Loe raamatut: «Fiskalstrafrecht», lehekülg 5

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Anmerkungen

[1]

Abrufbar unter www.steuerzahler.de/files/41470/Haushaltsuntreue_Internet.pdf (Stand 14.8.2018).

[2]

BVerfG 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 ff.

[3]

Vgl. Dannecker FS Kirchhof, S. 1809, 1816 m.w.N.; vgl. auch Singelnstein MschKrim 98 (2015) 48, 56 ff.

[4]

Vgl. Tipke Steuerrechtsordnung Band III, S. 1697 ff.; 1713 f.; Dannecker FS Kirchhof, S. 1809, 1816 f.

[5]

Vgl. Bülte Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 809 ff. m.w.N.; ders. GA 2018, 35 ff.; vgl. auch Singelnstein MschKrim 98 (2015) 48, 57.

[6]

Tipke Steuerrechtsordnung Band III, S. 1701.

[7]

Schünemann Gutachten, S. 90 ff.

[8]

Dannecker FS Kirchhof, S. 1809, 1817.

[9]

Leitner/Dannecker Finanzstrafrecht 2012, S. 61, 63.

[10]

Zur Umgehungshandlung Dannecker FS Kirchhof, S. 1809, 1817 f. m.w.N.

[11]

EuGH MwStR 2015, 87 ff. m. Anm. Grube; vgl. auch Wäger UR 2015, 81 ff.; vgl. aber auch EuGH MWStR 2018, 551.

[12]

Vgl. nur Wabnitz/Janovsky/Dannecker/Bülte Kap. 2 Rn. 133 ff.

[13]

ABlEU v. 28.7.2017, Nr. L 198/29.

[14]

VO (EU) 2017/1939 des Rates vom 12.10.2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStAEU), ABlEU Nr. L 283/1 v. 31.7.2017.

[15]

Eine Pressemitteilung der Landesregierung NRW vom 6.5.2013 nennt einen Betrag von 160 Mrd. €, der den staatlichen Haushalten in Deutschland jährlich durch Steuervermeidung und Steuerhinterziehung verloren gehe; Brigitte Unger von der Hans Böckler Stiftung spricht von 100 Mrd. im Jahr (www.boeckler.de/41281_41291.htm; Stand 14.8.2018).

[16]

The Cost of Tax Abuse; abrufbar unter www.taxjustice.net/wp-content/uploads/2014/04/Cost-of-Tax-Abuse-TJN-2011.pdf.

[17]

Dannecker FS Kirchhof, S. 1809.

[18]

Rühl „Die Macht der Warlords“, Radiofeature, WDR v. 27.3.2011.

[19]

Vgl. zum Hintergrund und der Strafbarkeit in diesem Zusammenhang Adick DB 2016, 1214; Schuhr NZWiSt 2017, 265 ff.

[20]

Vgl. auch Beckschäfer ZRP 2017, 41 ff.

[21]

So Daubenberger/Rohrbeck/Salewski/Schröm Zeit v. 14.6.2017, Wirtschaft S. 25.

1. Kapitel Einleitung: Vom Nutzen einer einheitlichen Darstellung des „Fiskalstrafrechts“ › B. Die Verschärfung des Steuerstrafrechts durch Gesetzgeber, BGH und Steuerverwaltung

B. Die Verschärfung des Steuerstrafrechts durch Gesetzgeber, BGH und Steuerverwaltung

11

Schünemann hat in einem Gutachten (2011) die Entwicklung der Verfolgung der Steuerstraftaten in den letzten 30 Jahren betrachtet und dabei festgestellt, dass in der Zeit zwischen 1995 und 2011 die Steuerhinterziehung deutlich strenger verfolgt worden ist. Es lohnt sich diesen „historischen Teil“ des Gutachtens (S. 7 ff.) hier kurz zu paraphrasieren, weil Schünemann die einzelnen Säulen aufzeigt, auf denen die Gesamtverschärfung des Steuerstrafrechts ruht.

