Lust auf wehrlose Hexen

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Lust auf wehrlose Hexen
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Anne Pallas

Lust auf wehrlose Hexen

Geheimagenten und Hexen im Einsatz, Band 4

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

Impressum neobooks

Vorwort

Es geschehen täglich Verbrechen.

Okay. Klar. Das ist jedem Menschen bekannt, der am öffentlichen Leben teilnimmt, und/oder der Berichterstattung in den Medien einigermaßen folgt.

Aber es geschehen auch täglich Verbrechen, über die nicht berichtet wird. Und das hat einige sehr gute Gründe.

Einerseits liegt es in den Grausamkeiten der Taten begründet. Die Menschen wollen einen friedlichen Alltag leben, und nicht über den Blutdurst der gesellschaftlichen Außenseiter nachdenken müssen.

Außerdem gibt es Verbrechen, die nicht von Menschen ausgeübt worden sind. Nicht von Menschen? Von wem denn sonst?

Diese beiden Fragen werden Sie sich in diesem Augenblick stellen. Und das auch berechtigt.

Ich werde versuchen, in diesem Vorwort mit einigen wenigen Sätzen und Andeutungen diese Fragen zu beantworten. Keine Angst, Sie werden alles erfahren. Die vielen Realitäten, in denen wir leben, werde ich in meinen Romanen ausführlich behandeln.

Eine kurze Andeutung sollen Sie bekommen: Auf unserem Planeten lebt eine Gemeinschaft unterschiedlicher Wesen zusammen, teilweise friedlich, teilweise auch durch Hass verbunden. Hier handelt es sich um uns Menschen, aber auch um Hexen, Dämonen, Vampire, Zwerge, Drachen, Elfen, Engel und natürlich die Götter.

Wie bereits gesagt, möchten die Menschen ein friedliches Leben führen, und nichts über die Taten von anderen Wesen hören, sehen oder lesen.

Um den Menschen diesen Frieden zu gewähren, besitzt jedes Land eine geheime Behörde, die sich um die Taten der nichtmenschlichen Wesen kümmert.

Wenn zum Beispiel ein Vampir einen Obdachlosen aussaugt, oder ein Wasserdämon ein Opfer reißt, kommt diese Behörde zum Einsatz. Einerseits muss das Wesen, dass für diese Verbrechen verantwortlich ist, gejagt und bestraft werden. Und andererseits muss die Tat vor den einfachen Menschen verborgen werden.

Die deutsche Behörde, die für diese Art von Verbrechen zuständig ist, hat ihren Sitz in München und nennt sich CEDIS. Die Anweisungen erhält jede Landesbehörde – und hier sei angemerkt, dass es egal ist, um welches Land der Erde es sich handelt – vom Rat der Vier. Ich werde auf diese geheime Weltregierung zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer eingehen. Anzumerken wäre hier nur, dass dieser Rat aus Vertretern der Politik, der Glaubensgemeinschaften, der Wirtschaft und den geistigen Eliten zusammengesetzt ist.

Die deutsche CEDIS wird von Julie Waldenfels geleitet. Über meine Chefin werde ich im Laufe meiner Romanserie noch ausführlich zu sprechen kommen.

Aber jetzt sollte ich mich selbst vorstellen:

Mein Name lautet Anne Pallas, ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, und arbeite als Agentin für die CEDIS. Mein Körper ist schlank gewachsen und sportlich trainiert. Ich habe lange blauschwarze Haare, und glänzende grüne Augen, die auf Fremde mysteriös, anziehend, aber auch unheimlich wirken. Die hohen Wangenknochen und der volle Mund geben mir ein aristokratisches Aussehen.

Ich stamme in direkter Linie aus dem Geschlecht der Lykhaner. Hierbei handelt es sich um eine mächtige und sehr alte Hexenfamilie. Sie lesen richtig. Ich bin eine Hexe und verfüge über magische Fähigkeiten, auf die ich im Laufe meiner Romanerzählungen noch ausführlicher eingehen werden.

Aber diese Gaben sind Voraussetzung für die Tätigkeit als Agentin bei der CEDIS. Wie sollte auch ein normaler Mensch gegen einen Dämon oder Vampir bestehen können? Nein, das wäre nicht möglich. Für diese Kämpfe benötigt man außergewöhnliche Fähigkeiten. Und solche besaß ich. Aber auch jeder andere Mitarbeiter bei der CEDIS besitzt besondere Gaben, die der Behörde dienlich sein können.

Aber ich habe auch eine besondere Schwäche. Bei mir ist es die animalische Lust auf Sexualität, egal, ob mit einem Mann oder einer Frau. Ich bin diesbezüglich nicht festgelegt. Und natürlich kennt meine Chefin bei der CEDIS diese Schwäche, denn sie setzt meine Sexualität ein, wenn sie zur Aufklärung schwieriger Fälle dienlich ist.

