Römische Tagebücher

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Römische Tagebücher
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Alois C. Hudal

Römische Tagebücher

Lebensbeichte eines alten Bischofs


Umschlaggestaltung: Ecotext-Verlag, Mag. G. Schneeweiß-Arnoldstein, 1010 Wien Umschlagabb. Vorderseite: Päpstliches Institut Santa Maria dell’Anima Bildnachweis Innenteil: Archiv des Verlags

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ISBN 978-3-99081-001-9

eISBN 978-3-99081-058-3

© Copyright by ARES Verlag, 2., erw. Auflage, Graz 2018

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Verlages

Vorwort zur Neuausgabe

Zum Geleite

Römische Tagebücher

1. Vorwort

2. Nach Rom (Erste Eindrücke)

3. Der Kampf um die Deutsche Nationalstiftung der Anima – eine gesamtdeutsche Frage

4. Das österreichische und das reichsdeutsche Konkordat

5. Ordens- und Weltgeistlichkeit

6. Habent fata sua libelli (Die Grundlagen des Nationalsozialismus, Wien 1936), Verlag Günther

7. Arme Brüder

8. Rom im Zweiten Weltkrieg

9. Kirchenpolitische Befriedungsversuche im Dritten Reich 1938, 1942

10. Menschliche Irrwege oder Zukunftsträume?

11. Abschied von Rom

Nachwort des Verfassers

Fred Duswald: Gerechtigkeit für Bischof Hudal

Vorwort des Verlages

Die Herausgabe der „Römischen Tagebücher“, der Lebenserinnerungen von Bischof Alois C. Hudal, ehemals Rektor an der deutschen Anima zu Rom, ist die Erfüllung eines Vermächtnisses, das der Leopold Stocker Verlag mit einem am 26.August 1955 mit dem Autor geschlossenen Verlagsvertrag übernommen hat. Zu den wesentlichsten Vertragsbestimmungen gehört, daß diese Lebenserinnerungen erst posthum veröffentlicht werden dürfen und die anfallenden Autorenhonorare an eine zu gründende „Bischof Alois C. Hudal-Stiftung“ zu überantworten sind. Durch eine testamentarische Verfügung wird es dieser Stiftung obliegen, bedürftige Grazer Hochschüler durch Stipendiengewährung wirtschaftlich zu unterstützen.

Bischof Hudal verstarb im Jahre 1963 während der Tagung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962—1965), in dem die bedeutendsten Probleme, die in unserem Jahrhundert den christlichen Kirchen gestellt wurden, zur Diskussion standen, Probleme, denen auch Abschnitte dieser Lebenserinnerungen gewidmet sind. Diese Umstände und nicht minder die zur Zeit des Todes Bischof Hudais noch vorherrschende politische Beurteilung der jüngsten geschichtlichen Vergangenheit waren es, die den Verlag veranlaßten, aus besonderer persönlicher Verantwortung dem Autor und den staatspolitischen Gegebenheiten gegenüber von einer Veröffentlichung des Manuskriptes vorerst Abstand zu nehmen. So wurde ein Zeitpunkt abgewartet, zu dem die Gedanken und Erinnerungen des Verfassers in zeitlich ausreichendem Abstand bereits der Geschichte zuzuzählen sind.

Wenngleich der Autor an der selbst übernommenen Aufgabe gescheitert ist, innerlich verbittert und zutiefst enttäuscht resignieren mußte, sind seine Tagebücher aber für die historische Wissenschaft und Forschung als einzigartige Dokumente zu werten, Dokumente, die die zeitgeschichtlichen Abläufe einer ohne Zweifel historisch wie auch kirchen- und staatspolitisch besonders interessanten Epoche aus der Sicht einer großen Persönlichkeit beurkunden, deren Wirken und Wollen aus lautersten und hohen ideellen Motiven veranlaßt waren.

Als von sehr wesentlicher Bedeutung soll gewertet werden — wie immer man als Leser auch zu den Ansichten und Überzeugungen des Verfassers stehen möge —, daß der Autor sich sehr bewußt mit den politischen Phänomenen seiner Zeit auseinanderzusetzen bemüht hat. Unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit strebt er mit ehrlichem Willen einen Ausgleich zwischen politischer und religiöser Weltanschauung, zwischen Staat und Kirche während der Zeit des Dritten Reiches an. Aus dieser Sicht sollten daher auch nach Auffassung des Verlages Gedanken und Worte Bischof Hudals und seine Stellungnahme für einen Sozialismus christlicher Prägung auf nationaler Grundlage als seiner Meinung nach einzige wirkungsmögliche Gegenkraft zum Bolschewismus beurteilt werden.

