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Loe raamatut: «Ritter von Harmental», lehekülg 21

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II.
Der Besuch bei Cellamare

An demselben Tage um zwei Uhr Nachmittags, als die Liebenden Buvat auf der Bibliothek glaubten, wiederholte Harmental, zu den Füßen Bathildens, die er zum tausendsten Male, daß er nur sie liebe, und daß er niemals eine andere lieben werde als sie. Da trat Nanette ein und berichtete dem Chevalier, daß in seiner Wohnung jemand harre, der ihn in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen wünsche. Harmental, begierig zu erfahren, wer der Lästige say, der ihn bis in das Paradies seiner Liebe verfolge, eilte ans Fenster, und gewahrte den Abbé Brigaud, welcher in seinem Zimmer mit großen Schritten auf und abging. Er beruhigte darauf Bathildens Besorgniß mit einem Lächeln, drückte einen innigen Kuß auf ihre Stirn, und begab sich in eine Wohnung.

»Da sind Sie endlich!« rief ihm der Abbé entgegen, »während Sie mit Ihrer schönen Nachbarin liebeln, tragen sich wunderbare Dinge zu.«

»Und das wäre?« fragte Harmental.

»Wie, Sie wissen noch nichts?«

»Nichts, durchaus nichts! Sprechen Sie doch, was giebts denn, Sie sehen ja ganz verstört aus.«

»Wir sind verrathen, verkauft worden, der Himmel weiß von wem,« sprach der Abbé. »Herr von Villeroy ist diesen Morgen in Versailles arretiert, die beiden Briefe, die er dem Könige übergeben sollte, befinden sich in den Händen des Regenten.«

Harmental begriff die ganze Wichtigkeit dieser Kunde; welche düstere Gedanken dieselbe aber auch in ihm weckte, sein Antlitz zeigte nur jene ruhige Entschlossenheit, die ihm im Augenblicke der Gefahr stets eigenthümlich war. Als der Abbé geendet hatte, fragte er mit einer Stimme, der man auch nicht die kleinste Gemüthsbewegung anmerkte: »Ist das Alles?«

»Für den Augenblick ja,« erwiderte der Abbé, »und mir scheints, als say das vor der Hand genug.«

»Mein lieber Brigaud,« versetzte Harmental, »als wir uns zu dem Verschwörungsspiele entschlossen, wußten wir, daß wir so ziemlich dieselbe Aussicht hatten, zu gewinnen oder zu verlieren. Unsere Actien waren gestiegen, jetzt sinken sie. Das ist das Ganze.«

»Ich bemerke mit Vergnügen, daß Sie sich nicht so leicht aus dem Sattel heben lassen,« antwortete Brigaud.

»Sehen Sie, Abbé, ich bin in diesem Augenblick so überglücklich, und da betrachte ich die ganze Welt im Sonnenscheine. Hätten Sie mir Ihre Kunde in einem traurigen Moment gebracht, so würde ich alles in schwarzem Lichte geschauet und zu Ihrem de profundis ein Amen gesprochen haben.«

»Sie meinen also?«

»Daß das Spiel freilich nicht gut steht, darum aber noch nicht verloren ist. Der Herr Marschall von Villeroy gehört nicht zu der Verschwörung, der Herr Marschall kennt daher die Namen der Verschworenen nicht; die Briefe Philipps V. compromittiren, so viel ich mich erinnern kann, niemand, und es ist also bis jetzt niemand gefährdet, als der Prinz von Cellamare. Die Unverletzlichkeit seines diplomatischen Charakters aber schützt ihn vor jeder wirklichen Gefahr. Auch dient Herr Saint Aignant, wenn unser Plan dem Cardinal Alberoni zugekommen ist, für ihn als Geißel.«

»Es liegt Wahres in dem was Sie sagen, bemerkte Brigaud. »Und von wem haben Sie alle diese Nachrichten?«

»Von Valef, der sie von der Herzogin von Maine erfuhr, und der sich sogleich zu dem Prinzen von Cellamare begab. Ich habe ihn hierher bestellt, und da ich zuvor bei dem Marquis von Pompadour war, so wundre ich mich, ihn noch nicht hier zu finden.«

»Raoul! Raoul!« rief plötzlich eine Stimme draußen auf der Treppe.

»Da ist er,« sprach Harmental, indem er zur Thür eilte und sie öffnete.

