Lugege ainult LitRes'is

Raamatut ei saa failina alla laadida, kuid seda saab lugeda meie rakenduses või veebis.

Loe raamatut: «Der Graf von Moret», lehekülg 57

Font:

X.
Verrath auf Befehl

Zwei Tage nach der Spazierfahrt, die Frau von Montagne und Fräulein von Lautrec in das Bois de Boulogne unternommen hatten, ließ sich der Graf von Moret bei Richelieu anmelden.

Dieser empfing ihn sogleich.

Der Graf sah höchst verstört aus. In der Hand hielt er einen offenen Brief.

»Ist es wirklich wahr, daß Isabella in Paris sich befindet, daß sie mich gesehen hat?« rief er.

Der Cardinal nickte bejahend und sagte: » Ich bedaure von ganzem Herzen, daß die Ueberraschung, die Fräulein von Lautrec Euch, Monseigneur, zu bereiten gedachte, einen so üblen Verlauf genommen hat.«

»Aber wann und wo hat sie mich gesehen, warum diese bitteren Vorwürfe in ihrem Briefe?«

Der Cardinal erzählte nun umständlich dem Grafen von Moret, wo und in wessen Gesellschaft Isabella ihn vorgestern gesehen. Des von Herrn von Bazaine angeblich gefundenen Briefes, sowie daß die zweite Dame im Wagen Frau von Montagne gewesen, erwähnte er natürlich dabei mit keiner Sylbe.

Der Graf war so verwirrt und niedergeschlagen, daß er sich gar nicht fähig fühlte, seine Gedanken mit Nebendingen zu beschäftigen; er dachte nur an den Verlust Isabella's, zu welcher seine frühere Liebe plötzlich wieder mit aller Macht entbrannte.

In diesem Falle aber, sowie im praktischen Leben fast immer, wären gerade die anscheinenden Nebendinge die wirkliche Hauptsache gewesen. Hätte Moret gewußt, daß Frau von Montagne mit im Spiele war, so würde er vielleicht Argwohn geschöpft, dieser Argwohn ihn zu weiteren Nachforschungen veranlaßt und schießlich ihn auch auf die rechte Fährte gebracht haben.

»Aber mein Gott« « jammerte der Graf von Moret, »sollte Isabella wirklich so strenge sein, wegen einer kleinen Liaison mit mir brechen zu wollen? Aufrichtig gesagt, die Gräfin von Urbano hatte schon lange für mich an Interesse verloren, und seit ich Isabella in meiner Nähe weiß, seit die Italienerin meine wahre, innige Liebe zu dem Fräulein von Lautrec, meine ehrliche Verbindung mit ihr gefährdet, hasse ich das feile Weib, ja Ekel empfinde ich jetzt vor ihren verführerischen Reizen. Rathet, helft mir, Cardinal, was muß ich thun, um meine Braut zu versöhnen? wo ist sie, daß ich zu ihren Füßen niederstürze und ihre Verzeihung erflehe?«

»Ich bedanke Euch, Monseigneur!« erwiderte Richelieu, indem er tiefes Mitleid in Mienen und Sprache affectirte. »Ich bedaure Euch vom ganzen Herzen, aber es steht nicht in meiner Macht, zu dieser Stunde Eurem Wunsche zu willfahren.«

»Wie meint Ihr das, Eminenz?« hauchte der Graf von Moret höchst beklommen.

»Hört mich ruhig an, Monseigneur! Gestern Früh trat Fräulein von Lautrec hier bei mir ein. »Eminenz«, sagte sie, »Ihr tragt Mitschuld an dem tödtlichen Stoße, der mein Herz getroffen, denn Ihr habt mich hierher kommen lassen, Ihr habt meinem kindischen Verlangen, den Grafen von Moret zu überraschen, willfahrt. Ihr seid also auch verpflichtet beizutragen, daß die Wunde in meiner Brust sich wieder schließe, wenn sie überhaupt je wird vernarben können. Und darum flehe ich zu Euch auf den Knieen, macht es unmöglich, daß ich je den Meineidigen von Angesicht zu Angesicht wieder sehe; gestattet, daß ich mich in die Mauern eines Klosters zurückziehe und das Gebet und die Zeit vielleicht mir den Trost und die Ruhe gewähren, deren ich so sehr bedarf.« Konnte ich, den gewissermaßen Isabella's Vorwurf mit Recht traf, anders als gewähren? Von meinem Segen begleitet ist das arme Kind auch bereits dahin gegangen, wo sie vielleicht in der That Heilung finden wird für ihren tiefen, unnennbaren Schmerz.«

In Richelieu's Augen glänzte bei den letzten Worten der Wiederschein einer Thräne; er war wirklich gerührt und er empfand Gewissensbisse, daß er Isabella, die er fast ebenso sehr liebte wie Frau von Combalet, in den Strudel seiner dunklen Intrigue mit hineingezogen hatte.

