Arbeitsrecht in der Umstrukturierung

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3. Kapitel Umstrukturierung und Übertragung durch Betriebsübergang

I.Einführung1 – 9

1.Bedeutung in der Umstrukturierungspraxis2

2.Normzweck und Entstehungsgeschichte3 – 9

a)Schutz des sozialen Besitzstands im Sinne eines Arbeitsplatzerhalts4

b)Sicherung der Kontinuität des bestehenden Betriebsrats5

c)Gewährleistung der Fortgeltung kollektivrechtlicher Arbeitsbedingungen6

d)Verteilung der Haftung zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber7 – 9

II.Tatbestandliche Voraussetzungen10 – 85

1.Betrieb und Betriebsteil12 – 22

a)Betriebsbegriff13 – 18

b)Betriebsteilbegriff19 – 22

2.Identitätswahrender Übergang einer wirtschaftlichen Einheit23 – 69

a)Typologische Begriffsbestimmung und Gesamtbetrachtung27

b)Sieben-Punkte-Katalog28 – 69

aa)Art des Unternehmens31 – 35

bb)Übergang materieller Aktiva36, 37

cc)Wert immaterieller Aktiva38 – 42

dd)Übernahme von Arbeitnehmern43 – 54

ee)Übernahme von Kunden55 – 58

ff)Ähnlichkeit der Tätigkeit59 – 63

gg)Unterbrechung der Tätigkeit64 – 69

3.Inhaberwechsel und maßgeblicher Zeitpunkt70 – 77

4.Durch Rechtsgeschäft78 – 85

III.Rechtsfolgen86 – 180

1.Übergang bestehender Arbeitsverhältnisse87 – 116

a)Zuordnung von Arbeitsverhältnissen94 – 103

b)Einzelfragen übergehender Rechte und Pflichten104 – 116

2.Schicksal kollektivrechtlicher Vereinbarungen117 – 166

a)Betriebsvereinbarungen119 – 137

aa)Kollektivrechtliche Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen120 – 126

bb)Transformation von Betriebsvereinbarungen und Veränderungssperre127 – 135

cc)Ablösung von Betriebsvereinbarungen136, 137

b)Tarifverträge138 – 148

aa)Kollektivrechtliche Weitergeltung von Tarifverträgen139 – 142

bb)Transformation von tarifvertraglichen Regelungen143 – 146

cc)Ablösung und Überkreuzablösung tariflicher Normen147, 148

c)Bezugnahmeklauseln149 – 166

aa)Behandlung von Altverträgen158

bb)Behandlung von Neuverträgen159 – 166

3.Haftungsverteilung167 – 180

a)Haftung des Betriebserwerbers170 – 174

b)Haftung des Veräußerers175

c)Binnenverhältnis zwischen Erwerber und Veräußerer176 – 180

IV.Kündigungsverbot und Gestaltungsmöglichkeiten181 – 230

1.Reichweite und Umfang des Kündigungsverbots182 – 188

2.Aufhebungsverträge und Änderungsvereinbarungen189 – 195

3.Vermeidungsstrategien und Gestaltungsmöglichkeiten 196 – 230

a)Grundsätzliches197

b)Einwirkungen auf tatbestandlicher Ebene198 – 214

aa)Gestaltende Eingriffe auf betriebliche Strukturen201 – 203

bb)Übernahme eines stillgelegten oder Stilllegung des erworbenen Betriebs204 – 206

cc)Betriebsverlagerungen und Off-Shoring207, 208

dd)Vermeidung der Übernahme von Arbeitnehmern209 – 211

ee)Veränderung des Betriebszwecks212 – 214

c)Eingriffsmöglichkeiten bei Bestehen der tatbestandlichen Voraussetzungen215 – 223

aa)Zwischenschaltung von Transfergesellschaften216 – 220

 

bb)Gesteuerter Kollektivwiderspruch221 – 223

d)Kündigung nach Erwerberkonzept224 – 230

V.Unterrichtung und Widerspruch231 – 285

1.Unterrichtungspflicht232 – 258

a)Formale Aspekte der Unterrichtung242 – 246

b)Inhaltliche Anforderungen247 – 257

aa)Zeitpunkt des Übergangs251

bb)Grund des Übergangs252, 253

cc)Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Folgen254, 255

dd)In Aussicht genommene Maßnahmen256

ee)Einzelfälle erforderlicher Unterrichtungsinhalte257

c)Nachunterrichtung258

2.Widerspruchsrecht259 – 285

a)Formale Aspekte262 – 267

b)Widerspruchsfrist268 – 273

c)Verzicht auf das Widerspruchsrecht274 – 276

d)Verwirkung des Widerspruchsrechts277 – 280

e)Folgen des Widerspruchs281 – 285

VI.Fortbestand und Beteiligungsrechte von Arbeitnehmervertretungen286 – 322

1.Beteiligungsrechte von Arbeitnehmervertretungen287 – 295

a)Beteiligung des Betriebsrats aufgrund Betriebsänderung gem. §§ 111 ff. BetrVG?288 – 292

