Loe raamatut: «Handbuch Joint Venture», lehekülg 16

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4. Bilanzierung von Joint Arrangement in der Internationalen Rechnungslegung
4.1 Neuregelung durch IFRS 11 seit 2013

4.1.1 Allgemeine Gründe und Ziele für Neuregelungen

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Im letzten Jahrzehnt gaben die Bilanzskandale um Enron und Worldcom und die daran anschließende Verabschiedung des Sarbanes-Oxley-Acts im Jahr 2002 den entscheidenden Ausschlag für die schrittweise Harmonisierung von IFRS und den amerikanischen Regelungen nach US-GAAP im Rahmen des sog. Konvergenzprojekts.[52] Noch im selben Jahr erfolgte die Festlegung der Konvergenz im sog. Norwalk Agreement. Mit diesem Agreement verpflichteten sich die Accounting Standardsetter Boards IASB und FASB für die Erstellung von hochwertigen, einheitlichen und weltweit einsetzbaren Rechnungslegungsnormen. Für die Erreichung des Hauptziels, der Kompatibilität, vereinbarten die Boards unter anderem die Durchführung von short-term projects. Diese Projekte sollen für die Entfernung von einer Auswahl an bestehenden Unterschieden zwischen den beiden Accounting Standards sorgen.[53] Der neue IFRS 11 „Joint Arrangement“ „stellt das Ergebnis des vom IASB aufgesetzten Projekts „Joint Venture [. . .] dar.“[54] Durch die Angleichung an die US-GAAP Regelung AP 18 „The Equity Method of Accounting for Investments in Common Stock“ wurde mit dem Abschluss des Projekts ein bedeutender Schritt in Richtung Konvergenz vollzogen.[55] Der Schwerpunkt der Änderung der Neuregelung im IFRS 11 liegt in der Abgrenzung und Bilanzierung von gemeinschaftlichen Vereinbarungen. Der Standard IFRS 11 ersetzt die bisherigen Regelungen in IAS 31 und SIC-13.[56]

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Neben dem Ziel der Konvergenz erfordert die zunehmende Komplexität von Konzernstrukturen aufgrund der Globalisierung eine regelmäßige Angleichung der Vorschriften, um dem im Framework verankerten obersten Ziel der IFRS-Rechnungslegung, entscheidungsnützliche Informationen für die verschiedenen Interessengruppen bereitzustellen, gerecht werden zu können.[57] Primär gelten die Finanzinformationen nach dem IFRS-Framework als entscheidungsnützlich, wenn die Abschlüsse ausschließlich relevante und den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Informationen enthalten. Sekundär zählt für einen Nutzen für die Stakeholder Vergleichbarkeit, Nachprüfbarkeit, Zeitnähe und Verständlichkeit. Des Weiteren sollen der Nutzen der Informationen und die damit verbundenen Kosten in einem angemessenen Verhältnis stehen.[58]

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Der IFRS 11 ist deshalb nur ein Bestandteil von weiteren umfangreichen und durch das IASB ausgeführten Modifikationen im Bereich der internationalen Konzernrechnungslegung. Das im Jahr 2011 veröffentlichte „Consolidation-and-Disclosure-Package“ umfasst zusätzlich zum IFRS 11 die neuen Standards IFRS 10 „Konzernabschlüsse“ und IFRS 12 „Angaben zu Anteilen an anderen Unternehmen“ sowie die Überarbeitungen der Standards IAS 27 „Konzern- und Einzelabschlüsse“ und IAS 28 „Anteile an assoziierten Unternehmen“.[59]

4.1.2 Projektspezifische Zielsetzungen

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Vor dem Hintergrund der angestrebten Konvergenz sowie im Speziellen der Anforderung einer besseren Vergleichbarkeit von IFRS Abschlüssen legte das IASB für das Projekt „Joint Venture“ im Wesentlichen zwei projektspezifische Ziele unter Mitwirkung des FASB fest:[60]

Abschaffung der Rechtsformabhängigkeit

Sachverhalte mit ähnlichem wirtschaftlichem Gehalt sollen einheitlich abgebildet werden. Die bilanzielle Behandlung einer gemeinschaftlichen Vereinbarung ausschließlich in Abhängigkeit von der rechtlichen Ausgestaltung der Vereinbarung verhinderte dies bislang.[61]

Abschaffung des Bilanzierungswahlrechts

Die Wahlmöglichkeit zwischen Equity-Methode oder Quotenkonsolidierung bei der Bilanzierung von Joint Venture im Konzernabschluss führte dazu, dass gleiche Sachverhalte teilweise erheblich unterschiedlich in der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage dargestellt wurden (vgl. dazu oben Rn. 41 ff.). Aufgrund dessen und da nach US-GAAP gemeinschaftliche Vereinbarungen in Form eines separaten Rechtsträgers in der Regel. nur nach der Equity-Methode bewertet werden können,[62] sollte die Abschaffung des Wahlrechts zur Anwendung der Quotenkonsolidierung erfolgen.

