Loe raamatut: «Internationale Beziehungen», lehekülg 6

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Weltwirtschaftliche Verflechtung und WeltwirtschaftskriseWeltwirtschaftskrise

Zu Beginn der Zwischenkriegszeit erlebten die meisten Staaten einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Dieser hatte im Jahr 1929 ein jähes Ende, als die New Yorker Börse zusammenbrach. Die nachfolgende Rezession und Depression in den USA stellte alle vorherigen Wirtschaftskrisen in den Schatten und hatte aufgrund der asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen, die die Wirtschaftsentwicklung vieler Staaten an diejenige der USA koppelte, starke negative Effekte auf viele andere Staaten. Innerhalb von vier Jahren schrumpften das Bruttosozialprodukt, private Einkommen und der Außenhandel der USA auf die Hälfte zusammen. Die Investitionen gingen um 90 Prozent zurück. Die Agrarpreise fielen um 60 Prozent. Ein Viertel der arbeitsfähigen Bevölkerung in den USA verlor ihre Arbeit. Noch härter traf es jedoch eine Reihe von Staaten, die mit den USA auf das Engste verflochten waren:

 JapansAuswirkungen auf Japan Exporte gingen in der Zwischenkriegszeit überwiegend in die USA. Hier hatte die Krise einschneidende politische Folgen.

 In Lateinamerika, wo die USA Großbritannien als größten Handelspartner abgelöst hatten, wurde der Entwicklungs- und Modernisierungsprozess jäh beendet.

 In Europa waren Großbritannien und Deutschland am härtesten betroffen. In Großbritannien erreichte die Arbeitslosigkeit 1932 einen Höchststand: ein Fünftel der Erwerbstätigen war arbeitslos. In Deutschland betrug die Arbeitslosenquote sogar ein Drittel der Erwerbstätigen. Die industrielle Produktion sank um 40 Prozent.

Die Welt zwischen kommunistischer Revolution und AutoritarismusAutoritarismus

Die weltwirtschaftliche Krise wurde begleitet durch die Auswirkungen der Russischen RevolutionRussische Revolution von 1917Effekte der Russischen Revolution 1917, die in vielen Staaten Resonanz fand. Sie führte mit der Entstehung kommunistischer Parteien zu einer Polarisierung der Parteienlandschaft vor allem in solchen Staaten, die eine starke landbesitzende Oligarchie hatten. Dazu gehörten beispielsweise auch Teile des Deutschen Reiches.

Unmittelbarer Auslöser der Revolution in Russland war das Versagen der zaristischen Regierung bei der Versorgung ihrer Soldaten während des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs. Die längerfristigen Ursachen lagen aber in der Unfähigkeit der russischen Monarchie, eine Modernisierung und Industrialisierung der Gesellschaft zu befördern, wie sie in vielen anderen Staaten stattfanden. Die Oktoberrevolution 1917 führte unmittelbar in einen Bürgerkrieg (1918–1922) zwischen Bolschewisten, zaristischen und verschiedenen anderen Gruppierungen. Im Bürgerkrieg ging es auch um die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Russlands. Viele Territorien nutzten die Gelegenheit, sich für unabhängig zu erklären, wie der Kaukasus, Finnland, Estland, die Ukraine, Georgien, Weißrussland, Polen, Lettland und Litauen. Russland gelang es zunächst 1918 durch die Gründung der Russischen Sozialistischen Föderativen Republik und 1922 durch die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) einen Teil dieser Territorien in föderativen Strukturen wieder anzubinden. Unabhängig blieben jedoch Finnland und die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen.

Beeinflusst durch die kommunistische Revolution und ab 1929 durch die Weltwirtschaftskrise vollzog sich zwischen 1917 und 1937 eine weitere umfassende Umwälzung in den Staatenverfassungen. In diesen zwei Dekaden befand sich die liberale Demokratie weltweit auf dem Rückzug. Der demokratische RückzugInnerstaatlicher Strukturwandel: Autokratische Transitionen in Lateinamerika und Europa betraf vor allem Lateinamerika und Europa. Auch hier können Daten das Ausmaß dieses Transformationsprozesses verdeutlichen. Zu Beginn der Zwischenkriegsperiode hatten fast alle europäischen Staaten demokratische Reformen eingeführt. An ihrem Ende waren mehr als die Hälfte von ihnen unter autoritärer Kontrolle (Skanning 2011).