aa)Keine Betriebsänderung bei Betriebsübergang289

bb)Betriebsänderung bei Betriebsteilübergang290 – 292

b)Sonstige Beteiligungsrechte des Betriebsrats293, 294

c)Sonstige Beteiligungsrechte weiterer Gremien295

2.Fortbestand von Arbeitnehmervertretungen296 – 322

a)Widerspruch von Arbeitnehmern300 – 309

aa)Vereinzelter Widerspruch von Arbeitnehmern301 – 305

bb)Widerspruch aller Arbeitnehmer306 – 309

b)Betriebsteilübergänge310 – 318

aa)Situation im Veräußererbetrieb311 – 313

bb)Situation im Erwerberbetrieb314 – 318

c)Gesamt- und Konzernbetriebsrat319 – 322

Inhaltsverzeichnis

I. Einführung

II. Tatbestandliche Voraussetzungen

III. Rechtsfolgen

IV. Kündigungsverbot und Gestaltungsmöglichkeiten

V. Unterrichtung und Widerspruch

VI. Fortbestand und Beteiligungsrechte von Arbeitnehmervertretungen

Literatur

Kommentare und Handbücher

Annuß, Georg/Lembke, Mark Arbeitsrechtliche Umstrukturierung in der Insolvenz, 2. Aufl. 2012, Ascheid, Reiner/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid Kündigungsrecht, 4. Aufl. 2012, Bauer, Jobst-Hubertus/Haußman, Katrin/Krieger, Steffen Umstrukturierung, Handbuch für die arbeitsrechtliche Praxis, 3. Aufl. 2015, Beseler, Lothar/Düwell, Franz Josef/Göttling, Wulfhard Arbeitsrechtliche Probleme bei Betriebsübergang, Betriebsänderung, Unternehmensumwandlung, 4. Aufl. 2011, Etzel, Gerhard/Bader, Peter/Fischermeier, Ernst KR – Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften, 10. Aufl. 2013, Fitting, Karl (Begr.) Betriebsverfassungsgesetz, 28. Aufl. 2016, Grau, Timon Unterrichtung und Widerspruchsrecht der Arbeitnehmer bei Betriebsübergang gem. § 613a Abs. 5 und 6 BGB, 2005, Henssler, Martin/Willemsen, Heinz-Josef/Kalb, Heinz-Jürgen Arbeitsrecht – Kommentar, 7. Aufl. 2016, Müller-Glöge, Rudi/Preis, Ulrich/Schmidt, Ingrid Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, Richardi, Reinhard Betriebsverfassungsgesetz, 14. Aufl. 2014, Röller, Jürgen (Hrsg.) Küttner – Personalbuch 2015, 22. Aufl. 2015, Schiefer, Bernd/Doublet, Thorsten/Hartmann, Henning Outsourcing, Auftragsvergabe, Betriebsübergang, 4. Aufl. 2013, Seiter, Hugo Betriebsinhaberwechsel 1980, Tschöpe, Ulrich Arbeitsrecht Handbuch, 9. Aufl. 2015, Willemsen, Heinz Josef/Hohenstatt, Klaus-Stefan/Schweibert, Ulrike/Seibt, Christoph H. Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, 4. Aufl. 2011.