Dem Autor war es nicht vergönnt, die mehrfach angesetzte letzte Überarbeitung seiner Lebenserinnerungen, die er mit seinen Tagebüchern als Grundlage verfaßte, abzuschließen. Damit sind geringfügige Ungenauigkeiten in Zeitangaben und gelegentliche Lücken bzw. Wiederholungen begründet, zumal seine ersten Überarbeitungen in verschiedenen Jahren und auch nur teil- bzw. abschnittsweise durchgeführt worden waren. Auch Unterschiede in Schreibstil sind hierdurch gegeben. Da sich der Verlag besonders gebunden fühlt, den dokumentarischen Wert der Tagebücher vollkommen unverfälscht und uneingeschränkt zu bewahren, wurde von den vertraglich vorgesehenen Ermächtigungen stilistischer Korrekturen und Überarbeitungen bewußt kein Gebrauch gemacht. Das Manuskript wurde weder gestrafft noch wurden Wiederholungen eliminiert, sondern lediglich unbedeutende Korrekturen grammatikalischer Art, die ganz offensichtlich durch die Übertragung in Maschinschrift entstanden waren, angebracht. Zur Erleichterung und zum besseren Verständnis für den Leser wurden die im Originalmanuskript in italienischer und lateinischer Sprache ausgedrückten Anmerkungen zusätzlich und ergänzend in deutscher Übersetzung vermerkt, soweit dies nicht vom Verfasser selbst erfolgte.

Die von Bischof Hudal im Manuskript seiner Lebenserinnerungen gewählte Form der Abkürzung sowohl für den rein weltanschaulich verwendeten Begriff des „Nationalen Sozialismus“ wie auch für den „Nationalsozialismus“ wurde in der von ihm gepflogenen Schreibweise „NS“ bewußt beibehalten. Der Verlag glaubt, mit dieser Vorgangsweise dem Werk als historischem Dokument am augenscheinlichsten und besten dienen zu können.

Möge diesem Buch in seiner tiefen Ernsthaftigkeit auch die richtige Beurteilung zuteil und so verstanden werden, wie dies in dem Geleitwort des Nachfolgers von Bischof Hudal als Rektor der deutschen Anima zu Rom, Weihbischof Jac. Weinbacher, ganz besonders zum Ausdruck kommt.


September 1976 LEOPOLD STOCKER VERLAG

Vorwort zur Neuausgabe

25 Jahre waren die „Römischen Tagebücher“ von Bischof Alois C. Hudal vergriffen, doch das Interesse an seiner Person und seinem Wirken ist nach wie vor ungebrochen. Nur selten kamen einzelne Exemplare des Buches antiquarisch auf den Markt und erzielten Höchstpreise.

Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, diese „Lebensbeichte eines alten Bischofs“ neu im „Print-on-Demand“-Verfahren herauszubringen. Die Ausgabe wird vom Ares Verlag veranstaltet, der seit dem Jahr 2005 das politisch-historische Programm des Leopold Stocker Verlages weiterführt. Heute wird Bischof Hudal wieder positiver beurteilt als noch zu Lebzeiten. Unter anderem, weil allgemein bekannt ist, dass seine theologisch-philosophische Analyse „Die Grundlagen des Nationalsozialismus“ von den Behörden des Dritten Reiches verboten wurde (und in Österreich nach dem „Anschluss“ beschlagnahmt wurde), da Bischof Hudal in diesem Werk deutlich machte, dass die biologistischen Elemente der NS-Ideologie (die zu Antisemitismus und Rassismus führten) von der Katholischen Kirche keinesfalls toleriert werden könnten, sondern nur ein von diesen geistigen Strömungen gereinigter NS aus christlicher Sicht annehmbar sei.

 

Auch hat der neuseeländische General John Burns in seinen Memoiren geschildert, wie Bischof Hudal ihm und seinen aus einem Kriegsgefangenenlager geflohenen Kameraden in Rom Unterschlupf gewährte und ihnen so das Leben rettete. Sogar dem katholischen Informationsdienst „Kathpress“ war das 2002 erschienene Buch einen Bericht wert. Bischof Hudal und seine Bemühungen um Fluchthilfe nach 1945 erschienen nun in einem neuen Licht, schrieb „Kathpress“ in Übereinstimmung mit dem Vorsitzenden der päpstlichen Geschichtskommission, Walter Brandmüller.

