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Loe raamatut: «Ritter von Harmental», lehekülg 14

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IX.
Die Verschwörung erneuert sich

Harmental hatte sich, nachdem er seine Pistolen auf den Nachttisch, und seinen Degen neben sich gelegt hatte, unausgekleidet aufs Bett geworfen, auf welchem er glücklicher als Damocles, von Müdigkeit überwältigt entschlummerte, obgleich, wie über dessen Haupt, über dem seinigen ein Schwert hing.

Als er erwachte, war es schon heller Tag, die Sonne schien voll und klar in sein Zimmer hinein, und zog durch dasselbe bis zur Thüre einen glänzenden Lichtstreif. Harmental glaubte Anfangs, als er sich so ruhig auf einem sauberen Lager wiederfand, Alles was sich in der vergangenen Nacht mit ihm zugetragen, nur geträumt zu haben; bald aber überzeugte er sich, daß es Wirklichkeit gewesen say. Das auf der Commode liegende rothe Band, der Mantel auf dem Stuhle, die Pistolen auf dem Nachttische, der Degen neben sich, und mehr als dies Alles, er selbst in der gestrigen Kleidung, die er nicht abgelegt hatte, aus Besorgniß, in der Nacht durch einen unangenehmen Besuch geweckt zu werden, dies Alles waren hinreichende Beweise, daß ihn kein leerer Traum getäuscht habe.

Der Chevalier sprang aus seinem Bett; sein erster Blick war auf das Fenster seiner Nachbarin gerichtet: dasselbe war bereits geöffnet und man sah Bathilde in ihrem Zimmer hin und hergehen. Dann blickte er in den Spiegel; sein Gesicht war etwas bleicher als sonst; das aber machte dasselbe nur noch interessanter. Er zog sich darauf zurück, um seine Toilette zu machen, und nachdem dies bewerkstelligt war, näherte er sich wieder dem Fenster und öffnete es.

Bathilde hatte sich ihrerseits vielleicht auf seinen Anblick vorbereitet, und sich fest vorgenommen, so wie er sich ihr zeige, ihr Fenster mit einer Verbeugung zu schließen; kaum aber sah sie, daß ihr Nachbar sein Fenster öffnete, als sie Alles vergessend, zu dem ihrigen eilte und ihm zurief: »Gottlob, daß Sie da sind, ach mein Herr, was haben Sie mir für Angst verursacht.«

Dieser Ruf war zehnmal so viel, als d’Harmental erwartet hatte. Auch waren die eleganten Phrasen, auf welche er sich, um sie anzureden, vorbereitet haben mochte, aus seinem Gedächtnisse, wie weggezaubert; er faltete die Hände und entgegnete mit dem feurigsten Enthusiasmus: »Ach Bathilde, so sind Sie also eben so gut als Sie schön sind?

»Weshalb gut?« fragte Bathilde. »Haben Sie mir nicht geschrieben, daß wenn ich eine Waise wäre, Sie gleichfalls keine Aeltern mehr besäßen? Haben Sie mir nicht gesagt, daß ich Ihre Schwester say, und daß Sie mein Bruder wären?«

»Sie haben also für mich gebetet, Bathilde?« fragte Harmental innig.

»Die ganze Nacht.« erwiderte erröthend das junge Mädchen. Und ich, ich Thörigter, der den Zufall pries, daß er mich gerettet habe, während ich doch nur durch das Gebet eines Engels geschützt wurde.«

»Die Gefahr ist also vorüber?« fragte lebhaft Bathilde.

»Diese Nacht war trübe und finster, diesen Morgen aber war dich durch einen freundlichen Sonnenstrahl geweckt,« antwortete Harmental, »eine Wolke aber kann den Himmel leicht wieder verfinstern! So ist es gerade mit der Gefahr, die ich bestanden, sie ist verschwunden, um einem großen Glücke Raum zu geben; der Gewißheit, Bathilde, daß Sie meiner gedacht haben. Aber die Gefahr kann jeden Augenblick wiederkehren und – er vernahm plötzlich ein Geräusch auf der Treppe – »da pocht sie vielleicht schon an meine Thür.«

Und in diesem Augenblicke erschallten wirklich drei laute Schläge an die Thür des Chevaliers.

