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II.
Die Erscheinung

Nach der Art und Weise, wie der Marquis von Gordes fluchte und donnerte, als er durch die finstern Gänge des Hotels ging, muß man annehmen, daß man ihn durch die Seitenthür eingeführt hatte, von welcher man auf hundertfältigem Zickzack zu dem Laboratorium der Katharina Georgeot-Deshayes, Frau Voisin, gelangte. Der Degen des Marquis berührte während des Weges die verschiedenartigsten Figuren, Bockshörner, Fledermäuse, ausgestopfte Krokodille, Gefäße mit verschiedenen Flüssigkeiten angefüllt, zahlreiche Phiolen, kurz das ganze Mobiliar einer Zauberin.

Die Wahrsagerin hatte zwei besondere Gemächer, das eine für die gewöhnlichen Berathungen, Kartenschlägerei, Stellen des Horoscopes und geheime Besprechungen; das andere für die Magie, in der ganzen Bedeutung dieses höllischen Wortes.

Das erstere war prächtig mit allem Flitterstaat geschmückt, das andere enthielt alle nöthigen Nebendinge eines Theaters: Transparente, Decorationen, Fallthüren und Maschinen, ohne daß man jedoch von dem Räderwerke das Geringste bemerken konnte. Die höllische Verschlagenheit der Voisin hatte ihr Vorzimmer zwischen diese beiden Abtheilungen gelegt, welche den doppelten Zweig ihres Handels bildeten, und die dünnen Tapeten, durch welche man die Stimmen der Besuchenden genau hören konnte, begünstigten oft schon von vorn herein die Weissagungen der Hexe.

Die bloße Aufzählung von den Pfiffen dieser in dem Zeitalter Ludwigs XIV. so berüchtigten, so gesuchten Frau hat nichts, was überraschen könnte, und die große Kunst der beiden Alberts würde darauf, ohne eine bemerkenswerthe Sonderbarkeit nicht stolz gewesen sein. Die Mitschuldigen der Voisin wurden, ohne es zu merken, ihre Klatschgevattern und Gevatterinnen, und dies waren die bedeutensten Personen am Hofe von Frankreich; zum Beispiel die Gräfin Soissons, Prinzessin aus königlichen Savoischen Geblüt; die Marquise von Polignac; die Marschalin von La Verté, die Gräfin du Roure und viele Andere., daher allein konnte auch die Zuversicht und die Kühnheit der Voisin entspringen. Es ist anzunehmen, daß diese Damen, etwas weniger verschwiegen bei der Voisin, als bei dem König, sie mit tausend ernsten oder komischen, spaßhaften oder politischen Dingen bekannt machten, und diese Mitteilungen wurden die Grundlage zu den Horoscopen der Mode-Sybille. Wenigstens muß man diesen Gedanken festhalten, wenn man die Aermlichkeit ihres Benehmens betrachtet, die durch mehrere Schriften jener Zeit erwiesen wird. So fand wegen verlorener Pistolen, die sie wiederzufinden anheischig machte, die folgende Scene Statt. Die Taschenspielerin ließ sich die verlorenen Waffen genau beschreiben, und sagte dem Eigenthümer, daß er später wieder kommen sollte. Während der zeit wurde auf ihren Befehl ein paar Pistolen auf ein Transparent gemalt, der an der Decke sich entrollen sollte, als der Mensch kam, zeigte sie ihm ein mit Wasser angefülltes Gefäß. Der Betrogene sah anfangs nichts als klares Wasser, aber auf ein gegebenes Zeichen wurde oben der Transparent entblößt, und die Pistolen spiegelten sich in dem Zaubergefäße. Wollte der Betrogene sie ergreifen, so verschwand der transparent und die Pistolen mit ihm. So gewann sie zugleich Zeit, Betrogene und Gold.

Uebrigens gab es bei ihr, auch sonderbare und eben so ergötzliche Schornsteine, als bei der Frau Polinière. Zuerst entstand im Augenblick der Erscheinung ein furchtbarer Lärm und dann fiel ein Arm, ein Bein, ein Fuß, und zuletzt ein Kopf aus dem Schornsteine herunter; dann erfolgte ein gewaltiger Donnerschlag, die einzelnen blutigen Theile des Körpers näherten sich einander, setzten sich zusammen, bildeten ein vollständiges Ganze, und gingen gerade auf den zu, der sich Raths erholen wollte. Der berühmte Mechaniker Vaucanso hegte eine wahre Verzweiflung darüber, daß er nie eine dieser sonderbaren Operationen sehen konnte.