Studien zum Prozess des demokratischen Rückzugs zeigen, dass die Staatengruppe, die in den Autoritarismus verfiel, einige Gemeinsamkeiten aufweistBegünstigende Faktoren für Autoritarismus:

 Betroffen waren vor allem junge Demokratien, die die Weltwirtschaftskrise besonders getroffen hatte.

 Staaten, die eine ausgeprägte landbesitzende Oligarchie hatten und in denen die Kirche relativ unabhängig vom Staat agierte, hatten eine größere Wahrscheinlichkeit, in Autoritarismus zu verfallen als Demokratien, die bereits länger etabliert waren und in denen Landbesitz gleichmäßiger verteilt war (Skanning 2011).

Als Ergebnis dieser autoritären Wellen war ein Großteil der existierenden Staaten in den 1930er Jahren autoritär regiert.

In vielen europäischen Staaten, aber auch in Japan, entwickelten sich faschistische bzw. extrem nationalistische Bewegungen. Fast alle osteuropäischen Staaten schlugen in Diktaturen um: Den Anfang machte 1920 Ungarn, danach folgten 14 weitere Regierungswechsel, von denen 12 Staaten betroffen waren (Portugal und Spanien erlebten in dieser Zeit je zwei Regierungswechsel). In Spanien führte dies 1936 zu einem offenen Bürgerkrieg, der 1939 mit der Machtübernahme General Francisco Francos endete. In Rumänien verhinderte der König 1938 durch Einsetzung einer Königsdiktatur die Machtübernahme der „Eisernen Garde“, die sich an die NSDAP und die Nationale Faschistische Partei Italiens anlehnte (vgl. Tabelle 1.8 und Rudolf/Oswalt 2010: 170–171). In Zentralamerika kam es zu einer ähnlichen Autoritarismuswelle. Hier kam es in kurzem Abstand zwischen 1930 und 1936 zur Errichtung von Militärdiktaturen in der Dominikanischen Republik, Guatemala, El Salvador, Honduras, Kuba und Nicaragua.


JahrBetroffene Staaten
1920Ungarn
1921
1922Italien
1923Spanien
1924
1925
1926Portugal, Polen
1927
1928
1929Jugoslawien
1930Dominikanische Republik, Guatemala
1931
1932El Salvador, Honduras
1933Deutschland, Österreich, Portugal, Kuba
1934Lettland, Estland, Bulgarien
1935
1936Griechenland, Spanien, Nicaragua
1937
1938Rumänien

Globale Autoritarismuswelle 1920–1938

Das Ergebnis dieser Transformation war, dass Faschismus und Kommunismus als Ideologien zu mächtigen Gegenspielern von Liberalismus und dem Modell der parlamentarischen Demokratie aufstiegenFaschismus und Kommunismus als Gegenspieler zur parlamentarischen Demokratie. Sie entwickelten sich in den internationalen Beziehungen zu einer starken Einflussgröße und schlossen sich wechselseitig aus. Der Kommunismus propagierte die Solidarität zwischen einer internationalen Arbeiterschaft unabhängig von ihrer Nationalität und war damit transnational ausgerichtet. Er richtete sich mit dem Ziel der Umverteilung von Grund und Boden aber auch gegen die landbesitzende Oligarchie. Der Faschismus richtete sich an die Mitglieder einer Nation, die sich an rassischen Merkmalen orientierte. Aber auch er vermochte es, eine transnationale Anhängerschaft zu generieren (Bell 2013: 58).