»Dank, schönen Dank!« rief der Baron von Valef, »Sie kamen grade zur rechten Zeit, schon wollte ich wieder fort, denn ich glaubte Brigaud habe sich in der Adresse geirrt, und es könne keine ehrliche Christenseele auf einem solchen Taubenschlage wohnen.«

»Der Himmel gebe,« fiel Brigaud ein, »daß Sie, der Chevalier und ich, in einigen Tagen nicht noch schlechter logiert werden.«

»Aha, Sie meinen in der Bastille, Abbé! Ja, ja, das ist möglich! Die Bastille ist indeß doch immer eine Königliche Wohnung und das erhöht ihren Werth, ein Edelmann kann dort wohnen, ohne seinem Range etwas zu vergeben. Aber dieses armselige Dachstübchen, fi donc, Chevalier, hier schmeckt alles nach dem Schreiber eines Procurators.«

»Wenn Sie wüßten, Valef, was ich in dieser armseligen Wohnung gefunden hätte,« bemerkte Harmental, dann würden Sie gleich mir sie nicht wieder verlassen wollen.«

»Etwa eine kleine Grisette, oder eine Madame Michelin? Nehmen Sie sich in Acht, dergleichen ist nur dem Richelieu erlaubt. Unser eins, die wir vielleicht besser, aber nicht so in der Mode sind, wie er, würde dergleichen großen Nachtheil bringen.«

»So frivol auch Ihre Aeußerungen seyn mögen, Baron,« fiel Brigaud ein, »so höre ich sie dennoch mit Vergnügen, weil sie mir beweisen, daß es mit unsern Angelegenheiten nicht so schlecht steht, als wir es befürchteten.«

»Im Gegentheil,« versetzte Valef, »die ganze Verschwörung ist in die Luft gesprengt.«

»Was sagen Sie da, Baron?« rief Brigaud.

»Ich sage Ihnen, wie ich nicht geglaubt habe, daß man mir die Zeit gönnen würde, Ihnen diese Kunde zu überbringen. Es fehlte kein Haarbreit daran. Sie wissen, Abbé, daß ich von Ihnen ging, um mich zu dem Prinzen von Cellamare zu begeben. Ich war gerade dort, als man erschien, um seine Papiere in Beschlag zu nehmen.«

»Wie, seine Papiere wurden in Beschlag genommen?«

»Alle, bis auf die, welche wir verbrannt hatten, das aber war leider nicht der größte Theil.«

»Dann sind wir sämmtlich verloren!« rief der Abbé.

»Wie Sie gleich den Muth verlieren, Abbé Bleibt uns nicht übrig, eine kleine Fronde zu bilden, und gilt die Herzogin von Maine nicht eben so viel als die Herzogin von Longueville?«

»Aber Valef, wie hat sich das denn zugetragen?« fragte Harmental.

»Stellen Sie sich die drolligste Scene von der Welt vor, lieber Chevalier. Ich hätte alles darum gegeben, daß Sie dabei zugegen gewesen wären. Wir hätten uns todt gelacht; das hätte den Dubois außer sich gesetzt.«

»Wie! Dubois, Dubois selbst war bei dem Gesandten?»fragte der Abbé.

»In eigner hoher Person. Stellen Sie sich vor, Abbé, daß wir ganz ruhig am Camin mit einander von unsern kleinen Angelegenheiten plauderten; der Prinz von Cellamare und ich, wir kramten in einem mit Briefen angefüllten Kasten, und verbrannten alle diejenigen, die uns der Ehre eines Autodafe’s würdig schienen, als plötzlich der Kammerdiener erscheint und berichtet, daß das Gesandtschaftshotel von einer Schaar Musketairs umringt say und daß Dubois und Leblanc mit dem Prinzen zu reden verlangen. Der Zweck ihres Besuchs war leicht zu errathen. Ohne sich Zeit zum Wählen zu lassen, wirft der Prinz schnell alle Papiere des Kastens ins Feuer, schiebt mich schnell in ein Cabinet und befiehlt, die gemeldeten Herren einzulassen. Dieser Befehl war übrigens überflüssig, denn Leblanc und Dubois standen schon auf der Schwelle der Thür. Glücklicherweise hatte keiner von ihnen mich bemerkt. Jetzt denken Sie sich, ich war in dem Cabinet, wo ich alles sehen und hören konnte, Dubois schritt voran, steckte seinen Fuchskopf in das Gemach hinein, und suchte mit seinem Blick den Prinzen von Cellamare, der in seinem Schlafrock vor dem Camin stand, um den Papieren Zeit zu gönnen, zu verbrennen. »Meine Herren, begann der Prinz mit dem Pflegma, das Sie an ihm kennen, »darf ich fragen, was mir die Ehre Ihres Besuchs verschafft?«

»Die Ursache ist sehr einfach, gnädigster Herr,« versetzte Dubois. »Herr Leblanc und ich wir hegen den Wunsch, einen Blick in Ihre Papiere zu thun, von denen uns,« hier zeigte er die Briefe Philipps V,«diese Briefe hier einen Vorgeschmack gegeben haben.«

»Und wie benahm sich der Prinz?« fragte Harmental.

