Loe raamatut: «Fiskalstrafrecht», lehekülg 14

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3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › III. Beteiligte öffentliche Institutionen › 7. Berufsspezifische Institutionen (Kammern)

7. Berufsspezifische Institutionen (Kammern)

33

Richten sich die Ermittlungen in einem Wirtschaftsstrafverfahren gegen Angehörige eines freien Berufes, die einer berufsständischen Kammer angehören, so leiten diese Kammern in der Regel parallel ein berufsständisches Verfahren ein. Diese Verfahren sind für den Betroffenen (ebenfalls) von erheblicher Bedeutung, da diese schlimmstenfalls dazu führen können, dass dem Betroffenen die Berufsausübung untersagt wird.

a) Rechtsanwaltskammer

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Die Rechtsanwaltskammer ist ein örtlicher Zusammenschluss von Rechtsanwälten. Der Bezirk einer Kammer entspricht hierbei dem des jeweiligen Oberlandesgerichts oder eines Teils desselben. Die Rechtsanwaltskammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Einzelheiten ihrer Aufgaben und Befugnisse ergeben sich aus der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Nach § 36 BRAO ermittelt die Rechtsanwaltskammer in Zulassungssachen Auskünfte aus dem Bundeszentralregister oder von Gerichten und Behörden. Die BRAO sieht außerdem ein berufsgerichtliches Verfahren vor.

35

Ist gegen einen Rechtsanwalt, der einer Verletzung seiner Pflichten beschuldigt wird, wegen desselben Verhaltens die öffentliche Klage im strafgerichtlichen Verfahren erhoben, so kann gegen ihn ein anwaltsgerichtliches Verfahren zwar eingeleitet, muss aber bis zur Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden; § 118 BRAO.

36

Die Staatsanwaltschaft und der Vorstand der Rechtsanwaltskammer unterrichten sich gegenseitig, sobald sie von einem Verhalten eines Rechtsanwalts Kenntnis erlangen, das den Verdacht einer schuldhaften Verletzung seiner Pflichten, die mit einer der anwaltsgerichtlichen Maßnahmen nach § 114 Abs. 1 Nr. 3–5 BRAO geahndet werden kann, begründet; § 120a BRAO.

37

Nach Nr. 23 MiStra sind in Strafsachen gegen Angehörige von rechtsberatenden Berufen Mitteilungen an die zuständigen Stellen zu machen. Mitzuteilen sind der Erlass und der Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls, die Entscheidung, durch die ein vorläufiges Berufsverbot angeordnet oder ein solches aufgehoben worden ist, die Erhebung der öffentlichen Klage, die Urteile sowie ggf. der Ausgang des Verfahrens.

b) Wirtschaftsprüferkammer

38

Die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Hauptgeschäftsstelle in Berlin. Zu ihren Mitgliedern zählen sämtliche Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften in Deutschland. Mitglieder der WPK sind außerdem gesetzliche Vertreter von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften, die nicht persönlich Berufsangehörige sind. Eine freiwillige Mitgliedschaft kommt für genossenschaftliche Prüfungsverbände, Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände und überörtliche Prüfungseinrichtungen für öffentliche Körperschaften in Betracht.

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Die gesetzlichen Aufgaben der WPK sind nach § 57 Wirtschaftsprüferordnung (WPO) unter anderem die Berufsaufsicht mit der Zuständigkeit für die Ermittlung und Ahndung der Fälle mit dem Vorwurf geringer bis mittelschwerer Schuld sowie mit einer Ermittlungspflicht auch in den übrigen Fällen sowie die Bestellung von Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern sowie die Anerkennung und der Widerruf von Wirtschaftsprüfungs- und Buchprüfungsgesellschaften.