Die im Ares Verlag erscheinende Quartalsschrift „Neue Ordnung“, begründet von Ernst Graf Strachwitz, hat Bischof Hudal und den Erinnerungen von General Burns einen Beitrag gewidmet, der am Ende des Buches wiedergegeben wird.


Graz, im Jänner 2018 Mag. Wolfgang Dvorak-Stocker

Zum Geleite

Der Autor des Buches, Bischof Dr. Alois Hudal, selbst hat zu seinen Erinnerungen — schon zu seinen Lebzeiten nannte er sie seine Memoiren — ein Vorwort verfaßt, das aus bekümmertem Herzen geschrieben die Gründe angibt, warum er diese persönlichen Erinnerungen der Öffentlichkeit übergeben will: das ehrliche, leider im letzten nicht immer erfolgreiche Sich-Abmühen um hochgespannte Ideale.

Wenn ich nun dem Werk auch ein Geleitwort mitgeben soll, so willfahre ich der Bitte des Herausgebers, weil ich mit Bischof Hudal doch viele Beziehungen hatte, besonders an dem Ort seines Wirkens in Rom, wo ich auch 1952 sein unmittelbarer Nachfolger wurde. Schon 1929 begegnete ich dem Rektor der Anima. Als Begleiter von Kardinal Piffl hatte ich bei Gelegenheit des österreichischen Pilgerzuges, der zum goldenen Priesterjubiläum Pius’ XI. nach Rom gekommen war, damals zum ersten Mal die Ewige Stadt betreten. Kardinal Piffl eröffnete mir, daß ich ein Jahr später zum Studium des Kirchenrechtes nach Rom kommen sollte. Tatsächlich habe ich dann zwei Studienjahre unter Hudal in der Anima verbracht und blieb mit meinem Rektor all die Jahre verbunden, in denen ich die Romreisen von Kardinal Innitzer mitmachte, bis ich 1952 der Nachfolger des aus dem Amte geschiedenen Bischofs wurde. Am 6. August traf ich in seinem Haus in Grottaferrata einen seelisch erschütterten Menschen. Es ist mir gelungen, den Anschluß an seine nahezu dreißigjährige Tätigkeit zu finden. Daraus ergab sich ein enger Kontakt mit meinem Vorgänger alle die neun Jahre meines Rektorates.

So möchte ich die Leser dieser Erinnerungen bitten, die Erinnerungen eines Mannes gut aufzunehmen, so wie er es gut gemeint hatte.

Was seine Feuerseele an Bewunderung und auch an Tadel bringt, ist nicht immer auf die Goldwaage zu legen, aber das Wertvolle dieser Lektüre liegt darin, daß ein Mensch aus unmittelbarer Erfahrung spricht. Manchmal überschwenglich, manchmal kritisch schildert er unbewußt das Milieu, in dem er jahrzehntelang stand.

So manches hat er bei meinen Besuchen in Villino Pace erzählt und immer hinzugefügt: „Das werden Sie in meinen Memoiren lesen.“

In manchen Dingen ist er seiner Zeit voraus mit seinen Reformvorschlägen, so zum Beispiel in dem, was er über das Diakonat schreibt, die Behandlung der „Armen Brüder“.

Was ihn bewegte, hat er sich von der Seele geschrieben. Und so soll es auch verstanden werden.