»Und wo weilt Isabella?« frag der Graf von Moret in der gespanntesten Erwartung.

»Ich habe Euch« Monseigneur, bereits angedeutet, daß ich Isabella mein Ehrenwort gab, ihren Aufenthalt nicht zu verrathen. Ein Cavalier, und noch dazu ein Anton von Bourbon, wird also begreifen, daß ich Euere Frage zu beantworten nicht im Stande bin.«

»Und ich werde Isabella dennoch finden!« rief der Graf von Moret in höchster Extase; »alle Klöster Frankreichs will ich durchsuchen, ich werde zum ersten Male mein Recht als Prinz des königlichen Hauses dabei in Anspruch nehmen.«

Zu den Vorrechten der Prinzen von Geblüt gehörte es, daß ihnen der Besuch der Nonnenkloster freistand und sie fordern durften, daß ihnen deren weibliche Insassen vorgestellt wurden.

»Wenn Ihr« Monseigneur, Isabella selbst entdeckt, so habe ich natürlich mein Wort nicht gebrochen, so wenig als wenn einer meiner Leute einen Verrath beginge,« bemerkte Richelieu mit Betonung, »und Ihr könnt versichert sein, daß ich nicht nur Euren Nachforschungen nichts in den Weg legen werde, sondern auch den Verräther, der Euch die rechte Fährte weist, sehr glimpflich bestrafen dürfte. Kann ich wohl mehr thun?«

»Tausend Dank, Eminenz!« sagte Moret neu aufathmend und eilte, nachdem er dem Cardinal mit Wärme die Hand gedrückt, davon.

Unter dem Thore des Palais stieß der Graf von Moret auf Latil, der zufällig, so schien es wenigstens, von außen angeritten kam.

Der Gascogner grüßte ehrerbietigst den Sohn des großen Heinrich.

Den Grafen von Moret durchzuckte ein Gedanke. Er hielt sein Pferd an und sagte zu Latil im freundlichsten Tone:

»Habt Ihr für ein halbes Stündchen Zeit mich zu begleiten oder ruft Euch der Dienst zu dem Cardinal?«

»Ich bin bis Abends frei und stehe daher Monseigneur zu Befehl.«

»Vortrefflich! dann gönnt mir für heute Vormittag das Vergnügen Eurer Gesellschaft; der Morgen ist wunderschön« wir wollen einen kleinen Abstecher in das fatale Bois de Boulogne machen.«

Latil warf seine dicke Ninon herum und schwenkte an des Grafen linke Seite.

Beide Reiter galoppirten jetzt am rechten Seineufer fort auf Passy los und ritten dann bei La Muette in das Bois de Boulogne ein.

»In Longchamp werden wir uns und unseren Thieren etwas Erholung gönnen,« begann der Graf von Moret, als man die von La Muette nach Longchamp in schnurgerader Linie führende Allee erreicht hatte.

Der Graf von Moret ließ nach diesen Worten seinen edlen Renner im Schritte gehen zur großen Zufriedenheit Latil's« denn seine innigstgeliebte braune Stute, die im Dienste des Cardinals mehr Futter und Ruhe genoß, als ihr gut that, schwitzte und schnaubte bereits so sehr, daß es ihrem Herrn in die Seele schnitt.

Der Graf von Moret, der des Gascogners Pferd eine Weile betrachtet hatte, begann :

»Der Andalusier, den ich da reite, taugt jedenfalls besser zu einem scharfen Ritte, als Eure schwerfällige Stute.«

»O Monseigneur!« lachte Latil, »bis zu der Zeit, als ich in Seiner Eminenz Dienst trat, war die gute Ninon so mager wie ich, und das will doch etwas sagen; freilich wird sie jetzt viel zu dick und ich dachte schon öfters daran, mir einen zweiten Klepper anzuschaffen und Ninon nur zur Parade zu benützen.«

»Nun, wenn Euch mein Pferd gefällt, so könnt Ihrs haben,« bemerkte der Graf.

