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Loe raamatut: «Der Graf von Moret», lehekülg 56

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Herr von Montagne war vor einigen Monaten dem Gerichtshofe in Toulouse zur Aushilfe zugetheilt worden und binnen wenigen Wochen stand seine Einrückung zur Dienstleistung in Paris bevor.

»Wenn Ew. Eminenz damit ein Gefallen geschieht, werde ich es versuchen, den Schmerz dieser Trennung noch länger zu ertragen. «

»Nun gut!« fuhr Richelieu schmunzelnd fort, »ich nehme Euer Opfer an. Madame, und werde verfügen, daß Herr von Montagne mit einer bedeutenden Gehaltserhöhung dem Gerichtshofe in Toulouse bleibend zugetheilt wird.«

Der Brust der Frau von Montagne entwand sich ein Seufzer tiefster – Befriedigung.

»Eure getrennte Wirthschaft ist aber immer eine kostspielige,« begann der Cardinal von Neuem, »und da ich die Schuld bin, daß Ihr mit Eurem so geliebten Gemahle nicht zusammen leben könnt, so ist es wohl nur recht und billig, Euch eine kleine Entschädigung zu bieten. Wie hoch beläuft sich Eure Einnahme?«

»Ich kann im Jahre kaum auf 8000 Livres rechnen,« entgegnete Frau von Montagne.

»Wie viel muß Euer Gemal zu dieser Summe beisteuern?«

»Ungefähr die Hälfte, Eminenz.«

»In Zukunft werdet Ihr ihm diese Hälfte lassen, Madame; auch ihm, dem armen Manne, soll der Trennung Schmerz etwas versüßt werden. – Kennt Ihr vielleicht das große Eckhaus der Rue des Barbiers und der Rue de I'Homme?«

»Dasjenige, welches vor ein paar Monaten der kinderlose Chevalier dArgentile als Stiftung zur Unterstützung armer Adeliger bestimmt hat?«

»Dieses meine ich; es trägt an 50.000 Livres Rente.

Nun, wie wäre es, wenn wir von dieser Rente beiläufig 15.000 Livres einer armen adeligen Strohwitwe zuwenden würden?«

»Aber Ew. Eminenz vergessen, daß der Adel des Herrn von Montagne etwas stark angezweifelt wird.«

»Und ich sage Euch, Madame von Montagne, daß Euer Adel gut ist, wenigstens von heute an; morgen soll das Document in Euren Händen sein.«

»Zu viel Gnade, Ew. Eminenz « aber noch immer ist mir ein Räthsel, warum dieses Füllhorn des Glückes sich über mich ergießt,« sagte, sich verneigend, Frau von Montagne, welche in der That verwirrt war, daß drei ihrer sehnlichsten Wünsche, nämlich die Trennung von ihrem Gemahle, ein hinlängliches selbstständiges Einkommen und der Besitz eines unanfechtbaren Adelsbriefes so rasch und ganz unerwartet, wie durch einen Zauber in Erfüllung gingen.

»Die Erklärung hierüber,« fiel Richelieu rasch in Frau von Montagnes letzte Worte, »wird sich sogleich finden. Ihr kennt den Grafen von Moret, Madame?«

Frau von Montagne erröthete und sagte:

»Ich – habe ihn gekannt.«

»Und ich dächte, diese Bekanntschaft würde nicht der Vergangenheit angehören ohne einen gewissen Zwischenfall,« warf der Cardinal hin.

»Bleibt Euer Eminenz das Fräulein von Lautrec?« rief Frau von Montagne aus, unwillkürlich in Extase gerathend. Doch bezwang sie sich sogleich und fügte, sich zur Ruhe zwingend, bei:

»Wenn ich nicht irre, steht aber Isabella unter dem besonderen Schutze Eurer Eminenz.«

»Das ist richtig,« nickte zustimmend Richelieu, »Fräulein von Lautrec steht unter meinem Schutze und von dieser Stunde an auch unter dem Eurigen, Frau von Montagne.«

»Unter dem meinigen?« sagte Frau von Montagne und schüttelte dabei ungläubig lächelnd ihr Haupt.

