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Loe raamatut: «Die beiden Dianen», lehekülg 22

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XV.
Fortsetzung der ehrenhaften Handelsgeschäfte von Meister Arnauld du Thill

Ueberlassen wir den jungen Kapitän und den alten Bürger ihren Siegesträumen und kehren wir zu dem Stallmeister und dem Bogenschützen zurück, welche im Hause von Lord Grey ihre Rechnungen machten.

Der Bogenschütze forderte in der That nach dem Abgang der beiden Gefangenen die ihm versprochene Prämie von seinem Herrn, und dieser bezahlte sie ihm auch, ohne Schwierigkeiten zu machen, da er mit der klugen Wahl seines Emissärs ungemein zufrieden war.

Arnauld du Thill erwartete seinerseits seinen Antheil, den ihm der Engländer, man muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen, gewissenhaft überbrachte. Arnauld kritzelte, als der Bogenschütze zu ihm kam, ein paar Zeilen auf die ewige Note des Connétable von Montmorency und murmelte dabei:

»Dafür, daß er geschickt den Vicomte d’Ermès zur Zahl der Kriegsgefangenen setzen ließ, und dadurch den durchlauchtigen Herrn Connétable auf einige Zeit von genanntem Vicomte befreite . . .«

»Was macht Ihr denn da?« sagte zu Arnauld der Bogenschütze, indem er ihm auf die Schulter klopfte.

»Was ich mache? eine Rechnung.« antwortete der falsche Martin-Guerre. »Wie steht es mit der unsrigen?«

»Sie ist geordnet,« sprach der Bogenschütze und legte Arnauld Thaler in die Hände, die dieser aufmerksam beschaute und zählte. »Ihr seht, daß ich ein Mann von Wort bin, und ich beklage mein Geld nicht. Ihr habt mir zwei gute Wahlen bezeichnet; Euer Herr besonders hat nicht gehandelt, im Gegentheil! Der Graubart machte zwar Schwierigkeiten, doch für einen Bürgersmann ist er auch nicht zu schlimm, und ohne Euch ich gestehe es, hätte mein Geschäft schlecht ausfallen können.«

»Ich glaube es wohl,« sagte Arnauld und steckte das Geld in die Tasche.

»Ah!« versetzte der Bogenschütze, »ist noch nicht Alles beendigt; . . . Ihr seht, daß ich ein guter Zahler bin; Ihr müßt mir nun meinen dritten Fang angeben, den zweiten adeligen Gefangenen, auf den wir ein Recht haben.«

»Bei der Messe!« rief Arnauld, »ich habe Niemand mehr zu begünstigen, und Ihr dürft nur wählen.«

»Ich weiß es wohl,« erwiderte der Bogenschütze, »und ich fordere Euch auch gerade auf, mir unter den Männern, Frauen, Greisen und Kindern von adeligem Geschlecht, die man in dieser guten Stadt erschnappen kann, wählen zu helfen.«

»Wie!« fragte Arnault, »die Frauen gehören auch dazu?«

»Die Frauen besonders, und wenn Ihr eine kennt, welche, außer dem Adel und Reichthum, Jugend und Schönheit: besitzt, so werden wir einen hübschen Nutzen zu theilen haben, denn Lord Grey wird sie theuer an seinen Schwager Mylord Wentworth wiederverkaufen, der die gefangenen Frauen noch mehr liebt, als die gefangenen Männer, wie ich mir habe sagen lassen.«

»Leider kenne ich keine,« entgegnete Arnauld du Thill, »ah! doch wohl! aber nein, nein, das ist unmöglich!«

»Warum unmöglich, Kamerad? sind wir nicht die Sieger und Herren hier? und ist, abgesehen vom Admiral, Jemand von der Capitulation ausgenommen?«

»Es ist wahr, doch die Schönheit, von der ich spreche, darf nicht in die Nähe meines Herrn gebracht werden, er darf sie nicht wiedersehen. Sie in derselben Stadt gefangen zu halten, wäre aber ein schlimmes Mittel, dieselben zu trennen.«