Wien, 16. Februar 1970 † Jac. Weinbacher Weihbischof

Römische Tagebücher

1. Vorwort

Ungezählte Bücher sind über Rom geschrieben worden. Gelehrte, Politiker, Künstler und Religionsphilosophen haben alle in ihrer Art Rom mit leidenschaftlicher Liebe oder mit der Ablehnung des „affectus antiromanus1)“ betrachtet. Keine Stadt der Erde kann sich rühmen, daß eine umfassende Bibliothek von Büchern ihr geistiges Schicksal begleitet, das durch das Christentum zum weltanschaulichen Ideal von Millionen Menschen aller Kontinente geworden ist. Von Zola zu Veuillot, von Mommsen, der im römischen Christentum das zersetzende Element großer Staaten sah, um selbst ein religiös imperialistischer Machtfaktor zu werden, von Gregorovius, der alles Unheil nationaler Zerrissenheit im mittelalterlichen Italien und noch mehr in der deutschen Kaiserzeit nur der Vatikanpolitik zuschrieb, ohne dasselbe auch aus dem Relativismus aller menschlichen Entwicklungen zu erklären, bis zu Joseph Bernhart, der im Vatikan geradezu den „Thron der Welt“ erblicken wollte („hart, eigengesetzlich wie die Natur, erbarmungslos Einzelschicksale für das Heil des Ganzen opfernd“) haben sich Menschen verschiedenster Geistesrichtung bald an das weltliche, bald an das christliche Antlitz der Ewigen Stadt herangewagt. Niemand hat je die Seele Roms ausgeschöpft, niemand Mythos, Legende und geschichtliche Wirklichkeit dieser eigenartigen Stadt in ihren letzten Tiefen ergründet. Alle erlebten eine Art Geheimnis. Noch immer die Metropole eines längst versunkenen weltlichen Imperium Romanum, die entthronte Königin einer einst so stolzen Kultursendung Europas, und andererseits noch immer ein religiöser Leuchtturm, die letzte Zufluchtstätte der Humanität und des Naturrechtes, so unklar auch manche seiner Forderungen sein mögen, der Mittelpunkt eines christlichen Universalideals, einer in politischer Schau adeligen und bürgerlichen Weltbetrachtung. Nichts nimmt, so mannigfach die Urteile von Ausländern und Italienern besonders über das kirchliche Rom im Laufe der Jahrhunderte auch gewesen sind, dieser Stadt, die sich immer wieder aus allen politischen Wechselfällen des Unglückes wundervoll erhoben hat, den Ruhm, noch immer Sinn, Ausdruck und Mittelpunkt der europäisch-lateinischen Kultur und damit die einzige und wahre Metropole des sogenannten Abendlandes zu sein. Mit dem Fall Roms würde deshalb Europa aufhören, dieser Kontinent zu sein.

Das vorliegende Buch, das aus meinen römischen Tagebüchern in den langen Jahren meiner Tätigkeit als Rektor der deutschen Nationalstiftung der Anima niedergeschrieben wurde, hat nicht den Zweck, die Romliteratur um ein Geschichtswerk zu vermehren. Es sind nur schlichte Erinnerungen eines fast dreißigjährigen Aufenthaltes in der Ewigen Stadt, besonders in der kirchenpolitisch bewegten Zeit zwischen zwei Weltkriegen. In gewisser Hinsicht sind es Konfessionsbekenntnisse eines deutschen Bischofs mit Freuden und Leiden, Glück und Mißerfolgen. Keine eitle Selbstverteidigung wie manche Memoirenliteratur der Nachkriegszeit. Auch nicht eine „posthume“ Rechtfertigung, noch weniger eine Anklage, sondern das Confiteor und Abendgebet eines Lebens, der Abschied von einem vergeblichen Versuch, dem bischöflichen Wahlspruch „Ecclesiae et Nationi2)“ entsprechend, ein Lebensprogramm gestalten zu können. Es schließt aber trotz vieler schmerzlicher persönlicher Erfahrungen nicht in pessimistischen Gedankengängen, sondern mit einem Treuebekenntnis zur Kirche der stillen, unbekannten und unbedankten Soldaten Christi, der schlichten Opferseelen, durch deren großen selbstlosen Idealismus die Kirche der Macht, Repräsentation, der Lehre und Politik, ihre Sendung in der Welt noch erhalten kann, und mit einem Treuebekenntnis zum Glauben an einen neuen nationalen Aufstieg der Jugend des deutschen Volkes aus tiefster Verwirrung der Begriffe: Nation, Vaterland und Ehre.