40

§ 65 WPO sieht eine gegenseitige Unterrichtungspflicht von WPK und Staatsanwaltschaft vor. Soweit die WPK Kenntnis von Tatsachen erhält, die den Verdacht begründen, dass Berufsangehörige Straftaten im Zusammenhang mit der Berufsausübung begangen haben, so teilt sie diese der zuständigen Staatsanwaltschaft mit. Andererseits ist die Staatsanwaltschaft nach § 65 Abs. 2 WPO verpflichtet, der Abschlussprüferaufsichtsstelle Mitteilung zu machen, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erhält, die den Verdacht einer schuldhaft begangenen berufsaufsichtlichen Maßnahme nach § 68 Abs. 1 WPO rechtfertigenden Pflichtverletzung begründen. Soweit die Mitteilung den Zuständigkeitsbereich der WPK betrifft, leitet die Abschlussprüferaufsichtsstelle die Mitteilung an die WPK weiter. Für die WPK gelten nach Nr. 24 MiStra dieselben Mitteilungspflichten wie für Steuerberater (dazu sogleich).

c) Steuerberaterkammer

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Die Steuerberaterkammer ist die örtlich zuständige Berufsvereinigung für Steuerberater. Die Kammern sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. In Deutschland gibt es derzeit 21 Steuerberaterkammern, die zusammen die Bundessteuerberaterkammer bilden. Nach §§ 10 und 10a Steuerberatungsgesetz bestehen Mitteilungspflichten über Pflichtverletzungen und andere Informationen sowie über den Ausgang eines Bußgeldverfahrens wegen unbefugter Hilfeleistung in Steuersachen. Nach Nr. 24 MiStra ist in Strafsachen gegen bestimmte Berufe des Wirtschaftslebens, wie auch Steuerberater und Steuerbevollmächtigte, Mitteilung zu machen, wenn der Tatvorwurf auf eine Verletzung von Pflichten schließen lässt, die bei der Ausübung des Berufs zu beachten sind, oder er in anderer Weise geeignet ist, Zweifel an der Eignung, Zuverlässigkeit oder Befähigung hervorzuheben. Mitzuteilen sind dieselben Ereignisse wie bereits bei den Rechtsanwaltskammern ausgeführt.

3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › III. Beteiligte öffentliche Institutionen › 8. Gericht

8. Gericht

42

Während des Ermittlungsverfahrens ist der Ermittlungsrichter zuständig und tätig. Er ordnet strafprozessuale Zwangsmaßnahmen wie die Durchsuchung oder die Beschlagnahme an. Zuständig ist der Ermittlungsrichter an dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat; § 162 Abs. 1 S. 1 StPO. Dieses Gericht ist auch für den Erlass eines Haftbefehls zuständig, wobei daneben gem. § 162 Abs. 1 S. 2 StPO nach der allgemeinen Vorschrift des § 125 StPO die Zuständigkeit bestimmter Amtsgerichte möglich ist. So kommt gem. § 125 Abs. 1 i.V.m. § 7 StPO auch die Zuständigkeit desjenigen Gerichts in Betracht, in dessen Bezirk die Tat begangen worden ist.[1]

43

Im Zwischen- und Hauptverfahren entscheidet in Wirtschaftsstrafsachen regelmäßig als besondere Strafkammer die Wirtschaftsstrafkammer gem. § 74c GVG. Bei bestimmten Straftatbeständen des Wirtschaftsstrafrechts ist diese unmittelbar funktionell zuständig, so insbesondere bei Steuerhinterziehung und Bankrott; § 74c Abs. 1 Nr. 1–5a GVG.

44

Für Betrug und Untreue und die weiteren in § 74c Abs. 1 Nr. 6 GVG angeführten Delikte ist seitens der Staatsanwaltschaft dann Anklage zu der Wirtschaftsstrafkammer zu erheben, wenn zur Beurteilung des Falles besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind. Eine Begründung dieser Einschätzung soll durch die Staatsanwaltschaft nach Nr. 113 Abs. 2 S. 2 RiStBV zu den Akten gegeben werden.[2] Kommt diese zu der Erkenntnis, dass es keinerlei besonderer Kenntnisse der Wirtschaftsstrafkammer bedarf, so richtet sich die sachliche Zuständigkeit nach den allgemeinen Vorschriften.

45

Gesondert ist hier noch auf § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG hinzuweisen. In Verfahren, in denen die Strafgewalt des Amtsgerichts grds. ausreichen würde, kann sie dennoch wegen des besonderen Umfangs oder wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage zur großen Strafkammer beim Landgericht erheben.