»Der Prinz wollte Einwendungen machen, sich auf das Recht eines Gesandten berufen, Dubois aber bemerkte ihm ganz unumwunden, daß er selbst das Recht gemißbraucht habe, indem er eine Verschwörung mit seinem gesandtschaftlichen Mantel bedeckte; kurz er mußte dulden, was er nicht verhindern konnte. Ueberdem hatte Leblanc, ohne die Erlaubniß abzuwarten, bereits den Secretair geöffnet und dessen Inhalt untersucht, während Dubois die Schubfächer eines Bureaus aufzog und gleichfalls darin herumkramte. Plötzlich verließ der Prinz seine bisherige Stellung und erfaßte Leblancs Arm, der so eben ein mit einem rosafarbenen Bande umwickeltes Päckchen ergriffen hatte. »Entschuldigen Sie, mein Herr, das sind Briefe von Damen, Sie werden nicht so indiscret seyn –«

»Erlauben Ew. Exellenz,« fiel Dubois ein, indem er das Päckchen aus Leblancs Händen nahm, »ich weiß mit dergleichen Geheimnissen umzugehen und das Ihrige soll wohlbewahrt bleiben.«

»In diesem Augenblick richteten sich Dubois Augen auf den Camin und zwischen der Asche der verbrannten Briefe gewahrte er ein noch unversehrtes Papier, er stürzte zum Camin und ergriff es gerade als die Flammen es erfassen wollten. Dies geschah mit einer solchen Schnelligkeit, daß der Prinz von Cellamare es nicht verhindern konnte.«

»Alle Teufel!« rief der Prinz, während Dubois sich die Fingerspitzen mit der Zunge netzte, »ich wußte wohl, daß der Regent gute Spione im Dienste habe, das aber wußte ich nicht, daß sie für ihn selbst ins Feuer gehen würden.«

»Und wahrlich, mein Herr Gesandter, sie sind reichlich dafür belohnt, entgegnete Dubois, welcher das Papier bereits geöffnet hatte. »Da sehen Sie selbst.« – Der Prinz warf einen Blick auf das Papier, ich weiß nicht was es enthielt, was ich aber weiß, ist, daß der Prinz leichenblaß ward, Dubois aber laut auflachte; Cellamare zerschmetterte, von Zorn überwältigt, eine kleine marmorne Büste, auf welcher gerade seine Hand ruhte.«

»Dubois steckte das Papier gelassen zu sich. »Da wir jetzt so ziemlich gefunden haben, was wir suchten, sprach er in dem ihm eigenthümlichen unangenehmen Tone, »und uns für heute noch andere Geschäfte obliegen, so wollen wie jetzt die Siegel bei Ihnen anlegen.«

»Die Siegel! die Siegel bei mir? rief der Gesandte, aufs Aeußerte gebracht.

»Mit Ew. Excellenz Erlaubniß, ja. Herr Leblanc, schreiten Sie zum Werk,« versetzte Dubois ganz ruhig. Leblanc zog schon in Bereitschaft gehaltene Papierbänder, nebst Siegellack und Pettschaft hervor, legte an den Secretair und das Bureau die Siegel an, und näherte sich dann der Thür des Cabinetts in dem ich mich befand.

»Meine Herren, rief der Prinz, »ich werde niemals dulden – –«

»Meine Herren,« fiel Dubois ein, indem er die Thür des Zimmers öffnete, und zwei Offiziere der Musquetaire hereinwinkte, »Hier der Herr Gesandte Spaniens, ist des Hochverraths angeklagt. Haben Sie die Güte, ihn zu dem Wagen zu geleiten, der ihn erwartet und bringen Sie ihn an den bewußten Ort. Widersetzt er sich, so rufen Sie acht Mann herbei und lassen ihn in den Wagen tragen.«

»Und was that der Prinz?« fragte Brigaud.