So ist dieses Buch, mit dem ich von Rom Abschied nehme, in mancher Hinsicht die Beichte eines Priesters und Bischofs über sein Leben voll Irrwege und Enttäuschungen geworden, eine Lebensbeichte, die er am Grabe seiner teuren, unvergeßlichen Mutter auf dem deutschen Friedhof im Schatten von Sankt Peter niederlegt. Es ist aber auch ein Nachwort „ohne Maske“ zu meinem im Herbst 1936 mit Zustimmung des Reichskanzlers Adolf Hitler im Wiener Verlag Josef Günther in fünf Auflagen erschienenen Werk „Die Grundlagen des NS“. Gerade dieses Buch, dessen literarische und politische Auswirkung Propagandaminister Josef Goebbels mündlichen und schriftlichen Vereinbarungen entgegen unter dem Druck des Linkssozialistenflügels innerhalb der Parteigruppe Rosenberg in der deutschen Presse verhinderte, brachten mir ungeahnte Angriffe niedrigster Art in weltlichen und kirchlichen Kreisen, obwohl das letzte Wort in diesem Buch deutlich genug war: „Non possumus3)“. Die Gedanken und Probleme aber, die mich seit 1933 zur Abfassung dieses Werkes veranlaßten, sind im Wirbel der weltgeschichtlichen Ereignisse, die seitdem über ganz Europa und besonders über Deutschland wie ein Orkan des Unheils hinweggebraust sind, von keinem meiner Gegner widerlegt worden. Ich kannte noch aus meiner altösterreichischen Studentenzeit die Entwicklung des NS in der deutsch-radikalen Bewegung innerhalb der habsburgischen Monarchie zu genau, um je an eine „Bekehrung“ im Sinne eines dogmatischen Christentums denken zu können. Parteien und noch mehr politische Bewegungen sind, selbst wenn sie nach außen als „christliche oder katholische“ gelten, keine religiösen Vereine oder Bruderschaften, auf die man ohne weiteres den Katechismus oder das Kirchenrechtsbuch anwenden kann. Sie sind vielmehr unter dem Druck der Masse und opportunistischer Machtpolitik in ständigem Fluß und in ständiger Gefahr, das Opfer des Radikalismus und der Intoleranz innerhalb ihrer eigenen Anhänger oder unter dem Einfluß ihrer Gegner im Ausland zu werden. Ich glaubte nie an ein „Brückenbauen“ oder gar Zusammenarbeiten mit Kreisen wie Rosenberg und Günther, vom Untermenschentyp Streicher gar nicht zu sprechen. Es handelte sich damals letzten Endes nur darum, zu verhindern, was auch ein vor kurzem erschienenes Memoirenwerk des ehemaligen deutschen Vizekanzlers von Papen in voller Klarheit betont, daß der linke, aus dem deutschen Sozialismus entstammende Teil der Partei die Oberhand gewinne und den rechten, national-bürgerlich und konservativ denkenden, in dem die besten Kräfte Deutschlands standen, immer mehr zurückdränge, um schließlich die ganze Bewegung in einem national getarnten Kulturbolschewismus hineinzumanövrieren. So stellte mein Buch einen letzten Versuch vor der päpstlichen Enzyklika „Mit brennender Sorge“ (1937) mit reinstem und bestem Willen dar. Daß er damals gescheitert ist, zum Schaden der gesamten deutschen Sache, ist nicht bloß die Schuld des NS, sondern auch seiner vielen Gegner im Ausland, die jede religiös-rassische Befriedung in Deutschland mit Mißtrauen beobachteten und dagegen Minen legten, weil ihnen ein am Schlachtfeld vernichtetes, gedemütigtes, konfessionell gespaltenes und wirtschaftlich ausgeplündertes Deutsches Reich lieber war als ein siegreiches in der Organisationsform eines christlich gemäßigten NS. So war mein Buch nur ein Wagnis aus christlichem nationalem Mitgefühl für das Schicksal des Deutschtums. Ich habe mich wegen dieses Versuches noch 1944 vor den alliierten Behörden in Rom, die durch Emigranten und sogenannte Widerstandskämpfer gegen mich aufgehetzt wurden, in einer eigenen Denkschrift verteidigt, aber nichts zurückgenommen oder abgeschwächt und keine Zeile geändert. Für mich war schon vor 1936 einzig und allein die Erkenntnis bestimmend, die auch heute, da der Reichsgedanke für einige Zeit versunken ist, noch immer Wahrheit ist und es auch morgen sein wird, was immer das Schicksal in seinem Schoß für Deutschland noch vorbereitet, ohne dessen Einheit, Freiheit und nationalbewußte Haltung eine bessere Zukunft Europas undenkbarist: Nationale und soziale Gedanken — allerdings von den weltfremden Geschichtskonstruktionen des Karl Marx geläutert — sind Ausdruck naturhafter, positiver und deshalb auch lebensformender Kräfte. Beide Gedanken können auf Grund der Zeitgeschichte unwesentliche Wandlungen erfahren, an sich aber sind sie die wahren Grundlagen einer kommenden Staats- und Volkspolitik und einer Neuordnung des Verhältnisses von Staat und Religion. Solange Menschen sich ihres Volkstums und der sozialen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft bewußt bleiben, werden diese Ideen nie ganz untergehen, sondern in den Herzen der Jugend, soweit diese nicht materialistisch vertiert ist, weiterleben.