4.1.3 Entwicklungs- und Einführungsphase des IFRS 11

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Im September 2007 veröffentlichte das IASB seine detaillierten Planungen über die inhaltlichen Neuerungen bzw. Änderungen mit der Herausgabe des Standardentwurfs ED 9 Joint Arrangements.[63] In der bis zum 11.1.2008 weltweit stattgefundenen Kommentierungsfrist kritisierten verschiedene Interessengruppen vor allem vehement die Abschaffung der Quotenkonsolidierung.[64] In einer „comment letter“-Analyse von Ünal lehnten 53 % von 107 Kommentierenden (insgesamt auswertbar: 110 CL) die Abschaffung der Quotenkonsolidierung ab. Im Vergleich dazu fiel die prozentuale Ablehnung bei der Frage zur neuen Terminologie und der Abschaffung der ausschließlichen Rechtsformabhängigkeit wesentlich geringer aus. Als Argumente für ihre starke Ablehnung gaben die Teilnehmer zusammengefasst folgende Gründe an: die Quotenkonsolidierung spiegelt den wirtschaftlichen Gehalt der Anteile besser wider; es erfolgt eine Gleichstellung von assoziierten Unternehmen und Joint Ventures – trotz des im IFRS definierten Unterschieds im Einfluss; das Konvergenzziel mit US-GAAP wird nicht erreicht, da dort für zwei Branchen (Öl- & Gasindustrie und Bau & Konzession) eine Ausnahmeregelung besteht, die die Anwendung der Quotenkonsolidierung erlaubt. Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmer, die der Kommentierungsaufforderung des IASB folgten, gehörten genau einer dieser beiden Branchen an. Der Abschluss des Projekts erfolgte mit der Veröffentlichung von IFRS 11 im Mai 2011.[65]

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Die Anwendung des Standards ist verpflichtend für die Geschäftsjahre mit Beginn am oder nach dem 1.1.2013 durchzuführen. Eine frühere Anwendung ist nur in Kombination mit der Anwendung des gesamten Consolidation-and-Disclosure-Packages erlaubt (vgl. IFRS 11.C1). Die Anerkennung und Übernahme dieser Standards in das europäische Recht fand im Dezember 2012[66] innerhalb des nach Art. 3 der Internationalen Rechnungslegungsstandards-Anwendungsverordnung durchzuführenden förmlichen Verfahrens (das sog. Komitologieverfahren) der EU-Kommission statt.[67] Erst diese Transformierung führt zur Rechtsverbindlichkeit, da das IASB bzw. FASB nicht-hoheitliche und vom nationalen Gesetzgeber unabhängige Institutionen darstellen. Für die Aufstellung des Konzernabschlusses nach IFRS sind kapitalmarktorientierte Unternehmen bereits seit 2005 nach Art. 4 der Verordnung verpflichtet. Im Gegensatz zum IASB sieht die EU eine verpflichtende Erstabwendung erst ab dem 1.1.2014 vor.[68] Die EU folgt damit dem Ratschlag des EFRAG für eine Verschiebung der Erstanwendung.[69] Dennoch muss für die Vorperiode die Anwendung zum Zwecke des Vergleichs erfolgen.[70]

4.1.4 Rechnungslegungsstandard IFRS 11 im Überblick

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Ziel des IFRS 11 ist es, den Unternehmen mit gemeinschaftlich geführten Beteiligungen prinzipienorientierte Regelungen für die Rechnungslegung vorzugeben (vgl. IFRS 11.1). Zur Erreichung des Ziels gibt der Standard folgende Vorgehensweise vor: Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob es sich bei der Beteiligung überhaupt um eine gemeinsame Vereinbarung (Joint Arrangement) handelt. „Dies setzt insbesondere voraus, dass die relevanten Entscheidungen von mehreren Investoren nur gemeinsam getroffen werden können.“[71] Trifft dies zu, dann folgt im nächsten Schritt die Klassifizierung der gemeinschaftlichen Vereinbarung als gemeinschaftliche Tätigkeit (Joint Operation) oder als Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture), abhängig von den Rechten und Pflichten, die sich aus der Vereinbarung für die Partnerunternehmen ergeben.[72]

