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Loe raamatut: «Der Graf von Moret», lehekülg 31

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»O, ich weiß wohl, dass man das glaubt, dass sogar der Herr Kardinal es annimmt, der große Kardinal, der erste Feldherr seiner Zeit, – nach Gustav Adolf natürlich!«

Und Ludwig XIII. ließ ein heiseres fieberhaftes Lachen hören, welches höhnisch klingen sollte.

»Ich aber,« fügte er nach einer Pause hinzu, »ich nehme das nicht an.«

»Ich würde es lebhaft bedauern.« sagte Herr von Charnassé, »wenn Ew. Majestät sich in diesem Punkte einem Irrtum hingäben.«

»Ah,« sagte Ludwig XIII.. »es scheint, dass Ihr Lust habet, zum Könige von Schweden zurückzukehren?«

»Es würde dies eine große Ehre für mich und ein großes Glück für Frankreich sein.«

»Unglücklicherweise,« sagte der König, »ist es eine Sache der Unmöglichkeit, da der König von Schweden nur mit dem Kardinal unterhandeln will, und dieser nicht mehr an der Spitze der Geschäfte steht.«

In diesem Augenblick hörte man an der Tür ein Kratzen; der König erkannte das Zeichen Beringhen's und befahl ihm, einzutreten.

Der erste Kammerdiener Sr. Majestät trat ein.

»Hier ist die Antwort des Herrn Bullion,« sagte er, dem Könige einen Brief mit großem Siegel überreichend.

Der König öffnete und las:

»Sire, ich bin in Verzweiflung! Um dem Herrn Kardinal die Anleihe zu ermöglichen, habe ich meine Kasse bis auf den letzten Taler geleert und so sehr ich wünsche, Ew. Majestät gefällig zu sein, kann ich doch den Zeitpunkt nicht bestimmen, bis zu welchem es mir möglich sein wird, die 50,000 Livres, welche Ew. Majestät wünschen, zu entbehren. »Dero

»getreuester und gehorsamster Unterthan

»Bullion.«

Der König biß sich in den Schnurrbart. Der Brief Gustavs hatte ihm gezeigt, wie weit sein politischer Credit ging; aus dem Briefe Bullions erfuhr er, inwiefern sein finanzieller Credit begründet war.

In diesem Augenblick kehrte La Saludie zurück.

Hinter ihm schritten vier Männer, deren jeder unter der Last eines Geldsackes keuchte.

»Was ist das?« fragte der König.

»Das sind die fünfzehnhundert taufend Livres, welche Bullion dem Herrn Kardinal schickt.«

»Herr von Bullion? Er ist also bei Gelde?«

»Es scheint so. Sire,« sagte La Saludie lächelnd.

»Und auf wen hat er diesmal einen Wechsel gegeben? Etwa, wieder auf Fieubet?«

»Nein, Sire; es war zwar anfänglich seine Absicht, aber er sagte später, dass es sich einer so kleinen Summe wegen nicht der Mühe lohne, und gab mir bloß eine Anweisung an seinen ersten Commis.«

»Der Unverschämte!« murmelte der König, »er hat kein Geld, um mir fünfzigtausend Livres zu leihen, und er findet eine und eine halbe Million, um dem Herzog von Richelieu die Tratten von Mantua, Venedig und Rom auszuzahlen!«

Dann warf er sich in einen Lehnsessel, gebrochen unter der Last der Wahrheiten, die sich ihm seit dem gestrigen Tage unaufhörlich aufbürdeten, und welche anfingen seinen eigenen Augen sein Bild in dem unerbittlichen Spiegel der Wahrheit zu zeigen.

»Meine Herren!« sagte er darauf zu Saludie und Charnassé, »ich danke Euch einstweilen; Ihr seid gute und, treue Diener; ich werde Tuch in einigen Tagen rufen lassen, um Euch meinen Willen mitzuteilen.«

Dann machte er ihnen mit der Hand ein Zeichen, sie zu verabschieden.

Beide grüßten und zogen sich zurück.

Die vier Träger, welche ihre Last zu Boden gestellt hatten, warteten.

Der König rief nach Charpentier.

Dieser erschien.

»Bezahlt diese Leute,« sagte der König, »und legt diese anderthalb Millionen zu dem übrigen Gelde.«

Die Träger zogen sich zurück.