 

Allein beide Gedanken sind ständig in Gefahr, in radikal extreme Richtungen zu entarten, denen nichts mehr heilig ist, um schließlich im Herrenmenschenkult im Sinne der heidnischen Antike und Renaissance im Barbarentum zu enden, das jede andere Nation wirtschaftlich aussaugt und unterdrückt, oder in der Diktatur einer politischen oder wirtschaftlichen Klasse, wenn sie nicht von der ethischen Lebensweisheit der Humanität und Religion, in Europa von jener des Christentums, eine Normierung, Abgrenzung und Mäßigung ihrer Endziele empfangen.

Nationalismus und Sozialismus werden immer konstruktive Kräfte im Aufbau von Völkern und Staaten darstellen, wenn die Nation und in erster Linie die Abeiterschaft nicht als das Opfer internationaler, durch nichts kontrollierbarer Großmächte (anonymer Kapitalismus, Zionismus, Geheimorganisationen welcher Art immer) sich versklaven lassen will. Nach meiner Überzeugung hatte deshalb der NS ebenso wie der Faschismus am Anfang eine providenzielle Aufgabe für die gesamte abendländische Kultur, den Kampf gegen den Ostbolschewismus*). Eine solche Sendung wird einem Volk und einer politischen Bewegung von der Geschichte nur einmal in Jahrhunderten zuteil. Allein die berufenen Männer innerhalb des NS haben gerade diese kulturpolitische Aufgabe, die weit über Deutschland hinausgriff, nicht erfaßt, besser gesagt, mißbraucht, sonst wäre die Bewegung wie eine geistige Weltmacht über alle Hemmungen in Europa hinweggeschritten, um diesen Kontinent neu zu gestalten, der schon, allein vom demographischen und geopolitischen Gesichtspunkt aus beurteilt, gegenüber dem Osten im Niedergang begriffen ist. Tiefer geschaut, wurde der NS zur Kulturwende Europas und zum Abschluß einer geschichtlichen Epoche des Kontinents, wie seinerzeit die napoleonische Ära. Es gab in ganz Europa kein Volk und keine Militärmacht, die das Vordrängen des Kulturbolschewismus so aufhalten konnte wie das deutsche Volk mit seiner seit 1933 glänzend ausgebildeten militärischen und politischen Organisation, mit der verglichen jene der übrigen Nationen und Staaten (Rußland ausgenommen) oft nur ein besseres Soldatenspiel versinnbildete. Bei meinen letzten Besprechungen, die ich auf Grund des Empfehlungsschreibens des Großherzogs von Mecklenburg über Ersuchen hoher konservativ eingestellter Kreise innerhalb der Waffen-SS mit dem Obersturmbannführer Dr. M. in Rom im November 1942, also vor dem Fall von Stalingrad, der zum Wendepunkt des Kriegsglückes wurde, und noch mehr im März 1943 in Rom führte, waren gerade diese Gedanken der Ausgangspunkt eines innenpolitischen Befriedungsplanes für Deutschland, der automatisch auch die Einkreisungspolitik, die von religiösen und rassischen Gedanken beherrscht im gesamten Ausland (mit Ausnahme von Argentinien und Spanien) gegen das Dritte Reich geführt wurde, zunichte gemacht. Mussolini (1942) hat in letzter Stunde durch einen Artikel des Sekretärs der italienischen Akademie Francesco Orestano in der von ihm gegründeten faschistischen Wochenschrift „Gerarchia“ das religiöse Problem Deutschlands aufgerollt, weil der Kirchenkampf eine schwere Belastung auch für die italienische Partei bedeutete und jeden Versuch, über den Vatikan mit den alliierten Staaten Fühlung zu gewinnen, unmöglich machte. So versuchte auch ein allerdings sehr kleiner, aber geistig und charakterlich hochstehender Kreis innerhalb der SS ähnliche Ziele. Diese Versuche kamen leider viel zu spät, nachdem seit dem Beschluß in Casablanca die alliierten Staaten mit beiden Regimen keinerlei Verhandlungen oder Kompromisse mehr wünschten, sondern nur noch ihren Untergang als Ziel ihrer Kriegspolitik festgelegt hatten. Diesem Kreis einer innenpolitischen Befriedungsaktion stand Himmler, den ich bei einem Empfang in der deutschen Vatikanbotschaft kennengelernt hatte, nicht zu fern, da er selbst nach der Macht strebte. Als er ohne Erfolg blieb, vernichtete er, wie ein Fouché des