Aufsätze

Baeck, Ulrich/Winzer, Thomas/Kramer, Nadine Unterrichtung bei Betriebsübergang, NZG 2014, 652 ff., Bauer, Jobst-Hubertus/von Steinau-Steinrück, Robert Das Schicksal freiwilliger Betriebsvereinbarungen beim Betriebsübergang, NZA 2000, 505 ff., Fischer, Ulrich Die Eingliederung eines Betriebs oder Betriebsteiles nach § 21a BetrVG als Sonderfall der Betriebszusammenfassung, RdA 2005, 39 ff., Fuhlrott, Michael Rechtsprechungsupdate: Neue Anforderungen an Massenentlassungen, GWR 2015, 336 ff., ders. Aktuelle Rechtsprechung zum Betriebsübergang – ein Überblick, ArbR 2015, 437 ff., ders. Die Übernahme von know-how-Trägern ohne Eingehung von Arbeitsverhältnissen als Betriebsübergang, NZA 2013, 183 ff., ders. Erwerberkonzeptkündigungen als Alternative zum BQG-Modell bei Betriebsübergängen, BB 2013, 2042 ff., ders. Transfergesellschaften bei Betriebsübergängen, FA 2013, 165 ff., ders. Übergangsfähiger Betriebsteil und Arbeitnehmerzuordnung bei § 613a BGB, FA 2013, 196 ff., ders. Das Schicksal von Wettbewerbsverboten bei Betriebsübergängen, FA 2012, 162 ff., ders. Reichweite und Grenzen des betriebsübergangsrechtlichen Kündigungsverbots, FA 2013, 258 ff., ders. Das Haftungsregime gem. § 613a Abs. 2 BGB, FA 2012, 231 ff., ders. Die vollständige Freistellung von Betriebsratsmitgliedern gem. § 38 BetrVG, ArbR 2011, 423 ff., ders. Zwischengeschaltete Transfergesellschaften zur Vermeidung von Betriebsübergängen, NZA 2012, 549 ff., Fuhlrott, Michael/Oltmanns, Sönke Das Schicksal von Betriebsräten bei Betriebs(teil)übergängen, BB 2015, 1013 ff., Fuhlrott, Michael/Fabritius, Burkhard Das Schicksal arbeitgebergebundener Rechtspositionen beim Betriebsübergang, BB 2013, 1592 ff., Fuhlrott, Michael/Hoppe, Christian Betriebsübergang vs. Funktionsnachfolge – Abgrenzungen bei § 613a BGB, AuA 2013, 88 ff., Fuhlrott, Michael/Chwalisz, Patrizia Transfergesellschaften und Betriebsübergang, FA 2011, 38 ff., Fuhlrott, Michael/Ritz, Sebastian Anforderungen an Unterrichtungsschreiben bei Betriebsübergängen, BB 2012, 2689 ff., Fuhlrott, Michael/Salamon, Erwin Vermeidungsstrategien und Gestaltungsmöglichkeiten bei Betriebsübergängen, BB 2012, 1793 ff., Froehner, Jan Die Haftung des Erwerbers für rückständige Sozialversicherungsbeiträge beim Unternehmenskauf im Rahmen eines Asset Deals, GWR 2015, 202 ff., Gaul, Björn Betriebsübergang: Grenzen der Unterrichtungspflicht in Bezug auf Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, RdA 2015, 206 ff., Gaul, Björn/Krause, Daniel Sorgfalt wird (endlich) belohnt: Zur ordnungsgemäßen Unterrichtung über den Betriebsübergang nach § 613a Abs. 5 BGB, RdA 2013, 39 ff., Gaul, Björn/Mückl, Patrick Off-Shoring – Freier Gestaltungsspielraum oder § 613a BGB? DB 2011, 2318 ff., Gräf, Stephan Tarifpluralität und Tarifeinheit nach Betriebs(teil)übergang, NZA 2016, 327 ff., Hidalgo, Martina/Kobler, Michael Die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen des Widerspruchs bei einem Betriebsübergang, NZA 2014, 290 ff., Hohenstatt, Klaus-Stefan/Müller-Bonanni, Thomas Auswirkungen eines Betriebsinhaberwechsels auf Gesamtbetriebsrat und Gesamtbetriebsvereinbarungen, NZA 2003, 766 ff., Jüchser, Alexander Auswirkungen des Betriebsübergangs auf den Zeugnisanspruch des Arbeitnehmers nach § 109 GewO, NZA 2012, 244 ff., Klein, Thomas Das Schicksal dynamischer Bezugsklauseln bei Betriebsübergang, NZA 2016, 410 ff., Lingemann, Stefan Richtig unterrichtet beim Betriebsübergang – neue Hilfestellungen des BAG, NZA 2012, 546 ff., Lingemann, Stefan/Weingarth, Markus Widerspruch zwecklos – Richtlinien zur Verwirkung des Widerspruchsrechts bei Betriebsübergang, DB 2014, 2710 ff., Löwisch, Manfred/Schmidt-Kessel, Martin Die gesetzliche Regelung von Übergangsmandat und Restmandat nach dem Betriebsverfassungsreformgesetz, BB 2001, 2162 ff., Meyer, Cord Normative Fortgeltung einer Gesamtbetriebsvereinbarung bei Betriebsübergang, NZA 2016, 749 ff., Mückl, Patrick Betriebsübergang und Matrix-Struktur – Welche Arbeitnehmer sind erfasst? DB 2015, 2695 ff., ders. Alemo-Herron – Ende der Dynamik einer Bezugnahmeklausel bei Betriebsübergang? ZIP 2014, 207 ff., ders. Das Problem mangelnder Kooperationsbereitschaft der beteiligten Rechtsträger im Rahmen der Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB, RdA 2008, 343 ff., Niklas, Thomas/Mückl, Patrick Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche, DB 2008, 2250 ff., Ohlendorf, Bernd/Fuhlrott, Michael Interessenausgleichsfreie Umstrukturierungen, ArbR 2011, 654 ff., Otto, Alexandra Kündigung des Betriebsveräußerers nach Erwerberkonzept – Gestaltungspielraum ja, aber kein Freibrief für beliebige Konzepte, DB 2014, 1871 ff., Rieble, Volker Betriebsführungsvertrag als Gestaltungsinstrument, NZA 2010, 1145 ff., Schiefer, Bernd Outsourcing, Auftragsvergabe, Betriebsübergang – nach geänderter Rechtsprechung, NZA 1998, 1095 ff., Schreiber, Alexander Das Arbeitsverhältnis beim Übergang des Betriebs, RdA 1982, 137 ff., Steffan, Ralf Das „nachträgliche“ Widerspruchsrecht beim Betriebsübergang – eine unendliche Geschichte, NZA 2016, 608 ff., Wiedemann, Herbert Dynamische Bezugsklauseln und ein Gesetzesvorschlag zur Betriebsübertragung, BB 2016, 1400 ff., Willemsen, Heinz Josef Mehr Klarheit nach „Klarenberg“! NZA 2014, 1010 ff., Willmer, Christian/Fuchs, Simone/Berner, Hans-Joachim Der Widerspruch des Arbeitnehmers nach § 613a VI BGB als Sanierungsinstrument – Die Widerspruchslösung, NZI 2015, 263 ff., Wollenschläger, Michael/Pollert, Dirk Rechtsfragen des Betriebsübergangs nach § 613a BGB unter Berücksichtigung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen und des Rechtes der Europäischen Union, ZfA 1996, 547 ff.

