Loe raamatut: «Unternehmenssanierung, eBook», lehekülg 21

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4.2.1 Prüfung der Ausgangsbasis

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Folgende Punkte sind zu verifizieren:


- Sind die Banksalden zutreffend?
- Sind die Gelder tatsächlich in vollem Umfang frei verfügbar (Hinterlegungen, Verpfändungen)?
- Ist die dargestellte freie Kreditlinie, wenn überhaupt vorhanden, ohne Einschränkungen frei verfügbar?
- Wie wurden die fälligen und überfälligen Verbindlichkeiten ermittelt?
- Ist sichergestellt, dass alle Verbindlichkeiten vollständig berücksichtigt sind?
- Wie sind strittige Positionen berücksichtigt?

4.2.2 Überprüfung der Prämissen

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Inwiefern sind die in die Planung eingeflossenen Prämissen nachvollziehbar und entsprechen den Erfahrungswerten der jüngeren Vergangenheit? Lassen sich wesentliche Sonderzahlungen zu den vertraglichen Vereinbarungen nachvollziehen? Wie wurde die Vollständigkeit sichergestellt?

4.2.3 Überprüfung der historischen Qualität der Liquiditätsplanung

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Welche Abweichungen haben sich in der jüngeren Vergangenheit zwischen den unternehmenseigenen Liquiditätsplanungen und der tatsächlichen Liquiditätsentwicklung ergeben? Wie wurden diese Erfahrungswerte in der nun vorliegenden Liquiditätsplanung berücksichtigt?

4.2.4 Prüfung der rechnerischen Richtigkeit

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Planungsrechnungen der geschilderten Art werden typischerweise in Excel oder ähnlichen Tabellenkalkulationsprogrammen durchgeführt. Oft sind die Tabellen sehr kompliziert und damit fehleranfällig. Insoweit ist eine sorgfältige Überprüfung der rechnerischen Richtigkeit unabdingbar.

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Ergibt sich aus einer solchen Planungsrechnung, nach ggf. erforderlichen Korrekturen, dass die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens während der gesamten Vorschauperiode gewährleistet ist, so liegt kurzfristig keine Zahlungsunfähigkeit vor.

4.3 Erstellen einer kurzfristigen Liquiditätsplanung

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Liegt eine Liquiditätsplanung im oben dargelegten Format und in der erwähnten Qualität nicht vor, so ist diese unverzüglich zu erstellen. Dabei ist große Vorsicht und Umsicht geboten. Der Berater ist regelmäßig mit den Einzelheiten des Unternehmens nicht oder nur sehr unzulänglich vertraut. Das betroffene Unternehmen verfügt nicht über historische verwertbare Erfahrungen in der Erstellung sinnvoller Liquiditätsplanungen. Dies sind keine guten Eingangsvoraussetzungen für eine nachhaltig belastbare Liquiditätsplanung.

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Ausgangspunkt für eine von dem Berater unter Mitwirkung des Mandanten erstellte Liquiditätsplanung sollte immer ein zeitnaher Abschluss und eine Analyse der Liquiditätsentwicklung sein.