Dritten Reiches, die Freunde von gestern, um jede Spur seiner eigenen „Treulosigkeit“ auszulöschen. Ungeachtet der vorausgehenden schlechten Erfahrungen mit meinem Werke „Die Grundlagen des NS“ drängte mich mein nationales und christliches Gewissen trotzdem, mit den konservativen Kräften innerhalb des NS in Berührung zu bleiben, so aussichtslos und verworren auch alles allein schon auf den ersten Augenblick hin erscheinen mußte; nicht mich aufdrängend, sondern darum gebeten, von niemandem kirchlicherseits amtlich beauftragt oder ermuntert, sondern nur aus einer inneren Gewissensnot beim Gedanken einer drohenden Katastrophe. Bei diesen Verhandlungen, deren Grundlage das neunte Kapitel dieses Buches schildert, handelte es sich zunächst nur um Tastversuche und um die Festlegung eines minimal kirchenpolitischen Programms für spätere Verhandlungen, bei denen gerade die Rassenfrage, das heißt die sofortige Einstellung der Judenverfolgung, einer der ersten Gedanken war, während das entscheidende Wort in allen rein religiösen Fragen, sobald man über diesen ersten delikaten Punkt hinweggekommen war, den maßgebenden Diözesanbischöfen Deutschlands bzw. dem Vatikan vorbehalten sein mußte. Es war nicht schwer, im Ausland Ende 1942 eine beispiellose Tragödie des deutschen Volkes vorauszusagen, wenn nicht innerhalb kürzester Zeit diese innere Befriedung durch neue Religions- und Rassengesetze in Deutschland verwirklicht werden sollte. Dazu kam, daß der römische Kurienkardinal Enrico Sibilia, der aus der Zeit seiner Tätigkeit als Apostolischer Nuntius in Wien Österreich besonders liebte, für Deutschland wenig Verständnis zeigte, mich über die Feloniebestrebungen der italienischen Minister Grandi, Ciano und besonders Aquarones, der die Verhaftung Mussolinis in der Villa Savoia vorbereitete, die ihn wiederholt in diesen kritischen Wochen der Kriegsführung besuchten, genau unterrichtete. Durch ihn erhielt ich die Abschrift eines propagandistisch vortrefflich verfaßten vertraulichen Briefes des letzten Außenministers der vorfaschistischen Ära, Conte Sforza, den dieser aus New York an König Viktor Emanuel geschrieben hatte. Dieser Brief kursierte damals unter Kurienkardinälen und hohen Kurialbeamten des Vatikans und vertiefte noch mehr die gespannte politische Atmosphäre, die ohnedies infolge der ständigen Kirchenkonflikte mit Deutschland wenig erfreulich war. Das Berliner Auswärtige Amt, das in Rom einen enormen Beamtenapparat unterhielt, kannte nicht die politische Tragweite dieses Briefes. Die Beschwichtigungshofräte gaben vielmehr ein völlig unrichtiges Bild von der Stimmung Italiens gegenüber Deutschland nach Berlin weiter. So scheiterten die bestgemeinten Versuche der Jahre 1942 und 1943, die maßgebenden Stellen des NS von ihrer völlig verfehlten Rassen- und Religionspolitik im Interesse des Reichsgedankens abzubringen, am Byzantinismus und Mangel an Zivilcourage der Berliner Sachreferenten, vielleicht noch mehr und in erster Linie am Kirchen- und Judenhaß in Hitlers Privatkanzlei, deren verantwortliche Leiter Christentum und Kirche mit der Leidenschaft von Apostaten und Dämonen ablehnten, weil sie überall nur jüdische Einflüsse erblickten. Durch Gottes Fügung wurden aber gerade diese letzten kirchenpolitischen Vermittlungsversuche zur Damaskusstunde meiner politischen Haltung, denn ich erkannte die Unfähigkeit höchster verantwortlicher Stellen innerhalb der NS. Trotz der immer größer werdenden Not des Reiches und einer beispiellosen, immer wieder vom Religiösen her inspirierten Auslandspropaganda, die bereits den „Antichrist“ (!) in Deutschland kommen sah, neue Wege der Kultur- und Innenpolitik zu beschreiten, erinnerte ich mich der klassischen Worte des österreichisch-ungarischen Außenministers Graf Aehrental, der in seinen Erinnerungen über die deutschen Politiker auf Grund jahrzehntelanger diplomatischer Erfahrungen das folgende Werturteil hinterlassen hat: „Die Deutschen sind hervorragende Militärs und Organisatoren, aber in politischen Dingen von allen Göttern verlassen.