»Charpentier,« sagte der König, »ich weiß nicht, ob ich morgen hierher kommen werde; ich fühle mich sehr angegriffen.«

»Es wäre zu bedauern, wenn Ew. Majestät morgen nicht kämen; es ist der Tag der Berichte.«

»Welcher Berichte?«

»Der Berichte der Polizei des Herrn Kardinals.«

»Welches sind die vorzüglichsten Agenten?«

»Pater Josef, dem Ew. Majestät erlaubt haben, in sein Kloster zurückzukehren und der daher morgen nicht kommen wird; dann der Spanier Lopez; endlich Herr von Souscarières.«

»Werden diese Berichte schriftlich oder mündlich gemacht?«

»Da die Agenten wissen, dass sie morgen Ew. Majestät zu rapportiren haben, werden sie es mündlich tun.«

»Ich werde kommen,« sagte der König, indem er sich mit Anstrengung erhob.

»Wenn also die Agenten kommen?« fragte Charpentier.

»Dann sagt ihnen, dass ich sie empfangen werde.«

»Allein ich muss Ew. Majestät zuvor über die näheren Verhältnisse eines Agenten unterrichten, von dem ich bisher noch nicht gesprochen habe.«

»Also noch ein vierter Agent?«

»Ein vierter; und zwar ein geheimerer als alle andern.«

»Und wer ist dies?«

»Eine Frau, Sire.«

»Frau von Combalet?«

»Verzeihung, Majestät; Frau von Combalet ist nicht die Agentin, sondern die Nichte Sr. Eminenz.«

»Und wie heißt jene Agentin? Ist es ein bekannter Name?«

»Ein sehr bekannter, Sire.«

»Sie nennt sich?«

»Marion de Lorme.«

»Der Kardinal empfängt diese Courtisane?«

»Sehr zu seinem Vorteil. Sie war es, die ihn vorgestern Abend davon in Kenntnis setzte, dass er wahrscheinlich heute Morgen in Ungnade fallen würde.«

»Sie war es?« rief der König voll Erstaunen.

»Wenn der Herr Kardinal zuverlässige Auskunft über das, was bei Hofe vorgeht, zu erhalten wünscht, ist es stets jene Dame, an die er sich wendet. Es ist möglich, dass sie, davon unterrichtet, Ew. Majestät befinden sich an der Stelle des Kardinals hier, wichtige Mitteilungen zu machen hätte.«

»Sie kommt hoffentlich nicht öffentlich her?«

»Nein, Sire; das Haus, das sie bewohnt, stößt an dieses; der Kardinal hat die Scheidemauer durchbrechen und eine Verbindungstür zwischen beiden Wohnungen herstellen lassen.«

»Seid Ihr sicher, Charpentier, Sr. Eminenz durch die Mitteilungen, die Ihr mir macht, nicht zu missfallen?«

»Im Gegenteil; es geschieht auf dessen Wunsch, dass ich Euer Majestät in all' diese Details einweihe.«

»Und wo befindet sich diese Tür?«

»In dieser Türverkleidung, Sire. Wenn Euer Majestät morgen Vormittag während der Arbeitsstunden, zu einer Zeit, wo Ihr Euch allein befindet, an diese Tür leise pochen höret und gesonnen seid, Marion de Lorme die Ehre einer Audienz zu gewähren, dann bitte ich auf diesen Knopf zu drücken, worauf sich die Tür öffnen wird. Wenn Ew. Majestät ihr diese Ehre nicht erweisen wollen, dann wäre mit einem dreifachen in gleichen Zwischenräumen sich folgenden Klopfen zu antworten, worauf binnen zehn Minuten das Schellen einer Glocke als Zeichen ertönt, dass der Zwischenraum zwischen den Verbindungstüren wieder frei und der geschriebene Bericht am Boden zu finden sei.«

Ludwig XIII, dachte einen Moment nach. Offenbar lag in diesem Augenblick die Neugierde bei ihm in einem heftigen Kampfe mit seiner Abneigung gegen Frauen im Allgemeinen, und namentlich gegen solche von der Art Marions de Lorme. Endlich errang die Neugier den Sieg.