12

Der auf den Steuerpflichtigen lastende Sanktionsdruck habe sich potenziert.[1] Das lasse sich zunächst an der Verfolgung von Steuerhinterziehungen im Zusammenhang mit „ausländischem Schwarzgeld“ deutlich ablesen; die Verschärfung sei durch eine entsprechende Rechtsprechung vorbereitet und von eine[r] extreme[n] Verschärfung in der Verfolgungspraxis begleitet worden. Während von der Seite des Tatbestandes der Steuerhinterziehung Ausweitungen durch neue Regelbeispiele und die Erstreckung der Strafverfolgung auf Auslandstaten gegen Unionssteuern erfolgt seien,[2] habe der Gesetzgeber – inspiriert durch die BGH-Entscheidung vom 20.5.2010 – die Selbstanzeige drastisch eingeschränkt. Hier wird auf die Ausweitung der Sperrgründe einerseits und die Beschränkung der strafbefreienden Selbstanzeige auf (zunächst) 50.000 € durch das Schwarzgeldbekämpfungsgesetz vom 28.4.2011[3] eingegangen. Bekanntlich hatte diese Entwicklung im Jahr 2011 nur eine Zwischenetappe und zum 1.1.2015 mit einer Vielzahl weiterer Änderungen ihren wohl nur vorläufigen Höhepunkt erreicht.[4] Mit dem Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 22.12.2014[5] wurden die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige ein weiteres Mal geändert. Insbesondere wurde der Grenzbetrag, bei dessen Überschreitung die Strafbefreiung ausscheidet und nur noch ein Verfolgungsverbot herbeigeführt werden kann, von 50.000 auf 25.000 € gesenkt sowie der Berichtigungszeitraum auf zehn Jahre verlängert.[6] Als Reaktion auf die Enthüllungen durch die Panama-Papers wurde zudem ein neues Regelbeispiel in § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 6 AO eingeführt. Danach liegt nunmehr ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vor, wenn der Täter eine Drittstaat-Gesellschaft (§ 138 Abs. 3 AO) zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.[7]

13

Ferner skizziert das Gutachten, wie die Rechtsprechung des BGH das Steuerstrafrecht bis zum Jahr 2011 verschärft hat.[8] Bereits in der Entscheidung des BGH vom 2.12.2008 wird die Richtung deutlich, die eine künftige Rechtsprechung zum Steuerstrafrecht nehmen könnte: Steuerstraftaten werden ernster genommen. An der Bestimmung des „großen Ausmaßes“ in § 370 Abs. 3 AO zeigt sich dies besonders deutlich. Durch die Streichung des Merkmals „grober Eigennutz“ aus § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO und die Festsetzung der Wertgrenze für die Steuerhinterziehung „großen Ausmaßes“ auf 50.000 bzw. 100.000 € wurde der Strafrahmen für Steuerhinterziehungen in der Praxis massiv angehoben.[9] Zu § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO a.F. war noch davon die Rede gewesen, unterhalb eines siebenstelligen Betrages könne man nicht von einem besonders schweren Fall ausgehen.[10] Ein weiterer, wenn auch kleinerer, Schritt zu einer Verschärfung des Steuerstrafrechts findet sich in der Entscheidung des BGH vom 17.3.2010 zu § 153 AO,[11] nach der auch die eventual vorsätzlich unrichtige Abgabe in einer Steuererklärung berichtigt werden müsse, um der Strafdrohung des § 370 Abs. 1 AO zu entgehen. Diese Judikatur übt in der Praxis einen erheblichen Druck auf mögliche Berichtigungspflichtige aus. Der bedeutendste Schritt auf dem Weg zu einer Verschärfung des Steuerstrafrechts durch die Rechtsprechung war sicherlich der sog. Selbstanzeigebeschluss des BGH vom 20.5.2010.[12] Hier hat der 1. Strafsenat insbesondere der Möglichkeit der Teilselbstanzeige widersprochen und angeregt, die Selbstanzeige grundsätzlich zu überdenken. Auch wenn diese Entscheidung insbesondere deswegen in Frage gestellt worden ist, weil sie das Prinzip der Rechtssicherheit und den Vertrauensschutz verletzte, ist an der Tatsache nichts mehr zu ändern, dass der BGH den Gesetzgeber auf den Weg zur Verschärfung des Steuerstrafrechts gestoßen hat. In diesem Zusammenhang sind weitere Entscheidungen des BGH zu nennen, die den Weg zu einem schärferen Steuerstrafrecht öffnen, so z.B. der Beschluss zur Strafbarkeit wegen Umsatzsteuerhinterziehung bei Mitwirkung an ausländischen Hinterziehungsstrukturen vom 8.11.2008[13] oder die Entscheidung zum Eintritt der Steuerverkürzung durch gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 10.12.2008.[14] Gefährlich drohte diese Entwicklung zu werden, weil der BGH die Steueranspruchstheorie unter Bezugnahme auf Kommentarliteratur aus Justizkreisen in Frage gestellt hatte. Diese Gefahr dürfte jedoch durch die Entscheidung des BGH vom 24.1.2018[15] zum Vorsatz bei § 266a StGB vorerst gebannt sein (vgl. Kap. 8 Rn. 73 ff.).