Die Sicherheit dieses Weibes war eben so monströs, als die Beschreibung dieser Art von Schauspiele. Man denke sich eine häßliche Hexe in einen großen braunen Mantel gehüllt, die mit der Schnelligkeit einer Weckeruhr sprach und sich bewegte; das Feuer, das Gold, den Schwefel handhabte, wie eine Tochter Vulcans, wie ein Cyclop, und auf ihrem Gewande abscheuliche Zeichen aller Formen und Farben trug. So war der Anzug Frau Katharine Voisin, als die Tapeten ihres Vorzimmers in Bewegung gerieten.

Zugleich meldete ihr der kleine Neger, daß der Herr Marquis und eine Dame eingetreten wären.

Der Marquis war ein Mann von 25 bis 30 Jahren; er sah schweigsam und nachdenkend aus, vielleicht zum ersten male in seinem Leben, und dies war um so wahrscheinlicher, da sie sonderbare Unordnung seines Anzuges einen jungen Flattergeist verrieth, und die Schöße seines strohfarbigen, mit schwarzem Sammt besetzten Wammses noch deutliche Spuren von Wein trugen. Die zukünftige Beratung langweilte ihn ganz gewaltig. Die kleine Frau, der er den Arm gab, schien dagegen das lustigste Wesen von der Welt, obgleich sie mit Vorsicht und etwas schwerfällig ging, denn man muß es wohl errathen, daß der verdünnendste olivenfarbige Satin die Rundung ihrer Taille nicht ganz verbergen vermochte, das angeschwollene Schnürleib konnte in diesem Augenblicke wohl der Gegenstand einiger boshaften Bemerkungen in Versailles sein.

Nachdem sie mit ihrer weißen Hand die Falten ihres Gewandes geordnet hatte, brachte sie durch eine geschickte Bewegung ihre Schulter in gleiche Höhe mit den Lippen des Marquis und gewährte ihm so selbst einen Kuß, der wenigstens eben so viel werth war, als die Wort: Schönen Dank.

In der That war es auch das Wenigste, ihren Geliebten für den Schutz zu belohnen, den ihr gegenwärtiger Schritt erforderte; früher hatte sie alle Vernunftgründe, welche der Marquis gegen die Unklugheit eines solchen Besuches um diese Stunde und in ihrem Zustande gemacht hatte, durch das Bestehen auf ihrem Verlangen widerlegt. Zuerst fragte sie ihn, ob er die seines Degen hätte schleifen lassen.

Der Marquise bemerkte, daß gegen Geister ein Degen nichts nützen könnte, überdies, sagte er, habe er gute Vorsichtsmaßregeln getroffen.

»Ei, « sagte die junge Frau, »es ist nur, wenn man uns vielleicht fest nehmen wollte. Ich habe gewiß Recht gehabt, das ich eine andere Kleidung wählen wollte, doch Sie gaben es ja nicht zu.«

»Es wäre thöricht, wollten Sie sich fürchten, meine Allerschönste; übrigens gebe ich Ihnen die Versicherung. daß, die Geister mir durchaus kein Geld abnehmen können. Ich habe heute in Gesellschaft von vierzig Personen bei dem Chevalier D’Ars zu Abend gegessen. Es waren Mitglieder der großen Oper da, welche die Violine spielten, wie Baptist. Da habe ich hundert Louis verloren.«

»Hundert Louis? Das ist ja aber ungeheuer! Während dessen las ich das Kapital, wo der König von Assyrien Mandane empfing. Dadurch bin ich auf den Gedanken gekommen, daß morgen, am Donnerstag, mein Mann bei mir essen wird. Seit drei Monaten ist das nicht geschehen, und ich weiß wahrlich nicht, was ich thun soll, den.Feind abzuwehren.«