»Wenn der Herr Kardinal, welcher der Kirche angehört, Marion de Lorme empfängt,« sagte er, »so kann ich, wie mir däucht, dies auch tun. Wenn es übrigens eine Sünde ist, werde ich sie beichten. Auf morgen, Herr Charpentier!«

Mit diesen Worten verließ der König das Kabinett, blasser, erschöpfter, schwankender als den Tag vorher, aber nicht minder aufgeklärt über die Schwierigkeit, ein großer Minister zu sein, und um wie viel leichter es sei, den Platz eines mittelmäßigen Monarchen auszufüllen.

IX.
Einblick des Königs hinter die Coulissen

Im Louvre herrschte große Unruhe. Seit den Staatsberatungen auf der Place Royale hatte der König weder seine Mutter noch sonst Jemand von seiner Familie empfangen, so dass bisher Niemand weder die verlangten Summen noch die Anweisungen erhielt, gegen welche sie ausgezahlt werden mussten.

Zum Überfluss hatte auch das neue Ministerium Bérulle-Marillac, welches im ersten Enthusiasmus nach dem Sturz des Kardinals ernannt worden war, noch keinen Befehl zu einer Sitzung erhalten, und in Folge dessen auch wirklich noch über nichts beratschlagt.

Endlich hatte sich auch das Gerücht verbreitet, Beringhen, der Kammerdiener des Königs, welcher denselben täglich beim Ausgehen und Nachhausekommen sah, der ihn des Morgens an- und Abends entkleidete, versichere, der König sei bei seiner Rückkehr stets niedergeschlagener, als vor seinem Ausgehen, und des Abends schweigsamer, als des Morgens.

Sein Narr L'Angely und sein Page Baradas hatten allein Zutritt in sein Gemach.

Baradas war von all' jenen Raubvögeln, die den Schatz des Kardinals gierig umkreisten, der einzige, welcher eine Anweisung auf dreitausend Pistolen für Charpentier von dem Könige erhalten hatte. Er öffnete indes, um dies zu erreichen, weder seinen Schnabel, noch streckte er seine Fänge aus. Die Gratifikation war ihm geworden, ohne dass er sie verlangte; er besaß neben den Fehlern auch die Vorzüge der Jugend; verschwenderisch, wenn er Geld hatte, war er dennoch unfähig, sich seines Einflusses bei dem Könige zur Erlangung der Mittel für seine Verschwendungssucht zu bedienen. Waren seine gewöhnlichen Einnahmequellen verstopft, dann wartete er geduldig, bis sie wieder fließend wurden, vorausgesetzt, dass es ihm nicht an schönen Kleidern, schönen Pferden und schönen Waffen fehlte. War der Goldstrom aber wieder einmal flüssig geworden, dann erschöpfte er ihn auch eben so schnell und eben so unbekümmert, wie vorher.

Während der Abwesenheit des Königs hatte Baradas mit seinem Freunde St. Simon sehr viel von der hübschen Einnahme gesprochen, die ihm vom Himmel herabgefallen war, und von der er seinem Gefährten einen Teil zu geben gedachte. Die beiden Jünglinge, denn Baradas, der Ältere von ihnen, zählte kaum zwanzig Jahre, – die beiden Jünglinge also hatten die schönsten Pläne auf diese dreitausend Pistolen gebaut; sie wollten wenigstens einen Monat lang mit dieser Summe wie die Prinzen leben; nur Eines bekümmerte sie: Wurde die Anweisung des Königs auch ausgezahlt? Man hatte schon so viele königliche Anweisungen zurückweisen sehen, ohne dass der Schatzmeister die erhabene Unterschrift respektierte, dass man die Unterschrift des geringsten Kaufmannes der City höher anschlug, als die Ludwigs XIII.

Dann hatte sich Baradas in einen Winkel zurückgezogen, Papier und Feder zur Hand genommen und sich der für einen Edelmann damaliger Zeit äußerst schwierigen Arbeit des Briefschreibens zu unterziehen versucht. Nachdem er sich lange die Stirn gerieben und den Kopf gekratzt hatte, war er damit zu Stande gekommen, hatte den Brief in die Tasche geschoben, dann den König erwartet, und ihn sogleich gefragt, wann er sich dem Schatzmeister vorstellen könne, um sich die bewusste Anweisung auszahlen zu lassen.

