchaus nicht gnädig auf.

»Ah! Madame,« fügte Saint-Aignan bei,,es handelt sich heut zu Tage nicht mehr darum, was die Süßwassernymphen sagen. In der That, man wäre versucht, zu glauben, es gehe nichts Interessantes mehr in den flüssigen Reichen vor. Auf der Erde, Madame, begeben sich die großen Ereignisse. Ah! auf der Erde, Madame, sind es Erzählungen voll . . . «

»Gut!« versetzte Madame, »und was geht denn auf der Erde vor?«

»Das muß man die Dryaden fragen,« erwiederte der Graf; »die Dryaden bewohnen die Bäume, wie Eure Königliche Hoheit weiß.«

»Ich weiß sogar, daß sie von Natur schwatzhaft sind, Herr von Saint-Aignan.«

»Das ist wahr, Madame; aber wenn sie neue schöne Dinge berichten, so hätte man Unrecht, sie der Schwatzhaftigkeit zu beschuldigen.«

»Sie berichten also schöne Dinge?« fragte mit gleichgültigem Ton die Prinzessin. »In der That, Herr von Saint-Aignan, Ihr erregt meine Neugierde, und wenn ich der König wäre, so würde ich Euch auf der Stelle auffordern, uns die schönen Dinge zu erzählen, welche die Damen Dryaden sagen, weil Ihr allein hier ihre Sprache zu kennen scheint.

»Oh! was das betrifft, Madame, ich stehe Eurer Hoheit zu Befehl,« erwiederte rasch der Graf.

»Er versteht die Sprache der Dryaden?« sagte Monsieur. »Wie glücklich ist doch dieser Saint-Aignan.«

»Wie das Französische, Monseigneur.«

»Erzählt also,« rief Madame.

Der König fühlte sich verlegen; es unterlag keinem Zweifel, sein Vertrauter würde ihn in eine schwierige Sache verwickeln.

Er fühlte dies an der allgemeinen Aufmerksamkeit, die durch den Eingang von Saint-Aignan und die eigenthümliche Haltung von Madame erregt wurde. Die Discretesten schienen bereit, jedes Wort, das der Graf hervorbringen würde, zu verschlingen.

Man hustete, man näherte sich einander, man schaute aus dem Augenwinkel gewisse Ehrendamen an, welche, um anständiger oder vielmehr mit mehr Festigkeit, diesen forschenden, gewichtigen Blick zu ertragen, ihre Fächer zurecht richten, und sich die Haltung eines Duellisten gaben, der gegen das Feuer seines Feindes Stand halten soll.

In jener Zeit war man so sehr an geistreiche Conversationen und kitzliche Erzählungen gewöhnt, daß da, wo ein ganzer Salon in unserer Zeit Scandal, Eclat, Tragödie riechen würde, die Gesellschaft im Salon von Madame es sich bequem machte, um nicht ein Wort, nicht eine Geberde von der zu ihren Gunsten von Herrn von Saint-Aignan abgefaßten Komödie zu verlieren, deren Entwicklung, wie auch der Styl und die Intrigue sein mochte, vollkommen hinsichtlich der Ruhe und Beobachtung sein mußten.

Der Graf war als ein abgeschliffener Mann und vortrefflicher Erzähler bekannt. Er begann also muthig unter einem tiefen und folglich für jeden Andern als ihn furchtbaren Stillschweigen:

»Madame, der König erlaubt, daß ich mich zuerst an Eure Königliche Hoheit wende, weil sie sich für die Neugierigste des Reiches erklärt; ich werde also die Ehre haben. Eurer Hoheit zu sagen, daß die Dryade ganz besonders in hohlen Eichen wohnt, und da die Dryaden schöne mythologische Geschöpfe sind, so bewohnen sie sehr schöne Bäume, das heißt die dicksten, die sie finden können.«

Bei diesem Eingang, der unter einem durchsichtigen Schleier an die bekannte Geschichte bei der Königseiche erinnerte, welche am letzten Abend eine so große Rolle gespielt hatte, klopften so viele Herzen vor Freude oder Bangigkeit, daß, wenn Saint-Aignan nicht die gute, klangreiche Stimme gehabt hätte, dieses Klopfen der Herzen über seiner Stimme gehört worden wäre.