»Vertrauen Sie mir mein Püppchen. Kann ich wiedererlangen, was ich suche, wollen wir ein lustiges Leben führen. Außer den hundert Louis, die ich morgen wieder zahlen muß, habe ich ihnen hundert der allerliebstesten und neuesten Dinge gekauft; aber ich muß Geld baden. Zuerst dachte ich ganz natürlich an Ihren Mann; aber außerdem, das ich ihn nie sah, glaube ich nicht, das er – ich dachte also an die theure Madame Voisin. Ihre Wissenschaft kann mir bei dieser Angelegenheit vielleicht nützlich sein. Ich habe in einem Prozesse appellirt; dazu muß ich gewisse Papiere wiederfinden. Glückt mir dies, so entführe ich Sie, und halten ihre Marly.«

Die Worte des Marquis wurden hier durch die plötzliche Ankunft eines Fackelträgers unterbrochen. Er war passend für eine Hexe gekleidet, denn durch seine ganz schwarze Livrée glich er einem Teufel, und als er verschwunden war, rochen der Marquis und die kleine Dame einen starken Schwefelgeruch.

Das Gemach, in welches sie eingetreten waren, wurde plötzlich und auf die sonderbarste erleuchtet, denn die Wand und vor ihren Augen glitzerten phantastische Gestalten vorüber, die jedoch nichts Schreckliches hatten. Uebrigens war keine Spur der Wahrsagerin und Zauberin in den Zimmern, welches zuweilen Blitze durchzuckten. Ehe der Marquis es ahnen konnte, war sein Degen von seiner Seite verschwunden.

Eine kleine Gestalt, welche einen offenen Geldbeutel in der Hand hielt, erschien hierauf als Prolog. Sie konnte seinem Teufelchen oder Zephyr gleichen.

Der Marquis verstand vortrefflich und streckte den Arm ans, einiges Geld hinzuwerfen.

»Geben Sie für ihn, « rief eine andere Stimme; »er nimmt nichts uns ihrer Hand.«

Indem die Gestalt verschwand, fiel ein Billet zu den Füßen des Marquis nieder. Es lautete:

»Madian, welches der Teufel eigener Person ist, kann Dir allein zu den geforderten Papieren verhelfen. Wenn Du den Muth hast, die »Probe zu wagen so sag es mir.«

»Ei, meiner Treu, meine theure Madame Voisin, ich bin, vollkommen zu dem Versuch geneigt. Laßt den Teufel kommen.«

»Sie sehen wohl ein, « rief dieselbe Stimme, , daß er nicht umsonst kommen kann.«

»Hier sind noch vier Pistolen; nehmt; aber es sind die letzten.«

»Sie fürchten sich also nicht, den Teufel zu sehen?«

»Gewiß nicht, wenn er die Macht hat, mir meine verlorenen Papiere wiederzuschaffen. Eure Beschwörung kann meinen Muth nicht störten.

»Halten sie sich gut, « erwiderte hierauf die Zauberin, indem sie sich durch einen gewaltigen Blitz sichtbar machte; »Sie werden einen der abscheulichsten Teufel zu sehen bekommen.«

»Das ist meine Sache!«

Die Voisin zeichnete hierauf an der Mauer einen großen Kreis und rief:

»Assuméhir! Assuméhiron, Poll, Pall, Pharascall, Assuméhiron, Assuméhir!«

»Was für eine Sprache!« sagte die Dame mit bebender Stimme zu dem Marquis.

 

»Jetzt berühren Sie diese Wand, « fuhr die Wahrsagerin fort. »Scheint sie Ihnen gut und fest?«.

»Es ist eine Mauer, « sagte der Marquis, »und weiter nichts.«

»jetzt tretet drei Schritt zurück, Nazarener und Gottlose, denn durch diese Wand wird der Teufel kommen. Poly Satanas! – (Es entstand ein furchtbarer Lärm) – Madian! Madian! Bei der Gewalt, die ich über Dich habe, beschwöre ich Dich, erscheine! Theurer Madian, mein schöner Engel! Madian, der Verworfene! Madian, der Gefallene! erscheine!«

Es entstand ein furchtbares krachen in der Mauer, man sah sah eine Schwefelwolke, und Meister Georgeot erschien, als Teufels verkleidet.

Der Gestank des Schauspiels griff die Nerven der kleinen Frau so sehr an, daß sie gewaltig zu husten begann.

Meister Georgeot sah nach dem Zauberstabe und that einen Satz.

»Sprich, oder ich tödte Dich!« schrie entschlossen der Marquis.