Der König antwortete, er könne dies ihm, wann es ihm beliebe, und der Schatzmeister werde ihm zu Dienst stehen.

Baradas hatte dem Könige darauf die Hand geküsst, war die Stiege des Louvre hinabgesprungen, immer vier Stufen auf einmal, war unten in eine Sänfte gestiegen und ließ sich nach dem Hause des Kardinals tragen.

Dort war er zu Charpentier gekommen, und hatte demselben seine Anweisung präsentiert. Charpentier hatte dieselbe nach allen Seiten besehen und geprüft, und darauf dem jungen Manne einen Beutel mit Gold eingehändigt.

Bei dem Anblicke dieses Goldes glaubte Baradas, das Herz müsse ihm vor Freude zerspringen.

Charpentier erbot sich, die Summe vor seinen Augen noch einmal abzuzählen, Baradas aber, welcher große Eile hatte, drückte den Geldsack an seine Brust und wollte ihn hinab zur Sänfte tragen. Seine durch die Verwundung geschwächten Kräfte reichten aber dazu nicht hin, und Charpentier musste ihm helfen.

Unten angelangt, nahm Baradas eine Handvoll Münzen aus dem Jacke und bot sie Charpentier an; dieser aber weigerte sich mit einem tiefen Bückling, das Geschenk anzunehmen.

Baradas blieb ganz verblüfft auf der Straße stehen, während sich hinter Charpentier, der in das Haus zurückkehrte, die Tür schloss.

Nach und nach kam Baradas zu sich, orientierte sich, ging auf das Nachbarhaus zu, klopfte an dessen Thor und gab dem heraustretenden Diener den Brief, den er geschrieben hatte, mit den Worten:

»Für Fräulein de Lorme.«

Mit dem Briefe zugleich gab er dem Lakaien zwei Taler, die dieser jedoch nicht so spröde zurückwies, wie Chaipentier sein Geschenk. Darauf sprang Baradas in seine Sänfte und rief den Trägern in jenem Tone, der nur Leuten eigen ist, welche die Taschen voll haben, den Befehl zu:

»Nach dem Louvre.«

Die Träger, denen die Schwere des Geldsackes nicht entgangen war, setzten sich zu einem förmlichen Trabe in Bewegung.

Nach einer Viertelstunde war Baradas, dessen rechte Hand unterdessen nicht aufgehört hatte, seinen Reisegefährten, den Geldsack, zu streicheln, an dem Thore des Louvre angelangt, wo er mit Frau von Fargis zusammentraf, die ebenfalls aus einer Sänfte stieg.

Beide erkannten einander; ein Lächeln voll Ironie glitt über die reizenden Lippen der Hofdame, als sie bemerkte, wie Baradas sich vergebens abmühte, mit seinem verwundeten Arme den Sack aus der Sänfte zu schaffen.

»Wollt Ihr vielleicht, dass ich Euch helfe, Herr von Baradas?« fragte sie.

»Ich danke, gnädige Frau,« antwortete der Page, »aber wenn Ihr im Vorbeigehen meinen Kameraden St. Simon bitten wolltet, heranzukommen,würdet Ihr mir wirtlich einen Gefallen erweisen.«

»Mit großem Vergnügen,« erwiderte Frau von Fargis.

Und sie eilte die Treppen flüchtigen Schrittes hinauf, ihr Schleppkleid so geschickt aufhebend, wie nur graziöse Frauen es verstehen; dadurch ließ sie den unteren Teil des Beines bis zum Anfang der Wade sehen, das Übrige aber erraten.

Fünf Minuten später kam. St. Simon herab; Baradas belohnte die Träger reichlich und die beiden jungen Leute trugen den Geldsack mit vereinigten Kräften die Treppe des Louvre hinauf.

Während dieser Zeit unterhielt sich Ludwig XIII. mit seinem Narren, dessen Scharfblick die Niedergeschlagenheit,des Königs nicht entgangen war.

Ludwig XIII. saß an der einen Seite des Feuers in dem großen Kamin seines Gemaches und hatte vor sich einen Tisch.

L'Angely hockte auf der Lehne seines Sessels, wie ein Papagei aus einer Stange und hielt auf seinen Knien einen Teller.