»Wer da?« fragte Harmental, noch immer im Fenster, mit einer Stimme, deren Festigkeit durch seine innere Aufregung etwas erschüttert ward.

»Gut Freund,« lautete die Antwort.

»Dank Ihrer Fürbitte, der Himmel beschützt mich fortwährend,« entgegnete der junge Mann, »es ist ein guter Freund. Noch einmal also, den wärmsten innigsten Dank, Bathilde!« Und der Chevalier schloß sein Fenster, indem er dem jungen Mädchen einen süßen Gruß zuwarf, der fast einem Kuße glich. Dann öffnete er dem Abbé Brigaud, der ungeduldig harrend schon wieder angeklopft hatte.

»Ey, ey?« fragte der Abbé, bei dem auch nicht die kleinste Gemüthsbewegung zu bemerken war, »warum verschließen wir uns denn so sorgsam mit Schloß und Riegel? Geschieht das etwa um uns einen Vorgeschmack von der Bastille zu verschaffen.«

»Holla, holla! Abbé,« rief Harmental mit einem so ruhigen Gesicht, daß man glauben konnte, er wolle es im Gleichmuthe dem Abbé gleich thun, »malen Sie den Teufel nicht an die Wand, das bringt uns Unglück.«

»Aber was erblicke ich! Wie sieht es hier aus?a fuhr Brigaud fort, »sollte man nicht glauben, man käme hier zu einem Verschwörer! Pistolen auf dem Nachttisch; neben dem Bett einen Degen; hier ein verdächtiger Mantel! Fort, also gleich fort mit dem Allen, damit selbst ich, wenn ich Ihnen meinen väterlichen Besuch abstatte, nicht merken kann, was während meiner Abwesenheit hier vorgegangen ist.«

Harmental gehorchte, indem er das kalte Blut dieses Dieners der Kirche bewunderte, zu dem selbst er, der Mann des Degens, nicht gelangen konnte.

»Weg für jetzt ebenfalls mit dem rothen Bande, wahrscheinlich werden Sie es bald wieder gebrauchen, sprach der Abbé Brigaud, indem er dem Chevalier mit den Augen folgte.

»Und wozu das?« fragte Harmental.

»Um damit einer gewissen Person, die vorübergeht, ein Signal zu geben, erwiderte der Abbé schlau.

»Mein lieber Abbé, wenn Sie nicht der Teufel selbst sind,« rief unser Held, »so stehen Sie wenigstens mit ihm in engem Bunde.«

»Ey nicht doch, mein junger Freund, ich bin ein einfacher stiller Mann, der ruhig seines Weges schlendert, aber dabei bald rechts, bald links, bald nach oben, bald nach unten blickt, das ist Alles. Ihr Fenster da – aber das ist ja so fest geschlossen, bei dem freundlichen Sonnenstrahl, lassen Sie ihn doch herein. – Doch, vergeben Sie, ich dachte nicht daran, daß wenn Sie dieses Fenster hier öffnen, ein anderes sich verschließt.«

»Sie sind sehr schlau, mein Herr Vormund,« aber dabei so indiscret, daß ich Sie, wenn Sie nicht dem geistlichen Stande angehörten, zur Rechenschaft ziehen würde.«

»Und weshalb das, mein junger Freund? Etwa, weil ich Ihnen den Weg zum Glück, zum Ruhme und vielleicht auch zur Liebe erschließen will? Das wäre ja eine schaudervolle Undankbarkeit!«

»Darum wollen wir Freunde bleiben, Abbé, sprach Harmental, indem er Brigaud seine Hand hinreichte, »jetzt, aber was bringen Sie Neues?«

»Neues, woher?«

Was weiß ich, aus der Rue des bons Enfans, oder dem Arsenal, von der Herzogin von Maine, oder Sr. Hoheit, dem Regenten, der, wie mir ein Traum sagte, diese Nacht sehr spät und sehr aufgeregt heimgekehrt seyn soll.«