»Der Prinz that, was jeder Andre und also auch Sie an seiner Stelle gethan haben würden, er folgte den beiden Offizieren und zwei Minuten darauf befand sich Ihr ganz gehorsamer Diener unter Königlichem Siegel.«

»Armer Freund,« rief Harmental, »und wie sind Sie wieder herausgekommen?«

»Das ist eben das Beste, hören Sie! Kaum war meine Thür versiegelt, als Dubois den Kammerdiener des Prinzen rief.« »Wie heißen Sie?« fragte er. »Lapierre Ihnen zu dienen, gnädigter Herr,« antwortete er zitternd. »Lieber Herr Leblanc fuhr Dubois fort, »benachrichtigen Sie den Herrn Lapierre, welche Strafe dessen harrt, der Hand an diese Siegel legen sollte.« – »Es steht die Galeere darauf,« bemerkte Leblanc kaltblütig.

»Mein lieber Herr Lapierre, Sie haben das gehört,« fiel Dubois in einem honigsüßen Tone ein; »wenn Sie Lust verspüren sollten, einige Jahre lang auf den Schiffen Sr. Majestät des Königs von Frankreich zu rudern, so berühren Sie eines dieser Siegel oder dieser Papierbänder nur mit Ihrem kleinen Finger, und Ihrem Wunsche kann also gleich gewillfahrt werden. Wenn Ihnen aber im Gegentheil hundert Louisd’ors angenehmer sind, so nehmen Sie diese Siegel unter Ihren besondern Schutz, und schon nach drei Tagen sollen Sie diese Summe empfangen.«

»Ich ziehe die hundert Louisdors vor,« entgegnete der Schelm Lapierre.

»Wolan so unterzeichnen Sie dies Protokoll, wir ernennen Sie zum Wächter des Cabinetts des Prinzen.«

Lapierre unterzeichnete.

»Sie begreifen,« fuhr Dubois fort, »jetzt die ganze Verantwortlichkeit, die auf Ihnen ruht?«

»Ja gnädigster Herr. – »Und Sie übernehmen dieselbe?« »Ich übernehme sie.« – »Charmant!« fügte Dubois hinzu, »Herr Leblanc, dann haben wir hier nichts weiter zu thun – (und indem er auf das Papier in einer Hand blickte) ich habe gefunden was ich suchte.«

Er entfernte sich darauf, von Leblanc gefolgt. Als Lapierre den Wagen fortrollen hörte, trat er an die Thür meines Cabinetts und rief: »Benutzen Sie unser Alleinseyn, Herr Baron, um sich fort zu machen. Ich bin darum ihren Vertrag eingegangen.«

»Aber wie willst Du denn, daß ich hinauskommen soll?« fragte ich.

»Durchs Fenster Herr Baron, durch das kleine Fenster, antwortete Lapierre, »welches sich zur linken Seite in der Wand befindet. Es führt in einen Alcoven. Lassen Sie sich dreist hinabgleiten, Sie fallen auf ein Bett.«

Gesagt, gethan. Ich reichte dem Kammerdiener der zu mir in den Alkoven gekommen war, einen kostbaren Ring, den ich grade an dem Finger trug. »Und wie soll ich nun weiter meine Flucht bewerkstelligen?»fragte ich ihn.

»Diese kleine Treppe hinab, Herr Baron,« sprach Lapierre, »von dort durch die Küche in den Garten, und durch das Hinterpförtchen, der Haupteingang ist ohne Zweifel bewacht.«

»Ich folgte seiner Anweisung – und da bin ich nun!«

»Und der Prinz von Cellamare, wo ist er?« fragte Harmental.

»Weiß ich’s, entgegnete Valef, »wahrscheinlich im Gefängniß.«

»Alle Teufel!« rief Brigaud. »Wenn nur das verwünschte Papier nicht wäre das der Schurke der Dubois gefunden, haben Sie keine Vermuthung, was für ein Papier das seyn kann?«

»Nicht die mindeste, aber beruhigen Sie sich Herr Abbé, das wird nicht verloren seyn, spät oder früh werden wir schon erfahren, was es enthält.«

In diesem Augenblick hörte man, daß jemand die Treppe heranstieg, die Thür öffnete sich, und Bonifaz steckte einen dicken Kopf herein.

»Verzeihen Sie, Herr Raoul,« sprach der muthmaßliche Erbe der Madam Denis, »ich suche den Papa Brigaud, Mama wünscht mit Ihnen zu sprechen. Sie möchte gern von Ihnen erfahren, warum sich morgen das Parlament versammelt.«

»Wie, das Parlament versammelt sich morgen!« riefen Harmental und Valef zugleich.