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Ein vorliegender zeitnaher Abschluss ist in jedem Fall angemessen und sorgfältig auf seine Qualität hin zu überprüfen. Dies gilt für die liquiditätsrelevanten Positionen der Aktivseite, d.h. die Vorräte, Forderungen und sonstigen Vermögensgegenstände. Höhere Aufmerksamkeit ist allerdings erfahrungsgemäß der Qualität der Passivseite zu widmen, die zumindest stichprobenweise und durch Abgleich mit vorhergehenden Abschlüssen sicherzustellen ist. Weiter ist nun zu prüfen, inwieweit die in dem zugrunde zu legenden Abschluss ausgewiesenen Positionen auf den aktuellen Zeitpunkt fortgeschrieben werden müssen. Neben den liquiden Mitteln dürfte dies insbesondere für die laufenden Forderungen, Vorräte und Verbindlichkeiten regelmäßig erforderlich sein. Der so angepasste vorliegende Abschluss ist dann liquiditätsmäßig abzuwickeln, d.h. die Realisierung der Forderungen und sonstigen Vermögensgegenstände sowie die zahlungsmäßige Abwicklung der Verbindlichkeiten und Rückstellungen sind aufgeteilt in die einzelnen Einzahlungs- und Auszahlungskategorien über die nächsten 12 Wochen darzustellen. Zu ergänzen sind dann die Zahlungen, die in einer Bilanz typischerweise keinen Niederschlag finden und sich periodisch ergeben. Dies sind insbesondere Lohn- und Gehaltsaufwendungen, Mieten, Leasingraten, Zinsen, Tilgungen und Zahlungen für Steuern und Sozialversicherungen. Die abschließende Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der so erstellten Planungsrechnungen ist sorgfältig und kritisch durch eine Analyse der Liquiditätsentwicklung der Vergangenheit und eine sorgfältige Analyse der vorliegenden Gewinn- und Verlustrechnungen vorzunehmen. Angesichts der problematischen Ausgangslage empfiehlt es sich, vorsichtig zu schätzen und angemessene Risikopuffer in einer solchen Planungsrechnung zu berücksichtigen.

4.4 Gesellschaftsrechtliche Pflichten bei Verlust der Hälfte des gezeichneten Kapitals

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Ergibt sich aus dem von der Gesellschaft vorgelegten aktuellen Abschluss, dass mehr als die Hälfte des gezeichneten Kapitals durch Verluste aufgezehrt worden ist, so ist zu prüfen, ob die für diese Fälle zwingend vorgesehene Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung (§§ 49 Abs. 3 GmbHG/92 Abs. 1 AktG) bereits stattgefunden hat. Es lohnt sich dabei, auch regelmäßig zu überprüfen, ob diese Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung ordnungsgemäß einberufen und die Abhaltung angemessen protokolliert wurde. Ist dies nicht der Fall, so sind die Organe unverzüglich auf ihre aus §§ 49 Abs. 3 GmbHG bzw. 92 Abs. 1 AktG resultierenden Pflichten hinzuweisen (hierzu 8. Kap. Rn. 15 f.).

4.5 Insolvenzantragspflicht aufgrund von Zahlungsunfähigkeit

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Unter Berücksichtigung der vorstehend aufgezeigten Definition ist zu prüfen, ob eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, die auch eine Insolvenzantragspflicht zur Folge hat. Eine Zahlungsunfähigkeit muss daher nicht nur vorliegen, sondern auch nachhaltig sein. Eine Zahlungsstockung löst keine Insolvenzantragspflicht aus. Leider führt die vielfältig hierzu vorhandene Rechtsprechung nicht immer zur Klarheit und lädt in mancherlei Hinsicht durchaus auch zu Fehlinterpretationen ein. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jede Zahlungsunfähigkeit zur Insolvenzantragspflicht führt. Der BGH hat allerdings auch entschieden, dass ausnahmsweise keine Insolvenzantragspflicht vorliegt, wenn die Zahlungsunfähigkeit nicht nachhaltig ist und den Gläubigern unter besonderer Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ein auch über die 3-Wochenfrist hinausgehendes Zuwarten zugemutet werden kann.[11] Diese Aussage eröffnet einen sehr weiten und risikoreichen Interpretationsspielraum. Es sollte sehr kritisch und mit aller gebotenen Vorsicht geprüft werden, ob die Organe einer Gesellschaft und ihre Berater im Einzelfall gut beraten sind, sich unter Berufung auf diese Aussagen zu entschließen, dass keine Insolvenzantragspflicht vorliegt. In jedem Fall ist unzweifelhaft vom Vorliegen einer die Insolvenzantragspflicht auslösenden Zahlungsunfähigkeit auszugehen, wenn in einem Betrachtungszeitraum von 3 Wochen eine vorliegende Zahlungsunfähigkeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vollständig beseitigt werden kann.