Anmerkungen

[1]

Müller-Gugenberger/Bieneck/Niemeyer § 11 Rn. 12.

[2]

Müller-Gugenberger/Bieneck/Niemeyer § 12 Rn. 10.

3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › IV. Besonderheiten in Wirtschaftsstrafverfahren

IV. Besonderheiten in Wirtschaftsstrafverfahren

3. Kapitel Verfahren bei Wirtschaftsdelikten › IV. Besonderheiten in Wirtschaftsstrafverfahren › 1. Materiell-rechtliche Besonderheiten (Auswahl)

1. Materiell-rechtliche Besonderheiten (Auswahl)

a) Organe und Vertreter; § 14 StGB

46

Im Wirtschaftsstrafrecht von besonderer Bedeutung ist die Regelung des § 14 StGB. Regelungsgegenstand ist die Organ- und Vertreterhaftung innerhalb von Delikten, die ausdrücklich oder nach Sachzusammenhang ein besonderes Tätermerkmal voraussetzen. Die Vorschrift unterscheidet hierbei zwischen der Zurechnung des Handelns von Organen und Vertretern nach § 14 Abs. 1 StGB und des Handelns von Beauftragten nach § 14 Abs. 2 StGB.

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 steht das Unternehmen dem Betrieb gleich. Daraus folgt eine Organ-, Vertreter- und Beauftragtenhaftung welche eine Strafbarkeitslücke im Rahmen der Sonder- und Pflichtdelikte schließt, die aus dem Umstand folgt, dass in denjenigen Fällen, in denen das Unternehmen selbst Normadressat ist, dieses sich als rein juristische Person oder Personenvereinigung mangels deutschem Verbandsstrafrecht nicht strafbar machen kann.

47

Nach überwiegend vertretener Ansicht stellt § 14 StGB danach einen Fall der „Verantwortungsverschiebung nach unten“[1] dar.[2] Von Bedeutung ist insbesondere § 14 Abs. 3 StGB. Danach sind die Abs. 1 und 2 auch für den Fall bestimmt, dass die Rechtshandlung, die die Vertretungsbefugnis bzw. das Auftragsverhältnis begründen sollte, zivilrechtlich unwirksam ist.[3]

48

Mit dieser Regelung wird die Figur des faktischen Geschäftsführers anerkannt und einem regulären Geschäftsführer unter bestimmten Voraussetzungen gleichgestellt. Die faktische Geschäftsführung setzt schließlich voraus, dass durch den faktischen Geschäftsführer der Tätigkeitsbereich mit dem Einverständnis oder zumindest der Duldung des primären Normadressaten absolviert wird.[4] Dabei muss der faktische Geschäftsführer selbst die Geschicke der Gesellschaft allein bestimmen oder jedenfalls eine dominierende Rolle einnehmen.[5]

b) Kollegialentscheidungen

49

Entscheidungen im Wirtschaftsleben, die auch strafrechtliche von erheblicher Bedeutung sein können, ergehen häufig im Kollektiv (bspw. Geschäftsführung, Vorstand oder Aufsichtsrat).[6] Im Rahmen von sog. Kollegial- oder Gremienentscheidungen[7] stellt sich häufig die Frage, wie einem Mitstimmenden die von allen getroffene Mehrheitsentscheidung zuzurechnen ist. Problematisch ist insoweit, ob die Gegenstimme strafrechtlich entlasten kann, oder etwa der Einwand, dass die eigene Stimme letztlich als Minderheit ohne Relevanz gewesen wäre, weil die Mehrheit für den deliktischen Erfolg auch ohne diese bestanden hätte. Verortet wird dieses Problem im Rahmen der strafrechtlichen Zurechnung.