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Liegt ein Equity Joint Venture vor, dann spricht vieles für das Vorliegen eines Joint Venture im vorstehenden Sinne.[73] Allerdings stellt die rechtliche Selbstständigkeit im neuen Standard nur noch eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung mehr für ein Gemeinschaftsunternehmen dar. Vertragliche Vereinbarungen sowie sonstige Sachverhalte und Umstände sind nun zusätzlich auf ihren wirtschaftlichen Gehalt zu überprüfen und bestimmen, wie die bilanzielle Einbeziehung im Einzelabschluss- und Konzernabschluss der Partnerunternehmen zu erfolgen hat.

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Zudem enthält der Standard spezielle Regelungen für Lieferungs- und Leistungsbeziehungen zwischen Partnerunternehmen und Joint Arrangement.[74] Umfangreiche Übergangsregeln, z.B. für die Umstellung von der Quotenkonsolidierung auf die Equity-Methode, sind außerdem unter IFRS 11.C2 bis 11.C13 enthalten.

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Abb. 5:

Klassifizierung und Bilanzierung von Joint Arrangements im Überblick[75]


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4.2 Klassifizierung von Joint Arrangement nach IFRS 11

4.2.1 Merkmale von Joint Arrangement

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Gemäß IFRS 11.5 liegt eine gemeinsame Vereinbarung von mindestens zwei Parteien[76] vor, wenn


eine vertragliche Vereinbarung (Contractual Arrangement)

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Für die vollstreckbare vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien, die eine notwendige Bedingung nach IFRS 11.5 (a) i.V.m. IFRS.B2-B4 darstellt, ist keine bestimmte Form vorgeschrieben.[78] Aufgrund der stärkeren Bindungswirkung wird in der Praxis häufig die schriftliche Form – beispielsweise in Form von Verträgen oder Sitzungsprotokollen – vor der mündlichen Form bevorzugt (IFRS 11.B2). Zudem reichen rein faktische Verhältnisse – wie ein gleichgerichtetes Verhalten mehrerer Parteien über einen längeren Zeitraum – nicht als Nachweis für ein gemeinschaftliches Vorgehen aus (de facto Joint Control). Deshalb wird ein Beleg über die gemeinschaftliche Steuerung in irgendeiner Art erforderlich sein.[79] Neben schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Parteien können auch gesellschaftsrechtliche Normen für sich oder in Verbindung mit Verträgen eine gemeinsame Vereinbarung grundlegend sein. Nach bestehendem deutschem Recht wird dies überwiegend bei BGB-Innengesellschaften bzw. BGB-Außengesellschaften sowie Kapital- und Personenhandelsgesellschaften der Fall sein (IFRS 11.B2-B3).[80] Bestandteile einer Vereinbarung sind in der Regel z.B. der Zweck, Tätigkeit und die Dauer der gemeinsamen Vereinbarung oder der Entscheidungsprozess, aus dem sich die gemeinschaftliche Beherrschung begründet (vgl. IFRS 11.B4).[81]

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Ein Vertrag begründet nämlich nach IFRS 11.5 (b) i.V.m. IFRS 11.7-13 „nur dann eine gemeinschaftliche Vereinbarung, wenn durch diesen eine gemeinschaftliche Beherrschung[82] (Joint Control) vereinbart wurde (hinreichende Bedingung).“[83] Die gemeinschaftliche Beherrschung ist in IFRS 11 als „die vertraglich vereinbarte, gemeinsam ausgeübte Führung einer Vereinbarung“ definiert, die einzig und allein besteht, „wenn Entscheidungen über die maßgeblichen Tätigkeiten die einstimmige Zustimmung der an der gemeinschaftlichen Führung beteiligten Parteien erfordern.“ [84] Die Beurteilung, ob eine gemeinschaftliche Beherrschung tatsächlich vorliegt, erfolgt in zwei Stufen. Zunächst ist zu prüfen, ob die Lenkung der wesentlichen Aktivitäten gemeinsam ausgeübt wird, d.h. mindestens zwei Parteien die Führung der Vereinbarung ausführen können.[85] Unter maßgeblichen Tätigkeiten fallen laut der Definition in IFRS 10 alle Aktivitäten, die eine erhebliche Auswirkung auf die Rendite eines Beteiligungsunternehmens haben (IFRS 10 Anhang A: Definitionen).