Liberalismuskonträre realpolitische AnnahmenKommunismus
ParlamentarismusEinbezug der Öffentlichkeitdas Individuum steht als Wähler im MittelpunktHerrschaftslegitimation durch Volkssouveränitätpolitische und rechtliche Gleichheit der Bürger→antidemokratische Orientierungnicht das Individuum, sondern das Wohl aller steht im MittelpunktBruch mit der demokratischen Ordnung und der Bourgeoisie zum Wohle der unteren Arbeiterschichten
←soziale und ökonomische Ungleichheit der Bürger

Liberalismus und Kommunismus im Vergleich

Flottenrüstungswettlauf in Asien und Europa

Der Ende des 19. Jahrhunderts begonnene Flottenrüstungswettlauf setzte sich auch nach dem Ende des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs fort, trotz der „allgemeinen Abrüstung“, die laut Völkerbund vorgesehen war. Die Ursachen für diesen RüstungswettlaufRüstungswettlauf lagen in den Interaktionen zwischen den globalen Aufsteigernationen Japan, USA und Deutschland auf der einen Seite und Großbritannien auf der anderen Seite. Zwar war Deutschland durch die Versailler Verträge erheblich außenpolitisch eingeschränkt, seine hegemonialen Ambitionen waren aber damit nicht gebrochen.

Der Flottenrüstungswettlauf setzte sich zunächst über Entwicklungen in Asien fort. Das hatte damit dazu tun, dass die Beziehungen der wichtigsten Staaten in dieser Region (Großbritannien, die USA, Japan, Frankreich) durch den Ersten WeltkriegErster Weltkrieg kaum berührt worden waren. Der einzige Effekt des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs in dieser Region war, dass laut Versailler VertragVersailler Verträge die deutschen Kolonien Japan übertragen wurden. Somit setzte sich gerade dort der Flottenrüstungswettlauf aus der Vorkriegszeit fort, auch wenn es zum Teil wichtige Vereinbarungen gab, diesen zu beschränken. Über die gemeinsame Präsenz von Großbritannien und Frankreich in Asien bestanden InterdependenzInterdependenzen zwischen den Vereinbarungen zur Flottenstärke in Asien und in Europa. Da die Abrüstungsvereinbarungen in Asien eine Aufrüstung in Europa ermöglichten, scheiterten schließlich die internationalen Abrüstungsverhandlungen.

Zwischen 1914 und 1922 bauten Großbritannien, die USA und Japan massiv ihre Schlachtschiffflotte aus. Frankreich und Italien folgten diesem Trend mit etwas Abstand. Großbritanniens Flotte hatte beispielsweise eine Tonnage von über zwei Millionen. Im Krieg verlor es ein Fünftel (450.000). Zwischen 1914 und 1920 baute es Schlachtschiffe mit einer Gesamttonnage von über einer Million. Die USA besaßen 1914 eine Tonnage von 878.000 und vergrößerten ihre Flotte danach in gleicher Höhe.

Zur Eindämmung des Deutschen Reiches hatte der Versailler VertragVersailler Verträge die deutsche Flotte auf eine Größe von 108.000 Tonnen begrenzt, was etwa ein Zehntel der Tonnage war, über die das Deutsche Reich 1914 verfügte. Im Einklang mit der Charta des Völkerbunds fanden in dessen Rahmen wichtige Abrüstungsverhandlungen in den Kategorien der großen und leichten Schlachtschiffe statt. Die Washingtoner Konferenz von 1921/22 beispielsweise verabschiedete bedeutende Regelungen, wie einen Nichtangriffspakt zwischen den USA, Großbritannien, Japan und Frankreich, der eine Multilateralisierung des existierenden Bündnisses zwischen Großbritannien und Japan darstellte. Auch kam es zu einer Einigung auf Obergrenzen und Paritäten beim Schlachtschiffbau, die die Sorge der USA vor einem japanischen Expansionismus dämpftenAbrüstung bei großen Schlachtschiffen. Und die offizielle Anerkennung des Prinzips der „Offenen Tür“ sicherte China sowohl territoriale Integrität und Souveränität als auch die Verfolgung seiner Wirtschaftsinteressen. Aber die Abrüstungsverhandlungen hatten mehrere Schwächen, die letztlich zur weiteren Aufrüstung führten.