»So ist es,« bemerkte der Cardinal trocken, »Frau von Montagne wird mir wohl die Bitte gewähren, von heute an als Ehrendame des Fräulein von Lautrec zu fungiren?«

»Eure Eminenz bat zu befehlen!« entgegnete geschmeidig Frau von Montagne, »aber —«

»Hört mich an, Madame! Fräulein von Lautrec befindet sich bereits in Paris seit mehr denn vier Wochen in strengster Verborgenheit die auch noch einige Zeit hindurch beobachtet werden muß. Vor Allem hat Frau von Montagne nichts zu thun. als auf der Stelle meine Nichte zu besuchen und bei derselben Isabella's Bekanntschaft zu machen. Auf welchem Wege Ihr in Zukunft in dieses Palais zu gelangen habt, wird Euch Marion belehren.«

Richelieu schellte. Cavois trat ein.

»Laßt diese Dame bei der Frau Herzogin sogleich anmelden,« gebot der Cardinal.

Hierauf wandte er sich an Frau von Montagne, die aus ihrem Erstaunen gar nicht herausfand, und sagte:

»Ich zähle Euch zu den vertrautesten meiner Vertrauten. Ihr habt dadurch das Recht erlangt, Euch mit jedem, Eurer Anliegen an mich direkte zu wenden.«

Frau von Montagne ergoß sich in Betheuerungen ihrer unbegrenzten Ergebenheit.

Richelieu, an derlei Kundgebungen gewöhnt, hörte sie gelassen an. Er wußte, wie viel davon zu halten sei, wenn nicht die Politik der persönlichen Interessen dabei ins Spiel kamen. «

Obgleich er in letzterer Beziehung sich der Frau von Montagne hinlänglich versichert halten durfte, spielte er dennoch einen vierten Trumpf aus, indem er, auf die Rachsucht der verlassenen Geliebten bauend, zum Abschied noch die Bemerkung hinwarf, daß Frau von Montagne durch die Unterstützung seiner Pläne in die Lage kommen werde, dem treulosen Grafen von Moret einen recht ärgerlichen Streich zu spielen.

Richelieu ließ sich hierauf wieder bei seinem Arbeitstische nieder. Bis in die späte Nachmittagsstunde setzte er dann die Correctur von »Mirame« fort.

Als er endlich gegen fünf Uhr sich erhob, um sein frugales Mahl einzunehmen und ihm zufällig dabei seine heutigen Morgenbesuche einfielen, murmelte er vor sich:

»Heute über ein Jahr werde ich meinem lieben Pontis schreiben, daß er seine Bewerbungen um Isabella wieder aufnehmen könne, und zwar diesmal hoffentlich mit mehr Erfolg als zuvor.«

IX.
Liebesschmerzen

Kaum sind acht Tage verflossen. seit der Cardinal sich in die Liebeshändel Anderer eingemischt hatte. und wir sind bereits in der Lage über einige Erfolge seiner erbarmungslosen Taktik, mit der er den Krieg gegen den Gott Amor führte, Bericht zu erstatten.

Vor Allem müssen wir, eine eine gewisse Reihenfolge zu beobachten, uns nach Latil umsehen. der von Richelieu auf acht Tage beurlaubt worden war. um mit dem Marquis von Pisani. den er sich für den kleinen Gravé eingetauscht hatte, eine alte und eine neue Rechnung auszugleichen.

Seit einer vollen Woche bereits liegt der Gascogner in der Rue Mouffetard auf der Lauer. aber ganz vergeblich; er ist nicht im Stande, seinen Feind, den Stammhalter der Familie Rumbouillet, zu gewahren.

Erkundigungen, die er auf Umwegen im Hotel Rambouillet einziehen ließ, bewiesen gleichwohl, daß der Marquis von Pisani Paris nicht verlassen habe, sondern sich nach wie zuvor in seiner gewohnten Gesellschaft umhertreibe, zu welcher auch Souscarières wieder gehörte, denn Frau von Maugiron war schon lange sowohl dem buckligen Othello, als auch dem athletischen Tragsesselinhaber völlig gleichgültig geworden. und wegen eines ehrlichen Degenstiches pflegte man zu jener Zeit nicht langer zu grollen, als bis die Wunde vernarbt war.

Pisa ni, von Natur boshaft und rachsüchtig, würde wohl ohne Revanche kaum zu einer Versöhnung mit Souscarières die Hand geboten haben. wenn er hierzu nicht von sehr hoher Seite inspirirt oder besser gesagt commandirt worden wäre. Seit vollen zwei Monaten war er nämlich ganz und gar in das Lager der Königinnen übergegangen. Diese schienen Kenntniß erhalten zu haben von den Beziehungen Souscarières zu Richelieu und man legte keinen geringen Werth darauf, daß der Chef der Pariser Sesselträger, welcher von allen Tagesvorfällen der ganzen Stadt stets auf das Genaueste und Schnellste unterrichtet war. von einer Vertrauensperson fortwährend auf eine gute Art ausgeforscht wurde.