»Was wollen Sie dem Teufel thun?« schrie die Voisin. »Sie sind verloren!«

»Laß nur, ich verstehe mich auf Teufeleien. – Sprich sage ich Dir!«

In Ermangelung des ihm abgenommenen Degens zog der Marquis eine Pistole ans der Tasche.

»Unbesonnener; Sie stürzen uns Alle ins Verderben!« rief die Zauberin.

Blitze und Feuerstrahlen zuckten aus der Oeffnung der Wand.

»Ich trotze der Hölle, « sagte der Marquis, den die Rauchwolken einhüllten. »Madian, sag mir, wie Du heißt?«

»Gnade, Gnade, Herr Marquis!« schrie der Teufel selbst, dessen Maske herabgefallen war. »Ich bitte um Gnade: Ich bin ein ganz guter Teufel!«

»Hilf Himmel, ich kenne die Stimme und das Gesicht dieses Menschen!« rief der Marquis. »Ich irre mich nicht; das ist der Schuft von Advocaten! – Du bit es also, Spitzbube, der eine Quittung meines Gegensachers in der Tasche hat? Warte, Teufels-Advocat, Du sollst mir nicht entgehen!« – Der Marquis schüttelte ihn derb und versetzte ihm mehrere Püffe.

»Schlagen Sie mich nicht, schlagen Sie mich doch nicht, Herr Marquis, ich will Ihnen Alles sagen. Ja, Herr Marquis ich bin Georgeot Deshayes.. Ich habe Ihre Papiere unterschlagen. Ich war weit entfernt, zu ahnen, daß wir uns treffen würden. Da Sie aber durchaus darauf bestehen, so will ich sie Ihnen auf der Stelle wiedergeben, denn ich habe ihre Quittungen in meiner Brieftasche.«

»Wunder!« rief Madame Voisin, diesen Umstand benutzend; »Wunder! Ich hatte Ihnen je gesagt, Herr Marquis, daß Sie Ihre Papiere wiederfinden sollten!«

»Was Sie betrifft, Herr Bruder, » fuhr sie freilich mit leiserem Tone, zu diesem gewendet fort, »so sollen Sie mir das theuer bezahlen. Nach einem solchen Auftritte in meinem Hause werden Sie hoffentlich nicht mehr auf das versprochene Geld rechnen.«

»Ich sehe wohl, Frau Schwester, daß ich den Lohn auf meinem Buckel davon tragen werde, und das ist Alles. Ich danke Ihnen übrigens für die Art, mich in Ihrem Dienste zu verwenden, und wenn man mich wieder dabei trifft, so will ich – des Teufels sein!«

»Salz! Weinessig! Salz, meine theure Madame Voisin!« rief plötzlich der Marquise; »die junge Dame stirbt Schnell, schnell, schnüren Sie sie auf! Die arme kleine Frau! Wasser! Sie ist in Ohnmacht. Ach, wenn Sie wüßten Madame Voisin!«

»Aber das ist ja Mademoiselle Georgeot, « rief der Advocat, welcher zu träumen vermeinte. »Meine Frau hier! Und mit Ihnen, Mein Herr?«

»Nun ja, mein Lieber, mit mir. Wo kommen Sie denn her? Sie machen den Teufel und wissen des nicht? Auf einen Schelm gehören anderthalb. – Sie öffnet die Augen. – Sie hatten mir meine Papiere genommen und ich hatte mir Ihre Frau zugelegt. – Aber schämen Sie sich denn nicht, in einem solchen Aufzuge vor ihr zu erscheinen? In einem solchen Gewande? mit einem Schwanze und Hörnern? Sie sind ein grober Mensch, Meister Georgeot, und ich spüre große Lust, Sie zur Ehre der Schönen nochmals durchzuprügeln. – Kommt sie noch immer nicht zu sich? « fragte der Marquis, indem er der Ohnmächtigen in die Hände schlug.

»Schaffen Sie sie schnell fort, bat Madame Voisin, »denn Sie haben eine eben noch so viel Zeit, das Zimmer zu verlassen, denn man kommt.«

»Was? Sie wollen meine Frau mit sich nehmen?« rief Meister Georgeot in kläglichen Tone.