»Bah!« versetzte der Bogenschütze, »wird Mylord Wentworth seine schöne Gefangene nicht im Geheimen und für sich allein bewahren?«

»Ja, in Calais,« sagte Arnauld nachdenkend, »doch unter Weges . . . mein Herr wird Zeit haben, sie zu sehen und mit ihr zu sprechen.«

»Nicht, wenn ich will,« sprach der Engländer. »Wir bilden zwei Abtheilungen, von denen die eine der andern vorangehen muß, und der Ritter und die Schöne werden beständig zwei Stunden von einander entfernt sein, wenn es Euch Vergnügen macht.«

»Ja, aber was wird der alte Connétable sagen?« fragte sich Arnauld mit lauter Stimme, »wenn er erfährt, daß ich zu diesem schönen Streiche beigetragen habe, so läßt er mich hoch und kurz hängen!«

»Wird er es erfahren? wird es irgend Jemand erfahren?« entgegnete der versuchende Bogenschütze. »Ihr werdet es nicht sagen, wenn nicht etwa Euer Geld die Sprache annimmt, um auszuplaudern, woher es kommt . . .«

»Es gäbe abermals nicht schlimm Geld dabei?« fragte Arnauld.

»Ihr bekämet ebenfalls die Hälfte.«

»Wie Schade! denn die Summe wäre, glaube ich, gut, und der Vater würde, denke ich, keine Kosten scheuen.«

»Der Vater ist also Herzog oder Prinz?« fragte der Bogenschütze.

»Der Vater ist König, Kamerad, und heißt Heinrich II. seines Namens.«

»Eine Tochter des Königs hier!« rief der Engländer. »Gott verdamme mich! wenn Ihr mir nun nicht sagt, wo ich die Taube finde, so werde ich, glaube ich, genöthigt sein, Euch zu erdrosseln! Eine Tochter des Königs!«

»Und eine Königin der Schönheit!«

»Oh! Mylord Wentworth würde darüber den Kopf verlieren,« versetzte der Bogenschütze. »Kamerad,« fügte er bei, indem er feierlich seine Bügeltasche zog und und vor den geblendeten Augen von Arnauld öffnete, »diese Tasche und ihr Inhalt gehören Dir im Austausch für den Namen der Schönen und die Anzeige ihres Lagers.«

»Topp!« sprach Arnauld, unfähig, zu widerstehen, und griff nach der Börse.

»Der Name?« fragte der Bogenschütze.

»Diana von Castro, genannt Schwester Bénie.«

»Das Lager?«

»Im Kloster der Benedictinerinnen.«

»Ich laufe,« rief der Engländer und verschwand in größter Eile.

»Gleichviel,« sagte Arnauld, zu seinem Herrn zurückkehrend, »diese werde ich dem Connétable nicht auf Rechnung dringen.«

XVI.
Lord Wentworth

Drei Tage nachher, am 1. September, stieg Lord Wentworth, der Gouverneur von Calais, nachdem er die Instructionen seines Schwagers, des Lord Grey entgegengenommen und diesen sich nach England hatte einschiffen sehen, wieder zu Pferde, und kehrte in sein Hotel zurück, wo sich nun Gabriel, Jean Peuquoy und in einem andern Gemache Diana befanden.

Doch Frau von Castro wußte nicht, daß sie ihrem Geliebten so nahe, und gemäß dem Versprechen, das der Emissär von Lord Grey Arnauld geleistet hatte, war sie seit ihrer Abreise von Saint-Quentin mit Gabriel nicht zusammengetroffen.