»Nun ja, es ist alles gut abgegangen. Der Lärm in der Rue des bons Enfans, wenn anders einer da wirklich stattfand, hat sich diesen Morgen ganz und gar gelegt. Die Herzogin von Maine hegt für diejenigen, welche durch wichtige Geschäfte von dem Arsenal fern gehalten wurden, eben so viel Dankbarkeit, als Geringschätzung für die, welche sich dort untätig einfanden. Der Regent seinerseits aber hat diese Nacht geträumt, daß er schon König von Frankreich say, und darüber fast vergessen, daß er nahe daran war, ein Gefangener des Königs von Spanien zu werden. Doch es gilt jetzt, die Sache zu erneuem.«

»Erlauben Sie, Abbé,« sprach Harmental, »jetzt wäre die Reihe an Andren, ich möchte mich wohl ein wenig ausruhen.«

»Teufel, das stimmt schlecht zu der Nachricht, die ich Ihnen bringe.«

»Und die wäre?«

»Daß es diese Nacht beschlossen worden ist, daß Sie noch diesen Morgen nach der Bretagne reisen.«

»Ich nach der Bretagne reifen? Und was soll ich dort?«

»Das werden Sie erfahren, wenn Sie dorthin gelangen.«

»Und wenn es mir nicht gefällt abzureisen?«

»Sie werden abreisen, denn Sie werden bedenken, daß es thöricht wäre, ein Unternehmen, das fast zu Ende geht, aufzugeben, um einer Liebschaft willen, die kaum angefangen hat; die Gunst einer Prinzessin zu verscherzen, um die einer Grisette zu erlangen.«

»Herr Abbé,« drohte Harmental.

»Ruhig, ruhig, Freundchen, erzürnen wir uns nicht,« »rief Brigaud,« sprechen wir vernünftig. Sie haben sich freiwillig in das bewußte Unternehmen eingelassen und ihren Beistand versprochen. Wäre es recht. Ihrerseits, sich zurückzuziehen, weil ein Versuch mißglückte? Was Teufel, mein lieber Chevalier man muß consequent seyn, oder sich in keine Verschwörung einlassen!«

»Es ist richtig versetzte Harmental, ich habe meinen Arm angeboten. Aber es ist recht und billig daß der Arm, bevor er zuschlägt, weiß, was der Kopf beschlossen hat. Ich wage meine Freiheit, – mein Leben – ja ich wage vielleicht etwas, das mir noch theurer werden kann. Ich bin bereit, das alles zu wagen, aber auf meine Weise, mit offenen, nicht mit geschlossenen Augen. Sagen Sie mir also, was ich in der Bretagne soll, vielleicht werde ich mich dorthin begeben.

»Ihr Befehl lautet, sich nach Rennes zu begeben, dort werden Sie dieses Schreiben entsiegeln, es enthält Ihre Instruction.«

»Mein Befehl! Meine Instruction?

»Nun ja, sind das nicht die Ausdrücke, die sich ein General gegen eine Offiziere bedient?«

»Allerdings, wenn sie im Dienste sind, ich aber bin es nicht mehr.«

»Sie haben Recht, ich vergaß Ihnen zu sagen, daß Sie wieder in den Dienst getreten sind.«

»Ich, wie so?«

»Hier ist Ihre Bestallung.«

Harmental öffnete das ihm von dem Abbé dargereichte Pergament.

»Meine Bestallung als Obrist eines der vier Regimenter der Carabiniers?« fragte er erstaunt, »und woher kommt mir diese Bestallung?«

»Lesen Sie die Unterschrift, zum Henker!«

»Ludwig August, Herzog von Maine!«

»Nun, was giebt es denn da groß zu erstaunen? Hat er nicht als Chef der Artillerie das Recht, bei zwölf Regimentern die Offiziere zu ernennen? Er verleiht Ihnen eines derselben, und als Ihr Chef, schickt er Sie mit einer Mission ab. Nicht einmal zu gedenken, daß, falls die Verschwörung mißlingen sollte, Sie alsdann nur die Ihnen gegebenen Befehle erfüllt haben, und Sie dann die ganze Verantwortlichkeit auf einen Andern wälzen können. Nun, werden Sie noch nicht reisen?«