Erstens berücksichtigten die Verhandlungen in erster Linie das Kräfteverhältnis in Ostasien und nicht in Europa. Das lag daran, dass die USA als führende Kraft hinter Abrüstungsgesprächen ein stärkeres Interesse daran hatten, die Flottenrüstung dort zu begrenzen: Als pazifische Macht waren sie in Ostasien eher betroffen als in Europa. Die beiden Hauptziele ihrer Anstrengungen waren Großbritannien und Japan, also ihre beiden Hauptkontrahenten in Ostasien. Die Regelung dort hatte aber notwendigerweise Konsequenzen für die Flottenrüstung in Europa, da Frankreich und Großbritannien sowohl europäische als auch asiatische Mächte waren.

Dieser Umstand wirkte sich insofern negativ auf Europa aus, da die Abrüstungskonferenzen im Endergebnis die Flottenrüstung nicht effektiv beschränkten, sondern sie nur verlagerten, nämlich von der Kategorie der Schlachtschiffe über 10.000 Tonnen hin zur Kategorie der leichten Schlachtschiffe unter 10.000 TonnenAufrüstung bei leichten Schlachtschiffen. Und genau in dieser Gewichtsklasse der Schlachtschiffe ging der Flottenrüstungswettlauf unvermindert weiter. Aber auch die Aufrüstung in der Kategorie der schweren Schlachtschiffe war nicht gestoppt. Treibende Kräfte waren:

 Großbritannien, das Abrüstungskonferenzen forcierte, um seinen eigenen Weltmachtstatus abzusichern und andere Staaten daran zu hindern, Parität zu erlangen.

 Japan, das in seiner Flottenrüstung einerseits ein Symbol für seinen regionalen Status sah und andererseits für seine pazifische Expansion eine größere Flotte benötigte.

 Die Sowjetunion, die eine Kontrolle des Arktischen, Baltischen und des Schwarzen Meers sowie des Pazifiks anstrebte und eine Hochseeflotte als Projektionsmittel betrachtete, um die kommunistische Revolution in die Welt zu tragen. Stalin knüpfte die RüstungskontrolleRüstungskontrolle an die Erwartung technologischer Hilfe durch Großbritannien.

 Italien, das sich als aufstrebender Staat an der Flottenstärke Frankreichs maß und mit ihm im Wettbewerb um die Vorherrschaft des Mittelmeerraumes stand.

 Frankreich, das einerseits ebenfalls aus Prestigegründen eine Hochseeflotte anstrebte und andererseits die Aufrüstung als Rückversicherung gegen die Wiederaufrüstung des Deutschen Reichs betrachtete. Sie sollte sicherstellen, dass im Kriegsfall mit dem Deutschen Reich notfalls tausende afrikanischer Truppen über das Meer nach Europa hätten verschifft werden können.

 Das Deutsche Reich, das durch die Abrüstungsbestimmungen des Versailler VertragVersailler Vertrags gebunden war und dessen Aufrüstung überwacht wurde. Es fühlte sich durch die Sowjetunion bedroht und klagte die Gleichberechtigung mit den anderen Staaten ein.

1936 scheiterte die Abrüstungskonferenz des Völkerbunds.

Globaler Wandel und der Weg in den Zweiten WeltkriegZweiter Weltkrieg

Merke

Mitte der 1930er Jahre hatte sich die Staatenlandschaft bedeutend verändert.

 Ein Großteil der Staaten war autoritär regiert.

 Durch innerstaatliche Verwerfungen im Zuge der kommunistischen Revolution in Russland waren viele Staaten innerstaatlich instabil.

 Mit Deutschland, Italien und Japan existierten drei aufsteigende Mächte, die sich als nachholende Kolonialmächte verstanden und massiv begannen zu expandieren.

 Der Flottenrüstungswettlauf konnte nicht effektiv begrenzt werden.