Der arme Latil, von Aerger und Eifersucht gequält, war, wo möglich, noch magerer geworden. In die größte stille Wuth versetzte es ihn, daß er an Jacintha, welche er alle zweiten Tag besuchte, durchaus nichts Verdächtiges wahrnehmen konnte und in Folge dessen sich berechtigt glaubte, die Zofe für eine durch und durch falsche, verderbte und hinterlistige Person zu halten. Dabei durfte er, dem Befehle des Cardinals zufolge, ohne dessen ausdrückliche Erlaubniß keinen Bruch mit Jacintha herbeiführen.

Aus diese Weise war sein achttägiger Urlaub fruchtlos verstrichen und er mußte wieder zur Dienstleistung einrücken.

Schweren Herzens trat der Gascogner den Rückweg nach dem Palais des Cardinals an.

Cavois, der inzwischen auch Latil's Dienst versehen mußte. war herzlich froh, seinen Lieutenant wieder zu sehen und beeilte sich.die »Ablösung« beim Cardinal anzumelden.

»Nun, Stephan!« rief Richelieu dem Gascogner entgegen, »wann ist das Leichenbegängniß des Marquis Pisani?«

Latil erzählte sein Mißgeschick, um welches der Cardinal selbstverständlich schon von anderer Seite wußte.

Der Cardinal rieb sich vergnügt die Hände und sagte:

»Das paßt vortrefflich zu allen anderen Berichten und von heute an wirst Du den Mann mit dem Buckel auch ganz ungeschoren lassen.«

»Wie, Eminenz! das ist ja wider unseren Vertrag; dann gebt mir mein kleines Murmelthier zurück!«

»Fällt mir nicht ein.« rief Richelieu, »der Bursche läßt sich vortrefflich an; aber ein Wartegeld werde ich Dir für den Marquis geben.«

»Ein Wartegeld?«

»Ja fünf Pistolen für jede Woche und zwar so lange bis ich Dir wieder erlaube. ihn umzubringen.«

»Wenn ich ihn aber mit Jacintha ertappe, dann kann ich für nichts stehen, Eminenz!«

»Du wirft ihn nicht ertappen, mein lieber Stephan; seinen Zweck in der Rue Mouffetard hat er erreicht, also dort nichts mehr zu suchen.«

»Schon erreicht?« rief Latil zuerst erbleichend und dann kirschroth vor Wuth, in der Meinung, der Marquis habt bei Jacintha Alles genossen und sei ihrer bereits überdrüssig.

»Ein neuer Beweis, daß die Liebe nicht nur blind, sondern auch blöde macht, « rief der Cardinal spöttisch »Latil, sonst ein ganz vernünftiger Kerl, ist zum vollendeten Dummkopfe geworden, seit Cupido ihn ins Herz getroffen. Auf Jacintha war es ja gar nicht abgesehen; hinter den Besuchen des Buckliegen in der Rue Mouffetard stack etwas ganz Anderes, mein lieber Stephan.«

»Wie? Jacintha wäre unschuldig!« schrie Latil hocherfreut.

»Ob sie eine Unschuld ist, das wirst Du besser wissen als ich,« bemerkte Richelieu sarkastisch, »aber daß es Pisani auf die Gräfin abgesehen hatte und zwar nicht in der Absicht, mit ihr eine Liaison einzufädeln« das steht fest.«

»Eminenz! ich bin so entzückt, daß ich den Spitzbuben Pisani beinahe pardonniren möchte!«

»Deine Großmuth paßt mir wohl für jetzt, aber nicht für alle Zukunft,« entgegnete der Cardinal trocken. «

Der Gascogner,« welcher bemerkte, daß er durch seine letzten Worte einen Mißgriff gethan, wollte sich verbessern, aber Richelieu winkte ihm abzutreten.