»Gefallen würde es mir schon, aber – zu theuer dürfte es mir sein!«

»Der Preis, den ich dafür fordere, ist Euch vielleicht doch nicht zu hoch.«

»Und dieser Preis wäre« Monseigneur?«

»Ein einziges Wort von Euch, Latil!«

»Ein Wort, ein einziges Wort für solch ein Pferd ? Hm, der Preis ist wirklich gering ; ich wünschte, daß Seine Majestät der König die ganze Cavallerie Frankreichs so billig beritten machen könnte!«

»Also, Latil, wollt Ihr das Pferd« wollt Ihr dessen Preis bezahlen, wollt Ihr ein einziges Wort sagen?«

»Dieses Wort wäre?«

»Der Name des Ortes, wohin sich Fräulein von Lautrec zurückgezogen.«

»Da müßt Ihr Euer Pferd behalten, Monseigneur, dieses Wort kann ich nicht aussprechen.«

»Wenn ich aber diesem Andalusier noch einen Beutel mit tausend Pistolen in die Mähnen binde?«

»Monseigneur würde sich umsonst bemühen. Der Cardinal würde mich hängen lassen.«

»Mein Ehrenwort als Cavalier, Du kommst mit einem Verweise durch ; ja Du erweist dem Cardinal sogar einen Gefallen, wenn Du sprichst.«

Der Graf von Moret pflegte Latil, den er auch sonst sehr gut leiden mochte, stets zu dutzen, wenn er mit ihm länger verkehrte oder überhaupt das Gespräch wärmer wurde.

Hierauf erzählte der Graf von Moret in Kürze seine Unterredung mit Richelieu.

Der Gascogner schien sehr lange überlegen zu wollen.

Der Graf von Moret wurde ungeduldig und rief:

»Wähle, Latil, zwischen meiner Feindschaft oder zwischen dem Pferde und den tausend Pistolen.«

»Nun meinetwegen,« rief entschlossen Latil, »habe ich schon einmal für Euch mein Leben gewagt, als ich dem schändlichen Spitzbuben Pisani nicht zu Willen war, so stecke ich denn jetzt in Gottes Namen meinen Kopf in die Schlinge. Aber ich fürchte sehr, daß ich ihn nicht wieder daraus zurückziehen werde. Ich kenne den Cardinal in diesem Punkte besser als Ihr, Monseigneur!«

»Zur Sache, zur Sache!« drängte der Graf von Moret, »wo befindet sich Isabella?«

»Ich habe heute Nacht ihre Sänfte zur Rue des Postes, in das Kloster der »Büßerinnen« geleitet,« erwiderte Latil.

Es war dies dasselbe Kloster wo die unglückliche Frau von Coëtman so viele Jahre lebendig eingemauert sich befand, weil Maria von Medicis in ihr einen gefährlichen Zeugen gegen die Mörder Heinrichs IV. zu fürchten hatte.

Der Graf von Moret schwamm in einem Meere von Entzücken und rief:

»Mein lieber Latil, heute Abends kannst Du Dir das Pferd sammt dem Gelde abholen lassen.«

»Aber,« warf der Gascogner bedächtig ein, »Ihr werdet doch nicht so unklug sein, auf der Stelle Euch in die Rue des Postes zu verfügen?«

»Und warum nicht?« erwiderte der Graf, dem die Freude über die rasche Entdeckung alle Besinnung geraubt hatte.

»Aus zwei Gründen nicht,« fuhr Latil fort; »erstens weil, bis des Fräulein von Lautrec erster Schmerz nicht vorüber ist, Ihr Eurer Angelegenheit ganz gewiß mehr schadet als nützet, und dann zweitens, weil der größte Dummkopf nach mir, als den Verräther, mit den Fingern weisen müßte, wenn zwischen heute und Eurem Besuche bei den »Büßerinnen« nicht wenigstens einige Tage verstreichen.«

Der Graf überlegte eine Weile und sagte dann traurig: »Du hast wirklich Recht mein lieber Latil« ich muß meine Sehnsucht bezähmen. Setzen wir also eine Woche als Termin fest und die will ich auch dazu benützen, mir die Gräfin von Urbano vom Halse zu schaffen.«

Während dieses Gespräches kam man in Longchamp an.

Es war inzwischen zwölf Uhr geworden. Damals speiste sogar der König zu Mittag, sobald die Sonne culminirte. Sehr natürlich also, daß der Graf von Moret und der Gascogner jetzt Verlangen nach einem Mittagsbrode trugen, das sie auch in einer dortigen, ziemlich gut bestellten Herberge fanden. Beide Männer ergingen sich hierbei in Erinnerungen an den letzten Feldzug, wo es in den armen savoyischen Bergen oft harte Mühe kostete, um auf Stunden in der Runde wenigstens für den König ein einziges Huhn aufzutreiben.

Gegen vier Uhr Nachmittags trennten sich der Graf von Moret und Latil auf dem Heimritte in der Nähe von La Muette. Ersterer verfügte sich über das Champ de Mars durch St. Germain, über den Boulevard Parnasse nach der Rue de Mouffetard zur Gräfin Urbano, während der Gascogner nach dem Palais des Cardinals ritt« wo er über seinen »autorisirten Verrath« getreulich Bericht erstattete.