 

3. Kapitel Umstrukturierung und Übertragung durch Betriebsübergang › I. Einführung

I. Einführung

1

Die zentrale Vorschrift des § 613a BGB regelt die Voraussetzungen und rechtlichen Folgen von Betriebsübergängen.

3. Kapitel Umstrukturierung und Übertragung durch Betriebsübergang › I. Einführung › 1. Bedeutung in der Umstrukturierungspraxis

1. Bedeutung in der Umstrukturierungspraxis

2

Betriebsübergängen gem. § 613a Abs. 1 BGB kommt in der Umstrukturierungspraxis erhebliche Bedeutung zu.[1] Die Frage, ob ein Vorgang als Betriebsübergang zu qualifizieren ist, hat massive Auswirkungen auf die Struktur des geplanten Erwerbs oder der Übertragung von Vermögensgegenständen. Liegt ein Betriebsübergang vor, so gehen die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB im Status quo auf den Erwerber über. Dieser tritt damit vollumfänglich in die bislang begründeten Rechtspositionen der Arbeitnehmer ein und muss die Arbeitsverhältnisse etwa unter Berücksichtigung der bisherigen Betriebszugehörigkeit, des Lohn- und Gehaltgefüges sowie etwaiger betrieblicher Altersversorgungsansprüche übernehmen und fortan weiter bedienen. Neben steuerrechtlichen Aspekten des geplanten Erwerbs ist dieser arbeitsrechtliche Aspekt für den Erwerbsvorgang und dessen Ausgestaltung damit ein entscheidender Faktor, da in manchen Konstellationen das Vorliegen eines Betriebsübergangs und der Übergang der Arbeitnehmer ausdrücklich gewünscht, in anderen Konstellationen vielmehr unerwünscht sind.[2]

3. Kapitel Umstrukturierung und Übertragung durch Betriebsübergang › I. Einführung › 2. Normzweck und Entstehungsgeschichte

2. Normzweck und Entstehungsgeschichte

3

Die Betriebsübergangsvorschrift ist eine Schutznorm zugunsten der betroffenen Arbeitnehmer, die daher auch nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer abdingbar ist.[3] Die Vorschrift verfolgt vier wesentliche Schutzzwecke,[4] die in ihren einzelnen Ausprägungen nachfolgend dargestellt werden:

a) Schutz des sozialen Besitzstands im Sinne eines Arbeitsplatzerhalts

4

Der Betriebserwerber ist gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, die Arbeitsverhältnisse weitestgehend besitzstandswahrend zu übernehmen. Zudem verbietet § 613a Abs. 4 BGB Kündigungen wegen eines Betriebsübergangs.