14

Auch in der Verwaltung sieht Schünemann eine Entwicklung, wonach zur Verfolgung von Steuerstraftaten verstärkt in ihrer Zulässigkeit umstrittene Mittel wie der Ankauf von Steuerdaten genutzt werden.[16]

Anmerkungen

[1]

Allerdings war das Risiko wegen Steuerhinterziehung strafrechtlich verfolgt zu werden gering und die Gewinnchancen sehr hoch; vgl. Dannecker FS Kirchhof, S. 1809, 1819 f.

[2]

Art. 9 Nr. 10 des Steuerjahresgesetz 2010, vom 8.12.2010, BGBl I 2010, 1768, 1793.

[3]

BGBl I 2011, 676.

[4]

Vgl. zu dieser Entwicklung Bülte ZWF 2015, 52 ff.; ferner Rolletschke/Roth Rn. 3 ff.

[5]

BGBl I 2011, 2415 f.

[6]

Vgl. nur Madauß NZWiSt 2015, 41 ff.; zur Parallelentwicklung in Österreich Leitner/Lehner NZWiSt 2015, 52 ff.

[7]

Vgl. hierzu und zur Kritik Kohlmann/Schauf § 370 Rn. 1126.25 ff.; die besonderen Haftungsformen für bestimmte Marktteilnehmer nach § 22f, 25e UStG ab 1.1.2019 nach dem Jahressteuergesetz 2018 sollen hier außen vor bleiben.

[8]

Vgl. hierzu auch Kuhlen FS Kargl, 2015, S. 297 ff.

[9]

Vgl. BGHSt 53, 71, 79 ff.

[10]

Joecks/Jäger/Randt/Joecks § 370 Rn. 566.

[11]

BGHSt 53, 210 ff.; krit. Tipke/Kruse/Seer § 153 AO Rn. 11 m.w.N.; eingehend Deibel S. 122 ff.

[12]

BGHSt 55, 180 ff.; vgl. statt vieler Adick HRRS 2011, 197 ff.; Bilsdorfer NJW 2012, 1413 ff.; Wulf wistra 2010, 286 ff.

[13]

BGHSt 53, 45 ff.; krit. hierzu Bülte HRRS 2011, 465 ff.

[14]

BGHSt 53, 99 ff.

[15]

BGH NStZ-RR 2018, 180, 182.

[16]

Schünemann Gutachten, S. 12.

1. Kapitel Einleitung: Vom Nutzen einer einheitlichen Darstellung des „Fiskalstrafrechts“ › C. Zur Entwicklung der Bestechungs-, Betrugs- und Untreuestrafbarkeit

C. Zur Entwicklung der Bestechungs-, Betrugs- und Untreuestrafbarkeit

15

Zudem setzte sich seit 1999, aber besonders in den letzten Jahren bei den früher als „nützliche Aufwendungen“ bezeichneten Bestechungsgeldern, die steuerlich geltend gemacht werden konnten,[1] eine deutlich sanktionsfreudigere Auffassung durch; diese Wandlung ist letztlich vor allem auf internationalen Druck zurückzuführen. Die Auslandsbestechung wird ernster genommen, wie auch die Änderungen durch das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 20.11.2015[2] zeigen.[3] Der Blick auf dieses Gesetz macht deutlich, dass die Gebiete des Wirtschaftsstrafrechts, die sich zeitweise scheinbar nebeneinander und mit nur zeitweiligen Berührungspunkten entwickelt haben, zunehmend ineinander greifen; hier können sich Synergieeffekte ergeben. Geldwäsche- und Korruptionsbekämpfung werden mehr und mehr zum Bindeglied der Verfolgung von Straftaten gegen den öffentlichen Haushalt, auf der Einnahmen- und Ausgabenseite.[4]