Lord Wentworth bildete mit seinem Schwager den vollkommensten Contrast: so hochmüthig, kalt und geizig Lord Grey war, eben so lebhaft, liebenswürdig und freigebig war Lord Wentworth. Er war ein schöner Edelmann von hoher Gestalt und zierlichen Manieren. Er mochte wohl vierzig Jahre alt sein, und einige weiße Haare mischten sich schon mit seinen üppigem von Natur gelockten schwarzen Haaren. Aber sein ganz jugendlicher Gang und die glühenden Flammen seiner grauen Augen bezeichneten bei ihm das Ungestüm und die Leidenschaften eines jungen Mannes, und er führte in der That freudig und muthig ein Leben, als ob er erst zwanzig Jahre alt wäre.

Er trat zuerst in den Saal, wo ihn der Vicomte d’Ermès und Jean Peuquoy erwarteten, und grüßte sie mit lächelnder Freundlichkeit, wie Gäste und nicht wie Gefangene.

»Seit willkommen in meinem Hause, mein Herr, und Ihr, Meister,« sprach er. »Ich weiß meinem theuren Schwager großen Dank, daß er Euch hierher gebracht hat, Herr Vicomte, und ich freue mich doppelt über die Einnahme von Saint-Quentin. Verzeiht mir, doch an diesem traurigen Kriegsplatz, an welchem ich verbannt lebe, sind die Zerstreuungen so selten, ist die Gesellschaft so beschränkt, daß ich mich glücklich schätze, wenn ich von Zeit zu Zeit Jemand finde, mit dem ich sprechen kann, und ich hege den selbstsüchtigen Wunsch, es möge Euer Lösegeld so spät als möglich ankommne.«

»Es wird in der That länger ausbleiben. als ich glaubte, Mylord,« erwiderte Gabriel. »Lord Grey sagte Euch wohl, daß mein Stallmeister, den ich, um es mir zu holen, nach Paris schicken wollte, unter Weges in der Trunkenheit mit einem von den Leuten der Escorte in Händel gerathend, eine Wunde am Kopf bekommen hat, welche allerdings nicht gefährlich zu sein scheint, aber ihn, wie ich befürchte, länger als es mir, ich muß es gestehen, lieb ist, in Calais zurückhalten wird.«

»Das ist schlimm für den armen Burschen und gut für mich, mein Herr!« sagte Lord Wentworth.

»Ihr seid zu höflich!« erwiderte Gabriel mit ein traurigen Lächeln.

»Nein, meiner Treue! es ist nicht die geringste Höflichkeit, Höflichkeit wäre es ohne Zweifel, Euch auf der Stelle selbst auf Ehrenwort nach Paris gehen zu lassen. Aber ich wiederhole, hiezu bin ich zu selbstsüchtig und zu sehr gelangweilt, und ich habe, obgleich aus verschiedenen Beweggründen, keine Mühe gehabt, in die mißtrauischen Absichten meines Schwagers einzugehen, der mir das Versprechen abnahm, Euch nur gegen einen Sack voll Thaler zu entlassen. Was wollt Ihr? wir werden mit einander Gefangene sein und uns bemühen, einander gegenseitig die Langweile der Gefangenschaft zu versüßen.«

Gabriel verbeugte sich, ohne ein Wort zu sagen. Es wäre ihm in der That lieber gewesen, wenn ihn Lord Wentworth auf Ehrenwort seiner Freiheit und seinem Berufe zurückgegeben hätte. Doch konnte er, der Unbekannte, ein solches Vertrauen fordern?

Er tröstete sich ein wenig damit, daß er dachte, Coligny wäre in diesem Augenblick bei Heinrich II. Er hatte ihn beauftragt, dem König zu melden, was er, um den Widerstand von Saint-Quentin zu verlängern, zu thun vermocht. Der treue Freund würde dies zu berichten gewiß nicht verfehlt haben, und getreu seinem königlichen Versprechen, würde Heinrich vielleicht nur die Rückkehr des Sohnes abwarten, um sich seiner Schuld gegen den Vater zu entledigen.