Der König verzehrte ohne Appetit einige getrocknete süße Kirschen und benetzte kaum seine Lippen aus einem Glas, auf welchem in Gold und Himmelblau das königliche Wappen funkelte. Er hatte seinen großen schwarzen Filzhut mit schwarzen Federn auf dem Kopfe behalten und der breite Rand des Hutes warf auf seine Stirn einen Schatten, welcher den ohnehin schon so finsteren Ausdruck seines Gesichts noch mehr Verfinsterte.

L'Angely dagegen hatte großen Hunger und sein Gesicht erheiterte sich bei dem Anblick des zweiten Mittagsessens, welches der König nach den Gewohnheiten jener Zeit zwischen fünf und sechs Uhr Abends zu verzehren pflegte. Er zog daher an den ihm zunächst stehenden Rand des Tisches eine gewaltige Pastete von Fasanen, Schnepfen und Becassinen, und nachdem er das erste Stück derselben dem Könige geboten hatte, der es zurückwies, indem er mit dem Kopfe schüttelte, schnitt er sich davon Stücke ab, die so groß waren, wie die Ziegelsteine, die mit Leichtigkeit von der Pastete auf seinen Teller gelangten, mit noch größerer Leichtigkeit aber von seinem Teller in seinen Magen. Nachdem er den Fasan als den größten. Teil des Inhalts angegriffen hatte, war er zu den Schnepfen gelangt und beabsichtigte mit den Becassinen zu endigen, indem er das,Ganze mit einem Weine anfeuchtete, den man Kardinalswein nannte und der nichts Anderes war, als der jetzige Bordeaux. Der König und der Kardinal, welche die beiden schlechtesten Magen in dem ganzen Königreich hatten, schätzten diesen Wein wegen seiner die Verdauung befördernden Eigenschaft; L'Angely, der sich des besten Magens von der Welt, rühmen durfte, liebte diesen Wein wegen seines Bouquets und»seiner Milde.

Eine erste Flasche dieses leichten Weines hatte geleert bereits ihren Weg von dem Kaminherde auf den Kaminsims gefunden, wohin ihr bald eine zweite folgen sollte, die eben jetzt in der gehörigen Entfernung von dem Feuer erwärmt wurde. L'Angely, der die zweite Flasche schon mit den Augen liebkoste, hatte für die erste nur noch die Aufmerksamkeit und Achtung, die man den Todten schuldig ist.

L'Angely glich übrigens dem alten griechischen Philosophen, der alles Überflüssige verschmähte und daher seinen hölzernen Becher in den Fluss warf, als er einen Knaben aus der hohlen Hand trinken sah; er verzichtete auf den vermittelnden Beistand des Glases und begnügte sich damit, den Hals der Flasche zu seinem Munde zu führen, wenn er das Bedürfnis fühlte, seinen Durst zu stillen; – und wir müssen sagen, dass dies Bedürfnis sich bei ihm sehr oft wiederholte.

Eben hatte er wieder der Flasche wacker zugesprochen und stieß einen Seufzer des Behagens aus, während sich der Brust des Königs ein Seufzer der Betrübnis entrang.

L'Angely blieb unbeweglich, die Flasche in der einen, die Gabel in der andern Hand.

»In der Tat,« sagte er, »ist es, wie es scheint, nicht sehr unterhaltend, König zu sein, besonders, wenn man regieren muss.«

»Ach, mein armer L'Angely,« erwiderte der König,, »ich bin sehr unglücklich.«

»Erzähle mir das, mein Sohn; das wird Dich trösten,« sagte der Narr, die Flasche auf den Boden stellend und ein frisches Stück Pastete auf die Gabel spießend. »Weshalb bist Du so unglücklich?«

»Alle Welt bestiehlt mich, alle Welt betrügt mich, alle Welt verrät mich!«

»Du hast also angefangen das zu bemerken?«

»Ich habe mich sogar davon überzeugt.«

»Sieh! Sieh, mein Sohn! Doch betrachten wir die Dinge, wie sie sind, und seien wir nicht gleich ein so entschiedener Pessimist. Ich muss Dir gestehen, dass ich die Sachen hienieden bei weitem nicht so schlecht finde. Ich habe gut gefrühstückt, gut zu Mittag gegessen; diese Pastete ist vortrefflich, dieser Wein ausgezeichnet, die Erde dreht sich so sanft, dass ich es kaum spüre, und ich fühle über meinen ganzen Körper eine so angenehme Warme verbreitet, dass ich die ganze Welt wie durch einen rosenfarbenen Schleier sehe.«