»Es muß Dryaden in Fontainebleau geben, denn ich habe in meinem Leben keine schöneren Eichen gesehen, als im königlichen Park,« sprach die Prinzessin mit ruhigem Ton.

Und indem sie dies sagte, sandte sie an die Adresse von Guiche einen Blick, über den sich dieser nicht wie über den vorhergehenden beklagen konnte, welcher, erwähnter Maßen, eine gewisse Nuance von einer für ein so liebendes Herz sehr peinlichen Unbestimmtheit behalten hatte.

»Ganz richtig, von Fontainebleau wollte ich zu Eurer Hoheit reden,« sagte Saint-Aignan, »denn die Dryade, deren Erzählung uns beschäftigt, bewohnt den Park des Schlosses Seiner Majestät.«

Die Sache war angesponnen, die Handlung begann: Zuhörer und Erzähler, Niemand konnte mehr zurückweichen.

»Hören wir,« sagte Madame, »denn die Geschichte sieht mir aus, als hätte sie nicht nur den Reiz einer nationalen Erzählung, sondern auch den einer ganz gleichzeitigen Chronik.«

»Ich muß mit dem Anfang beginnen,« sprach der Graf. »Es wohnen in Fontainebleau in einer Hütte von schönem Aussehen Schäfer.«

»Der Eine ist der Schäfer Tiocis, dem durch Erbschaft von seinen Eltern die reichsten Grundstücke gehören.«

»Tiocis ist jung und schön, und seine Eigenschaften machen aus ihm den ersten Schäfer der Gegend. Man kann also kühn sagen, es sei der König.«

Ein leises Gemurmel des Beifalls ermuthigte den Erzähler, und dieser fuhr also fort:

»Seine Kraft kommt seinem Muthe gleich. Niemand hat mehr Gewandtheit bei der Jagd auf wilde Thiere, Niemand mehr Weisheit im Rothe. Tummelt er ein Pferd auf den schönen Ebenen feines Erbgutes, führt er bei den Spielen der Geschicklichkeit und der Stärke die Schäfer an, die ihm gehorchen, so sollte man glauben, es sei Gott Mars, der auf den Ebenen von Thracien seine Lanze schwinge, oder besser Apollo, der Gott des Tags, wenn er mit seinen entflammten Pfeilen auf die Erde strahlt.«

Jeder begreift, daß dieses allegorische Portrait des Königs nicht der schlechteste Eingang war, den der Erzähler hatte wählen können. Er verfehlte auch seine Wirkung weder auf die versammelte Gesellschaft, welche, aus Vergnügen oder aus Pflicht, auf das Geräuschvollste Beifall klaschte, noch auf den König selbst, dem das Lob sehr gefiel, wenn es delikat, und nicht immer mißfiel, sogar wenn es ein wenig übertrieben war. Saint-Aignan fuhr fort:

»Meine Damen, nicht allein bei den Spielen des Ruhmes hat sich Tiocis den Ruf erworben, der ihn zum König der Schäfer macht.«

»Der Schäfer von Fontainebleau,« sagte der König, Madame zulächelnd.

»Oh!« rief Madame, »Fontainebleau ist vom Dichter willkührlich gewählt worden; ich sage: der Schäfer der ganzen Welt.«

Der König vergaß seine Rolle als passiver Zuhörer und verbeugte sich.

Saint-Aignan aber fuhr unter einem schmeichelhaften Gemurmel fort:

»Bei den Schönen besonders offenbart sich das Verdienst dieses Königs der Schäfer am Klarsten. Es ist ein Schäfer von seinem Geist und reinem Herzen; er weiß eine Artigkeit mit einer Anmuth zu sagen, welche unwiderstehlich entzückt, er weiß mit einer Discretion zu lieben, die seinen liebenswürdigen und glücklichen Eroberungen das beneidenswertheste Loos verheißt. Nie ein Aufsehen, nie ein Vergessen. Wer Tiocis gesehen und gehört hat, muß ihn lieben; wer ihn liebt und von ihm geliebt wird, hat das Glück gefunden.«

Saint-Aignan machte eine Pause; er weidete sich an dem Vergnügen der Komplimente, und dieses Portrait, so gar keck und schwülstig es auch war, hatte Gnade vor gewissen Ohren gefunden, besonders bei denjenigen, für welche die Verdienste des Schäfers durchaus nicht übertrieben schienen. Madame forderte den Erzähler auf, fortzufahren:

»Tiocis,« sagte der Graf, »hatte einen treuen Gefährten, oder vielmehr einen ergebenen Diener Namens . . . Amyntas.«

»Ah! gebt uns nun das Portrait von Amyntas,« rief die Prinzessin boshafter Weise: »Ihr seid ein so guter Maler, Herr von Saint-Aignan.«

»Madame . . . «

»Oh! Graf von Saint-Aignan, ich bitte Euch, opfert diesen armen Amyntas nicht auf! ich würde es Euch nie vergeben.«

»Madame, Amyntas ist von einer zu untergeordneten Stellung, besonders gegen Tiocis, als daß seiner Ehre die Ehre einer Parallele zu Theil werden könnte. Es ist mit gewissen Freunden, wie mit jenen Dienern des Alterthums, welche sich lebendig zu den Füßen ihres Herrn begraben ließen. Zu den Füßen von Tiocis, da ist der Platz von Amyntas, er verlangt keinen andern; und wenn zuweilen die hochherrlichen Helden . . . «

»Der hochherrliche Schäfer, wollt Ihr sagen,« sagte Madame, die sich den Anschein gab, als wollte sie Saint-Aignan verbessern.

»Eure Hoheit hat Recht! ich täuschte mich,« erwiederte der Höfling; »ich sage, wenn der Schäfer Tiocis sich zuweilen herablasse, Amyntas seinen Freund zu nennen und ihm sein Herz zu eröffnen, so sei dies eine unvergleichliche Huld, auf die dieser einen Werth lege, wie auf die höchste Glückseligkeit.«

»Dies Alles,« unterbrach ihn Madame, »begründet die unbeschränkte Ergebenheit von Amyntas für Tiocis, gibt uns aber nicht das Portrait von Amyntas. Graf, schmeichelt ihm nicht, wenn Ihr wollt; aber malt ihn uns, ich will das Portrait von Amyntas haben.«

Nachdem er sich tief vor der Schwägerin Seiner Majestät verbeugt hatte, ergab sich Saint-Aignan und sprach:

»Amyntas ist ein wenig älter als Tiocis; er ist kein von der Natur ganz ungnädig behandelter Schäfer, man sagt sogar, die Musen haben ihm bei seiner Geburt wohlwollend zugelächelt, wie Hebe der Jugend zulächelt. Er hat nicht den Ehrgeiz, zu glänzen, er hat den, geliebt zu werden, und er wäre dessen vielleicht nicht unwürdig, wenn man ihn kennen würde.«

Verstärkt durch einen mörderischen Blick, wurde dieser letzte Paragraph ganz an Fräulein von Tonnay-Charente abgesandt, die den Anfall, ohne sich zu rühren, aushielt.

Doch die Bescheidenheit und die Gewandtheit der Anspielung hatten eine gute Wirkung hervorgebracht; Amyntas sammelte die Früchte davon in lauten Beifallsäußerungen, der Kopf von Tiocis selbst gab das Signal dazu durch eine Beipflichtung voll Wohlwollen.

Saint-Aignan fuhr fort:

»Tiocis und Amyntas gingen nun eines Abends im Wald spazieren und sprachen über ihren Liebeskummer. Bemerkt wohl, meine Damen, daß dies schon die Erzählung der Dryade ist; hätte man sonst erfahren können, was Tiocis und Amyntas, die zwei Verschwiegensten von allen Schäfern der Erde, sagten? Sie begaben sich nach der buschreichsten Stelle des Waldes, um sich abzusondern und sich freier ihre Leiden anzuvertrauen, als plötzlich ein Geräusch von Stimmen ihre Ohren traf.

»Ah! ah!« machte ein Zuhörer des Erzählers. »Das wird äußerst interessant.«

Aehnlich dem aufmerksamen General, der seine Armee inspicirt, richtete hier Madame mit einem Blick Montalais und Tonnay-Charente auf, welche der Anstrengung beinahe erlagen.