50

Die Rechtsprechung befasste sich erstmals 1990 in der sog. „Ledersprayentscheidung“[8] mit dieser Problematik. Gegenstand war eine Sondersitzung der Geschäftsführer des Unternehmens, in der entschieden wurde, dass die Anordnung eines Vertriebsstopps oder Rückrufaktion nicht in Betracht gezogen werden müsse. Hierzu wurde höchstrichterlich ausgeführt: Hätten in einer GmbH mehrere Geschäftsführer gemeinsam über die Anordnung des Rückrufs zu entscheiden, so sei jeder Geschäftsführer verpflichtet, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um diese Entscheidung herbeizuführen. Beschlössen die Geschäftsführer einer GmbH einstimmig, den gebotenen Rückruf zu unterlassen, so hafteten sie für die Schadensfolgen dieser Unterlassung als Mittäter. Jeder Geschäftsführer, der es unterlasse, seinen Beitrag zum Zustandekommen der Rückrufentscheidung zu leisten, setze eine Ursache für das Unterbleiben der gebotenen Maßnahme. Dies begründe seine strafrechtliche Haftung auch dann, wenn seine Gegenstimme am Widerstand der anderen Geschäftsführer gescheitert wäre.[9] Hieraus folgt, dass den Angaben des verantwortlichen Vorstandsmitglieds zwar grds. gefolgt und darauf (strafrechtlich entlastend) vertraut werden kann, der Grundsatz der Generalverantwortung allerdings dann greift, wenn es sich um Sachverhalte handelt, die für das gesamt Unternehmen von grundlegender Bedeutung sind, d.h. das Unternehmen „als Ganzes“ betroffen ist.[10]

51

Darüber hinaus wurde 1994 erstmals höchstrichterlich die Figur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft anerkannt.[11] Danach kommt eine Strafbarkeit als mittelbarer Täter für denjenigen in Betracht, der sich einer Organisationsstruktur bedient, die die unbedingte Ausführung seiner Befehle garantiert. Dies soll auch dann gelten, wenn der handelnde Tatmittler dabei uneingeschränkt verantwortlich handelt.[12] Diese Rechtsprechung ist gegebenenfalls unter strengen Voraussetzungen auch auf die Organisationsstruktur eines Unternehmens übertragbar.[13] Im Jahr 2000 nahm der Bundesgerichtshof zur strafrechtlichen Verantwortungsverteilung in Bankgremien bei Kreditvergaben Stellung. Werde die Entscheidung über eine Kreditvergabe von einem mehrköpfigen Gremium getroffen, so kämen auch im Falle des Einstimmigkeitsprinzips unterschiedliche Verantwortlichkeiten der Beteiligten in Betracht. So dürfe sich beispielsweise ein Bankleiter regelmäßig auf den Bericht des zuständigen Vorstandsmitglieds oder Sachbearbeiters verlassen, soweit keine Zweifel oder Unstimmigkeiten ersichtlich seien. Einer eigenen Nachprüfung bedürfe es ansonsten nur bei Kreditvergaben, die ein existenzielles Risiko für die Bank bedeuten könnten.[14]

52

In der Mannesmann/Vodafone-Entscheidung machte das Landgericht Düsseldorf 2004 Ausführungen zu der Verantwortlichkeit eines sich enthaltenden Organmitglieds.[15] Hierbei könne es dahinstehen, ob eine Enthaltung grds. als kausal für das Zustandekommen eines Beschlusses angesehen werden könne, denn jedenfalls im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, da das Gremium ohne eine Teilnahme des betreffenden Organmitglieds an der Beschlussfassung nicht beschlussfähig gewesen wäre und sich das enthaltende Mitglied zudem nicht gegen den Inhalt der Entscheidung habe stellen wollen. Nach Ansicht des BGH entsprach die Enthaltung des Arbeitnehmervertreters objektiv wie auch subjektiv im Ergebnis einer „Ja-Stimme“, die mit Rücksicht auf seine Stellung als Arbeitnehmervertreter lediglich nach außen hin nicht erkennbar sein sollte.[16]

53

Zusammenfassend kann demnach festgestellt werden, dass derjenige, der an einer Gremienentscheidung teilnimmt und einem Beschluss mit strafrechtlich relevantem Inhalt zustimmt, hierfür strafrechtlich infolge der mittäterschaftlichen Zurechnung der Beschlussfassung verantwortlich ist. Dabei bleibt unberücksichtigt, ob für die Entscheidung mehr Stimmen abgegeben wurden, als dies gesellschaftsrechtlich erforderlich gewesen wäre.