»L'Angely.« sagte Ludwig XIII. mit großem Ernst, »keine Ketzerei, oder ich lasse Dich peitschen.«

»Wie!« sagte L'Angely. »Ist es etwa eine Ketzerei, wenn man die Welt durch einen rosigen Schleier ansieht?«

»Nein; aber es ist eine Ketzerei, zu sagen, dass sich die Erde dreht.«

»Ah, meiner Treu, ich bin ja nicht der Erste, der das sagt; die Herren Copernicus und Gallilei haben es schon vor mir gesagt.«

»Ja, – aber die Bibel sagt das Gegenteil und Moses wird es doch besser gewusst haben, als Gallilei?«

Der Narr zuckte die Achseln.

»Höre!« fuhr der König fort, »wenn die Erde unbeweglich wäre, wie hätte Josua sie in ihrem Kreislauf drei Tage lang aufhalten können?«

»Bist Du sicher, dass Josua dieses Wunder bewirkt hat?«

»Nicht er, aber der Herr.«

»Und Du glaubst, der Herr hätte sich diese Mühe gegeben, um seinem Erwählten die Zeit zu gewähren, das Heer des Adonisedec und der vier mit ihm verbündeten Könige der Kananiter in Stücke zu hauen und sie lebendig in einer Höhle einzumauern? Meiner Treu, wenn ich der Herr gewesen wäre, so würde ich, statt die Sonne in ihrem Laufe zu hemmen, im Gegenteil die Nacht herausgeführt haben, um dm armem Teufeln eine Möglichkeit zur Flucht zu gewahren.«

»L'Angely, L'Angely,« sagte traurig der König, »man merkt Dir auf eine Meile weit den Hugenotten an.«

»Gib Acht, Ludwig, dass Du nicht noch mehr nach dem Hugenotten riechst; denn Du bist der Sohn Deines Vaters.« '

»L'Angely!« fügte der König mit drohendem Tone.

»Du hast Rechts Ludwig,« sagte L'Angely, indem er die Becassinen angriff. »Doch sprechen wir nicht mehr von Theologie. Du sagst also, dass Du Dich überzeugt hast, die ganze Welt betrüge Dich?«

»Die ganze Welt, L'Angely.«

»Ausgenommen Deine Mutter, nicht wahr?«

»Meine Mutter wie die Anderen.«

»Und Deine Frau?«

»Meine Frau mehr als die Anderen.«

»Und Dein Bruder?«

»Mein Bruder mehr als Alle.«

»Und ich glaubte immer, dass nur der Kardinal Dich betrüge.«

»L'Angely, ich glaube, dass der Kardinal im Gegenteil der Einzige war, der mich nicht betrog.«

»Aber das ist ja dann eine verkehrte Welt!«

Ludwig schüttelte traurig den Kopf.

»Ich habe sagen hören,« fuhr der Narr fort, »dass Du in Deiner Freude, des Kardinals entledigt zu sein, Deine ganze Familie reichlich beschenkt hast.«

»Ach!«

»Dass Du 60,000 Livres Deiner Mutter, 30,000 der Königin und 150,000 Monsieur gegeben hast.«

»Das heißt, ich habe sie ihnen versprochen, L'Angely.«

»So? Also sie haben diese Summen noch nicht?«

»L'Angely,« sagte der König, »ich habe da plötzlich einen, Wunsch.«

»Hoffentlich doch nicht, mich als Ketzer verbrennen, oder als Dieb aufknüpfen zu lassen?«

»Nein aber da ich jetzt Gelb habe —«

»Du hast Geld?«

»Ja, mein Lieber.«

»Auf Dein Ehrenwort?«

»Auf mein Wort als Edelmann; und sogar sehr viel Geld!«

»Nun, folge mir,« sagte L'Angely, »mache von Deinem Gelde einen guten Gebrauch und kaufe Weinvorräte. Der Jahrgang 1629 kann schlecht ausfallen.«