Geografisch betrachtet vollzog sich der Weg in den Zweiten Weltkrieg, verstärkt durch den Wettbewerb der drei Achsenmächte Deutschland, Italien und Japan untereinander als aufstrebende Mächte, nahezu gleichzeitig an drei verschiedenen Schauplätzen: Europa, Nordafrika und AsienKriegsschauplätze: Europa, Nordafrika, Asien. Die in Abbildung 1.10 dargestellte Abfolge von Ereignissen liefert auch Hinweise darauf, wie abhängig die Aktionen Japans von denen Italiens und Deutschlands waren – und anders herum.


Ziele und Eroberungen der diktatorischen Achsenmächte
JapanDeutschlandItalien
ostasiatische „Wohlstandssphäre“ Beherrschung des ostasiatischen Raums, rassische IdeologieLebensraum im Osten: Polen und Sowjetunion, Neuaufteilung der Welt nach rassischen GesichtspunktenMare Nostro: Vorherrschaft im Mittelmeerraum
EreignisseEreignisseEreignisse
Überfall auf Mandschurei 1932Überfall auf Abessinien 1935/36
Austritt Völkerbund, März 1933Austritt Völkerbund, Oktober 1933Austritt Völkerbund 1937
Überfall auf Indochina 1941Angriff auf Pearl Harbour 1941Anschluss Österreichs, März 1938Annexion Tschechoslowakei 1939Besetzung Polens, Dänemarks, Norwegens, Belgiens, Luxemburgs, der Niederlande, Frankreichs, ab September 1939Angriff auf die Sowjetunion 1941Überfall auf Albanien 1939Überfall auf Griechenland 1941
Niederlage Frankreichs, Juni 1940Eintritt in den Krieg, Juni 1940
Eintritt in den Krieg, Dezember 1941Niederlage Sowjetunion denkbar Ende 1941Eintritt in den Krieg gegen USA
Kapitulation, September 1945Kapitulation, Mai 1945Kapitulation, 1943/45

Der Weg in den Zweiten Weltkrieg

Deutschland unter den Nationalsozialisten verfolgte ab 1933 eine aggressivere Außenpolitik, die die diplomatischen Erfolge der Ära Stresemanns zunichte machte. Diese Außenpolitik zielte zunächst darauf ab, die Territorialbestimmungen des Versailler VertragVersailler Verträges zu revidieren, nahm dann aber stark expansionistische Züge an. Innerhalb kürzester Zeit besetzte und eroberte das Deutsche Reich in einer Mischung aus Anschlüssen und Eroberungen fast ganz Europa (vgl. Tabelle 1.10), beginnend mit der Einnahme der östlichen Gebiete (Sudetenland, der Tschechoslowakei, Polen nach dem Hitler-Stalin-Pakt) über die skandinavischen Staaten (Dänemark und Norwegen) bis zur Einnahme Belgiens, Luxemburgs, Hollands und schließlich FrankreichsNationalsozialistische Expansion in Europa. Die ersten Gebietserweiterungen wurden durch die Münchner Konferenz 1938 durch Frankreich und Großbritannien im Rahmen ihrer Appeasement-Politik gegenüber Hitler bestätigt. Wie bereits im Ersten WeltkriegErster Weltkrieg eröffnete Deutschland mit der Bombardierung Rotterdams den Krieg auf die Zivilbevölkerung. Im Osten führte es einen Vernichtungskrieg gegen die Bevölkerung, der weder Frauen noch Kinder schonen sollte. Wie innerstaatlich auch, wurde insbesondere die jüdische Bevölkerung Opfer der Vernichtungsaktion. Am 14. Juni 1940 marschierten deutsche Truppen in Paris ein und die deutsche Regierung begann über die Besetzung Frankreichs zu verhandeln.