»Und das fragen Sie noch, mein lieber Abbé,« entgegnete Harmental freudig. »Ich stehe nun ganz zu den Befehlen des Herzogs, oder vielmehr der Frau Herzogin von Maine. Wird es mir nicht gestattet seyn, ihr vor meiner Abreise meine Aufwartung machen zu dürfen? Ich würde mich ihr zu Füßen werfen, den Saum ihres Kleides küssen, und ihr betheuern, daß ich mir mit Freuden um ihretwillen eine Kugel durch den Kopf jagen lassen werde.«

»Ha, ha, da verfallen wir in das andere Extrem, lächelte der Abbé, »nein, nein, Sie sollen sich nicht den Kopf zerschmettern lassen, Sie sollen leben, ruhmvoll leben, um in Ihrer schönen Obristen Uniform den Weibern den Kopf zu verrücken.«

»Ach mein lieber Brigaud, ich will nur einer Einzigen gefallen.«

»Auch gut, so werden Sie zuerst dieser Einen, und später allen Uebrigen gefallen.«

»Und wann soll ich abreisen?«

»Jetzt gleich, auf der Stelle!«

»lassen Sie mir wenigstens eine halbe Stunde!«

»Keine Minute!«

»Aber ich habe noch nicht einmal gefrühstückt.«

»Sie kommen mit mir, und frühstücken mit mir.«

»Ich habe nur 2 bis 3000 Livres, und das reicht nicht hin.«

»Sie werden in dem Reisekoffer Ihres Wagens Ihren Sold auf ein ganzes Jahr finden.«

»Aber die Kleider?«

»Ihre Koffer sind damit gefüllt, habe ich nicht Ihr Maaß?«

»Aber Brigaud, wann werde ich zurückkehren?

»Von heut an in sechs Wochen. Die Frau Herzogin von Maine wird Sie alsdann in Sceaux erwarten.«

»Sie werden mir doch erlauben, Abbé, wenigstens ein Paar Zeilen zu schreiben.«

»Zwei Zeilen, es say.«

Harmental setzte sich an einen Tisch und schrieb:

»Theure Bathilde! Heut ist von mehr als von einer drohenden Gefahr die Rede, ein Unglück hat mich plötzlich betroffen. Ich bin nämlich genöthigt, augenblicklich abzureisen, ohne Sie zuvor noch einmal gesehen zu haben. Nach sechs Wochen erst werde ich zurückkehren. Um des Himmels Willen, Bathilde, vergessen Sie den nicht, der keine Stunde verleben wird, ohne an Sie zu denken.«

Raoul.

Er versiegelte das Billet und trat ans Fenster – das seiner Nachbarin aber war geschlossen. Er sah also kein Mittel, Bathilden die für sie bestimmten Zeilen zukommen zu lassen. Der Abbé machte schon Zeichen der Ungeduld. In diesem Augenblick ward leise an die Thür gekratzt, der Abbé öffnete und die niedliche Mirza erschien; ihre Gourmandiese hatte ihr den Weg zu ihrem Zuckerlieferanten gezeigt. Sie hüpfte fröhlich herein und sprang auf Harmental zu.

»Da sage man nun noch daß der Himmel die Verliebten nicht beschützt, lächelte der Abbé, »Sie verlangten nach einem Boten, da ist er!«

»Abbé, Abbé,« drohte der Chevalier aufs Neue, »hüten Sie sich früher in meine Geheimnisse zu dringen, als es mir gefällt!«

»Einem Beichtvater kann man alles anvertrauen, Chevalier.«

»Aber er muß auch schweigen können, kein Wort komme über Ihre Lippen.«

»Mein Ehrenwort darauf, Chevalier!«

Und Harmental befestigte schnell das Billet an den Halsband der kleinen Mirza, reichte ihr als Botenlohn ein Stückchen Zucker, steckte ein baares Geld und seine Pistolen zu sich, schnallte seinen Degen um, nahm Hut und Mantel, und folgte dem Abbé Brigaud.

Dritter Teil

I.
Der Orden der Biene

An dem festgesetzten Tage und zur bestimmten Stunde, das heißt, sechs Wochen nach seiner Abreise von der Hauptstadt, um vier Uhr Nachmittags, rollte Harmental, aus der Bretagne zurückkehrend, in einem mit vier raschen Postpferden bespannten Reisewagen, in den Hof des Palastes zu Sceaux hinein.