Gleichviel, Gabriel wußte seine Unruhe um so weniger ganz zu beberrschen, als sie eine doppelte war und er vor seinem Abgange von Saint-Quentin eine andere eben so theure Person nicht hatte wiedersehen können. Er verfluchte auch von ganzem Herzen den Unfall, der dem unverbesserlichen Trunkenbold Martin-Guerre begegnet war, und theilte nicht in diesem Punkte die Zufriedenheit von Jean Peuquoy, der mit einer inneren Freude seine geheimnißvollen Pläne gerade durch diese Zögerung, welche Gabriel so sehr betrübte, begünstigt sah.

Ohne die schwermüthige Zerstreutheit seines Gefangenen bemerken zu wollen, fuhr Lord Wentworth fort:

»Ich werde mich indessen bemühen, Herr d’Ermès, kein zu rauher Kerkermeister gegen Euch zu sein, und um Euch jetzt schon zu beweisen, daß es kein beleidigendes Mißtrauen ist, was mich bei meinem Handeln bewegt, ertheile ich Euch, wenn Ihr mir Euer Ehrenwort als Edelmann geben wollt, daß nicht zu entweichen suchen werdet, jede Erlaubniß, nach Eurem Belieben auszugehen und in der Stadt umherzulaufen.«

Jean Peuquoy konnte sich hier einer unzweideutigen Bewegung der Freude nicht erwehren, und zog, um sie Gabriel mitzutheilen, den jungen Mann, der über diese Kundgebung nicht wenig erstaunte, von hinten an seinem Kleide.

»Mylord,« antwortete Gabriel auf das artige Anerbieten des Gouverneur, »sehr gern nehme ich Eure Erlaubniß an und Ihr habt mein Ehrenwort, daß ich an keinen Fluchtversuch denken werde.«

»Das genügt,« sprach Lord Wentworth, »und wenn die Gastfreundschaft, die ich Euch bieten kann und muß, obgleich mein vorübergehendes Haus ziemlich schlecht bestellt ist, wenn diese Gastfreundschaft, sage ich, Euch etwas unbequem und drückend vorkäme, so brauchtet Ihr Euch durchaus keinen Zwang anzuthun, und ich würde es keines Wegs übel bemerken, wenn Ihr dem schlimmen Lager, das zu Eurer Verfügung steht, eine offenere und bequemere Wohnung, die Ihr wohl in Calais finden dürftet, vorzöget.«

»Oh! Herr Vicomte,« sagte mit flehendem Tone Jean Peuquoy zu Gabriel, »wenn Ihr das schönste Zimmer im Hause meines Vetters, des Waffenschmiedes, annehmen wolltet . . . so würdet Ihr ihn sehr stolz und mich sehr glücklich machen, das schwöre ich Euch.«

Der würdige Peuquoy begleitete diese Worte mit einer bezeichnenden Gebärde, denn er ging nur noch durch Geheimnisse und Verschweigungen zu Werke und war so finster geworden, daß man hätte bange bekommen können.

»Ich danke, mein Freund,« antwortete Gabriel, »doch eine solche Erlaubniß benützen, hieße vielleicht sie mißbrauchen.«

»Ich versichere Euch, nein,« entgegnete lebhaft Lord Wentworth, »es steht Euch vollkommen frei, die Wohnung bei Pierre Peuquoy anzunehmen. Er ist ein reicher, thätiger, in seinem Handwerk geschickter Bürger, und der ehrlichste Mann, den man finden kann. Ich kenne ihn wohl, ich kaufte ihm mehrere Male Waffen ab, und er hat eine hübsche junge Person bei sich, seine Tochter oder seine Frau, ich weiß es nicht genau.«

»Seine Schwester, Mylord, meine Base Babette,« sagte Jean Peuquoy. »Ei! ja, sie ist ziemlich artig, und wenn ich nicht so alt wäre! . . . Pierre hat seine Frau verloren, aber sie hat ihm zwei starke, sehr lebhafte Jungen hinterlassen, die Euch zerstreuen werden, Herr Vicomte, wenn Ihr die herzliche Gastfreundschaft des Vetters annehmen wollt.«

»Ich ermächtige Euch nicht nur, sondern ich fordere Euch hierzu auf,« fügte Lord Wentworth bei.