“ Anläßlich meiner letzten Aussprache mit dem obengenannten Vertrauensmann der SS erkannte ich leider nur zu sehr die Richtigkeit dieser Worte. So löste ich mich blutenden Herzens von der Ideologie eines christlichen NS, aber auch vom politischen Traum eines kommenden föderativ aufgebauten Großdeutschen Reiches mit Berlin und Wien als führende Kulturmetropolen und mit Österreich als Brücke der Vermittlung zwischen deutscher, slawischer und romanischer Kultur im Donauraum, als einer Insel des Fortschritts für europäisch denkende Menschen, wie die geographische Lage meinem alten Vaterland Österreich bis 1918 diese große Sendung vorbezeichnet hatte. Sobald ich die Unmöglichkeit erkannt hatte, über den Weg einer rassischen und religiösen Befriedung die deutsche Reichsidee gerettet zu sehen, setzte ich mich für die politische Unabhängigkeit Österreichs ein. Aber nicht in der Form eines zweiten St.-Germain-Staates, noch weniger eines deutschfeindlichen Staates, sondern eines solchen, der auf der Gedankenwelt eines Seipel und Erzherzogs Franz Ferdinand ruht, für ein Commonwealth im Donauraum, als einer Burg mitten in der Brandung der politischen Spannungen kommender Jahrzehnte, von der einmal später in glücklicheren Zeiten der deutsche Reichsgedanke, wie er bis 1806 bestand, in modernen Organisationsformen neu erstehen könnte. Es sollte eine Revidierung des Jahres 1866 sein, das weder für Preußen noch für Deutschland oder Österreich ein Segen geworden ist. Leider ist auch diese Hoffnung gescheitert am Unverstand der Alliierten*), die geglaubt hatten, mit dem bolschewistischen Rußland als Kriegsverbündeten nach der Niederlage Deutschlands eine konstruktive Europapolitik beginnen zu können und eher mit den Kommunisten aller Länder zusammengehen wollten, als in einem Ultimatum das bereits schwach gewordene NS-Reich zu einer neuen Staatspolitik zu zwingen. So hatte der Krieg der Alliierten gegen Deutschland in letzter Schau sehr wenig mit Idealen zu tun. Er war kein Kreuzzug, sondern nur die Rivalität wirtschaftlicher Großkomplexe, um deren Sieg gekämpft wurde, ein sogenanntes „business“, während die Schlagworte Demokratie, Rasse, Religionsfreiheit und Christentum als Köder für die Massen benutzt wurden. Alle diese Erfahrungen haben mich schließlich veranlaßt, nach 1945 meine ganze karitative Arbeit in erster Linie den früheren Angehörigen des NS und Faschismus, besonders den sogenannten „Kriegsverbrechern“ zu weihen, die von Kommunisten und „christlichen“ Demokraten verfolgt wurden, oft mit Mitteln, deren Methoden sich nur wenig von manchen ihrer Gegner von gestern unterschieden haben; obwohl diese Angeklagten vielfach persönlich ganz schuldlos, nur die durchführenden Organe der Befehle ihnen übergeordneter Stellen und so das Sühneopfer für große Fehlentwicklungen des Systems waren. Hier zu helfen, manchen zu retten, ohne opportunistische und berechnende Rücksichten, selbstlos und tapfer, war in diesen Zeiten die selbstverständliche Forderung eines wahren Christentums, das keinen Talmudhaß, sondern nur Liebe, Güte und Verzeihung kennt und Schlußurteile über die Handlungen des eigentlichen Menschen nicht politischen Parteien, sondern einem ewigen Richter überläßt, der allein die Herzen, Beweggründe und letzten Absichten überprüfen kann. Über diese letzte geleistete Hilfe, die mir bald an der römischen Kurie den Titel eines „nazistischen, faschistischen Bischofs“ eintrug — „troppo tedesco4)“ —, bin ich schließlich als untragbar für die Vatikanpolitik gefallen. Ich danke aber dem Herrgott, daß Er mir meine Augen geöffnet hat und auch die unverdiente Gabe geschenkt hat, viele Opfer der Nachkriegszeit in Kerkern und Konzentrationslagern besucht und getröstet und nicht wenige mit falschen Ausweispapieren ihren Peinigern durch die Flucht in glücklichere Länder entrissen zu haben.