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Liegt eine gemeinsame Steuerung der wichtigen Geschäftstätigkeiten vor, dann wird im zweiten Schritt geprüft, ob die Entscheidungen hinsichtlich dieser Aktivitäten eine einstimmige Zustimmung erfordern. Das heißt, um Teil einer gemeinschaftlichen Beherrschung zu sein, muss jede Partei die Möglichkeit haben relevante Entscheidungen blockieren zu können (IFRS 11.B6; IFRS 11.B9).[86] Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein ungleiches Beteiligungsverhältnis eine einvernehmliche Entscheidungsfindung über die relevanten Aktivitäten nicht automatisch ausschließt. Beispielsweise können neben dem Beteiligungsverhältnis zusätzliche (gesellschafts-)vertragliche Reglungen wie verschärfte Mehrheitserfordernisse sowie Veto- oder Zustimmungsrechte vereinbart werden, die eine einstimmige Zustimmung unter den Parteien erforderlich macht.[87] Das Joint Arrangement besteht, wenn beide Prüfschritte erfüllt werden (IFRS 11.B6; IFRS 11.B9 f.).[88] Ändern sich Sachverhalte und Umstände, sind die Prüfschritte erneut anzuwenden (IFRS 11.13). Die folgende Abbildung 6 fasst alle vorausgesetzten Kriterien für das Bestehen eines Joint Arrangement zusammen und veranschaulicht diese an einem Beispiel. Dabei wird im Speziellen auf die beiden Prüfschritte des Joint Control eingegangen.

Abb. 6:

Anwendungsbeispiel mit dem „Joint Control“ Prüfverfahren[89]


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Angenommen, die Stimmrechte verteilen sich unter der gleichen festgeschriebenen Stimmrechtsmehrheit von 75 % nun wie folgt: A hält 50 % – B und C jeweils 25 %. Dann kann A gemeinsam mit B oder mit C die Steuerung der maßgeblichen Tätigkeiten durchführen. Somit besteht in diesem Beispiel eine kollektive Steuerung zwischen A, B und C (1. Schritt). Allerdings führen die Kombinationsmöglichkeiten dazu, dass einzig und allein A Entscheidungen blockieren kann (2. Schritt). Dieser Mangel kann beispielsweise durch die Festlegung einer entscheidungsfähigen Parteienkombination – A und B oder A und C – behoben werden.[90]

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Küting/Seel zweifeln m.E. zu Recht an der praktischen Relevanz des ersten Prüfungsschritts für ein Joint Control. Insofern wäre es vorteilhafter, zunächst die Parteien mit einem vereinbarten gemeinsamen Willen zu identifizieren, um anschließend zu beurteilen, „ob es diesen Parteien durch ihr Zusammenwirken ebenfalls möglich ist, das Unternehmen im gemeinsamen Interesse zu beherrschen.“[91]

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Parteien, die an einem Joint Arrangement ohne gemeinschaftliche Beherrschung teilnehmen, müssen für die Bilanzierung der Beteiligung daher auf folgende Standards zurückgreifen:

Abb. 7:

Bilanzierung der Teilnehmer an einem Joint Arrangement ohne Joint Control[92]


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4.2.2 Klassifizierung als Joint Operation oder Joint Venture

Einstufung im Überblick:

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Liegt ein Joint Arrangement gemäß dem vorangegangenen Abschnitt (siehe oben Rn. 70 ff.) vor, dann folgt im nächsten Schritt die Bestimmung der Art der gemeinsamen Vereinbarung. Nach IFRS 11 kann ein Joint Arrangement entweder als gemeinschaftliche Tätigkeit (Joint Operation) oder Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) eingestuft werden. Die Klassifizierung ist abhängig von den Rechten und Pflichten, die sich aus der Vereinbarung für die Parteien ergeben (vgl. IFRS 11.14; IFRS 11.B14). Während den gemeinschaftlich Tätigen einer Joint Operation unmittelbar Rechte an den Vermögenswerten und Verpflichtungen aus den Schulden der Vereinbarung erwachsen (IFRS 11.15), besitzen dagegen die Partnerunternehmen eines Joint Venture nur Rechte am Nettovermögen der Vereinbarung (IFRS 11.16). Die Einstufung trifft ein Unternehmen aus eigenem Ermessen im Rahmen von vier im Standard festgelegten Prüfschritten.[93] Der nachfolgende Entscheidungsbaum gibt einen Überblick über die zu durchlaufenden Schritte. Die detailliertere Erklärung der Schritte erfolgt im Anschluss.