Lakaien in reicher Livree standen vor den Thüren und Alles verkündete die Anstalten zu einer großen Festlichkeit. Harmental eilte durch die doppelte Dienerreihe hin, durchflog die Vorhalle, und trat in einen geräumigen Salon, in dessen Mitte der Ankunft der Gebieterin harrend, in verschiedenen Gruppen, gegen zwanzig Personen, fast sämmtlich von seiner Bekanntschaft, fanden und mit einander plauderten. Unter diesen befanden sich der Graf von Laval, der Marquis von Pompadour, der Dichter Saint Genest, der alte Abbé de Cheaulieur, Saint Aulaire, und die Damen de Rohan, de Croissy, de Charrot und de Briac.

Harmental näherte sich zuerst dem Marquis von Pompadour, der ihm in dieser edlen und geistreichen Gesellschaft am meisten bekannt war. Sie wechselten einen Händedruck, traten ein wenig bei Seite und Harmental sprach: »Mein lieber Marquis, benachrichtigen Sie mich doch, wie es zugeht, daß ich hier, statt wie ich befürchten mußte, zu einer langweiligen politischen Berathung, zu einem glänzenden Feste anlange?«

»Mein Seel! das weiß ich ebenfalls nicht, mein lieber Chevalier, erwiderte der Marquis, »ich bin eben so erstaunt wie Sie, ich lange so eben aus der Normandie an. Ich habe so eben dieselbe Frage an Laval gerichtet, der aber kommt gerade jetzt aus der Schweiz und weiß eben so wenig davon als wir.«

In diesem Augenblick ward der Baron von Valef angemeldet.

»Das ist der rechte Mann,« rief Pompadour, »Valef gehört zu den vertrautesten Dienern der Herzogin, jetzt werden wir es erfahren.«

Harmental und Valef hatten sich, seit dem Tage jenes Zweikampfs, mit dem wir diese Geschichte eröffnet haben, nicht wieder gesehen, so daß sie sich einander mit großer Freude die Hände drückten. Nach den ersten Begrüßungen fragte Harmental seinen Freund, nach der Ursache der festlichen Vorbereitung; dieser aber versicherte, daß er gleichfalls von nichts wisse, und so eben erst von Madrid anlange.

In diesem Augenblick trat der Kanzler Malezieux ins Gemach und sofort näherten sich ihm die drei Herren. »Ihr Erscheinen ist uns über alle Maßen angenehm, mein lieber Malezieux,« rief ihm Pompadour entgegen, »wir treffen eben hier aus allen vier Welttheilen zusammen und da sind wir denn höchst neugierig zu erfahren, was wir in Sceaux beginnen sollen.«

»Sie sind zu einer glänzenden Festlichkeit angelangt, meine Herren,« versetzte der Kanzler der Herzogin, »Sie sollen der Aufnahme eines neuen Ritters in den Orden der Biene, beiwohnen.«

»Alle Tausend,« rief Harmental, ein wenig pikiert, daß man ihm nicht einmal Zeit gelassen, zuvor in der Rue du Temps perdu einzusprechen. »Deshalb also befahl Ihro Königliche Hoheit, die Frau Herzogin von Maine, eine so große Eile an?«

»Zuvörderst, junger Mann,« entgegnete Malezieux, »giebt es hier weder eine Königliche Hoheit, noch eine Herzogin von Maine, sondern nur die reizende Fee Ludovise, die Königin der Bienen, der jedermann blindlings gehorchen muß. Und wenn Sie erst erfahren werden, wer der neue Ritter von der Biene ist, den wir in diesem Augenblick aufnehmen wollen, so werden Sie vielleicht die Ihnen empfohlene Eile nicht länger beklagen.«

»Und wer ist denn das?« fragte Valef.

»Sr. Excellenz, der Prinz von Cellamare!«

»Das ist eine andere Sache, ha jetzt verstehe ich, lächelte Pompadour.

»Wir auch, wir auch!« riefen Valef und Harmental, und der Kanzler versicherte, daß sie später Alles noch besser begreifen würden.

Hierauf traten die beiden Freunde in eine Fenstervertiefung und besprachen sich miteinander über die Aufnahme des neuen Ritters der Biene.