16

Straftaten gegen den staatlichen Vermögensbestand werden aus zwei Stoßrichtungen begangen, zum einen von außen als Betrugstaten nach §§ 263 ff. StGB, insbesondere im Vorfeld als Subventionsbetrug nach § 264 StGB, und zum anderen von innen, also als Untreuetaten. Die Annäherung der Steuerhinterziehung an den Betrug wird bereits durch die Neuformulierung des § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO deutlich; in diese Vorschrift wurde die Formulierung des Regelbeispiels „großes Ausmaß“ aus dem Betrug durch den Gesetzgeber übernommen. Die Rechtsprechung hat den Grenzbetrag von 50.000 € – unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zum Betrug[5] – grundsätzlich auch auf das Steuerstrafrecht übertragen und damit deutlich gemacht, dass auch dieses Gebiet dem Strafrecht zum Schutz des (staatlichen) Vermögens angehört. Die Perspektive einer gleichermaßen strafbaren Schädigung der öffentlichen Haushalte, sei es durch Vorenthalten von Abgaben einerseits oder durch Erschleichen oder rechtswidriges Verausgaben öffentlicher Mittel andererseits, setzt sich durch und führt zu dem von Schünemann formulierten Ruf nach einem Gleichlauf der Strafbarkeit wegen Angriffen gegen Staatseinnahmen einerseits und durch rechtwidrige Staatsausgaben andererseits. Hier besteht Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Denn Schünemann konstatiert eine drastische Beschränkung der Strafbarkeit im Bereich der Amts- und Haushaltsuntreue und zieht hier den Vergleich zum Steuerstrafrecht heran, um de lege ferenda die Strafbarkeit der Haushaltsuntreue in einer eigenen Vorschrift zu begründen.[6] Sein Verdikt der mangelnden Strafbarkeit der Verschwendung von öffentlichen Mitteln kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Sache eine starke legistische und strafrechtsdogmatische Annäherung zwischen Steuerstrafrecht und Vermögensstrafrecht des StGB stattgefunden hat. Oft hängt es ohnehin nur vom Zufall ab, ob eine Steuerhinterziehung oder eine Betrugstat im weitesten Sinne vorliegt, wenn gegenüber staatlichen Stellen Erklärungspflichten verletzt werden bzw. getäuscht wird, um Vermögensvorteile zu erlangen. Das wird besonders bei Subventionen deutlich; diese werden sowohl in der Form von Steuervorteilen als auch durch unmittelbare staatliche Leistungen gewährt; insofern bestimmt die Gewährungsform die Strafbewehrung durch §§ 370 ff. AO oder durch §§ 263 ff. StGB.

17

Auch die strafrechtsdogmatischen und verfassungsrechtlichen Überlegungen, die im Bereich des allgemeinen Vermögensstrafrechts einerseits und im Steuerstrafrecht andererseits angestellt wurden, sind in beide Richtungen übertragen worden. So wurde nicht nur bei der Untreue die Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen kritisiert,[7] sondern dieser Vorwurf auch im Steuerstrafrecht gegen die Annahme einer Steuerverkürzung durch Erwirken einer gesonderten Feststellung erhoben. In der anderen Richtung wurde die Steueranspruchstheorie als Ausdruck einer allgemeinen Irrtumslehre auch für das übrige Wirtschaftsstrafrecht zur Anwendung gebracht.[8] Das Steuerstrafrecht bewegt sich damit nicht nur in puncto Strafdrohungen auf das allgemeine Vermögensstrafrecht zu.

18

Letztlich ist eine solche Annäherung auch natürlich und sinnvoll; eine für ein Individualgewaltstrafrecht entwickelte Strafrechtsdogmatik kann strukturell weder für das Steuerstrafrecht noch zur Erfassung oftmals hochspezialisiert und organisiert begangener Untreue- und Betrugsstraftaten gegen öffentliche Haushalte passen.[9] Friktionen entstehen hier zwangsläufig, weil der Allgemeine Teil des Strafrechts an den Bedürfnissen des Wirtschaftsstrafrechts vorbei entwickelt worden ist. Die Bewegungen, die derzeit in der Wirtschaftsstrafrechtsdogmatik zu beobachten sind, lassen Ansätze einer Entwicklung erkennen, die überfällig ist: der Entwicklung eines eigenständigen Allgemeinen Teils und allgemeiner Lehren des Wirtschaftsstrafrechts aus dem Besonderen Teil heraus.[10]

Anmerkungen

[1]

Vgl. nur Rotsch/Bülte Criminal Compliance vor den Aufgaben der Zukunft, S. 87 ff.