Frankreich während des Zweiter WeltkriegZweiten Weltkriegs

Nach Deutschlands Erfolgen in seiner Westoffensive und einem Waffenstillstand zwischen deutschen und französischen Truppen wurde Frankreich in eine Besetzte und eine Unbesetzte Zone unterteilt. Der Norden Frankreichs unterlag direkt der Befehlsgewalt der deutschen Besatzungsmacht; der Süden war zwar als freie Zone nicht direkt an Deutschland gebunden, jedoch richtete sich die in Vichy eingerichtete Regierung unter Marschall Pétain nach deutschen nationalsozialistischen Idealen und war in ihrem politischen Handeln von Deutschland abhängig. Erst mit General Charles de Gaulles Forderung nach einem freien Frankreich und seiner aus dem Exil in Großbritannien erfolgten Kooperation mit der französischen Widerstandsbewegung, der Résistance, konnte das Vichy-Regime – zeitgleich mit dem Vordringen der Alliierten Truppen in Europa – gestürzt werden.

Die Sowjetunion nutzte ihrerseits die Gelegenheit zur Annexion der baltischen Staaten (1940) und zum gewaltsamen Anschluss Finnlands im März 1940Russische Expansion. Damit hatte die Sowjetunion zumindest an ihrer Nordgrenze den Status quo von vor der Russischen Revolution wieder hergestellt.

Italien unter Mussolini empfand sich als Nachzügler in Bezug auf Kolonialisierung und verleibte sich Kolonien in Nordafrika einItaliens Expansion in Nordafrika und Südosteuropa. Italien rechtfertigte seine Eroberungen damit, dass es den Abstand in kolonialen Besitzungen im Verhältnis zu Frankreich und Großbritannien verringern müsse. Abessinien, das einen relativ unsicheren Status als gemeinsames Protektorat von Großbritannien und Ägypten hatte, bot dazu einen Ansatzpunkt – es wurde 1935 überfallen und 1937 annektiert. 1939 folgte Albanien. Im September 1940 überschritten italienische Truppen die libysch-ägyptische Grenze, um Kairo zu besetzen. Kurz darauf folgte der Angriff auf Griechenland. Sie wurden zumindest aus Ägypten von britischen Truppen nach Libyen zurückgedrängt. Damit wurde die strategische Bedeutung des Mittelmeerraums und vor allem Gibraltars und Nordafrikas als Verbindungspunkte zwischen Großbritannien und seinen Kolonien überdeutlich. Über diese Verbindungslinie verfügte Großbritannien über ein nahezu unerschöpfliches Reservoir an Truppennachschub. Dies zu unterbinden, wurde zu einem Ziel des deutschen Feldzugs, der deutsche Truppen bis nach Ägypten führte.

Der Kriegsschauplatz verlagerte sich damit insgesamt nach Südosteuropa. Die für eine Eroberung Gibraltars aus Sicht Deutschlands notwendige Kooperation mit Spanien kam nicht zustande, wohl aber die Kooperation mit den südosteuropäischen Staaten Slowakei, Bulgarien, Ungarn und Rumänien. Dies ermöglichte es Deutschland, in Jugoslawien einzufallen. Innerhalb von zwei Jahren nach dem Überfall auf Polen hatte Deutschland fast ganz Europa erobert.