Abb. 8:

Klassifizierung als Joint Operation oder Joint Venture[94]


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(1) Zur Struktur des Joint Arrangements:

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Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob die gemeinsame Vereinbarung über ein eigenständiges Vehikel (separate vehicle) aufgebaut ist (IFRS 11.B16-B21).[95] Der ausschlaggebende Begriff „separate vehicle“ bleibt jedoch im Standard weitestgehend ungeklärt und wird deshalb in der aktuellen Literatur kontrovers diskutiert. Eine separate Einheit definiert das IASB als eine von den Parteien losgelöste Finanzstruktur.[96] Diese separate Struktur existiert regelmäßig bei einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Aber auch unabhängig von der Rechtsform können gemäß IFRS 11.B16 aus einer gemeinsamen Vereinbarung gesonderte Strukturen entstehen.[97] Fehlt eine gesonderte Einheit, dann handelt es sich bei der gemeinsamen Vereinbarung um eine Joint Operation. Nach Dittmar/Graupe kann dies beispielsweise in der Baubranche bei Arbeitsgemeinschaften oder Fertigungsgemeinschaften vorliegen, die auf Grundlage einer BGB-Innen- oder Außengesellschaft gestaltet sind. Diese Gemeinschaften sind nämlich dafür bekannt, dass die Partner meist selbst die wesentlichen Vermögens- und Schuldwerte für die Auftragsdurchführung halten.[98] Eine von den Parteien losgelöste Finanzstruktur in einer gesonderten Einheit (BGB-Gesellschaft) ist in der Praxis eher unwahrscheinlich.[99] Auch Mujkanovic/Holzapfel sehen die Zuordnung der funktional wesentlichen Vermögenswerte und Schulden für die Zweckerreichung der gemeinsamen Vereinbarung als entscheidend für die Beurteilung an, ob ein separate vehicle vorliegt oder nicht. Da aber das deutsche Recht für das Halten von Vermögenswerten und Schulden in einer gesonderten Einheit die Teilrechtsfähigkeit bzw. Rechtsfähigkeit voraussetzt,[100] können die Kriterien eines separate vehicles hierzulande regelmäßig BGB-Außengesellschaften sowie Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften erfüllen. Bei Bruchteilgemeinschaften nach §§ 741 ff. BGB gestaltet sich die Frage, ob eine separate Einheit vorliegt, schwieriger. Allerdings erübrigt sich in diesem Fall die Bestimmung, da bei dieser Form sowieso jede Partei direkt über seinen Anteil verfügen kann und somit eine Joint Operation vorliegt.[101]

(2) Zur Rechtsform des gesonderten Vehikels:

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Im daran anschließenden Schritt ist zu beurteilen, ob das gesonderte Vehikel eine rechtlich selbstständige Einheit darstellt (IFRS 11.B22-B24). Dies trifft zu, wenn die Einheit selbst der Träger von Rechten und Pflichten hinsichtlich der Vermögenswerte und Schulden ist und nicht unmittelbar die einzelnen Parteien der gemeinsamen Vereinbarung. Diese Unterscheidung zwischen der eigenständigen Einheit und den daran beteiligten Parteien findet im deutschen Recht stets bei Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften oder BGB-Außengesellschaften statt.[102] Dies liegt bei diesen Gesellschaftsformen in erster Linie an der (überwiegenden) rechtlichen Selbstständigkeit sowie an dem gebundenen Gesamthandvermögen, welches eine freie Verfügbarkeit der Gesellschafter am eigenen Vermögensanteil ausschließt.[103] Zum Teil wird aber Meinung vertreten, dass bei der Rechtsform der Personengesellschaft stets eine Joint Operation besteht, da Vermögenswerte und Schulden wegen der unbeschränkten Haftung nicht im Unternehmen eingeschlossen wären.[104] Dagegen spricht m.E., dass die unbeschränkte Haftung für mögliche Schulden der Personengesellschaft nicht automatisch zu einer Joint Operation führt, da die Kriterien direkter Zugriff auf die Vermögenswerte und direktes Einstehen für die Schulden kumulativ erfüllt sein müssen.[105] Da den beteiligten Partnern bei diesen Gesellschaftsformen laut der deutschen Rechtslage lediglich ein Anteil am Nettovermögen zusteht, spricht (bis jetzt) alles für ein Joint Venture.[106] Nun können nur noch vertragliche Vereinbarungen und bestehende sonstige Sachverhalte und Umstände vor der Rechtsform der separaten Einheit Vorrang haben und zur Einstufung als Joint Operation führen (vgl. IFRS 11.B23).