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Liegt Insolvenzantragspflicht vor, so hat der Berater die Organe des Mandanten umfassend über ihre Pflichten aufzuklären. Dabei ist besonders darauf hinzuweisen, dass der Insolvenzantrag bei Vorliegen der Insolvenzantragspflicht unverzüglich zu stellen ist. Wenn und soweit Aussichten bestehen, dass sich die Insolvenzantragspflicht ggf. noch abwenden lässt, kann bei Vorliegen einer auf Zahlungsunfähigkeit beruhenden Insolvenzantragspflicht ein Zeitraum von maximal 3 Wochen für eine solche Lösung genutzt werden. Dabei ist dringend zu beachten, was sehr häufig übersehen wird, dass die 3 Wochen einen maximalen Zeitraum darstellen und dass zudem während dieser 3 Wochen bei einer Unternehmensfortführung Besonderheiten zu beachten sind. In dem 3-Wochenzeitraum ist das Unternehmen verpflichtet, nur noch solche Zahlungen zu leisten, die für eine geordnete Betriebsfortführung zwingend erforderlich sind. Nicht betriebsnotwendige Zahlungen haben zu unterbleiben. Werden nicht betriebsnotwendige Zahlungen dennoch ausgeführt, so haften die Organe hierfür im Insolvenzfall persönlich.[12]

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Dabei sind grundsätzlich nur solche Zahlungen erlaubt, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen. In der Regel dürfte dies z.B. nicht für Zinsen, Tilgungszahlungen, Zahlungen an ausgeschiedene Arbeitnehmer, Lieferanten und Dienstleister, zu denen keine Geschäftsbeziehungen mehr bestehen, usw. gelten. Der Gesetzgeber hat zum 1.1.2021 mit der Formulierung des § 15b Abs. 2 InsO die strengen Regeln „für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind“ gelockert. Es fehlt jedoch an einer Konkretisierung. Naturgemäß gibt es auch bisher keine Rechtsprechung zu § 15b Abs. 2 InsO. Vor diesem Hintergrund halten wir, zur Risikominimierung, eine zurückhaltende Auslegung für ratsam.

5. Überschuldung

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Die Überschuldung löst nur bei Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person vollhaftender Gesellschafter ist, Insolvenzantragspflichten aus.

5.1 Fortbestehensprognose

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Vor dem Hintergrund der aktuellen Regelung des § 19 InsO löst eine Überschuldung nur dann eine Insolvenzantragspflicht aus, wenn das Fortbestehen des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten nach den Umständen nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Insoweit ist vorrangig die Fortbestehensfähigkeit des Unternehmens zu überprüfen. Dabei ist die Fortbestehensfähigkeit im rechtlichen Sinne dann zu bejahen, wenn das Unternehmen voraussichtlich seine geschäftlichen Aktivitäten unter Einhaltung der Zahlungspflichten fortsetzen kann. Das Unternehmen hat seine finanzwirtschaftlichen Verhältnisse so zu ordnen, dass mindestens für die nächsten 12 Monate eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist.

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Dem folgend ist für die Frage, ob Fortbestehensfähigkeit gegeben ist, eine Liquiditätsplanung mindestens für die nächsten 12 Monate aufzustellen. Die zugrunde zu legende Liquiditätsplanung sollte dabei immer zwingend Teil einer integrierten Unternehmensplanung, bestehend aus Liquiditätsplanung, Erfolgsplanung (Gewinn- und Verlustrechnung) und Planbilanzen, sein. Der in der Praxis häufig anzutreffende Versuch, aus einer schlichten Gewinn- und Verlustrechnung durch wenige Korrekturen einen Liquiditätsplan abzuleiten, birgt erhebliche Fehlerrisiken und ist deswegen abzulehnen. Gerade in Umbruchsituationen können sich aus bilanziellen Effekten erhebliche Liquiditätsauswirkungen ergeben, die in jedem Fall berücksichtigt werden müssen. Dies ohne eine Planbilanz zu ermitteln, ist nur schwerlich möglich. Auch eine umfassende Plausibilitätsprüfung erfordert eine integrierte Planungsrechnung.