In Ostasien hatte Japan 1938 verkündet, eine neue Ordnung verwirklichen zu wollen. Es hatte damit auch unmissverständlich deutlich gemacht, dass es weitergehende Pläne hatte, als lediglich Territorien in China zu annektierenJapans Expansion in Ost- und Südostasien. Nach dem Anschluss der Mandschurei (dann Mandschukuo genannt) konzentrierte sich Japan zunächst auf die Eroberung Chinas. 1939 eroberte es das für die europäischen Kolonialmächte wichtige Hainan. 1940 hatte es eine Satellitenregierung in Nanking errichtet und übte Regierungsgewalt über einen Großteil Ostchinas aus. Ein Neutralitätspakt mit der Sowjetunion garantierte Japan den Nichtangriff. Es expandierte massiv nach Ost- und Südostasien und vertrieb die Kolonialmächte Frankreich und Holland aus Indochina und Indonesien. Angesichts des Kriegs in Europa waren die europäischen Kolonien in Südostasien eine leichte Beute für Japan: Durch die Besetzung der Niederlande und Frankreichs wurden deren Kolonialregierungen in Südostasien isoliert. Das eröffnete der japanischen Regierung die Möglichkeit, ihren Einfluss in Südostasien auszuweiten. Nach Verhandlungen mit der französischen Vichy-Regierung stationierte Japan Truppen in Indochina. Damit war das Tor zu Südostasien geöffnet. Allerdings stellte sich auch für Japan – ähnlich wie für Deutschland – das Problem, dass Großbritannien durch den Nachschub aus Indien über die Burmastraße nicht leicht zu besiegen war. Folglich drang Japan bis nach Burma vor und forderte Großbritannien damit direkt heraus. Japans massive Gebietserweiterungen vor allem in China bedrohten amerikanische Handelsinteressen, was die USA verwundbarer in Bezug auf Asien machte als in Bezug auf Europa. Mit dem Angriff auf Pearl Harbour 1941 erklärte Japan den Krieg gegen die USA und löste damit deren Kriegseintritt aus.


Herausbildung der Achsenmächte
ab 1941Unter den drei konkurrierenden Staaten Japan, Deutschland und Italien zeichnet sich eine engere Kooperation in Form der Achsenmächte ab.Konfrontation der Achsenmächte mit den Alliierten
Es bildet sich eine geschlossene Front der Alliierten, bestehend aus Großbritannien, Russland und den USA.
nach 1941Die Sowjetunion schließt sich nach dem deutschen Angriff den Alliierten an. Auf Seiten der Alliierten kämpfen nun Großbritannien, die Sowjetunion und die USA.
Frankreich trat erst nach seiner Befreiung durch die Alliierten 1944 in den Krieg gegen Hitler-Deutschland ein.Russland kämpfte an seiner Westfront gegen Deutschland, war aber wiederum bis 1943 nicht Teil des Kriegs in Ostasien.
Weiterer Kriegsverlauf und Kapitulationen:Zeitlich versetzt kapitulierten die drei Achsenmächte Italien, Deutschland und Japan.
1943Süditalien scheidet aus dem Krieg aus, nachdem alliierte Truppen auf Sizilien gelandet waren. Die Deutschen kontrollieren durch die Einsetzung einer norditalienischen Marionettenregierung den Norden Italiens bis 1945 weiter.
Mai 1945Deutschland kapituliert am 8. Mai 1945.
August 1945Japan kämpft im Ostpazifik weiter. Es kapituliert bedingungslos nach dem Einsatz der beiden Atombomben über Hiroshima und Nagasaki im August 1945 durch die USA (vgl. Einheit 10).

Kriegsverlauf zwischen den Fronten der Alliierten und den drei Achsenmächten

Den Achsenmächten stand ab 1941 eine alliierte Koalition unter der Führung der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion gegenüber. Allerdings bildete nur Europa einen gemeinsamen Kriegsschauplatz aller Alliierten. In Europa trug die Sowjetunion die Hauptlast des Landkriegs, während der Krieg im Pazifik vor allem von den USA und Großbritannien bestritten wurde. Als ein wichtiger Kriegsschauplatz erwies sich der Atlantik, über den die kriegswichtigen Lieferungen der USA an ihre Alliierten erfolgten.

Wie im Fall des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs waren auch die Ursachen des Ausbruchs des Zweiten WeltkriegZweiter Weltkriegs heftig umstritten. Warum kam es zum KriegKriegsursachen? Bereits Zeitgenossen und vor allem eine deutsche öffentliche Meinung erblickten in einer internationalen Institution in Form des Versailler Vertrags und in der fehlerhaften Ausgestaltung des Völkerbunds eine Kriegsursache. Wie bereits der Begriff „Schandvertrag“ oder „Versailler Diktat“ impliziert, ist hier das Kernargument, dass der Versailler VertragVersailler Verträge kein gerechter Vertrag gewesen sei und Revisionismus provozierte. Ein mit dem Völkerbund als Institution verbundenes Argument ist, dass aufgrund der Nichtteilnahme der USA keine effektive Sanktionierung von Regelverstößen stattfinden konnteVersailler Verträge und Völkerbund als ineffektive Institutionen. Er erwies sich als unzulänglich, um den entscheidenden Konflikten – der Annexion der Mandschurei durch Japan, dem Krieg Italiens gegen Abessinien und der Remilitarisierung Deutschlands, den darauf folgenden Anschlüssen und der Zerschlagung der Tschechoslowakei – effektive Sanktionen entgegenzusetzen.