»Am Ende,« sprach letzterer dann zu sich, »war Stephan nicht umsonst beurlaubt. Er hat mir in der Rue Mouffetard die Stelle eines anderen Aufpassers ersetzt. Meine hohen Feindinnen interessirt es also zu wissen, ob Anton von Burbon der Gräfin von Urbano ein Heiratsversprechen gab. Hat ha! das probate Hausmittel mit der Eifersucht hätte demnach denn doch verschlagen. Ja, ja, die Leidenschaft macht gute Beobachtungen, aber schlechte Schlüsse. Anna von Oesterreich sähe wirklich eine Verehelichung Morets ungerne; was könnte das sie anfechten, wenn sie kein Interesse fühlte für diesen Mann? Und Maria von Medicis, die schlaue Intriguantin, die durchschaut ihre Schwiegertochter ganz richtig auch diesmal und spielt mit ihrer Einfalt, mit ihrer Unerfahrenheit. Ich muß mir diese Italienerin vom Halse schaffen um jeden Preis; ich oder sie muß das Feld räumen, eine Versöhnung zwischen uns Zwei kann es nicht geben, wird es nie geben. Ich bin Frankreich, jenes Frankreich, welches sich zum ersten Staate von Europa emporschwingen will, muß und wird. Maria von Medicis aber vertritt und versieht hier Oesterreich und Spanien, welche ihren alten Glanz nur zu bewahren vermögen, wenn Frankreich wieder würde, was es bis vor sechs Jahren war: eine Macht zweiten Ranges. Würde sie je ihr Programm ändern, kann ich das meinige opfern? Eines ist ebenso undenkbar wie das andere. Die Absicht, die der König in seinen letzten zwei Briefen an die Hautefort ausspricht, mich mit seiner Mutter auszusöhnen, erschreckt mich daher, ich leugne es nicht, und was soll es bedeuten, daß die Königinnen in Versailles diesem Wunsche auf halbem Wege entgegenkommen? O daß Pater Joseph und Caussin gerade jetzt zu Verräthern an mir werden mußten! Und noch immer ahnen beide nicht, daß ich ihr falsches Spiel kenne und es durchschaue!«

Latil, der wieder den Dienst im Vorzimmer versah, unterbrach des Cardinals Monalog durch die Anmeldung der »grauen Eminenz«.

Richelieu empfing diesen Besuch mit derselben Freundlichkeit und Vertraulichkeit wie seit Jahren.

Pater Joseph seinerseits erstattete seinen polizeilichen Rapport so genau und umständlich wie sonst.

Der schärfste Beobachter hätte in dem Verkehre dieser beiden Männer, die sich im Stillen seit einigen Wochen tödtlich haßten, auch nur die mindeste Veränderung gegen früher wahrzunehmen vermocht. Sogar der schlaue Latil, mit dem der Cardinal nie wieder über seine am 18. April vor dem Louvre gemachten Beobachtungen sprach, war gänzlich irregeführt und meinte, Pater Joseph habe am Ende nur im Auftrage des Cardinals oder in Folge eines eigenen sehr schlauen Planes jene Bekanntschaften gepflogen, welche damals den »pfiffigen Boten« zur Nichtabgabe eines Briefes bestimmten.

Als Pater Joseph mit seinen Mittheilungen zu Ende war, warf der Cardinal wie zufällig die Frage hin, ob sein Polizeimeister nicht näher von dem jetzigen Treiben des Grafen von Moret unterrichtet sei.

»Seine Liaison mit der Gräfin von Urbano erregt bereits Aergerniß,« erwiderte die »graue Eminenz.«

»Wie so?« frug der Cardinal, sich neugierig stellend.

»Graf Urbano in Brouage fängt an ungeduldig zu werden, er hat eine Beschwerde an den König gerichtet, daß Ihr ihn widerrechtlich gefangen haltet, daß Ihr der Untreue seiner Gemalin Vorschub leistet, und Seine Majestät soll über letzteren Punkt wirklich sehr ungehalten sein.«

Richelieu der dies Alles schon längst wußte, stellte sich sehr erschrocken und rief:

»Ich danke Euch für diese Warnung, doch der König thut unrecht, mir zu zürnen.«

Nach diesen Worten schellte er nach Charpentier.

»Ist der Befehl wegen des Grafen von Urbano schon ausgefertigt?« frug er den eingetretenen Secretär.

»Hier ist er zur Unterschrift von Euer Eminenz.«

Richelieu unterschrieb und gab dann das Papier dem Pater Joseph zur Einsicht.«

Dieser kniff sich leicht auf die Lippe, als er den Befehl an den Commandanten von Brouage las, dem Grafen von Urbano unter Begleitung die Reise nach Paris zur Abholung seiner Gemalin zu gestatten.