54

Ein überstimmtes Mitglied kann hingegen wegen seiner bloßen Abstimmungsmitwirkung mangels Schaffung eines unerlaubten Risikos nicht durch individualisierendes Zuschreiben einer Kollektivverantwortung des Gesamtgremiums für Folgen des rechtswidrigen Beschlusses verantwortlich gemacht werden.[17] Voraussetzung ist, dass der Betroffene in der Gremiensitzung seine Stimme gegen den Beschluss erhoben hat und hierbei alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um einen Beschluss mit den strafrechtlichen Folgen zu verhindern.[18] Bei der Beurteilung der Stimmenthaltung begründet diese zunächst keinen Tatbeitrag im Sinne eines positiven Tuns. In Betracht kommt hingegen ein garantenpflichtwidriges Unterlassen, da das sich der Stimme enthaltende Mitglied seine Pflicht, im Rahmen des Beschlussverfahrens alles Mögliche und Zumutbare zur Verhinderung des strafrechtlichen Erfolges getan zu haben, verletzt.[19]

c) Schadensbestimmung

55

Maßgeblich sowohl bei der Frage, ob überhaupt ein strafbares Verhalten vorliegt,[20] als auch bei der Frage, in welchem Umfang eine Schädigung eingetreten ist, ist die Schadensbestimmung.[21] Diese ist häufig umstritten und Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die zentralen Punkte sollen nachfolgend kurz beleuchtet werden.

56

Es entspricht der herrschenden Auffassung, dass der Vermögensnachteil i.S.d. § 266 StGB (Untreue) dem Schaden des § 263 StGB (Betrug) entspricht.[22] In diesem Zusammenhang ergaben sich in der Vergangenheit erhebliche Unstimmigkeiten über die Ermittlung des jeweiligen Vermögensschadens. Unter anderem wurde die Einhaltung des verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 2 GG verorteten Bestimmtheitsgebots in Zweifel gezogen. Dem ist das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 10.3.2009[23] und vom 23.6.2010[24] nur sehr eingeschränkt gefolgt. Selbst die sog. schadensgleiche Vermögensgefährdung wurde als Rechtsfigur aufrechterhalten.

57

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH. . . ergibt [grds.] ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist.[25] Eine solche Nachteilsermittlung beinhaltet also, dass zunächst – auf einer geldwerten Bemessungsgrundlage – Vor- und Nachteile einer Handlung gegenübergestellt werden und sich hieraus eine Inkongruenz ergeben muss.[26]

58

Durch das Bundesverfassungsgericht wurden die Anforderungen an den Nachweis des Nachteils konkretisiert. Formulierungen wie die aufs Äußerste gesteigerte Verlustgefahr“ oder das Handeln nach Art eines Spielers sind als Begründung für das Merkmal des Vermögensnachteils nunmehr unzureichend. Vielmehr bedarf es einer konkreten Ermittlung des Vermögensschadens. Der Vermögensnachteil muss dem Grunde und der Höhe nach in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise konkret anhand anerkannter Berechnungsmethoden festgestellt werden. Zur Ermittlung des Mindestwerts bedarf es erforderlichenfalls der Hinzuziehung eines Sachverständigen.[27]

59

Die Annahme eines Vermögensnachteils scheidet auch dann aus, wenn der Vermögensverlust unmittelbar durch die treuwidrige Handlung kompensiert wurde.[28] Dies ist der Fall, wenn Nachteile, die durch die Untreuehandlung eingetreten sind, durch erlangte Vorteile gleichfalls wieder ausgeglichen werden. Der Vermögenszuwachs muss hierbei eine wirtschaftlich vollwertige Kompensation darstellen.[29] Davon ist auszugehen, wenn der Geschäftsherr im Rahmen eines treuwidrigen Austauschvertrags für sein Vermögensopfer eine gleichwertige Gegenleistung erhält, oder er infolge der treuwidrigen Erfüllung einer Schuld – unabhängig von der Durchsetzbarkeit der Forderung – von einer Verbindlichkeit befreit wird, oder wenn ohne einen rechtlich begründeten Anspruch künftige Vorteile dergestalt zu erwarten sind, dass mit Wahrscheinlichkeit ein Vermögenszuwachs eintreten wird.[30]