b) Sicherung der Kontinuität des bestehenden Betriebsrats

5

Der bestehende Betriebsrat soll bei Übergang einer wirtschaftlichen Einheit insbesondere auch personell unbeeinträchtigt weiterhin im Amt bleiben. Eine Neuwahl des Betriebsrats oder eine betriebsratslose Zeit soll damit verhindert werden.

c) Gewährleistung der Fortgeltung kollektivrechtlicher Arbeitsbedingungen

6

Wenn Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge nicht aufgrund fortbestehender betrieblicher Identität weiterhin Anwendung finden, sollen deren Inhalte gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in die übergehenden Arbeitsverhältnisse inkorporiert werden. Weiterhin unterliegen diese transformierten Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers einer einjährigen Veränderungssperre.

d) Verteilung der Haftung zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber

7

§ 613a Abs. 2 BGB regelt die Verteilung der Haftung im Außenverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer zwischen Betriebsveräußerer und Betriebserwerber und ist ebenfalls nicht im Außenverhältnis zu Lasten des Arbeitnehmers abdingbar. Der Arbeitnehmer, der durch den Betriebsübergang einen neuen Schuldner seiner Gehaltszahlung erhält, soll so geschützt werden.

8

Die vorgenannten Schutzzwecke können damit bei Abgrenzungsfragen in Form eines Auslegungstopoi unter dem Primat der Bedeutung der Norm als Arbeitnehmerschutzvorschrift[5] herangezogen werden.

9

Eingefügt in das BGB wurde die Betriebsübergangsvorschrift 1972 und in Umsetzung verschiedener europäischer Richtlinien[6] in den Folgejahren ergänzt, zuletzt durch Einfügung des Unterrichtungs- und Widerspruchsrechts der betroffenen Arbeitnehmer in § 613a Abs. 5 und 6 BGB.[7]

Anmerkungen

[1]

WHSS/Willemsen Umstrukturierung, Kap. G, spricht etwa in seiner Kapitelüberschrift von „einer höchst umstrittenen Zentralnorm des deutschen Arbeitsrechts“.

[2]

Zu Gestaltungsmöglichkeiten s. noch unter Rn. 196 ff.

[3]

BAG NJW 2014, 2604; Tschöpe/Fuhlrott Arbeitsrecht, Teil 2 G, Rn. 1; Schiefer/Doublet/Hartmann S. 21.

[4]

BAG NJW 1991, 247; BAG DB 2010, 1589; Tschöpe/Fuhlrott Arbeitsrecht, Teil 2 G, Rn. 1. Ausführlich zu den legislatorischen Zwecken s. auch WHSS/Willemsen Kap. G, Rn. 19 ff., der die Schutzzwecke in Form einer Dreiteilung darstellt.

[5]

Hierzu erst jüngst BVerfG ZIP 2015, 445.

[6]

Umsetzung der RL 77/187/EWG vom 14.2.1977, geändert durch RL 98/50/EG vom 29.6.1998, ABl. EG Nr. L 201 v. 17.7.1998, 88.

[7]

Umsetzung der RL 2001/23/EG vom 12.3.2001, ABl. EG Nr. L 82 v. 22.3.2001, 16 ff.

3. Kapitel Umstrukturierung und Übertragung durch Betriebsübergang › II. Tatbestandliche Voraussetzungen

II. Tatbestandliche Voraussetzungen

10

Damit die Rechtsfolgen eines Betriebsübergangs eintreten, muss in tatbestandlicher Hinsicht gem. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB

„ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über(gehen)“,

worunter gem. Art. 1 Nr. 1 Buchst. b der RL 2001/23/EG als

„… Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit“

zu verstehen ist.

11

Um den Tatbestand des § 613a Abs. 1 BGB damit präzise bestimmen zu können, bedarf es der Beantwortung folgender vier Fragen:



3. Kapitel Umstrukturierung und Übertragung durch Betriebsübergang › II. Tatbestandliche Voraussetzungen › 1. Betrieb und Betriebsteil

1. Betrieb und Betriebsteil

12

Vormals beurteilte das BAG[5] das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit unter Zugrundlegung eines allgemeinen Betriebsbegriffs. Dieser umfasste nur die sächlichen und immateriellen Betriebsmittel, die einen Betrieb bildeten, wenn der neue Inhaber mit ihnen und den Arbeitnehmern bestimmten arbeitstechnischen Zwecken nachgehen konnte[6]. Danach gehörten die Arbeitsverhältnisse nicht zum Betrieb, da deren Übergang die Rechtsfolge des Betriebsübergangs darstellte.[7]