Als er damit zu Ende war, lächelte Richelieu und sagte:

»Ich glaube, Du kannst zufrieden sein mit dem Resultate deines heutigen Spazierrittes. Ich wenigstens bin es.«

XI.
Eine eilige Heirat

Der Graf von Moret hielt, so schwer es ihm auch fiel, pünktlich den sich selbst gesetzten Termin von acht Tagen ein, bevor er es versuchte, der schwer beleidigten Isabella von Lautrec zu nahen.

Mit beklommenen Herzen machte er sich nach Ablauf dieser Frist auf den Weg in die Rue des Postes.

Seine Eigenschaft als Prinz des königlichen Hauses verschaffte ihm ungesäumt Zutritt bei der Oberin des Klosters der »Büßerinnen«, welche ihn mit großer Achtung empfing und nach dem Begehren des hohen Besuches frug.

»Gestattet mir, ehrwürdige Mutter,« begann der Graf, »gestattet mir, eine kleine Unterredung mit Fräulein Isabella von Lautrec und zwar in Eurer Gegenwart. Das reumüthige Bekenntniß meines Fehltrittes, welches ich dem edlen Fräulein abzulegen gedenke, wird durch Eure Anwesenheit die Weihe eines Sühnopfers erlangen und das Herz meiner gekränkten Braut vielleicht der Versöhung und der Verzeihung um so leichter zugänglich machen. Seid im Voraus meines Dankes, meiner Erkenntlichkeit versichert« und der liebe-Gott wird es Euch besonders lohnen, daß Ihr dazu beigetragen habt, das Lebensglück zweier Menschen zu gründen.«

Der Graf von Moret sprach mit einem Aufluge von Begeisterung und Rührung, die wirklich aus seinem Herzen kamen. Die Sinnlichkeit seines heißen Blutes hatte seit acht Tagen einer großen, tief empfundenen moralischen Ernüchterung Platz gemacht. Er bereute innigst seinen Leicht- und Flattersinn und es bedurfte jetzt in der That nichts als seine Bereinigung mit Isabella, um ihn für immer von der schlüpfrigen Bahn erotischer Extravaganzen abzulenken und aus ihm einen soliden, hausbackenen Ehemann und Familienvater zu machen.

Die Oberin des Klosters der »>Büßerinnen« hörte mit ehrfurchtsvollem Schweigen die Herzensergießung des unglücklichen, sündigen Liebhabers an und erwiderte sodann mit sanfter, demuthsvoller Stimme:

»Ich bin höchst betrübt, daß ich den Wunsch von Monseigneur nicht erfüllen kann.«

Der Graf von Moret taumelte erschrocken ein paar Schritte zurück und rief:

»Wie, Ihr könnt nicht? Ist Isabella krank oder gar todt? Sprecht, sprecht um Gotteswillen!«

Die Oberin schüttelte verneinend den Kopf und sagte:

»Fräulein Isabella von Lautrec ist nicht mehr hier.«

»Und wo ist sie jetzt?«

Die Oberin zuckte mit den Achseln, trat zu einem Tischchen und entnahm demselben ein Blatt Papier, welches sie dem Grafen reichte.

Dieser las:

»Die Frau Oberin des Klosters der »Büßerinnen« in der Rue des Postes wird hiermit beauftragt, das Fräulein Isabella von Lantrec dem Ueberbringer Dieses sogleich zur weiteren Obsorge zu übergeben.«

»Paris, 2. Juni 1630.«

»Richelieu.«

»Wer war der Ueberbringer?« frug der Graf von Moret in athemloser Spannung.

»Ich kenne ihn nicht!«

»Ihr lügt!« schrie Moret außer sich, allen Anstand vergessend.

Die Oberin richtete sich höchst würdevoll auf und sagte:

»Monseigneur wird die Güte haben, seine unüberlegte Aeußerung zu verbessern; – übrigens schwöre ich Euch daß ich den Ueberbringer nicht kannte; nur Eines weiß ich anzugeben, daß es jener magere Gascogner, der des Fräuleins Sänfte hierher geleitet hatte, nicht war.«

»Verzeiht, verzeiht, ehrwürdige Mutter meinem Ungestüm,« rief der Graf von Moret mit Thränen in den Augen, verzweiflungsvoll die Hände ringend; »wie sah er aus der Mann, ich kenne doch so ziemlich alle Vertrauenspersonen des Cardinals.«

»Der Mann war etwa sechzig Jahre alt, ungemein häßlich, er hinkte und er stotterte auch etwas, dabei schielte er immer im Kreise herum.«