»Wißt Ihr schon,« fuhr der Cardinal fort, als die »graue Eminenz« das Papier dem sich entfernenden Charpentier zurückgegeben hatte, »wißt Ihr schon, daß ich Isabella von Lautrec nach Paris kommen ließ?«

Pater Joseph sah erstaunt, ja betroffen den Cardinal an.

»Und wozu?«I frag er.

»Weil ich sie mit dem Grafen von Moret verehelichen will. Wir müssen den jungen Mann von weiteren Thorheiten à la Urbano in Hinkunft abhalten und Ihr könnt mirs glauben, daß ich wenig Geschmack daran finde, von meinen Feinden bei dem Könige als Kuppler angeschwärzt zu werden.«

Pater Joseph war im Inneren wüthend, daß der Cardinal auch diesen Versuch, ihm bei dem Könige zu schaden, schon im Keime unschädlich gemacht hatte. Aber die größte Mühe hatte die »graue Eminenz«, ihre innere Aufregung zu bemeistern, als Richelieu im erzählenden Tone bemerkte, daß der Courier, der nach Brouage in einer Stunde abging, den Weg über Fontainebleau nehmen und dort für den König die Meldung von wegen der baldigen Wiedervereinignng des Ehepaares Urbano und von der Ankunft des Fräulein von Lautrec, sowie der damit in Verbindung stehenden weiteren Absichten zurücklassen werde.

Auf diesem Wege wusch sich nicht nur der Cardinal vollkommen weiß, sondern stellte sogar seine geheimen Ankläger als Verleumder hin.

Pater Joseph, dem es zu schwül wurde, kürzte nun seinen Besuch unter dem Vorwande dringender Geschäfte ab.

Richelieu lachte seinem gefoppten Polizeimeister aus vollem Halse nach, und als er diesem unwiderstehlichen Drange hinlänglich Genüge geleistet, schrieb er auf ein Zettelchen folgende Worte:

»Frau von Montagne soll heute Nachmittags fünf Uhr mit I s a b e l l a die bewußte Promenade unternehmen.«

Das Papier schob er unter die Thüre, die in die Wohnung der Marien Délorme führte.

Pater Joseph, welcher in sein Kloster »der Brüder vom Calvarienberge« geeilt war, fertigte von dort einen flinken und verläßlichen Boten nach Versailles ab, um die Königinnen von der mißlungenen Cabale und Richelieus Absicht, den Grafen von Moret mit dem Fräulein von Lautrec zu vermälen, in Kenntniß zu setzen.

Der Cardinal wollte, nachdem er obige Ordre an Frau von Montagne expedirt hatte, sich wieder in eine Arbeit vertiefen, als der kleine Gravé schweißtriefend ohne viele Umstände eintrat und Richelieu einen Brief darreichte.

Der Savoyarde hatte, um Aufsehen zu vermeiden, den Befehl, seinen Ponny, so oft er von Versailles kam, innerhalb der Barrieren, und zwar in der Vorstadt Passy, unweit der heutigen Jenabrücke, bei einem befreundeten. verläßlichen Wirthe einzustellen und den noch ziemlich weiten Weg bis zum Palais des Cardinals zu Fuß zurückzulegen.

»Oho!« rief Richelieu, »die Correspondenz wird diese Woche in der That höchst schwunghaft betrieben.«

Nach diesen Worten öffnete der Cardinal des Königs Brief an Fräulein von Hautefort ohne alle Umstände. denn da Rossignol ein zweites Petschaft besaß, konnte man sich die mühsamere Manipulation mit einer erhitzten, dünnen Messerklinge ersparen.

Richelieu durchlas mehrmals das vier Seiten lange Schreiben und schrieb einige Notizen auf ein Blatt Papier.

»Warte draußen, mein Kind, und rufe Rossignol,« sagte er endlich. Dieser trat unverzüglich ein.