60

Die schadensgleiche Vermögensgefährdung[31] stellt einen vollendeten Schadenseintritt dar, in Form der konkreten Gefährdung des Gesamtvermögenswerts. Nach wirtschaftlicher Betrachtung liegt danach zwischen Gefährdung und Schaden nur ein quantitativer Unterschied und die Entstehung des endgültigen Schadens stellt einen prozesshaften und sukzessiven Vorgang dar.[32] Ein Gefährdungsschaden ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts so groß ist, dass dies schon gegenwärtig eine objektive Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat.[33]

Anmerkungen

[1]

Tiedemann § 4 Rn. 241a.

[2]

Momsen/Grützner/Rotsch Wirtschaftsstrafrecht, 2013, 1. Kap. B. Rn. 58.

[3]

Momsen/Grützner/Rotsch Wirtschaftsstrafrecht, 2013, 1. Kap. B. Rn. 59.

[4]

Wabnitz/Janovsky/Dannecker/Bülte 1. Kap. Rn. 42 f.

[5]

Fischer § 14 Rn. 18.

[6]

Matt/Renzikowski § 266 Rn. 111 ff.

[7]

Grundlegend hierzu: MK-StGB/Dierlamm 2. Aufl. 2014, § 266 Rn. 288 ff.

[8]

BGHSt 37, 106 ff., 129 m. Anm. Schmidt-Salzer NJW 1990, 2966.

[9]

BGHSt 37, 106, 107.

[10]

Matt/Renzikowski § 266 Rn. 111 unter Hinweis auf BGHSt 37, 106, 123 f.

[11]

BGHSt 40, 218.

[12]

Vgl. hierzu MK-StGB/Dierlamm 2. Aufl. 2014, § 266 Rn. 290.

[13]

Zum Sonderproblem der systematisch unzureichenden Risikoerfassung vgl. Feigen FS Rudolphi, S. 445, 455.

[14]

BGHSt 46, 30, 35.

[15]

LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3276.

[16]

BGH NStZ 2006, 214.

[17]

Schönke/Schröder/Schuster/Sternberg-Lieben 29. Aufl. 2014, § 15 Rn. 218 m.w.N.

[18]

S. BGHSt 37, 106, 131 f.; näher hierzu MK-StGB/Dierlamm 2. Aufl. 2014, § 266 Rn. 297.

[19]

MK-StGB/Dierlamm 2. Aufl. 2014, § 266 Rn. 298.

[20]

Insb. bei allen (reinen) Vermögensdelikten wie bspw. §§ 263, 266 StGB etc.

[21]

Vgl. hierzu insgesamt: Rettenmaier/Reichling Bankstrafrecht, § 3 Rn. 157 ff.

[22]

Fischer StGB, § 266 Rn. 110.

[23]

BVerfG NJW 2009, 2370.

[24]

BVerfG NJW 2010, 3209.

[25]

BGHSt 16, 220, 221.

[26]

Volk/Beukelmann § 18 Rn. 98.

[27]

BVerfGE 126, 170; vgl. MK-StGB/Dierlamm 2. Aufl. 2014, § 266 Rn. 13 f.

[28]

BGH NStZ 1986, 455, 456; Schönke/Schröder/Perron 29. Aufl. 2014, § 266 Rn. 41.

[29]

BGHSt 31, 232, 243; 40, 287, 295; 43, 293, 297.

[30]

MK-StGB/Dierlamm 2. Aufl. 2014, § 266 Rn. 206 m.w.N.

[31]

Vgl. dazu auch: Matt/Renzikowski § 266 Rn. 10; kritisch zur Figur der schadensgleichen Vermögensgefährdung u.a. BGHSt 53, 199 ff.

[32]

Fischer § 263 Rn. 156.

[33]

BGHSt 48, 331, 346.