»Das ist Herr von Abrantes,« unterbrach der Graf von Moret die Sprecherin, »das ist Herr von Abrantes, den der Cardinal vor einem Monate zum zweiten Commandanten von Brouage ernannt hat, einer seiner verläßlichsten und treuesten Anhänger, aber sehr geldgierig. – Und wohin hat sich Herr von Abrantes mit seiner Pflegebefohlenen gewendet?«

»Darüber kann ich Euch abermals keinen Aufschluß geben; Herr von Abrantes sprach kein Wort mit mir; stumm überreichte er mir diese Ordre und Fräulein von Lautrec, der er, wie Ihr selbst wißt, schon von Genf her als Beschützer gedient, leistete dem Befehle Seiner Eminenz Gehorsam, ohne eine Frage zu stellen.«

»Ach! nur eine, nur eine einzige Spur, wenn ich hätte,« jammerte der Graf von Moret ganz trostlos.

Die Oberin sann eine Weile nach, dann sagte sie:

»Das Gefolge des Chevalier, den Monseigneur eben Herrn von Abrantes nannten, wartete im Hofe unten; es sollte mich sehr wundern, wenn die Pförtnerin, die Schwester Perpetua, nicht mit den Dienern sich in ein weltliches, sündiges Geschwätz eingelassen hätte; der böse Dämon der Neugierde hat ihr schon manchen Verweis manche harte Buße eingetragen.«

»Laßt sie holen, diese Schwester Perpetua,« drängte der Graf von Moret.

Die Oberin schüttelte verneinend ihr Haupt und sagte:

»Schwester, Perpetua würde aus Furcht vor Strafe schweigen oder lügen; mit beidem ist Euch nicht gedient und zu letzterem darf ich, die Oberin, sie nicht wissentlich verleiten.

Fragt sie also selbst«

»Habt Dank, ehrwürdige Mutter,« und verzeiht mir die Rohheit meines früheren Benehmens.«

»Gott geleite Euch« Monseigneur, und seid versichert, daß ich Euren hohen Besuch mir und meinem armen Kloster zur höchsten Ehre anrechne.«

Der Graf von Moret eilte hastig davon, über den langen Corridor und die steile Treppe hinab zur Pforte, wo er die Schwester Perpetua mit seinem Diener, der die Pferde hielt, emsig schmähend antraf.

Er befahl dem Diener, ihn mit den Pferden an der nächsten Straßenecke zu erwarten.

Schwester Perpetua machte vor dem Prinzen des königlichen Hauses ihren allertiefsten Knix.«

Der Graf von Moret warf in ihre Zelle einen Blick, blieb stehen und auf das einfache hölzerne Crucifix deutend, welches über dem Betschämel hing, sagte er:

»Eine frappante Aehnlichkeit fürwahr zwischen diesem Christus aus Holz und jenem ans schwerem massiven Stilber, den ich zu Hause habe. Es ist ein Erbstück meiner seligen Mutter und wurde vom heiligen Pater in Rom geweiht.«

»Meinen Christus, erwiderte die redselige Schwester Perpetua, »hat, als ich vor vierzig Jahren hier ins Kloster eintrat, der hochwürdigste Herr Erzbischof von Toulouse geweiht. Er war damals zufällig in Paris und seit ein paar Tagen denke ich wieder öfters an ihn.«

»Was hat wohl diese Eure Erinnerung wieder aufgefrischt?« frag der Graf von Moret, nur in der Absicht. die geschwätzige Alte so recht in Redefluß zu bringen.

Ein bloßer Zufall,« schnatterte Schwester Perpetua weiter, ganz glücklich, daß ein so hoher Herr wie ein Anton von Bourbon sich herabließ mit ihr zu plandern; »ein bloßer Zufall – vor einigen Tagen, ja, ja in der Nacht vom 2.auf den 3. war es, sprach ich mit einem Landsmann aus Toulouse, denn Monseigneur müssen wissen, ich bin aus Toulouse, mein Vater war dort Schuhmacher und meine Mutter eine geborne Barbacon; ihr Vater, das heißt mein Großvater mütterlicher Seite, war Weinhändler und er hatte noch drei Schwestern, eine hieß Margot, die andere Therese, sind beide schon todt, aber die dritte, die jüngste, die Charlotte, soll noch leben, so sagte mir vor zwei Jahren – — —«

Der Graf von Magen nicht Willens die ganze Geneologie der Familie der Schwester Perpetua anzuhören, unterbrach die Schwätzerin mit der Frage:

»Wer war dieser Herr Landsmann aus Toulouse, den Ihr in der Nacht vom 2. auf den 3. sprachet?«

Es war die die Nacht, in der Isabella aus dem Kloster der »Büßerinnen« abgeholt wurde.