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Ausgangspunkt für eine solche integrierte Unternehmensplanung sollte auch hier jeweils ein aktueller zeitnaher Abschluss sein, der angemessen sorgfältig auf seine Qualität hin analysiert sein muss.

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Die Abbildung solcher integrierter Unternehmensplanungen in Tabellenkalkulationsprogrammen hat sich nicht in allen Fällen bewährt. Wesentlich besser geeignet sind spezielle Planungssoftwareprogramme, da nur sie zwingend eine saubere Verknüpfung zwischen Liquiditäts-, Erfolgs- und Bilanzplanung sicherstellen. Insbesondere wenn eine angemessene Planungsqualität erreicht werden soll, ist es erforderlich, die Planungsrechnung von unten aufzubauen. Das heißt im Einzelfall, die Planung auf Filialebene oder Niederlassungsebene zu beginnen und Geschäftsfelder, Regionen sowie größere Projekte und wesentliche Gemeinkostenbereiche (Verwaltung, Vertrieb usw.) eigenständig zu planen und diese Teilplanungen zu einer Gesamtplanung zusammenzuführen. Wird dies in herkömmlichen Tabellenkalkulationsprogrammen durchgeführt, so ergibt sich eine Komplexität und damit Fehleranfälligkeit, die vermieden werden sollte. Die Komplexität steigert sich dabei regelmäßig durch die im Projektverlauf unvermeidliche Anpassung und Veränderung von Planungsprämissen. Die Vorgehensweise des Beraters entspricht dabei grundsätzlich den oben unter Rn. 35 ff. zur Prüfung einer kurzfristigen Liquiditätsplanung gemachten Ausführungen. Im Unterschied zur kurzfristigen Liquiditätsplanung wird eine solche mittelfristige Liquiditätsplanung allerdings typischerweise nach der indirekten Methode, d.h. im Wege einer Überleitungsrechnung aus der Gewinn– und Verlustrechnung, abgeleitet.

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Zwingend ist auch hier, dass der Berater eine etwaig vorhandene Planungsrechnung des Unternehmens mit größerer und kritischer Sorgfalt gegen die Erfahrungswerte der Vergangenheit abgleicht und die abgebildeten Trends für die Zukunft kritisch hinterfragt. Es hat sich dabei auch bewährt, Planungsszenarien zu bilden, also neben einer normalisierten Planungsrechnung auch einen optimistischen Fall („Best Case“) und einen konservativ pessimistischen Fall („Worst Case“) durchzurechnen. Besonders zu hinterfragen und konservativ realistisch zu betrachten ist es, wenn im Betrachtungszeitraum wesentliche Kredite refinanziert werden müssen oder andere für das Unternehmen wesentliche Verträge mit Kunden oder Lieferanten auslaufen. Die Frage, ob solche Verträge prolongiert oder durch ähnliche Vereinbarungen ersetzt werden können, ist mit den Organen kritisch und eingehend zu diskutieren. Dabei sind solche Prolongationen oder Neuverträge nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie realistischerweise überwiegend wahrscheinlich sind.