Gabriel fing entschieden an zu glauben, und zwar nicht ohne Grund, der schöne und galante Gouverneur von Calais wolle sich aus ihm bekannten Motiven eines Gastes entledigen, der zu jeder Stunde in seinem Hause wäre, und gerade wegen der Freiheit, die er ihm ließe, am Ende die seinige beengen könnte. Dies war in der That der Gedanke von Lord Wentworth der, wie der Bogenschütze von Lord Grey Arnauld gesagt hatte, die gefangenen Frauen den gefangenen Männern bei Weitem verzog.

Gabriel trug nun kein Bedenken mehr und sagte, indem er sich lächelnd an Jean Peuquoy wandte:

»Da es mir Lord Wentworth erlaubt, werde ich bei Eurem Vetter wohnen.«

Jean Peuquoy machte einen Freudensprung.

»Meiner Treue! ich glaube, Ihr thut wohl daran, wenn ich die Wahrheit sagen soll,« sprach Lord Wentworth. »Nicht als ob ich nicht glücklich gewesen wäre, Euch nach meinen besten Kräften beherbergen zu dürfen, aber in einer Tag und Nacht von Soldaten bewachten Wohnung, wo meine langweilige Amtsgewalt strenge Regeln feststellen mußte, hättet Ihr Euch wohl nicht so behaglich finden können, wie Ihr es in dem Hause des braven Waffenschmieds sein werdet. Ein junger Mann bedarf seiner Bequemlichkeit, wir wissen das.«

»Ihr scheint es mir in der That zu wissen,« versetzte Gabriel lachend, »und ich sehe, daß Ihr den ganzen Werth der Unabhängigkeit kennt.«

»Meiner Treue, ja,« erwiderte Lord Wentworth mit demselben heiteren Tone, »ich habe noch nicht das Alter erreicht, wo man die Freiheit zu schmähen pflegt.«

Dann sich an Jean Peuquoy wendend:

»Und Ihr, Meister Peuquoy, rechnet Ihr Eurerseits auf die Börse des Vetters, wie Ihr auf sein Haus rechnet, wenn es sich um Herrn d’Ermès handelt? Lord Grey sagt mir, Ihr erwartet von ihm die hundert Thaler, welche für Euer Lösegeld bestimmt worden sind.«

»Alles was Pierre besitzt, gehört Jean,« antwortete der Bürger, »das war immer so unter den Peuquoy. Ich fühlte mich zum Voraus so sicher, ich könnte das Haus meines Vetters als das meinige betrachten, daß ich schon den verwundeten Stallmeister des Herrn Vicomte zu ihm geschickt habe, und nicht minder sicher, daß seine Börse mir offen ist, wie seine Thüre, bitte ich Euch, mich von einem Eurer Leute begleiten zu lassen, der Euch die verabredete Summe bringen wird.«

»Unnöthig, Meister Peuquoy,« erwiderte Lord Wentworth, »ich lasse Euch auch auf Euer Wort gehen. Morgen oder übermorgen mache ich dem Vicomte d’Ermès bei Pierre Peuquoy Besuch, und werde dann für das meinem Schwager gebührende Geld eine von den schönen Rüstungen wählen, die Pierre so gut macht.«

»Nach Eurem Belieben, Mylord.«

»Muß ich Euch nun sagen, Herr d’Ermès,« sprach der Gouverneur, »daß Ihr, so oft Ihr an meine Thüre In klopfen die Güte haben wollt, um so mehr willkommen seid, als es Euch frei steht, dies nicht zu thun? Ich wiederhole, das Leben in Calais ist eintönig. Ihr werdet es ohne Zweifel bald selbst erkennen, und Euch, wie ich hoffe, mit mir gegen den gemeinschaftlichen Feind, gegen die Langweile verbinden. Eure Gegenwart ist ein Glück, das ich so viel als möglich benützen will; haltet Ihr Euch entfernt von mir, so werde ich Euch belästigen, das bemerke ich Euch zum Voraus; erinnert Euch, daß ich Euch die Freiheit nur halb lasse, und daß mir der Freund oft den Gefangenen zuführen muß.«