»Ein Diener des Herrn Chevalier, der das Fräulein von Lautrec abholte.«

»Und wie hieß dieser Chevalier?«

»Gerade wollte ich meinen Landsmann darum fragen, als der Herr mit dem Fräulein bereits herunterkam; – wir hatten ein Stündchen so viel über die Heimat zu plaudern gehabt, daß ich anfangs ganz vergaß, um den Namen seines Herrn zu fragen, und dann hatte ich ihm ja auch so viele Botschaften mitzugeben.«

»Botschaften! warum? frug Graf Moret in fieberhafter Aufregung.

»Nun, weil der Landsmann sagte, daß es in die Languedoc gehe und er jedenfalls nach Toulouse, wenigstens auf der Durchreise, kommen werde.«

»Das sagte er?« rief der Graf von Moret, kaum im Stande seine Freude zu bemeistern, »und wie hieß Euer wackerer Landsmann?«

»Mein Gott!« erwiderte die Alte und rieb sich ärgerlich die Stirne, »daß ich auch gar so vergeßlich werde; sein Name ist mir rein entfallen, aber sein Vater und sein Bruder sind Zeugschmiede, gerade gegenüber der großen Domkirche, gar nicht zu fehlen, Monseigneur!«

»Sonst sprach Euer Landsmann nichts über die Route, die sein Herr nach der Languedoc einschlagen wollte?« forschte der Graf weiter.

»Bertrand, Bertrand hieß er,« rief Schwester Perpetua hocherfreut, »jetzt fällt mir wenigstens sein Taufname wieder ein; nichts, gar nichts wußte er, als daß man von Orleans aus, wahrscheinlich,so weit es eben anginge, den Wasserweg mit benutzen werde, um die Kräfte des Fräuleins von Lautrec zu schonen; die arme Dame sah wirklich zum Erbarmen schlecht aus.«

Der Graf von Moret seufzte bei den letzten Worten tief auf und tausend Gewissensbisse durchbohrten sein Herz, gleich Dolchen. Nach einer Meile sagte er:

»Ich danke Euch, liebe Schwester Perpetua, für die angenehme Unterhaltung die Ihr mir verschafft, und erlaubt mir, daß ich Euch zum Angedenken den schweren silbernen Christus, von dem ich vorhin sprach. noch heute sende. Betet vor diesem Crucifixe für mein und Isabellens Seelenheil.«

Ohne den Dank der entzückten Nonne abzuwarten stürzte der Graf von Moret fort.

»Auf, auf nach Orleans heute noch!« sprach er zu sich, während er mit hastigen Schritten der Stelle zueilte. wo der Diener mit den Pferden harrte.

Behend schwang er sich in den Sattel und jagte wie toll mit verhängtem Zügel nach dem Hotel Montmorency, wo er auch diesmal, gleich seinen früheren Besuchen in Paris, die

Gastfreundschaft seines Freundes, des Herzogs von Montmorency, genoß.

Wenige Stunden hierauf verließ er, von mehreren Dienern begleitet, Paris.

Zur selben Stunde, als der Graf von Moret bereits etwa drei Lieues auf der Straße nach Orleans zurückgelegt hatte, ließ sich die Gräfin von Urbano bei Richelieu anmelden.

Der Cardinal empfing sie sogleich.

»Eminenz!« rief die Gräfin vor Aufregung zitternd, »Eminenz! Alles ist aus – der Graf von Moret hat mich verlassen, er haßt, er verachtet mich; lest, lest!«

Mit diesen Worten hielt sie dem Cardinal ein offenes, zerknülltes, von Thränen beinahe zerweichtes Schreiben hin. Es war der Absagebrief des Grafen von Moret und einige Phrasen und Worte rechtfertigten in der That der Gräfin Ausruf, daß ihr bisheriger so zärtlicher Liebhaber sie hasse, sie verachte.

Der Cardinal gab ihr den Brief, nachdem er ihn durchgelesen, zurück und frug ziemlich kalt:

»Was soll ich damit zu thun haben?«

Die Gräfin sah Richelieu betroffen an und sagte:

»Ew. Eminenz hatte doch die Gnade, hinsichtlich des Grafen von Moret in mir Hoffnungen zu erwecken, welche mit seiner jetzigen Gesinnung gegen mich in keinem Einklange stehen!«

»Ihr meint Eure einstige Vermählung mit Anton von Bourbon,« entgegnete Richelieu ruhig. dabei mit den Fingern auf dem Tische trommelnd, »damit wird es, wie die Dinge jetzt stehen, in der That große Schwierigkeiten haben.«

»Alles ist Verloren!« rief die Gräfin in Thränen ausbrechend und rang die Hände.

»Ich fürchte sehr, meine liebe Mathilde,« daß Euch noch weit Schlimmeres bevorsteht,« bemerkte der Cardinal und verzog mitleidig sein Gesicht.