»Und weshalb mag das geschehen?« fragte Brigaud, »und woher weiß Deine Mutter, daß es geschieht?«

»Ei durch mich,« antwortete Bonifaz, »durch mich! ich erfuhr es durch meinen Procurator. Dieser befand sich eben bei dem ersten Präsidenten, als der Befehl aus den Tuilerien bei demselben anlangte.«

»Gut, gut, versetzte der Abbé, »sage Deiner Mutter, ich werde bei ihr vorsprechen.«

»Das ist ein Staatsstreich, den man beabsichtigt, murmelte Harmental, als Bonifaz sich entfernt hatte, vor sich hin.

»Ich eile zur Frau von Maine, um sie zu benachrichtigen, rief Valef.

»Ich begebe mich zu dem Marquis von Pompadour, um Nachrichten einzusammeln,« sprach Brigaud.

»Ich bleibe hier, bemerkte Harmental, »wenn Sie meiner bedürfen, Abbé, wissen Sie, wo ich zu finden bin. Sollten Sie mich nicht hier treffen, so brauchen Sie nur das Fenster zu öffnen, und dreimal in die Hände zu klatschen, ich werde dann augenblicklich bei Ihnen seyn.«

Brigaud und Valef begaben sich hinweg. Fünf Minuten darauf verließ Harmental ein Dachstübchen und begab sich zu Bathilden, die er in großer Unruhe fand. – Es war fünf Uhr Nachmittags und Buvat war noch nicht heimgekehrt.

III.
Verkleidungen

Am folgenden Morgen um sieben Uhr erschien der Abbé Brigaud, um Harmental abzuholen, den er schon angekleidet und seiner wartend, fand. Beide hüllten sich in ihre Mäntel, drückten ihre Hüte tief ins Gesicht und schritten dem Palais-Royal zu. Als sie sich der Rue Echelle näherten, gewahrten sie auf der Straße eine ungewöhnliche Bewegung. Alle Zugänge zu den Tuilerien waren von Abtheilungen der Cheveauxlegérs und Musketairs besetzt, und die auf diese Weise von dem Hofe und den Gärten der Tuilerien ausgeschlossene Menge Neugieriger drängte sich auf den Platz du Caroussel. Brigaud und Harmental mischten sich unter die Menge.

Auf der Stelle angelangt, wo sich jetzt der Arc de Triomphe befindet, wurden sie von einem Offizier der Musquetaire angeredet, der gleichfalls in einen Mantel gehüllt war; es war Valef.

»Nun Baron,« fragte Brigaud, »was giebt es Neues?«

»Ha, sind Sie’s, Abbé! Wir suchten Sie, Laval, Malezieux und ich. Ich sah sie so eben, sie müssen ganz in der Nähe seyn. Bleiben wir hier, und sie werden sich uns bald anschließen. Malezieux und ich, wir blieben die ganze Nacht im Arsenal.«

»Hat sich dort keine feindliche Demonstration gezeigt?« forschte Harmental.

»Durchaus keine. Der Herr Herzog von Maine und der Graf von Toulouse, waren zu dem Regentschafts-Conseil beschieden, der diesen Morgen vor dem Lit de justice gehalten werden sollte. Um sechs ein halb Uhr schon befanden sie sich in den Tuilerien, so auch Frau von Maine, die, um desto früher Nachrichten zu erhalten, sich in ihre Gemächer der Surintendance begeben hat.«

»Weiß man was aus dem Prinzen von Cellamare geworden ist?« fragte Harmental.

»Man hat ihn nach Orleans gebracht, in einem vierspännigen Wagen, von zwölf Cheveauxlegérs begleitet.«

»Was sagt die Herzogin von Maine zu dem Allen?«

»Daß man über etwas zum Nachtheil der legitimen Prinzen brütet, und daß man das Vorgegangene benutzen wird, um ihnen einige ihrer Privilegien zu rauben. Auch hat sie diesen Morgen ihren Eheherrn tüchtig ins Gebet genommen; er versprach ihr, sich tapfer zu halten, aber sie rechnet nicht darauf.«

»Und der Herr Graf von Toulouse?«

»Wir sahen ihn gestern Abend; aber Sie wissen, mein lieber Abbé, es ist mit seiner Bescheidenheit, oder vielmehr mit seinem demüthigen Wesen nichts anzufangen, er ist stets bereit, dem Regenten in Allem nachzugeben.«

»Aber der junge König, wie hat er die Gefangennahme eines Gouverneurs aufgenommen?«