[2]

BR-Drucks. 25/15.

[3]

Krit. zum neuen § 335a StGB NK-StGB/Kuhlen § 335a Rn. 7 ff.

[4]

Vgl. Rotsch/Bülte Criminal Compliance Handbuch, § 29 Rn. 25 ff.

[5]

BGHSt 53, 71, 81 (Rn. 26): Der Senat ist der Ansicht, dass insoweit vergleichbare Kriterien wie für das wortgleiche Merkmal in § 263 Abs. 3 S. 2 StGB … zur Anwendung kommen müssen.

[6]

Vgl. hierzu auch Tipke Steuerrechtsordnung Band III, S. 1715.

[7]

Vgl. nur Saliger HRRS 2012, 263 ff.; dagegen Bittmann wistra 2013, 1 ff.

[8]

BGH NStZ-RR 2018, 180, 182; vgl. auch Bülte NStZ 2013, 65 ff.

[9]

Vgl. hierzu Baumann JZ 1972, 1 ff.; Tiedemann Gutachten, S. C 51; ferner eingehend Bülte Vorgesetztenverantwortlichkeit, S. 88 f.

[10]

Vgl. Tiedemann Gutachten, S. C 51 ff.

1. Kapitel Einleitung: Vom Nutzen einer einheitlichen Darstellung des „Fiskalstrafrechts“ › D. Entwicklungslinien des europäischen Strafrechts gegen Steuer- und Haushaltsdelikte

D. Entwicklungslinien des europäischen Strafrechts gegen Steuer- und Haushaltsdelikte

19

Die Verwandtschaft von Steuerhinterziehung und Betrugstaten zeigt sich ebenfalls sehr deutlich bei einem Blick über die Grenze. Das beginnt bereits bei der Formulierung von Tatbeständen, die wie in Österreich oder der Schweiz mit der Überschrift Abgaben- oder Steuerbetrug keinen Zweifel an den Parallelen lassen.[1] In Österreich ist diese Entwicklung sehr deutlich geworden, weil der Gesetzgeber in der Reform des Finanzstrafrechts im Jahr 2012 das Steuerstrafrecht im Bereich der Qualifikationen – ähnlich wie in Deutschland – dem Betrugsstrafrecht angepasst hat. Hier lohnt es sich, die Frage zu stellen, ob ein künftiges europäisch harmonisiertes Steuerstrafrecht eher Züge des klassischen Betrugsstrafrechts tragen wird.[2] Noch deutlicher wird dieses Phänomen bei einem Blick auf das ungarische Steuer- und Haushaltsstrafrecht. Dort wurde kürzlich ein einheitlicher Tatbestand des Haushaltsbetrugs (§ 396 ungStGB) geschaffen.[3] Dabei wird in einer einheitlichen Strafvorschrift die Verletzung der öffentlichen Haushalte, sowohl der Ungarns als auch der internationaler Organisationen oder der Europäischen Union, unter Strafe gestellt.

20

Auch in der Politik der Europäischen Union kommt die einheitliche Bekämpfung von Haushaltsschädigungen bereits in den Begrifflichkeiten zum Ausdruck („Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union“).[4] So kommt etwa in der Richtlinie (EU) 2017/1371 vom 5.7.2017[5] (Rn. 7) unmittelbar zum Ausdruck, dass zwar nicht auf Ebene des nationalen Strafrechts der Mitgliedstaaten, aber auf Unionsebene die Idee einer einheitlichen Betrugsbekämpfung vorherrscht, die die Steuerhinterziehung und sogar Bestechungsdelikte und Geldwäsche einschließt. Hierin wird ein einheitlicher Betrugstatbestand zugrundgelegt, der Einnahmen und Ausgaben der Union einheitlich vor Schädigung schützen soll.[6] Der Schutz der finanziellen Interessen und damit der Steuereinnahmen wie der Haushalte gleichermaßen dominiert seit Jahren – nicht nur die deutsche – die Diskussion über die Europäisierung des Strafrechts.[7]

Anmerkungen

[1]

Vgl. hierzu Leitner/Schmoller Finanzstrafrecht 2012, S. 11 ff.; Leitner/Brandl Finanzstrafrecht 2012, S. 113 ff.; ferner Leitner/Lehner NZWiSt 2015, 52 ff.

[2]

Vgl. Leitner/Dannecker Finanzstrafrecht 2012, S. 61, 63.