»Wir müssen Sirdoni näher zur Hand haben, bemerkte der Cardinal zu Rossignol; »laßt eines Eurer Zimmer als Gefängniß herrichten. Morgen Nachts muß der Italiener bereits hierher übersiedelt sein. Eure häufigen Gänge zu ihm könnten Verdacht erwecken und der Spitzbube, dem wir jetzt alle Mittel zur Ausübung seiner Kunst in der Hand lassen müßen, fälscht sich am Ende eine Freilassungsordre mit meiner und des Königs Unterschrift, oder er führt irgend sonst einen schlimmen Streich aus.«

»Soll ich den Brief wieder schließen?« frug Rossignol, als ihm der Cardinal das vom kleinen Gravé abgelieferte Schreiben reichte.

»Nicht so eilig, Rossignol!« rief Richelieu und reichte ihm den Zettel mit den Notizen, die er zuvor rasch hingeworfen hatte, »nicht so eilig; vorerst muß Sirdoni diese kleinen Abänderungen hineinbringen. Das werdet Ihr auf der Stelle besorgen und dann den Knaben wieder nach Versailles retour senden.«,

Rossignol riß ihm beinahe den Brief sammt Zettel aus der Hand und eilte fort.

Richelieu sah es nicht gerne, daß seine Leute viel mit Ceremonien und Bücklingen verloren; ihm war es lieber, wenn sie rasch und genau seinen Willen vollzogen. Und gerade in dieser Briefaffaire that stets Schnelligkeit, gepaart mit Umsicht und Schlauheit, doppelt Noth, sollte nicht Boinzeval über kurz oder lang in die Klemme gerathen.

Die Abänderungen, welche Sirdoni zu vollziehen hatte, bestanden in ganz kleinen, anscheinend unwesentlichen Zusätzen, welche aber den Sinn des Ganzen dennoch verdrehten oder doch wenigstens eine von dem Briefschreiber gewiß nicht beabsichtigte Nebenbedeutung verliehen.

So ließ z. B. Richelieu am Ende einer Zeile, welche mit den Worten schloß: »Ich liebe Sie,« hinzufügen, »wie ich Isabella geliebt,« und an einer anderen Stelle mußte Sirdoni die Worte »meine Gemalin« vor der ich mich scheue,« in »meine Gemahlin, die ich verabscheue« umfälschen.

Wir erwähnen nur beispielsweise dieser zwei Proben von »Correctur«, um dem Leser einen kleinen Begriff von der List und Kühnheit zu machen« mit der der Cardinal den in Rede stehenden Briefwechsel auch in der Folge für seine Zwecke auszudeuten verstand, ja wir dürfen hier vorgreifend gleich erwähnen, daß er späterhin manche Briefe sogar ganz unterschlug und statt derselben complette Falsificate von Sirdoni anfertigen ließ.

Eine solche Vermessenheit einem Monarchen gegenüber ist derart unerhört, daß selbe die Grenzen der poetischen Freiheit weit überschreiten würde und dem Autor den gerechten Tadel des Publikums zuziehen müßte. Aber wir haben es hier mit einer geschichtlich erwiesenen Thatsache zu thun, daher der Vorwurf der Uebertreibung und der Unwahrscheinlichkeit uns nicht zu treffen vermag.

Am selben Tage gegen fünf Uhr Nachmittags fuhren zwei dichtverschleierte Damen in einer einfachen, aber eleganten Kutsche in das Wäldchen von Boulogne.

»Also heute, heute endlich soll ich ihn sehens!« rief die eine der beiden Damen und hatte sichtlich Mühe ihre Ruhe zu bewahren. – Ihre Stimme klang so silberhell und frisch, daß wir mit Grund eine jugendliche, liebliche Erscheinung unter dem neidischen Schleier vermuthen, der ihr Antlitz verbirgt.

»Ganz zuverlässig heute,« bestätigte ihre Begleiterin. »Eure monatlange Geduld und Entsagung soll heute belohnt werden.«

Hätten wir der Sprecherin unter die Maske zu blicken vermocht, so würden wir in ihren Zügen den vollendetsten Ausdruck dämonischer Schadenfreude wahrgenommen haben.

»Dort, dort ist er!« rief die erste Dame und wies auf einen äußerst eleganten Reiter, der eben aus einer Seitenallee heraus, auf etwa zweihundert Schritte Entfernung, zum Vorschein kam. – »Aber, « fuhr die Sprecherin fort und ihr Athem stockte, »wer ist denn jene Dame an seiner Seite?«

Die zweite Dame that, als ob sie jetzt erst den Reiter erblickt hätte, der die Aufmerksamkeit ihrer Begleiterin in so hohem Grade auf sich zog, und sagte:

»Ich kann nur Euere Frage wiederholen, theuere Isabella; doch darüber werden wir bald Aufklärung haben; einige Schritte hinter dem Grafen von Moret kommt auch Herr von Bazaine des Weges ; der zählt zu meinen Freunden; ich werde ihn zum Wagen heranwinken.«

Inzwischen ritt der Graf von Moret mit der Gräfin von Urbano an dem Wagen vorbei. Letztere that gegen ihren Begleiter gerade sehr auffallend zärtlich, als sie sich der Equipage der beiden verschleierten Damen näherte.