»Mit aller möglichen Achtung vor Ihnen, ja! Vertrauen Sie mir, meine Liebe, ich habe drei Bediente und eine Chaise bei mir. – (zu den Lakaien) – Nehmt Euch in Acht! – (zu Meister Georgeot) – Sein Sie nicht böse, Meister Deshayes, ich werde dafür sorgen, daß die Reise sicher und schnell sei.«

»Ich danke Euch, meine liebe Madame Voisin; bis auf Besseres nehmt diese Diamant-Agraffe.«

III.
Der Sprung

»Eine große Neuigkeit, Herrin, « rief der kleine Neger durchs Schlüsselloch, während unten im Hause ein dumpfer Lärmen entstand.

»Was gibt’s denn?«

»Die Polizei, Herein, die Polizei macht uns einen Besuch. Sie ist damit Herrn von La Reynie und will in das grüne Zimmer eintreten.

»In dem Zimmer liegt mein Advocatengewand, « seufzte Meister Georgeot, »und in der Abtei werde ich erwartet.«

»Schnell Bruder – spring da durch das Fenster«

»In dieser Teufelsmaske?«

»Sie kommen; hast Du nicht gehört?«

Die Voisin kam der Muthe ihres Bruders, der bebend auf der Fensterbrüstung stand, zu Hilfe, indem sie ihn einen derben Stoß versetzte, den er etwas schneller hinaus kam, als es eigentlich sein Wille war.

So machte er den Sprung.

IV.
Die Abtei von Saint-Garmain-des-Près

Das Unglück wollte, daß er mit seinen feuerfarbigen Füßen gerade auf die Schultern eines Polizeisergeanten sprang oder fiel, welcher eben damit beschäftigt war, im Innern des Hofes eine Vedette anzustellen. Das Gewicht und der Fall dieses Unbekannten flößten dem Sergeanten nicht weniger Ueberraschung ein, als die sonderbare Kleidung; obgleich er die Teufel nicht so schwer gehalten hatte, sagte er doch in seinem Rapport an Herrn von La Reynie, daß der Teufel ihn geritten hätte, wofür er wahrscheinlich eine ausgezeichnete Belohnung bekam.

Die Vedette lief halb todt zu dem Polizeichef und stieß dabei mit dem Schafte ihrer Partisane an alle Blumentöpfe, die auf dem Hofe standen, und verursachte dadurch einen solchen Lärmen, daß der Advocat glaubte, die ganze Wache sei auf den Beinen, ihn zu verfolgen.

Der Tag brach bereits an, als Meister Georgeot noch immer lief, obgleich er schon ganz erschöpft war. Es war ein feuchter Märzmorgen und der Exprocurator lüftete seine bockslederne Maske, um freier zu athmen, als der erstes Sonnenstrahl sich zeigte. Seinen Anzug fand er sehr mangelhaft: Die Hörner waren wacklig geworden, die Haare ihm ausgefallen. nur der Schweif allein war noch in leidlichen Zustande.

Die weißen Quadern und rothen Ziegelsteine der Abtei Saint-Garmain-des-Près zeigten sich endlich den den Augen des Meister Georgeot.

Dieses Kloster ist später ein Kleidermagazin für die französische Republik geworden. Es hatte schöne Keller, die es noch jetzt besitzt; und Pilaster, welche die Künstler bewundern; außerdem trug es, einen Stempel der Ruhe und des Frieden, der freilich jetzt sehr verwischt ist. Damals waren die Wände mit Reben bewachsen und die reich behangenen Aepfelbäume, die farbigen Pflaumen und das Geplätscher kleiner Springbrunnen vollendeten den harmonischen Anblick der Abtei. In dieser unbedeutenden Benedictiner-Abtei, (der Orden der Benedictiner war der älteste, reichste, gelehrteste und arbeitsamste aller mönchischen Vereine), wurden also eben so gute Confituren, als gelehrte Commentare über das Griechische und Hebräische gemacht. Die Frau Marschalin von L’Hospital und die Marquise von Maintenon schätzten ohne Zweifel die Commentare sehr, aber noch weit stärkeren Gebrauch machten sie von den Confituren, und die Erstere dieser Damen benutzte sie ohngefähr so, als ob sie ihr Eigenthum wären.30