Dieser Erklärung steht eine andere entgegen (z.B. Watson 1984): Demnach war es das Fehlen eines effektiven Machtgleichgewichts in Europa, das den deutschen Machtzuwachs rechtzeitig hätte ausbalancieren können. Nach dem Ersten WeltkriegErster Weltkrieg war Österreich-Ungarn von der politischen Landkarte Europas verschwunden. Über Jahrhunderte hatte das Bemühen um einen machtpolitischen Ausgleich zwischen Habsburg und Frankreich Europa geprägt und das Deutsche Reich war der Austragungsort zahlreicher Konflikte gewesen. Mit der deutschen Einigung war im Kern Europas eine neue Großmacht entstanden, die effektiv hätte ausbalanciert werden können, wäre Österreich noch existent gewesen. Russland war durch die Revolution mit sich selbst beschäftigt und intern geschwächt. Dem gegenüber stand ein nur vorübergehend geschwächtes Deutschland. Hitler konnte Deutschlands Expansion Richtung Osten nahezu ungebremst vollziehen. Ein ähnliches Argument ließe sich für Japan bringen: Auch hier entfielen Russland und China als Mächte, die gegenüber Japan eine effektive Gleichgewichtspolitik hätten betreiben können.

Eine weitere Schwächung dieses Gleichgewichts stellten nach dieser Logik innerstaatliche Auseinandersetzungen dar. In Spanien tobte ein Bürgerkrieg, Frankreichs politisches System war ebenso instabil wie die Weimarer Republik und durch häufige Regierungswechsel gekennzeichnet. Großbritannien zeigte wenig Neigung, als einziger Staat zu intervenieren und die Kosten eines solchen Unterfangens zu tragen. Im Osten wie im Westen fehlte es an einer effektiven Einhegung deutscher Machtambitionen.

Im Vergleich zu den Ursachen des Ersten WeltkriegErster Weltkriegs wird jedoch auch deutlich, dass viele davon auch für den Zweiten WeltkriegZweiter Weltkrieg relevant waren. Der Kampf um Kolonien und koloniales Territorium war nicht beendet, sondern für viele Staaten nur umgelenkt. Damit verbunden waren Machtrivalitäten zwischen den europäischen Staaten, den USA und Japan in Ostasien.

Übungen

1 In welchem Vertrag findet man das Statut des Völkerbunds?

2 Inwiefern unterscheiden sich Völkerbund und Wiener Kongress voneinander und inwiefern ähneln sie sich?

3 Welche Konsequenzen hatte die deutsche und die italienische Einigung aus einer geopolitischen Perspektive?

4 Rekapitulieren Sie, warum der Balkan im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Krisenherd wurde.

5 Datieren und beschreiben Sie die Wellen von Demokratie und Autoritarismus. Welche Staaten waren regional besonders betroffen?

6 Skizzieren Sie einen Zeitstrahl vom 18.–20. Jahrhundert, an dem Sie die zentralen globalen Trends sowie die davon betroffenen Länder kennzeichnen. Erklären Sie anhand des Zeitstrahls die Bedeutung der Häufung bestimmter politischer Ereignisse, Phänomene und Mechanismen des Wandels.

7 Rekapitulieren Sie noch einmal den Ausbruch des Ersten Weltkriegs: Erstellen Sie eine Liste der Ursachen des Kriegsausbruchs.

Verwendete Literatur

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