»Wie, Sie wissen nicht? Es scheint zwischen dem Marschall von Villeroy und dem Herrn von Frejus eine Uebereinkunft stattgefunden zu haben, so daß, wenn man den einen dem Könige entzöge, der andere sich auch zurückziehen müsse. Seit gestern Morgen ist Herr von Frejus verschwunden.«

»Und wo ist er?«

»Gott weiß es. Der König der den Verlust des Marschalls leicht ertrug, ist untröstlich über die Entfernung eines Bischofs.«

»Und von wem wissen Sie das Alles? »Von dem Herzog von Richelieu, welcher gestern um zwei Uhr nach Versailles kam, um dem Könige seine Aufwartung zu machen, und der Se. Majestät in Verzweiflung zwischen dem Porzellan und dem Glase fand, die er in einem Zorne zerbrochen hatte. Leider kennen Sie Richelieu; statt den König in seiner Traurigkeit zu bestärken, hat er ihn zum Lachen gereizt, indem er ihm tausend Schwänke erzählte, und ihn dadurch fast getröstet, daß er sich mit ihm vereinigte, um alles zu zerschmettern, was an Porzellan und Scheiben noch ganz war.«

In diesem Augenblicke glitt ein, in der schwarzen Tracht eines Advokaten gekleideter Mann, mit der viereckigen Mütze auf dem Kopf, an den drei Obengenannten vorüber. Der Abbé Brigaud glaubte unter dieser Verkleidung den Marquis von Pompadour zu erkennen. Der Advokat näherte sich der Gruppe; dem Abbé Brigaud blieb kein Zweifel, es war der Marquis.

»Nun Meister Clemens, was giebt es Neues im Palast?« fragte Brigaud.

»Etwas höchst Wichtiges, wenn anders es sich bestätigt. Man sagt, das Parlament weigere sich, sich nach den Tuilerien zu begeben.«

»Vortrefflich, vortrefflich, das könnte mich mit den Rothröcken wieder aussöhnen,« rief Valef, »aber sie werden es nicht wagen.«

»Sie wissen ja, daß Herr de Mesmes zu den Unsrigen gehört; er ist neulich durch den Einfluß des Herzogs von Maine zum Präsidenten erwählt worden.«

»Das ist schon lange her, bemerkte Brigaud, und wenn Sie keinen besseren Grund haben, worauf Sie fußen, Meister Clemens, so rathe ich Ihnen, nicht allzusehr auf ihn zu zählen.

»Halt, dort geht etwas vor,« fiel Harmental ein, »sollte das Regentschafts-Conseil schon beendigt seyn?«

Wirklich zeigte sich auf dem Hofe der Tuilerien eine starke Bewegung, und die beiden Equipagen des Herzogs von Maine und des Grafen von Toulouse näherten sich dem Pavillon de l’Horloge. In demselben Augenblicke gewahrte man auch die beiden Brüder. Sie wechselten noch einige Worte mit einander, jeder stieg alsdann in seinen Wagen, und dieser rollte rasch mit ihnen von dannen.

Zehn Minuten lang erschöpften sich die schon oft erwähnten vier Personen in Muthmaßungen über diesen Vorfall, der auch der Menge aufzufallen schien; da gewahrten sie plötzlich Malezieux, welcher sie suchte. Sein verstörtes Gesicht bezeugte, daß er keine guten Nachrichten bringe.

»Nun,« fragte Pompadour, »haben Sie irgend eine Vermutung rücksichtlich dessen, was sich zuträgt?«

»Ich fürchte leider, daß Alles verloren say,« entgegnete der Kanzler. »Sie wissen doch, daß der Herzog von Maine und der Graf von Toulouse das Regentschafts-Conseil verlassen haben?« fragte Valef.

»Ich bin dem Wagen des Ersteren begegnet, er erkannte mich, ließ anhalten und warf mir dieses mit Bleistift geschriebene Billet zu.« Brigaud las: »Ich weiß nicht, was man gegen uns im Schilde führt, der Regent aber hat mich und Toulouse auffordern lassen, uns aus dem Conseil zu entfernen. Diese Aufforderung schien mir ein Befehl, und da es uns durchaus nutzlos gewesen wäre, uns zu widersetzen, indem wir im Conseil kaum auf vier bis fünf Stimmen zählen können, mußten wir gehorchen. Suchen Sie die Herzogin zu sprechen, die sich in den Tuilerien befinden muß, und sagen Sie ihr, daß ich mich nach Rambouillet zurückziehe, wo ich den Erfolg der Begebenheiten abwarten werde. Ihr wohlgeneigter

Ludwig August.