»Ich danke, Mylord, und nehme Eure ganze Artigkeit an,« sprach Gabriel. »Mit dem Rechte der Wiedervergeltung,« fügte er lächelnd bei, »denn der Krieg hat seine Umschläge und der Freund von heute wird morgen wieder der Feind werden.«

»Oh!« erwiderte Lord Wentworth, »ich bin in Sicherheit, leider nur zu sehr in Sicherheit hinter meinen unüberwindlichen Mauern. Hätten die Franzosen Calais wieder nehmen sollen, so würden sie zu diesem Ende nicht zweihundert Jahre gewartet haben. Ich bin ruhig, und habt Ihr eines Tags mir in Paris die Honneurs zu machen, so wird dies, denke ich, in Friedenszeiten sein.«

»Lassen wir Gott walten, Mylord,« sprach Gabriel. »Herr von Coligny, von dem ich so eben geschieden bin, pflegte zusagen, das Weiseste, was der Mensch thun könne, sei, zu warten.«

»Und mittlerweile so glücklich als möglich zu leben . . . Doch ich vergaß, Ihr müßt schlecht bei Geld sein, mein Herr, Ihr wißt, daß meine Börse zu Eurer Verfügung steht.«

»Ich danke abermals, Mylord: die meinige, obgleich sie nicht hinreichend ausgestattet ist, daß ich mich auf der Stelle meiner Schuld entledigen kann, genügt wenigstens für die Kosten meines Aufenthalts hier. Ich muß bekennen, materiell befürchte ich nur das Haus Eures Vetters, Meister Peuquoy, dürfte sich so unvorhergesehen, nicht ohne eine Störung drei neuen Gästen öffnen, ich würde mich in diesem Fall lieber um eine andere Wohnung umsehen, wo ich für einige Thaler . . .«

»Ihr spottet!« unterbrach ihn Jean Peuquoy lebhaft, »das Haus von Pierre ist, Gott sei Dank! groß genug, um, wenn es sein müßte, drei Familien zu fassen. In der Provinz baut man nicht eng und knauserig wie in Paris.«

»Es ist wahr,« sprach Lord Wentworth, »ich kann bezeugen, Herr d’Ermès, daß die Wohnung des Waffenschmieds eines Kapitäns nicht unwürdig ist. Ein Gefolge, zahlreicher als das Eurige, hätte bequem darin Platz, und zwei Handwerker würden sich nicht beengen. War es nicht Eure Absicht, Meister Peuquoy, Euch hier niederzulassen und Eure Weberei in dieser Stadt fortzusetzen? Lord Grey, hat mit ein paar Worten dieses Vorhaben berührt, das ich sehr gern verwirklicht sehen würde.«

»Und das sich in der That vielleicht verwirklichen wird,« sagte Jean Peuquoy. »Insofern Calais und Saint-Quentin wohl bald denselben Herren gehören, würde ich es vorziehen, meiner Familie näher zu kommen.«

»Ja,« sprach Lord Wentworth, der sich im Sinn der Worte des listigen Bürgers täuschte, »ja, Saint-Quentin kann wohl binnen Kurzem eine englische Stadt werden. Doch ich halte Euch auf,« fügte er bei, »und nach den Strapazen des Marsches müßt Ihr der Ruhe bedürfen. Herr d’Ermès, und Ihr, Meister, ich sage Euch noch einmal, Ihr seid frei. Auf Wiedersehn, nicht wahr, aus baldiges Wiedersehen?«

Er begleitete den Kapitän und den Bürger bis an die Thüre, drückte dem Einen die Hand, grüßte den Andern freundschaftlich und ließ sie mit einander nach der Rue du Martroi gehen, Hier wohnte, wie sich unsere Leser erinnern werden, Pierre Peuquoy mit dem herzhaften Aushängeschild des Gottes Mars und hier werden wir auch bald, wenn es Gott gefällt, Gabriel und Jean wiederfinden.