[3]

Zu den Einzelheiten Jacsó NZWiSt 2014, 98 ff.

[4]

Vgl. hierzu nur Dannecker FS Kirchhof, S. 1809, 1811 m.w.N.

[5]

KOM (2912) 363 final.

[6]

Vgl. Leitner/Dannecker Finanzstrafrecht, 2012, S. 61, 63.

[7]

Dannecker FS Kirchhof, S. 1809, 1811 m.w.N.

1. Kapitel Einleitung: Vom Nutzen einer einheitlichen Darstellung des „Fiskalstrafrechts“ › E. Begriff des Fiskalstrafrechts und Notwendigkeit einer einheitlichen Darstellung

E. Begriff des Fiskalstrafrechts und Notwendigkeit einer einheitlichen Darstellung

21

Fasst man diese Bereiche des Wirtschaftsstrafrechts zusammen und bringt die Straftaten, die sich gegen die Staatshaushalte der deutschen Gebietskörperschaften und der Europäischen Union richten, unter einen Begriff, so sind dies die Fiskalstraftaten. Die Annäherung der Betrugs-, Untreue und Subventionsbetrugsdelikte einerseits und der Steuerstraftaten im weiteren Sinne andererseits ist in der Rechtsprechung des BGH bereits angelegt, und der europäische Vergleich – insbesondere mit Ungarn – macht deutlich, dass eine Vielzahl von Gemeinsamkeiten dieser Delikte gegen den Haushalt besteht.

22

Hier soll eine geschlossene Darstellung des Fiskalstrafrechts erfolgen, weil diese einheitliche Darlegung im Überblick als notwendig angesehen werden kann. Bereits der Umstand, dass mittlerweile von Fiskalstrafrecht gesprochen werden kann, wenn das Strafrecht gegen Angriffe auf öffentliche Haushalte gemeint ist, legitimiert eine Gesamtdarstellung wie die vorliegende. Es muss zwar eingeräumt werden, dass, wenn von einer notwendigen einheitlichen Darstellung gesprochen wird, diese mehr als einfach nur sinnvoll sein muss. Doch auch für diese Notwendigkeit im engen Sinne gibt es gute Gründe: Wenn Steuer- und Zollstrafrecht einerseits und Betrugs- bzw. Untreuestrafrecht andererseits sich gegenseitig beeinflussen, so verspricht eine Darstellung, die beide Bereiche in den Blick nimmt, den Mehrwert der Synergie.

23

Die Entwicklung des Steuerstrafrechts war bis vor wenigen Jahrzehnten von der des allgemeinen Vermögensstrafrechts weitgehend abgekoppelt, weil das Steuerstrafrecht entweder als Teil des Steuerrechts oder als Verwaltungsstrafrecht wahrgenommen wurde.[1] Zwar hat das Bundesverfassungsgericht diese Sichtweise bereits 1967 eindeutig abgelehnt, indem es die Unvereinbarkeit des Unterwerfungsverfahrens mit Art. 92 GG feststellte, in dem die Steuerverwaltung Kriminalstrafen verhängen konnte.[2] Dennoch dauerte es noch bis zum Beginn der Ära Harms am 5. Strafsenat des BGH bis das Steuerstrafrecht als Strafrecht ernst genommen wurde, eine realistische Verfolgungsgefahr für Steuerstraftäter entstand und eine gemeinsame Entwicklung dieses Bereichs des Strafrechts und damit auch eine Zusammenführung der Entwicklungslinien von Steuerstrafrecht und Vermögensstrafrecht begann.

24

Diese Synthese wird sich in den nächsten Jahren zwangsläufig noch weiter verstärken, weil das Steuerstrafrecht mehr mit dem Betrugs- und Untreuestrafrecht gemeinsam hat als mit den Straftaten, die bei der Entwicklung des Strafrechts im 19. Jahrhundert Pate gestanden haben.[3] Man könnte die Gemeinsamkeit letztlich auf einen einfachen Nenner herunterbrechen: Dem Steuerstraftäter geht es ebenso um das Geld der Allgemeinheit wie dem Täter eines Subventionsbetrugs oder einer Haushaltsuntreue. Auch wenn diese Gleichsetzung aller Straftaten gegen das Vermögen vergröbert, so ist sie dennoch dem Grunde nach hinreichend plausibel, um diese Straftaten gemeinsam und unter Bezugnahme aufeinander darzustellen. Dieser innere Zusammenhang dieser Straftaten dürfte einer der Gründe sein, warum auch Tiedemann in seinem Lehrbuch zum Wirtschaftsstrafrecht (5. Aufl. 2017) § 17 das „Strafrecht der öffentlichen Finanzwirtschaft“ in einem einheitlichen Abschnitt darstellt.