»Diese harmonischen Stimmen,« sprach Saint-Aignan, »waren die von einigen Schäferinnen, welche auch die Kühle der Schatten hatten genießen wollen, und, da sie den verborgenen, beinahe unzugänglichen Ort kannten, sich hier versammelt hatten, um einige Ideen über die Schäferei zu besprechen.«

Ein ungeheures Gelächter, durch diesen Satz von Saint-Aignan hervorgerufen, ein unmerkliches Lächeln des Königs, der Tonnay-Charente anschaute, das waren die Resultate des Ausfalls.

»Die Dryade versichert,« fuhr Saint-Aignan fort, »die Schäferinnen seien zu drei gewesen und zwar alle drei jung und schön.«

»Ihre Namen?« fragte Madame.

»Ihre Namen!« erwiederte Saint-Aignan, der sich gegen diese Indiscretion bäumte.

»Allerdings. Ihr habt Eure Schäfer Tiocis und Amyntas genannt; nennt Eure Schäferinnen auf irgend eine Art.«

»Oh! Madame, ich bin kein Erfinder, ich erzählte unter dem Diktat der Dryade.«

»Wie nannte Eure Dryade diese Schäferinnen? Das ist in der That ein sehr widerspenstiges Gedächtniß! Diese Dryade war also mit der Göttin Mnemosyne entzweit.«

»Madame, diese Schäferinnen . . . Vergeßt nicht, daß Namen von Frauen offenbaren ein Verbrechen ist.«

»Von dem eine Frau Euch freispricht, Graf, unter der Bedingung, daß Ihr uns die Namen der Schäferinnen nennt.«

»Sie heißen Philis, Amaryllis und Galathe.«

»Ah! gut, sie haben durch das Wartenlassen nicht verloren.« sagte Madame, »das sind drei reizende Namen. Nun die Portraits?«

Saint-Aignan machte abermals eine Bewegung.

»Oh! ich bitte Euch, gehen wir der Ordnung nach zu Werke, Graf,« sprach Madame, »nicht wahr, Sire, wir müssen das Portrait der Schäferinnen haben?«

Der König, der dieses beharrliche Auffordern erwartete und eine unbestimmte Unruhe zu fühlen anfing, glaubte ein so gefährliches Verhör nicht anstacheln zu müssen. Er dachte übrigens, Saint-Aignan würde bei seinen Portraits Gelegenheit finden, einige zarte Züge einschlüpfen zu lassen, welche die Ohren benützen würden, die Seine Majestät zu reizen im Interesse hatte. In dieser Hoffnung, mit dieser Furcht gestattete Ludwig Herrn von Saint-Aignan, das Portrait der Schäferinnen Philis, Amaryllis und Galathe zu entwerfen.

»Gut, es sei!« sprach Saint-Aignan, wie ein Mensch, der seinen Entschluß faßt; und er begann, indem er einen herausfordernden Blick auf Montalais warf, ungefähr, wie es bei einem Contrefechten ein Fechtmeister thut, der einen seiner würdigen Nebenbuhler sich auszulegen auffordert.

»Philis ist weder braun noch blond, weder groß noch klein, weder kalt noch überspannt; sie ist, obgleich eine Schäferin, geistreich wie eine Prinzessin, und gefallsüchtig wie ein Dämon.«

»Ihr Gesicht ist vortrefflich. Alles, was ihr Gesicht umfaßt, begehrt ihr Herz. Sie ist wie ein Vogel, der, beständig zwitschernd, bald den Rasen streift, bald einem Schmetterling nachflatternd sich emporschwingt, bald sich auf den höchsten Äst eines Baumes setzt, und von da alle Vogelfänger herausfordert, daß sie ihn entweder fangen, oder in ihre Netze fallen machen.«

Das Portrait war so ähnlich, daß Aller Blicke sich auf Montalais richteten, welche, das Auge aufgeweckt, die Nase im Wind auf Herrn von Saint-Aignan horchte, als ob von einer ihr gänzlich fremden Person die Rede wäre.

»Ist das Alles, Herr von Saint-Aignan?« fragte die Prinzessin.

»Oh! Eure Hoheit, das Portrait ist nun skizziert, und es wären viele Dinge zu sagen. Aber ich befürchte, die Geduld Eurer Hoheit zu ermüden oder die Bescheidenheit der Schäferin zu verletzen, und gehe daher auf ihre Gefährtin Amaryllis über.«