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Eine positive Fortbestehensprognose setzt voraus, dass auf Basis eines schlüssigen und plausiblen Unternehmenskonzeptes und einer integrierten Planungsrechnung ein Finanzplan für die nächsten 12 Monate erstellt wird. Die Fortbestehensprognose ist positiv, wenn und soweit sich auf dieser Basis ergibt, dass das Unternehmen über ausreichende Finanzmittel für die Fortführung in diesem Zeitraum verfügt oder diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtzeitig beschaffen kann. Der Gesetzgeber hat zum 1.1.2021 den Prognosezeitraum auf 12 Monate beschränkt, um Rechtsunsicherheiten hinsichtlich der Länge zu beseitigen und die Abgrenzung zur drohenden Zahlungsunfähigkeit (Prognosezeitraum seither 24 Monate) zu schärfen. Zur Prüfung der Fortbestehensprognose ist der Finanzplan also fortlaufend zu verlängern. Ist nicht mehr von einer positiven Fortbestehensprognose auszugehen, ist ein Überschuldungsstatus aufzustellen. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass neben der gesicherten Liquidität über den gesamten Planungszeitraum für eine Fortbestehungsprognose am Ende des Zeitraumes nachhaltige Ertragsfähigkeit, insbesondere ein positiver Cash-Flow gegeben sein muss. Ergibt sich am Ende des gewählten Planungshorizonts kein nachhaltig positiver Cash-Flow, so ist der Planungszeitraum auszudehnen, dies bis zu einem Zeitpunkt, ab dem realistisch mit einem nachhaltig positiven Cash-Flow gerechnet werden kann.[13]Unseres Erachtens muss dies trotz der nunmehr expliziten Begrenzung des Zeitraums auf 12 Monate in § 19 Abs. 2 S. 1 InsO weiterhin gelten, da eine Fortführung eines Unternehmens, welches nachhaltig nicht zu positiven Cash-Flows und Erträgen in der Lage ist, nicht sinnvoll ist und Gläubigern unterdessen zuwiderläuft. Dies entspricht nicht der im zukünftigen IDW Standard S 11 vertretenen Auffassung, die sich strikt am Gesetzestext orientiert und eine Finanzierung für 12 Monate in jedem Fall für ausreichend erachtet. Da es an Rechtsprechung zu diesem neu gefassten § 19 InsO fehlt, gilt es, dies im Hinblick auf den typischerweise als vorrangig anzusehenden Gläubigerschutz im Einzelfall sorgfältig abzuwägen. Das nachfolgende Schaubild stellt den logischen Ablauf dar.

Abb. 2: Prüfung der Überschuldung


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5.2 Überschuldungsprüfung

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Nach allgemeiner Auffassung sind Grundlage für eine Überschuldungsprüfung die durch den IDW Standard S 11[14] festgehaltenen Überlegungen. In Anbetracht der aktuellen Gesetzeslage ist für die Prüfung der Überschuldung dabei grundsätzlich von einer Abwicklung eines Unternehmens auszugehen, da die Überschuldungsprüfung nur stattfindet, wenn die Fortbestehensfähigkeit des Unternehmens in einem Zeitraum von grundsätzlich 12 Monaten nicht gegeben ist. Dementsprechend ist bei der Überprüfung der Überschuldung von dem Szenario einer Abwicklung des Unternehmens außerhalb eines Insolvenzverfahrens auszugehen.

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Die Frage der Fortbestehensfähigkeit ist für jede juristisch eigenständige Einheit selbstständig durchzuführen. Sind innerhalb eines Konzerns oder einer Unternehmensgruppe die Unternehmen durch einen intensiven Lieferungs- und Leistungsverkehr oder gar durch ein Cash-Pooling eng und intensiv miteinander verbunden, so kann eine Überprüfung der Fortbestehensfähigkeit grundsätzlich auch auf Ebene der Unternehmensgruppe durchgeführt werden. Ergibt sich allerdings, dass die Fortbestehensfähigkeit der Unternehmensgruppe insgesamt nicht gegeben ist, so ist nachfolgend ergänzend zu überprüfen, ob diese Feststellung zwingend auch für alle eigenständigen juristischen Einheiten der Gruppe zutreffend ist.