Bei dem Anblicke des erwähnten Gebäudes fühlte der arme Georgeot eine Zufriedenheit, die sich nicht beschreiben läßt. Noch verfolgte ihn der Gedanke an seine Frau und an die Pistolen des Marquis, allein schnell vergaß er sein eheliches und brüderliches Mißgeschick. Der Advocat war minder als irgend Jemand für die Verlegenheiten geeignet. Der Friede dieses Klosters entzückte ihn um so mehr, da sein ciceronianischer Ehrgeiz dort seine Rechnung fand. Er half nicht nur dem Könige Casimir zuweilen seine Bäume an den Spalieren festbinden, sondern hatte auch die Hoffnung, der Advocat dieses Abt-Königs von Polen zu werden. Gewisse Vertraulichkeiten des Fürsten, in Bezug auf seine geheime Verbindung, berechtigten den Meister Georgeot zu dieser Hoffnung.

In der Abtei schien noch Niemand auf den Beinen zu sein. Die Ermüdung Georgeots war so groß, daß er die Mauer des Gartens zwei Mal prüfend maß, ehe er sich entschloß sie zu erklettern. Das war jedoch das einzige Mittel, in das Gebäude zu gelangen. Dem Advocaten lag Alles daran, seine Zelle zu erreichen, welche neben der des Pater Trefoucier lag, um sich dort seines Höllengewandes La Voisin zu entledigen.

Man muß erwähnen, daß seit drei Monaten der Obstgarten durch gewaltige noch unentdeckte Diebstähle heimgesucht wurde. Das kleine Stacket, über das Georgeot klettern mußte, nachdem er die Hauptmauer überstiegen hatte, war die Umhegung des Lieblingsgartens, den der König Casimir sich selbst vorbehalten hatte. Der Advocat zauderte nicht, that einige Schritte vorwärts, und da er vor Durst bald umkam, streckte er die Hand nach einem Spalierbaum aus, der voll der köstlichsten Aepfel hing. Plötzlich fühlte er sein Bein von einer Schlinge ergriffen.

»Barmherzigkeit, « flehte Meister Georgeot.

»Sieg! Sieg! wir haben ihn schrie die Stimme des alten Gärtners, der sechs Schritte entfernt stand, über seinen Fang ebenso erfreute, als erschreckt.

Der unglückliche Advokat wollte sich zu erkennen geben und streckte seine Teufelskrallen dem Gärtner flehend entgegen. Der Gärtner antwortete nur dadurch, daß voll Entsetzen ein Kreuz schlug.

»Und führe uns nicht in Versuchung, « fügte der berühmte Chevreux hinzu, indem er sich näherte. Er lernte in dem Garten seine Rede für eine Einkleidung auswendig, die eben diesen Mittag Statt finden sollte.

Der Gärtner läutete inzwischen Sturm, und alle Benediktiner und Layenbrüder liefen heran.

Es sollte an diesem tage in der Kirche von Belle Chasse eine Feierlichkeit Statt finden, indem Fräulein von Barabere sich einkleiden ließ; sie wollte mit aller Gewalt den Schleier in einer königlichen Abtei nehmen, deren Aebtissin schon 80 Jahre zählte; damit sie ihr bald nachfolgen könnte. Der König Johann Casimir trat aus seiner Zelle auf seinen Krückstock gestützt; sein Bart war schon gemacht, und das mit Pelz besetzte Gewand hielt er über der Brust zusammen. Er tief den Pater Chevreux zu:

»Ich ermächtige Euch nicht nur, sondern ich befehle Euch sogar, mein Bruder, die Formeln des Exorcismus auf ihn anzuwenden.«

Meister Georgeot überlief es eiskalt.

»Ich gehorche, « erwiderte Chevreux, »doch ich muß erst Weihwasser, eine Stola und das Ritual haben.«