»Noch Schlimmeres? unmöglich! Morets Verlust ist das Schlimmste! Ich habe ihn wahrhaft geliebt, ich kann, ich will ohne ihn nicht leben!«

»Euer Herr Gemahl dürfte damit nicht so ganz einverstanden sein.«

»Was kümmert mich dieser rohe Mensch!« bemerkte die Gräfin Urbano und Ekel malte sich in ihren Zügen.

»«Vielleicht doch!« erwiderte rasch der Cardinal; »übrigens werden wir die Ansichten des Herrn Grafen von Urbano bald mit eigenen Ohren vernehmen, denn er kommt nach Paris.«

Mathilde fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Der Cardinal sprang rasch von seinem Sitze auf und stützte die Wankende.

»Eminenz!« hauchte die Gräfin, »es ist doch nur ein grausamer Scherz, was Ihr zuvor sagtet?«

»Volle Wahrheit; auf Wunsch des Königs muß ich den Grafen von Urban aus seiner Haft in Brouage entlassen und die Königinnen wünschen, daß Ihr wieder mit ihm vereinigt werdet.«

»Die Königinnen, die Königinnen!« rief die Italienerin und tausend Blitze des Hasses und der unversöhnlichsten Rachsucht schossen in einer Minute aus ihren Augen.«

»Ja, den Königinnen habt Ihr es zu danken, daß Euer Verhältniß mit Moret gestört wurde, daß Ihr binnen wenigen Tagen die Gräfin von Urbano auch der Sache nach wieder sein werdet; denn, wie ich gehört, brennt Euer Gemahl vor Verlangen, seine schöne Mathilde wieder in die Arme zu schließen.«

»Eher sterben!« schrie die Gräfin mit wilder Energie und tastete entschlossen nach dem kurzen Dolche, den sie im Busen trug, »eher sterben, als dieses sieche Scheusal nach einem Moret zu genießen. Mein Gott, mein Gott, ich bin verloren!«

»Ja wenn Ihr Euch selbst aufgeb!,« sagte Richelieu achselzuckend, »dann kann auch ich nichts für Euch thun!«

»Wie, Eminenz!« preßte die Gräfin mit der Todesangst einer Ertrinkenden, »Ihr macht mir Hoffnung, Ihr laßt mich nicht untergehen in meiner unsäglichen Verzweiflung?«

»Setzen wir uns, meine schöne Mathilde,« entgegnete der Cardinal mit unverwüstlicher Ruhe, »und besprechen wir Eure Affaire mit kalter Üeberlegung. Die drohendste Gefahr für Euch ist die Ankunft Eures Gemals; nun, wie wäre es, wenn der Herr Graf mit einem meiner Officiere so etwa zwei drei Stationen von hier Händel bekäme; er wird heftig, er zieht vom Leder, kurz, er übertritt das Duellverbot. Ha! wenn ich einem Herzog von Montmorency deswegen den Kopf abschlagen ließ, so sehe ich wahrlich nicht ein, warum ein Graf Urbano milder behandelt werden sollte.«

Mathilde athmete erleichtert auf.

»Die zweite Gefahr droht Euch von Isabella von Lautrec,« d. h. von der Möglichkeit, daß der Graf von Moret sie wieder findet. Entdeckt er ihren Versteck, spricht er je auch nur eine Viertelstunde mit ihr, dann habt Ihr für immer jede Hoffnung verloren, den Treulosen zurückzuerobern, und ich bin um einen nicht zu unterschätzenden Todfeind reicher geworden. Unsere guten Königinnen, die Seine Majestät für Eure Moralität, meine schöne Mathilde, so sehr besorgt gemacht haben, werden triumphiren nicht blos über Euch; sondern auch über mich. Ihr seht also, wie sehr es meiner eigenen Person nahegeht, daß Ihr Euch nicht selbst kopflos aufgebt, daß Ihr mich auch noch weiter unterstützt.

»Und was soll ich thun, Eminenz?« unterbrach die Gräfin nicht länger im Stande, ihre Thatlust und ihre Rachsucht zu bezähmen.

»Mitwirken, daß der Graf von Moret seine angebetete Braut nun und nimmer finde.«

»Eminenz, ich brenne vor Begierde, Eure Befehle zu vernehmen.«

Der Cardinal zog zweimal an einer verborgenen Klingel, dann nahm er ein weißes Sacktuch, legte dasselbe zu einer Binde zurecht, trat auf die Gräfin zu und ohne ein Wort zu sprechen, verband er ihr die Augen.

Die Thür, welche in das Nachbarhaus führte, öffnete sich geräuschlos. Marion Délorme erschien auf der Schwelle. Richelieu winkte sie zu sich und ertheilte ihr mit flüsternder Stimme einige Befehle.