»Meiner Treue!« sagte Lord Wentworth zu sich selbst, als er Beide weggehen sah, »ich glaube, ich habe wohl daran gethan, daß ich diesen Vicomte d’Ermès von mir entfernte. Er ist Edelmann er mußte am Hofe leben, und hätte er die schöne Gefangene, die man man mir anvertraut, nur einmal gesehen, so würde er sich ihrer sicherlich sein ganzes Leben lang erinnern. Ja, denn ich, der ich sie kaum anschaute, als sie vor zwei Stunden an mir vorüber ging bin noch ganz geblendet. Wie schön ist Sie! Oh! ich liebe sie, ich liebe sie! Armes Herz, das Du so lange still warest in dieser düsteren Einsamkeit, wie schlägst Du nun! Doch dieser junge Mann, der mir lebhaft und brav zu sein scheint, hätte, die Tochter seines Königs erkennend, sich auf eine unangenehme Weise in das Verhältnis mischen können, das sich, ich zähle darauf, zwischen Frau Diana und mir bilden wird. Die Anwesenheit eines Landsmanns und vielleicht eines Freundes hätte auch ohne Zweifel Frau Diana in ihren Geständnissen beengt oder in ihren Weigerungen ermuthigt. Kein Dritter zwischen uns. Wenn ich auch in dieser ganzen Sache nur von meiner würdigen Mitteln Gebrauch machen will, so ist es doch sehr unnöthig, sich Hindernisse zu schaffen.«

Er schlug auf eine besondere Weise auf eine Glocke. Nach einer Minute erschien eine Kammerfrau.

»Jane,« sagte Lord Wentworth englisch zu ihr, »meinem Befehle gemäß habt Ihr Euch der Dame zur Verfügung gestellt?«

»Ja, Mylord.«

»Wie befindet sie sich in diesem Augenblick, Jane?«

»Sie scheint traurig, Mylord, jedoch nicht niedergeschlagen. Sie hat einen stolzen Blick und ein festes Wort, befiehlt mit sanftem Tone, zugleich aber mit der Gewohnheit, Gehorsam zu finden.«

»Es ist gut. Hat sie den Imbiß genommen, den man ihr vorgesetzt?«

»Sie hat kaum eine Frucht berührt: unter der Miene der Sicherheit, welche sie heuchelt, läßt sich leicht viel Schmerz und Unruhe erkennen.«

»Genug, Jane,« sagte Lord Wentworth, »Ihr kehrt zu ihr zurück und fragt sie auf das Geheiß von Lord Wentworth, dem Gouverneur von Calais, welchem Lord Grey seine Rechte übertragen habe, ob sie mich empfangen wolle. Geht und kommt bald zurück.«

Nach einigen Minuten, die dem ungeduldigen Wentworth wie Jahrhunderte vorkamen, erschien die Kammerfrau wieder.

»Nun?« fragte er.

»Mylord,« antwortete Jane, »die Dame willigt nicht nur ein, sondern sie verlangt Euch auf der Stelle zu sprechen.«

»Vorwärts! Alles steht auf’s Beste,« sagte Lord Wentworth zu sich selbst.

»Nur hat sie,« fügte Jane bei, »nur hat sie die alte Mary bei sich behalten und mir befohlen, sogleich wieder hinaufzukommen.«

»Gut, Jane, geht. Ihr müßt ihr in allen Stücken gehorchen, versteht Ihr? Geht. Sagt, ich werde Euch in einem Augenblick folgen.«

Jane entfernte sich, und Lord Wentworth, dem sich das Herz wie einem Verliebten von zwanzig Jahren zusammenschnürte, stieg alsbald die Treppe hinauf, welche zu dem Zimmer von Diana von Castro führte.

»Oh! welch ein Glück« sagte er, »ich liebe! Und diejenige, welche ich liebe, die Tochter eines Königs! ist in meiner Gewalt!«