25

Für das gesamte (Wirtschafts-)Strafrecht gelten die gleichen Regeln des Verfassungsrechts, der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs und die allgemeinen Lehren des Strafrechts.[4] Jedoch wirft das hier als Fiskalstrafrecht bezeichnete Sanktionsrecht spezifische Probleme auf, die sich daraus ergeben, dass die maßgeblichen Tatbestände stark normativ geprägt sind (Steuerhinterziehung, Untreue etc.) oder Blankettverweisungen (§§ 379 ff. AO) enthalten.[5] Insbesondere diese Normativierungen bringen bei der Anwendung des Allgemeinen Teils grundlegende Schwierigkeiten mit sich. So ist die Reichweite von Art. 103 Abs. 2 GG bei diesen Tatbeständen nicht abschließend geklärt, und insofern stellen sich im Steuer- und Zollstrafrecht und bei Untreue und Betrugsstraftaten sehr ähnliche Probleme.[6] Heftig umstritten ist nach wie vor die Behandlung von Rechtsirrtümern (u.a. Kap. 8 Rn. 64; Kap. 22 Rn. 68) oder die Bestimmung von Garantenstellungen (u.a. Kap. 7 Rn. 58 ff.; Kap. 11 Rn. 58). Hier ergibt sich aus der parallelen Aufarbeitung in einem Band die Möglichkeit des Verweises, um sowohl die Probleme als auch die Lösungsansätze zu verdeutlichen. Diese gilt auch für Fragen, die unmittelbar die Straftatbestände des Besonderen Teils betreffen, wie z.B. die Bestimmung des Schadens, insbesondere seiner Normativierung.

26

Natürlich hätten in diesen Kontext weitere Bereiche des Wirtschaftsstrafrechts in die Betrachtungen eingebunden werden können, dies gilt etwa für die eng mit den Fiskalstraftaten verbundenen Korruptionsdelikte oder die Geldwäsche. Diese Straftaten gehören zu den Schnittstellendelikten, die in vielen Fällen von Fiskalkriminalität bei Gelegenheit und zwangsläufig mitbegangen werden; eine gewerbsmäßige Untreue im Unternehmenskontext ist ohne Geldwäschebezug eher die Ausnahme als die Regel.[7] Dennoch wurden diese Delikte nicht in dieses Buch aufgenommen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass sich auf diesen Schnittstellengebieten zumindest partiell andere Probleme ergeben als im Fiskalstrafrecht: Die Geldwäsche wirft eine Vielzahl von Fragen über die Vortat und die Herkunft von Geldwäschetatobjekten auf.[8] Auch die Problemstellungen bei den Korruptionsdelikten sind vielfach anderer Natur. Das ergibt sich u.a. daraus, dass die betroffenen Rechtsgüter sowohl bei der Geldwäsche,[9] als auch bei den bereits als solchen kaum einheitlich systematisierbaren Korruptionsdelikten[10] diffuser und vielschichtiger sind, während das Rechtsgut der Fiskalstraftaten leicht umschrieben werden kann: die Integrität der öffentlichen Haushalte.

27

Auch die tatsächlichen Verbindungen zwischen den hier dargestellten Fiskalstraftaten sind vielfältig. Dies wird bei der Schwarzarbeit besonders deutlich: Hier werden typischerweise, vielleicht sogar zwangsläufig, gleichzeitig Lohnsteuerhinterziehungen und Straftaten nach § 266a StGB begangen. Die verdeckte Gewinnausschüttung geht oftmals mit Steuerhinterziehungen und Untreuetaten einher. Auch wegen dieses tatsächlichen Zusammenhangs bietet sich eine Gesamtdarstellung des Fiskalstrafrechts an. Das gilt zwar für Geldwäsche und Korruption ebenfalls, jedoch sind die Zusammenhänge insofern regelmäßig weniger systematischer als mehr rein phänomenologischer Natur. Das rechtfertigt die Entscheidung, sich in diesem Band auf das Fiskalstrafrecht im engeren Sinne zu beschränken.