(3) Zur vertraglichen Vereinbarung:

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Die Rechte und Pflichten, die den Parteien aus der Rechtsform des eigenständigen Vehikels erwachsen, stimmen häufig mit dem wirtschaftlichen Gehalt eines zusätzlichen Vertrages zwischen den Parteien überein. Es kommt aber auch vor, dass die Parteien eine vertragliche Vereinbarung zur Überlagerung der durch die Rechtsform begründeten Rechte und Pflichte verwenden (IFRS 11.B25-B28). Wenn für ein Joint Arrangement zum Beispiel aufgrund von steuerlichen oder gesetzlichen Vorschriften eine bestimmte Rechtsform vorgeschrieben ist, kann ein Vertrag davon abweichend unmittelbare Rechte an den Vermögenswerten und Verpflichtungen aus den Schulden der Vereinbarung herstellen. In solch einem Fall liegt ggf. eine Joint Operation vor (IFRS 11.BC32; IFRS 11.B28).[107] Vertragsinhalte, die auf eine Joint Operation bzw. auf ein Joint Venture schließen lassen, sind beispielhaft im Standard unter IFRS 11.B27 aufgeführt. Bei einem Gesamthandsvermögen nach deutschem Recht ist jedoch eine vollständige vertragliche Überlagerung, die zu einer Joint Operation mit einer unmittelbaren Beteiligung an den Vermögenswerten und Schulden führt, weniger denkbar.[108]

(4) Zu sonstigen relevanten Sachverhalten und Umständen:

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Im letzten Schritt muss beurteilt werden, ob andere Sachverhalte und Umstände auf eine Joint Operation schließen lassen (IFRS 11.B29-B32). Ist der Output aus der gemeinsamen Vereinbarung hauptsächlich für die gemeinschaftlich führenden Parteien bestimmt und ein Verkauf an Dritte genehmigungspflichtig, dann spiegelt dies beispielsweise nach Ansicht des IASB eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Unternehmens von den Parteien wieder (vgl. IFRS 11.B31-B32).[109] Der Nutzen aus den Vermögenswerten und die Pflicht, Schulden zu finanzieren, entstehen den gemeinschaftlich führenden Parteien unmittelbar infolge ihrer Leistungsabnahme aus der separaten Einheit und nicht in Form eines zufällig zustande kommenden Gesamtergebnisses. Somit liegt aus wirtschaftlicher Sicht eine Beteiligung an einzelnen Vermögenswerten und Schulden vor (Joint Operation).[110] Da Konstellationen in dieser Art in der Praxis häufiger vorkommen können, ist mit Umklassifizierungen in der Übergangsphase von IAS 31 zu IFRS 11 zu rechnen.[111]

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Allgemein gilt auch hier wie bei der Identifizierung einer gemeinschaftlichen Vereinbarung: Wenn sich Sachverhalte und Umstände ändern, dann ist eine erneute Beurteilung der Klassifizierung durchzuführen (vgl. IFRS 11.19). Dadurch wird der Bilanzersteller freilich nicht mittels des Standards zur stetigen Anwendung einer Bilanzierungsmethode diszipliniert. Im Gegenteil, es eröffnet weiteres Potenzial zur gezielten Gestaltung der Konzernbilanz in den kommenden Geschäftsjahren. Die ausgeweiteten Angabepflichten im Anhang führen auch zu keiner Lösung für die Bilanzanalyse, da für die Abschlussadressaten nicht daraus hervorgeht, „ob aufgrund realer Umstände eine Vereinbarung tatsächlich vorteilhaft ist oder lediglich eine [induzierte] Sachverhaltsgestaltung vorliegt“. [112]