Der Orden der Biene war von der Herzogin von Maine, in Veranlassung eines Verses aus dem Amynte des Tasso gestiftet, den sie bei Gelegenheit ihrer Verheirathung gewählt hatte, und der in deutscher Uebersetzung folgendermaßen lautet:

Die kleine Biene, ach! schlägt tiefe Wunden,

Drum scheut den Stachel, fürchtet ihren Stich.

Entflieht, bevor Ihr ihre Macht empfunden,

Gerettet ist nur ist der, der ihr entwich.

Dieser Orden hatte, wie alle anderen Orden, seine Dekorationen, seine Oberen und seinen Großmeister. Die Dekoration bestand aus einem Medaillon, auf dessen einer Seite sich ein Bienenkorb, auf der anderen die Königin der Bienen zeigte. Sie ward an einem citronfarbigen Bande im Knopfloche getragen, jedesmal wenn die Ritter sich zu Sceaux versammelten. Die Oberen waren: der Kanzler Malezieux, Saint Antoine, der Abbé de Chaulieur, und Saint Genet; die Herzogin von Maine war Großmeisterin des Ordens, welcher aus 39 Mitgliedern bestand, welche Zahl nicht überschritten werden durfte. Der Tod des Herzogs von Nevers hatte die Zahl vermindert, und die Aufnahme des Prinzen von Cellamare sollte sie jetzt wieder auffüllen. Die eigentliche Thatsache aber war, daß die Herzogin von Maine es für rathsam erachtet hatte, dieser Versammlung, der nur ein politischer Zweck zum Grunde lag, eine scherzhafte Absicht unterzulegen; denn sie war überzeugt, daß ein solches Ordensfest zu Sceaux bei Dubois und Royer Argenson, weit weniger Verdacht erwecken würden als eine Versammlung im Arsenal.

Schlag vier Uhr öffneten sich die Pforten des großen Saales, dessen Wände mit dunkelrothem, mit silbernen Bienen besäeten Atlas behängt waren, und an dessen äußerstem Ende man auf einem erhöheten Throne die reizende Fee Ludovise gewahrte, welcher ihre zarte Gestalt und die Feinheit ihrer Züge, mehr als der kleine goldene Scepter in ihrer Hand, das Ansehen des ätherischen Wesens gaben, das sie vorstellte. Sie winkte mit der Hand, und alle Anwesenden reihten sich in einen Halbcirkel um ihren Thron, auf dessen Stufen sich die Großwürdenträger des Ordens stellten. Darauf erschien ein Herold und meldete mit lauter Stimme: »Sr. Exellenz den Prinzen von Cellamare!«

Der Letztere erschien nun, näherte sich gravitätisch dem Throne und knieete auf dessen Stufen nieder.

»Prinz,« sprach darauf der Herold, »leiht ein aufmerksames Ohr den Statuten des Ordens, den die hohe Fee Ludovise Euch jetzt verleihen will, und überlegt wohl, was Ihr zu thun gedenkt.«

Der Prinz neigte das Haupt zum Zeichen, daß er die Wichtigkeit der Verpflichtung fühle, die er zu übernehmen in Begriff fand. Der Herold fuhr fort,

Artikel 1.

Ihr schwört und versprecht eine unverbrüchliche Treue und einen blinden Gehorsam der mächtigen Fee Ludovise, der immerwährenden Großmeisterin des Ordens der Biene. Schwört dies bei dem heiligen Berg Hymette!«

In diesem Augenblicke ließen sich Musikklänge vernehmen und ein unsichtbarer Chor sang eine Strophe, in der der Novize zum Schwur aufgefordert wurde. Der Prinz leistete den feierlichen Schwur und alle Anwesenden wiederholten: »Er hat geschworen!«

Artikel 2.

Ihr schwört und versprecht, Euch in dem Palaste zu Sceaux jedesmal einzufinden, sobald der Orden zusammenberufen wird, und Euch selbst nicht einmal durch ein leichtes Unwohlseyn abhalten zu lassen.[Die Beschreibung dieses Ordens und seiner Ceremonien ist durchaus geschichtlich.]

Der Chor wiederholte die Aufforderung und der Prinz schwur.

Artikel 3.

Ihr schwört und versprecht das Tanzen zu lernen, und mit dem Tanzen, wenn es Euch befohlen wird, nicht inne zu halten, bis Euch der Athem ausgeht.