Während Chevreux nach der Sacristei ging, wechselten die Zuschauer dieses Auftrittes mit dem Könige boshafte Blicke. Eine kleine Person besonders, die als Page gekleidet war, und in der nicht leicht Jemand, in das Geheimniß nicht eingeweiht, in Frau von, L’Hospital erkannt haben würde, denn sie wich nie von der Seite des Abtes, so sehr es sie auch verdroß, daß er nicht mehr König war. Meister Georgeot hatte vor der neugierigen Menge das Ansehen einer Nachteule, die am hellen Tage gezwungen wird, die Augen zu öffnen. Außer dem Allen zog sich auch die Schlinge immer fester und fester um sein Bein, so daß er wirklich beinahe die Qualen der peinlichen Frage ausstand. Die kleine Umhegung, in die er sich unkluger weise gewagt hatte, befand sich an der Ecke des Gartens, und lag nur zwanzig Schritte von der Kirche, so daß Chevreux bald mit Verstärkung zurück kam; die Sonne war inzwischen aufgegangen und beschien seinen ehrwürdigen langen, weißen Bart und seine archäologischen Hände. Majestätisch und fürchterlich zugleich schritt auf den unglücklichen Georgeot zu.

 

Die Formel des Exorcismus fand nach dreimaliger Kreuzschlagung und dreimaligen Besprengen mit Weihwasser folgendermaßen Statt:

In nomine Domini et ecclesiae suae sanctae, jubeo te loqui coram serenissima majestate polonica.

Dieser Anfang in barbarischem Latein war ganz dazu gemacht, die Besorgniß und die Qualen des Meister Georgeot zu verdoppeln; er wand sich wie ein Schüler, der eine Züchtigung voraussieht, und in seinem Schmerze, der keine Grenzen mehr kannte, ergriff er die Hand des neben ihn stehenden Pater Trefoucier und preßte sie gewaltsam, was ihm in der Meinung der Umstehenden vollends das Ansehen eines Teufels gab.

Es ist kein wahrer Teufel, sondern ein Besessener; ich habe seine Nägel gesehen, es sind keine Krallen.«

»Es ist der Teufel, « versicherte der Gärtner.

»Eilen wir schnell zum Weihwasser!« Flüsterte der boshafte Page Seiner Majestät dem König Casimir in das Ohr.

Der Weihwedel besprengte Meister Georgeot reichlich. Dieser heilige Regen durchnäßte die Haut des armen Teufels so sehr; daß in den Bewegungen; welche die Umstehenden den satanischen Krämpfen zuschrieben, der Bart seiner Larve herabfiel.

»Haltet ein, « flehte der Exorcisirte, »haltet ein, meine ehrwürdigen Väter, ich bin Euer Advocat, Meister Georgeot.«

»Lüge, Täuschung, teuflischer Betrug!«

»Machen Sie mich nur aus der Schlinge frei, und ich werde sprechen, « rief Georgeot. Seine Anstrengungen gelang es endlich, die Caputze mit der Larve herabzureißen.

»Meister Georgeot! Er ist es in der That! Wahrlich es ist unser Advocat!«

»Wollen Sie uns wohl sagen, mein Herr, durch welche Metamorphose wir Sie in dieser Maske und mit einer meiner Früchte in der Hand erblicken? Dachten Sie die Rolle des Teufels zu spielen, der der ersten Frau den Apfel bot?«

»Verzeihung, ehrwürdiger Pater Abt, König von Poren und Großfürst von Lithauen! Verzeihung, tausend Mal Verzeihung, meine ehrwürdigen Väter von Sanct Benedikt! Ich werde es nie wieder thun, das könnt Ihr glauben! Ich gebe dem Teufel seinen Anzug zurück, und lege mein Advocatengewand wieder an! Es war ein Carnevalsscherz. Es werden gewiß auch noch Andere verkleidet sein fügte der verschmitzte Advocat hinzu, indem er sich ganz zur zur rechten Zeit der Vertraulichkeiten des Königs Casimir erinnerte, und dabei einen Blick auf den schönen Pagen des Abtes warf.

»Er ist begnadigt, « sagte lebhaft der König Casimir; »er ist begnadigt. Pater Chevreux und Ihr Alle, meine Brüder entfernt Euch. Man bringe ihn in das Krankenzimmer und um ihn zu stärken, gebe man ihm von den schönen Confituren, die für Frau von Maintenon eingelegt sind.«

30Der König Casimir war der geheime Gemahl der Marschalin, wie man weiß, Maria Mignot, die Tochter, und in erster Ehe die Frau eines Goldschmieds. Man hat behauptet, sie sei ein Wäschermädchen gewesen, aber da ihr Vater einige Hunderttausend Francs Renten besaß, läßt sich wohl annehmen, das sie nie etwas Anderes gewaschen hat, als ihre eigenen Hände.