Isabella von Lautrec fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Mit dem Scharfblick der Liebe hatte sie trotz ihres reinen jungfräulichen Sinnes errathen, daß Moret's Begleiterin keine gewöhnliche Bekannte sei, daß sie seinem Herzen nahe, sehr nahe stehen müsse.

»Guten Abend, Herr von Bazaine!« rief Isabella's Begleiterin, in welcher der Leser bereits Frau von Montagne errathen haben dürfte, und winkte den Begrüßten zu sich heran.

Herr von Bazaine gehörte im Geheimen zu des Cardinals Creaturen und Werkzeugen, und wir dürfen daher seine so gelegene Anwesenheit nicht dem bloßen Zufalle zuschreiben.

Der Wagen hielt still.

In dem Momente, als Herr von Bazaine Miene wachte, um zum Wagenschlage hinzureiten, sprang er plötzlich vorn Pferde, bückte sich zu Boden und that. als ob er etwas aufhebe.

Dabei zog er rasch einen geöffneten Brief ans der Tasche.

Als er sich wieder aufgerichtet , las er mit verstellter Neugierde die Adresse.

»Parbleu!« rief er, »diesen Brief muß soeben die Gräfin von Urbano verloren haben,« und indem er nach der Unterschrift sah , fuhr er fort: »er ist vorn Grafen von Moret, da sehen Sie selbst, Frau von Montagne.«

Herr von Bazaine reichte ihr den Brief.

Isabella langte nach demselben; Frau von Montagne ließ sie gewähren und frag den angeblichen Finder :

»Das wäre also die Gräfin von Urbano gewesen?«

»Sie war es – der Graf von Moret ist ganz närrisch in sie verliebt ; seine Liaison mit ihr dauert schon über zwei Monate.«

Isabella durchflog indeß, ohne daß ihr ein einziges Wort von dem Gespräche zwischen Herrn von Bazaine und Frau von Montagne entgangen weite, den Brief, welchen die Gräfin von Urbano angeblich verloren hatte.

Der Brief enthielt nicht nur ein förmliches Eheversprechen für den Todesfall des Grafen von Urbano. Sondern auch ein Bekenntniß seiner früheren Schwäche zu Fräulein Isabella von Lautrec, die er ein unvernünftiges, überspanntes Kind nannte, für welches noch besser die Puppe als ein Liebhaber passe und welches , wenn es sich einbilde, von einem Anton von Bourboa geliebt zu werden , den Vorwurf der Lächerlichkeit nur sich selbst zugezogen habe.

»Das ist zu viel!« hauchte Isabella, ballte krampfhaft den Brief in ihren Händen und sank ohnmächtig in die Kissen des Wagens zurück.

»Schnell nach Hause!« gebot Frau von Montagne.

Der Wagen flog nach dem Palais des Cardinals zurück.

Fräulein von Lautrec mußte in ihre Gemächer getragen werden. Sie war noch immer ohnmächtig Ein tüchtiger Aderlaß brachte endlich in ihre stockenden Pulse wieder etwas Leben.

Frau von Combalet wagte es nicht, dem Schmerzenslager »ihres Engels« zu nahen. Sie fühlte sich nicht würdig dazu. Aber sie kniete auf ihrem Betschämel und sandte heiße, innige Bitten zu Gott, daß er ihr und ihrem Oheim die schweren Leiden vergeben möge, die der unschuldigen Isabella verursacht wurden.

Richelieu aber hörte zur selben Stunde sehr zufrieden Herrn von Bazaines mündlichem Berichte zu und er fühlte sich schließlich so wohlgemuthet, daß er nach »Mirame« langte und bei dessen Lectüre in größtem Wohlbehagen die nächsten zwei Stunden verbrachte.

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
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Ilmumiskuupäev Litres'is:
10 detsember 2019
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Õiguste omanik:
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