Chor und Schwur des Prinzen erfolgten wie oben bemerkt,

Artikel 4.

Ihr schwört und versprecht, alle Windmühlen zu erklettern, so hoch sie auch seyn mögen, und Euch durch keine Furcht vor einem Falle abschrecken zu lassen.

Artikel 5.

Ihr schwört und versprecht, keiner Biene ein Leid zuzufügen, sondern Euch, ohne sie zu verjagen, ruhig von ihr stechen zu lassen, auf welchen Theil Eures Körpers es ihr auch gefallen möge, sich zu setzen.

Sechster und letzter Artikel.

schwört und versprecht, die Decoration des Ordens sorgsam aufzubewahren, und in den Capiteln desselben niemals ohne solche zu erscheinen.

Nach einem jeden dieser Artikel erfolgten die Aufforderung des Chors, der Schwur des Prinzen, und der Ausruf der ganzen Versammlung: »Er hat geschworen!«

Nunmehr erhob sich die erhabene Fee Ludovise, empfing aus den Händen Malezieux das Ordenszeichen, schmückte damit die Brust des Prinzen Cellamare und sprach feierlich: »Ich ernenne Euch hiermit zum Ritter der Bienen.«

Darauf wurden die Flügelthüren des Saales geöffnet und es zeigte sich ein glänzend erleuchteter Bankettsaal, in dem eine köstliche Abendtafel servirt war. Der neu aufgenommene Ritter bot der Großmeisterin ehrerbietig seine Hand und führte sie in den Saal, von den Uebrigen gefolgt.

Da nicht alle Anwesenden in das eigentliche Geheimniß der Zusammenkunft eingeweiht waren, so war die Herzogin von Maine bemüht, während der Abendtafel die Talente der Dichter in Anspruch zu nehmen, um durch die Madrigals, Coupletts und Impromptüs derselben, eine leichte Unterhaltung herbeizuführen und die Gedanken der Nichteingeweihten von einem ernsteren Zwecke abzulenken. Dies gelang ihr auch über alle Erwartung, die heiterste Stimmung war in der Gesellschaft eingetreten und schon traf man Anstalt, im fröhlichsten Sinne sich von der Tafel zu erheben, um, zufolge der Aufforderung der Herzogin von Maine, mittelst eines im Garten aufgestellten Telescops, die Venus zu betrachten, als plötzlich Lagrange Chancel, einer der anwesenden Poeten, dessen Aeußeres Heimtücke und Bösartigkeit verkündete, und der bisher schweigsam und in sich gekehrt dagesessen hatte, um die Erlaubniß bat, auch seinerseits ein Gedicht, und zwar eine Ode, vortragen zu dürfen. Die Herzogin von Maine gestattete es ihm, und er erhob sich von seinem Sitze und sprach mit düsterem Blicke mehrere von ihm verfaßte Verse, in welchen er unter zwar versteckten, aber deutlich zu erkennenden Bildern, das Betragen und die Lebensweise des Regenten mit so grellen und grauenhaften Farben schilderte, daß selbst die Herzogin von Maine verlegen das Auge senkte, und als er geendet hatte, keiner der Anwesenden seinem Gedichte Beifall zollte

Man erhob sich, empört ob der Indiscretion des Poeten, schweigend von der Tafel und folgte der Großmeisterin in den Garten. Harmental war der Letzte, welcher mit Valef den Saal verließ. Er rannte auf Lagrange Chance, welcher zurückgekehrt war, um ein vergessenes Taschenbuch zu holen. Erlauben Sie, Herr Chevalier,« rief der Poet, indem er ihn mit seinen gelben giftsprühenden Augen anblitzte: »Haben Sie etwa die Absicht, über mich hinzuschreiten?«

»Warum nicht, mein Herr,« erwiderte Harmental, dem das Benehmen dieses Menschen gleichfalls mißfiel, mit einem verächtlichen Blick, »warum nicht, wenn ich gewiß wäre, Sie zu zertreten. »Darauf nahm er Valefs Arm und begab sich mit demselben in den Garten.

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
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Ilmumiskuupäev Litres'is:
06 detsember 2019
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