»Nein, darin besteht mein Wunsch nicht; Du weißt, dass ich nur Wasser trinke.«

»Darum bist Du auch stets so traurig.«

»Ich müsste ein Narr sein, um lustig zu scheinen.«

»Ich bin ein Narr und kann es dennoch selten zur Lustigkeit bringen. Doch kommen wir zur Sache, Was ist Dein Wunsch?« '

»Ich hätte Lust. Dein Glück zu machen.«

»Mein Glück? Und wozu? Ich habe Nahrung und Wohnung im Louvre: wenn ich Geld brauche, drehe ich meine Taschen um und nehme, was ich in denselben finde; es ist wahr, dass dies niemals viel ist, aber es genügt mir und ich beklage mich nicht.«

»Ich weiß, dass Du Dich nicht beklagst und das ist es, was mich ebenfalls betrübt.«

»Dich betrübt also Alles! Geh', Du hast einen schlechten Charakter.«

»Du beklagst Dich niemals und ich gebe Dir nie etwas, während Die denen ich stets mit vollen Händen gebe, sich immer beklagen.«

»Laß sie nur, mein Sohn.«

»Wenn ich sterbe. L'Angely —«

»Das ist wieder eine sehr heitere Idee, die Dir da durch den Kopf fährt. Warte doch, um so aufgeräumt zu sein, wenigstens den Carneval ab.«

»Wenn ich stürbe, so würden sie Dich davonjagen und Dir nicht einmal einen Maravedi geben.«

»Nun, dann würde ich gehen.«

»Und was würde aus Dir werden?«

»An Trappist! Beim Teufel, die Trappe ist ein eben so närrischer Ort, wie der Louvre.«

»Sie glauben Alle, dass ich bald sterben werde. Was hältst Du davon. L'Angely?«

»Ich sage, dass Du leben musst, damit sie vor Wut bersten.«

»Es ist nicht sehr unterhaltend, zu leben.«

»Glaubst Du etwa, dass man sich in der Gruft von St. Denis besser unterhält, wie im Louvre?«

»Nur der Körper ist in St. Denis; die Seele ist im Himmel.«

»Glaubst Du, dass man sich im Himmel besser unterhält, als in St. Denis?«

»Man unterhält sich eigentlich nirgends,« sagte der König mit einem düsteren Ausdruck.

»Ludwig, ich sage Dir im Voraus, dass ich Dich allein Deiner Langweile überlassen werde; Du fängst an, mir einen Schauer in die Glieder zu jagen.«

»Du willst also nicht, dass ich Dich bereichere?«

»Ich will, dass Du mich ruhig meine Flasche leeren und meine Pastete essen lässt.«

»Ich will Dir eine Anweisung auf 3000 Pistolen geben, wie meinem Pagen Baradas.«

»Ah! Du hast Deinem Pagen eine Anweisung auf 3000 Pistolen gegeben?«

»Ja.«

»Nun. Du kannst Dir wenigstens sagen, dass dies Geld gut angelegt ist!«

»Glaubst Du, dass er davon einen schlechten Gebrauch machen wird?«

»Im Gegenteil, einen vortrefflichen – ich glaube, dass er es in Gesellschaft guter Jungen und hübscher Mädchen verzehren wird.«

»Du glaubst doch an gar nichts. L'Angely!«

»Nicht einmal an die Tugend des Herrn Baradas.«

»Es ist eine Sünde, mit Dir zu plaudern.«

»Daran ist etwas Wahres; ich will Dir daher auch einen Rat geben, mein Sohn.«

»Welchen?«

»In Dein Oratorium zu gehen und für meine Bekehrung zu beten, mich aber ruhig mein Dessert verspeisen zu lassen.«

»Ein guter Rat kann auch von einem Narren kommen; ja, ich will wirklich singen.«

Der König erhob sich und begab sich nach seinem Oratorium.

»Recht so!« sagte L'Angely; »bete Du für mich und ich werde für Dich essen, trinken und beten. Wir werden sehen, wem das am besten bekommt.«

Während Ludwig XIII., trauriger als je, in sein Oratorium trat, dessen Tür er hinter sich zuzog, machte sich L'Angely an die dritte Flasche und sang dazu ein lustiges Lied.