»Der Feigling!« rief Valef.

»Das sind die Menschen, für die wir unser Leben aufs Spiel setzen, murmelte Pompadour.

Sie irren, lieber Marquis, wir wagen unser Leben um unser Selbstwillen, und nicht für Andere, nicht wahr, Chevalier? Aber was zum Henker haben Sie denn?«

»Warten Sie hier, Abbé,« sprach Harmental, »ich glaube – ich erkenne dort – bei allen Teufeln, ich irre mich nicht – er ist es selbst! Nicht wahr, Sie entfernen sich nicht von hier, meine Herren? Ich bin in einem Augenblick wieder bei Ihnen.« Er ließ bei diesen Worten den Arm Valefs fahren, um ein Individuum aufzusuchen, dem er seit mehreren Momenten mit der größten Aufmerksamkeit gefolgt war, und das mittelst seiner Körperkraft sich mit zweien in seinen Armen hängenden Frauenzimmern bis zu dem Gitter Raum gebahnt hatte.

»Capitain Roquefinette,« sprach Harmental, indem er dem erwähnten Individuum auf die Schulter klopfte, »ich möchte gerne zwei Worte mit Ihnen unter vier Augen sprechen.«

»Vier, wenn Sie wollen, erwiderte der Capitain, indem er die Arme einer beiden Begleiterinnen fahren ließ.«

»Erwartet mich hier, ihr Kleinodien meiner Seele! sollte Euch Jemand ein Leid zufügen, so gebt mir nur einen Wink, ich bleibe hier ganz in der Nähe. »Jetzt bin ich zu Ihren Diensten, Chevalier,« fuhr er fort, indem er diesen bei Seite zog, »ich habe Sie schon seit einigen Minuten bemerkt, aber es war für mich nicht rathsam, Sie zuerst anzureden.«

»Ich ersehe daraus mit Vergnügen, daß der Capitain Roquefinette noch immer vorsichtig ist, versetzte Harmental, jetzt wollte ich Sie nur fragen, ob Sie noch immer an demselben Orte zu finden sind, falls ich Ihrer plötzlich bedürfen sollte?«

»Allerdings Chevalier,« erwiderte der Capitain, nur wohne ich jetzt im fünften Stockwerk, statt

früher im zweiten, wenn meine Actien fallen, so steige ich.«

»Wie,« lächelte Harmental, indem er die Hand zu einer Westentasche führte, »Sie sind geniert, und Sie wenden sich nicht an Ihre Freunde?«

»Ich Geld leihen,« entgegnete der Capitain, indem er die Hand des Chevaliers aufhielt, »si donc!« Ja, wenn ich Jemand einen Dienst geleistet habe, und er mir dafür ein Geschenk macht, dann ist es ein Anderes. Aber ich sehe, meine Dämchen werden ungeduldig. Auf Wiedersehen also? Wenn Sie meiner bedürfen, so wissen Sie, wo ich zu finden bin. Und ohne weiter auf Harmentals Antwort zu warten, eilte er den Mädchen nach.

Da es indeß erst elf Uhr Vormittags war, und das Lit de Justice bis vier Uhr Nachmittags dauern konnte, so begriff der Chevalier, daß er besser thun würde, die Stunden bis dahin seiner Liebe, als dem nutzlosen Gaffen zu widmen; überhaupt, je mehr er sich einer Catastrophe, diese mochte nun ausfallen, wie sie wollte, näherte, je mehr fühlte er das Bedürfniß, Bathilde zu sehen. Bathilde war ein Element seines Lebens, ein zu einer Existenz nothwendiges Organ geworden, und in dem Augenblick, in welchem er von ihr vielleicht auf immer getrennt werden sollte, begriff er nicht, wie er ohne sie auch nur einen einzigen Tag leben könne. Er begab sich demnach auch, ohne sich weiter um seine Gefährten zu bekümmern, wieder nach der Rue du Temps perdu.