Marion, welche Pagenkleider trug, faßte die Gräfin von Urbano unter den Armen und zog sie mit sich fort in ihre Wohnung, deren Thür sich ebenso geräuschlos schloß, als sie sich zuvor geöffnet hatte.

Hierauf ließ Richelieu sowohl Charpentier als Rossignol holen und conferirte mit Beiden durch längere Zeit.

Die nächsten zwei Stunden war Signor Sirdoni, der bereits seit einiger Zeit bei Rossignol als Gast sich befand, sehr beschäftigt.

Gegen sechs Uhr überreichte Rossignol dem Cardinal die Früchte des Fleißes und der Geschicklichkeit des Fälschers.

»Es wäre wirklich Jammerschade gewesen, diesen Schuft rädern zu lassen,« bemerkte der Cardinal, die von Rossignol überbrachten Papiere prüfend. »Signor Sirdoni ist jedenfalls der größte Fälscher seines Jahrhunderts. Rossignol, ich binde es euch nochmal auf die Seele, gebt wohl Acht, daß der Spitzbube nicht entwischt oder sonst Unfug treibt. Der Mensch ist mir jetzt ebenso unentbehrlich als gefährlich.«

»Keine Besorgnisse, Eminenz!« erwiderte Rossignol.

»Sirdoni wird bei Tag und Nacht unausgesetzt beobachtet. Er hat keine Ahnung von der kleinen Maueröffnung knapp unterhalb der Zimmerdecke. Bis jetzt konnten seine unsichtbaren Wächter nicht das Mindeste wahrnehmen, was zu Bedenken Anlaß gibt. Sirdoni scheint vielmehr sehr zufrieden zu sein mit seiner jetzigen Lage und er hat auch Ursache dazu. Sein Zimmer ist mit allen Bequemlichkeiten ausgestattet, seine Kost ist vortrefflich, er trinkt die feinsten Weine und bereits über zweitausend Pistolen hat er sich durch seine Kunst binnen wenigen Tagen verdient.«

»Der Trieb nach Freiheit wird um so heftiger in ihm wiedererwachen, sobald er an seine jetzige verbesserte Lage gewöhnt wird und sein Mammon noch mehr anwächst,« erwiderte der Cardinal als großer Menschenkenner.

Rossignol zog sich auf einen Wink Richelieus zurück, der hierauf wieder zweimal die oberwähnte verborgene Klingel zog.

Marion Delorme, am Arme eines jungen Cavaliers, dem durch eine Binde die Augen geblendet waren, erschien alsbald.

Als die geheime Thür sich wieder geschlossen hatte, nahm Marion Délorme ihrem Begleiter die Binde ab.

Dem Cardinal entfuhr unwillkürlich ein »O!« der vollsten Befriedigung.

Der Chevalier, der vor ihm stand und den er mit wahrem Wohlgefallen betrachtete, trug die so kleidsame spanische Tracht. Er schien höchstens zwanzig Jahre zu zählen. Ein feines Schnurbärtchen Rabenschwarz wie seine rund geschnittenen lockigen Kopfhaare, saß auf seiner Oberlippe – Vollendete Eleganz kennzeichnete sein ganzes Wesen. – Sein Fuß, der in goldbespornten Stulpftiefeln stak, war wunderbar klein und schön geformt.

Der junge Chevalier stand mit dem Rücken gegen die Thür,« durch welche er eingetreten war. Marien Délorme schlüpfte, von ihm ganz unbemerkt, in ihre Wohnung zurück.

»Es sollte mich sehr wundern, Sennor Cabalero, wenn Ihr auf Euren Kreuze und Querfahrten nicht gewaltige Anfechtungen von Seite des schwachen Geschlechtes auszustehen habt,« lachte Richelieu. »Ihr seid in der That ein höchst verführerischer Junge, mein lieber Cabalero de Lerida.

»Ich bin erfreut endlich zu wissen, wie ich heiße,« scherzte der junge Chevalier.

»Cabalero de Lerida spricht wohl noch sehr geläufig das Spanische?«

»Wie ein Castilianer; meine Mutter, eine geborene Spanierin, starb ja erst vor zwei Jahren und wir sprachen immer miteinander nur spanisch zum großen Aerger meines Herrn Gemahls.«

»Hier, Sennor, nehmt die Documente, welche den Namen und das Geschlecht rechtfertigen, unter denen Ihr von heute an in der Welt austretet,« sagte Richelieu und übergab dem neugemachten Hidalgo die von Rossignol kurz zuvor überbrachten Schriftstücke, dann fuhr der Cardinal fort:

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
10 detsember 2019
Objętość:
1190 lk 1 illustratsioon
Õiguste omanik:
Public Domain