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Grundlage für die Prüfung der Überschuldung ist ein auf einen zeitnahen Stichtag zu erstellender Status. In diesem Überschuldungsstatus sind die Vermögenswerte, Schulden und Verpflichtungen des Unternehmens stichtagsbezogen abzubilden. Dabei ist mit dem IDW Standard S 11 bei Ansatz und Bewertung im Überschuldungsstatus vom Zweck der Überschuldungsprüfung auszugehen. Demzufolge sind handelsrechtliche oder auf sonstigen Bilanzierungs- und Bewertungsgrundsätzen aufbauende Maßstäbe nicht relevant. Für die Ansatzfähigkeit in dem Status ist ausschließlich ausschlaggebend, dass Vermögenswerte im Rahmen des zugrunde liegenden Szenarios, also einem Liquidationsszenario, verwertbar sind. Auch wenn der Ausgangspunkt für die Erstellung eines solchen Status schon aus praktischen Gründen eine zeitnahe Handelsbilanz ist, so sind die in der Handelsbilanz berücksichtigten Vermögenswerte kritisch auf ihre Verwertbarkeit im Liquidationsfall zu überprüfen. So sind z.B. erworbene Lizenzen zwar handelsrechtlich zu aktivieren, in einem Überschuldungsstatus aber wegen der Unzulässigkeit, diese zu übertragen, nicht zu berücksichtigen. Gegebenenfalls vorhandene Vermögenswerte, die in einer Handelsbilanz nicht angesetzt wurden (z.B. Patente, vorteilhafte Verträge, wie z.B. Mietverträge, soweit diese übertragbar wären), können dabei angesetzt werden, falls sie tatsächlich verwertbar sind.

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Die Bewertung sämtlicher Vermögenswerte erfolgt ausschließlich zu aktuellen Marktwerten (Verkehrswerten). Dabei ist zu berücksichtigen, wie sich die Werte für das Anlage- und Umlaufvermögen bei angemessen zurückhaltender Einschätzung im Falle einer Abwicklung des Unternehmens am Markt realisieren lassen.

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Die Bewertung hat dabei zu berücksichtigen, dass längerfristige Verträge in der Regel nicht eingehalten werden können und für die Kunden z.B. keine längerfristigen Garantien mehr dargestellt werden können. Große wertmäßige Verschiebungen gegenüber einem Handelsbilanzabschluss ergeben sich regelmäßig auf der Passivseite. Die in einem Liquidationsszenario notwendige Auflösung längerfristiger Miet- und Leasingverträge führt in der Regel zu Schadensersatzpflichten und die Auflösung sämtlicher Arbeitsverhältnisse ist fast immer mit Aufwendungen für einen Interessenausgleich und Sozialplan verbunden. Bei Letzterem ist die im Insolvenzverfahren gegebene gesetzliche Beschränkung (§ 123 InsO) nicht zu berücksichtigen, da ja von einer Abwicklung im Rahmen einer ordentlichen Liquidation auszugehen ist.

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Wenn und soweit sich aus Sicht der Organe der Gesellschaft wesentliche stille Reserven ergeben, so sind diese kritisch zu hinterfragen und auf ihre Realitätsnähe hin zu überprüfen. In der Praxis sind die anzutreffenden Einschätzungen zu stillen Reserven häufig sehr pauschal und von überoptimistischen Erwartungen getragen.

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Im Regelfall wird sich bei einem Unternehmen allein schon aufgrund der zu berücksichtigenden Verpflichtungen aus einem Interessenausgleich und Sozialplan für den Liquidationsfall eine Überschuldung ergeben.

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Ergibt sich aus der Überschuldungsprüfung, dass das Unternehmen zum Stichtag nicht überschuldet ist, so liegt keine Insolvenzantragspflicht vor. Bleibt die Fortführungsprognose negativ, so ist die Überschuldungsprüfung in der Folge in kurzen Abständen, d.h. mindestens monatlich zu wiederholen. Bei den nachfolgenden weiteren Überschuldungsprüfungen ist dabei jeweils sorgfältig zu überprüfen, inwieweit die ursprünglich getroffenen Annahmen zum Liquidationsszenario und zum Ansatz und der Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände, Schulden und Verpflichtungen weiterhin Gültigkeit haben oder an die zeitliche Entwicklung oder neuere Erkenntnisse angepasst werden müssen.