Harmental fand die arme Bathilde in der größten Unruhe. Buvat war seit gestern neun ein halb Uhr nicht wieder erschienen; Nanette hatte sich auf der Bibliothek nach ihm erkundigt, aber zu ihrem Schrecken erfahren, daß er sich dort seit fünf bis sechs Tagen gar nicht gezeigt habe. Eine solche Abweichung von seinen bisherigen Gewohnheiten verkündete etwas ganz Außerordentliches. Auf der andern Seite hatte die liebliche Bathilde an Harmental eine gewisse fieberhafte Unruhe wahrgenommen, die auf irgend eine ernste Crisis deutete; und so war es ihr, als ob eine schwere Gewitterwolke über ihrem Haupte schwebe, die sich jeden Augenblick ihres furchtbaren Inhalts, Verderben bringend, entladen konnte,

So wie sie aber den Geliebten erschaute, tauchte jede Besorgniß für die Zukunft in die Wonne der Gegenwart unter. Sie konnte indeß nicht umhin, ihre Angst um Buvat zu äußern, so daß bei Harmental, durch das Ausbleiben desselben, jetzt wieder ein Verdacht geweckt ward, der bereits früher bei ihm erstiegen war, den er aber stets wieder verbannt hatte.

Es schlug vier Uhr, als die Liebenden kaum eine Stunde bei einander zugebracht zu haben vermeinten. Es war dies gemeinhin die Zeit, in welcher sie gewöhnlich von einander schieden. Nach tausend Schwüren der Liebe trennten sie sich, nachdem sie zuvor übereingekommen waren, zu jeder Zeit, es say Tag oder Nacht, einander zu benachrichtigen, so wie sich etwas Neues zutragen sollte.«

Vor dem Hause der Madame Denis traf Harmental den Abbé Brigaud. Das Lit de Justice war beendigt, man wußte noch nichts Bestimmtes, aber das Gerücht verkündete, daß furchtbare Maßregeln getroffen worden. Uebrigens mußten sichere Nachrichten sofort eingehen, denn Brigaud hatte mit Pompadour und Malezieux eine Zusammenkunft bei Harmental verabredet, dessen entlegene und unbekannte Wohnung dazu am geeignetsten war.

Nach einer Stunde erschien auch wirklich der Marquis von Pompadour. Das Parlament hatte sich anfangs widersetzen wollen, aber endlich hatte sich Alles unter den Willen des Regenten gebeugt. Die Briefe des Königs von Spanien waren verlesen und verworfen worden, worauf man entschied, daß die Herzöge und Pairs gleich nach den Prinzen von Geblüt den Rang einnehmen sollten. Die Auszeichnung der legitimen Prinzen war auf ihre Pairs würde beschränkt. Dem Herzoge von Maine ward die Oberintendanz der Erziehung des Königs genommen, welche man dem Herzoge von Bourbon übertrug, dem Grafen von Toulouse allein, waren während seiner Lebenszeit eine bisherigen Vorrechte gelassen worden.

Malezieux langte darauf gleichfalls an; er kam so eben von der Herzogin. Noch während der Sitzung hatte man ihr angedeutet, ihre Wohnung in den Tuilerien zu verlassen. Eine solche Beleidigung hatte, wie man sich leicht denken kann, die Enkelin des großen Condé außer sich gebracht. Sie war in einen solchen Zorn gerathen, daß sie mit eigener hoher Hand die Spiegel zerschlug, und die Mobilien zum Fenster hinauswerfen ließ. Darauf hatte sie sich in ihren Wagen geworfen, nachdem sie Laval nach ihrem Gemahl gesandt, um denselben zu irgend einer kräftigen That anzuspornen, und Malezieux beauftragt hatte, alle ihre Freunde noch in dieser Nacht in das Arsenal zu bescheiden.

Pompadour und Brigaud hielten diese Zusammenkunft für höchst unvorsichtig. Frau von Maine ward ohne Zweifel scharf beobachtet; sie schlugen daher vor, die Herzogin zu ersuchen, einen andern Ort zur Zusammenkunft zu bestimmen; Malezieux und Harmental theilten diese vernünftige Ansicht, waren aber der Meinung, daß: je größer die Gefahr, je größer auch die Ehre say.

Noch besprach man sich in dieser Rücksicht, und zwar ziemlich lebhaft, als man plötzlich die Schritte zweier Personen vernahm, welche die Treppe herauf. Die Thür öffnete sich und herein traten ein Soldat der französischen Garde und eine Grisette. – Der Soldat war der Baron von Valef – die Grisette hob den kleinen schwarzen Spitzen – Schleier, der ihr Antlitz bedeckte, und man erkannte in ihr – die Frau Herzogin von Maine.

Žanrid ja sildid
Vanusepiirang:
0+
Ilmumiskuupäev Litres'is:
06 detsember 2019
Objętość:
440 lk 1 illustratsioon
Õiguste omanik:
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