Um es klar auszudrücken: Ich muss regelmäßig meinen Körper einsetzen oder benutzen lassen, um an hilfreiche Informationen zu gelangen. Und ich tue es meistens sehr gerne, denn ich bin einem geilen Fick immer aufgeschlossen.

Ich werde als Autorin über die wahren Fälle berichten, die ich während meiner Agententätigkeit für die CEDIS gelöst habe. Es wird eine Romanserie entstehen, deren Dauer und Anzahl ich jetzt noch nicht absehen kann. Es ist im Grunde erst einmal eine Open-End-Story.

Als Schriftstellerin, die das Schreiben als nebenberufliches Hobby während einer aufreibenden Agententätigkeit betreibt, bin ich für Kritik und Anregungen offen, da ich mich auf diesen Weg weiterentwickeln kann.

Schreibt mir doch einfach:

anne.pallas@gmx.de

Viel Spaß beim Lesen meiner Romanserie

Anne Pallas

1

15 Palace Garden Mews

Kensington, London W8 4RB

Vereinigtes Königreich

Der Sturm heulte und tobte mit einer wahren Urgewalt über London. Riesige Wolken jagten über den Himmel. Er hatte seine Schleusen geöffnet und einen Regen auf die Erde geschickt, der schon bald einer Sintflut glich. Als nie abreißende Vorhänge fielen die Wassermassen aus den tief liegenden Wolken. In den tiefer liegenden Niederungen an der Themse wurde Hochwasseralarm gegeben. Die ersten Keller liefen voll, da die Rohrleitungen die Wassermassen nicht fassen konnten.

Es war ein böses Unwetter!

Die Hölle schien ihren Rachen geöffnet zu haben, um den Menschen zu zeigen, wessen sie fähig war. Peitschend hallte der Donner über das Land und verrollte irgendwo in der Ferne als grummelndes Echo.

Die englische Hauptstadt erlebte an diesem Tag ein schaurig-schönes Naturschauspiel, ein Gewitter, wie es nur selten vorkommt, und von einer Größe und Dauer, an die sich selbst ältere Leute kaum noch erinnern konnten.

Wieder einmal stand der Mensch den Kräften der Natur hilflos gegenüber.

Der Himmel schien seine Wut an der Welt auszulassen und sie für ihr Tun zu bestrafen. Wer eben konnte, verkroch sich in den Häusern und Wohnungen. Ältere Menschen beteten oder zündeten Kerzen an, damit dieses mörderische Gewitter so rasch wie möglich vorbeiging. Sie flehten und hofften, andere fluchten über das Wetter, doch beeinflussen konnte es weder die eine noch die andere Gruppe.

War das Unwetter für die Menschheit wie eine Geißel, so wurde es von der Schattenwelt begrüßt. Die Höllenwesen, insbesondere Dämonen, Zombies und Untote interessierten sich sehr für Witterungsverhältnisse. Ihnen waren Sturm, Nacht und Dunkelheit lieber als das Licht des Tages. Je schauriger und unheimlicher die äußeren Bedingungen waren, umso wohler fühlten sie sich. Sie suchten sich meist die Orte und Plätze aus, die von den Menschen gemieden wurden. Alte Burgen, Schlösser, verfallene Abteien oder Friedhöfe. Dort fanden sie immer eine Heimat und den Unterschlupf, der sie vor allzu früher Entdeckung schützte.

Thomas Moore war einer der besten Personenschützer, die man in England für Geld bekommen konnte. Er gehörte zum mehrköpfigen Team, dass für die persönliche Sicherheit von Sir William Mowbray zuständig war. Bei diesem Wetter Dienst zu haben, gehörte zu den Vergnügungen, auf die er sehr gerne verzichten könnte. Aber der Auftraggeber bestand auf einen vierundzwanzigstündigen Schutz seiner Person. Also musste in dieser Nacht jemand durch das weitläufige, parkähnliche Anwesen patrouillieren.

 

An der Seite von Thomas Moore schritt Acon, ein deutscher Schäferhund, der die Ausbildung zum Schutzhund mit Auszeichnung bestanden hatte.

Der Bodyguard konnte nur den Kopf schütteln. So etwas hatte er noch nie erlebt. Er starrte auf die Blitze, hörte einen gewaltigen Donner und hatte das Gefühl, als würde dieser die Welt auseinandersprengen.

Auch Acon wurde unruhig. Nervös lief er hin und her, zuckte jedes Mal zurück, wenn ein Blitz den dunklen Himmel spaltete, als wäre ein Vorhang in zwei Teile zerrissen worden. Thomas musste seinen treuen Begleiter beruhigen.

„Bleib ruhig, Acon!“, murmelte er und vergrub seine Finger in das dichte Fell am Nacken. „Uns passiert schon nichts.“

Acon jaulte, so als hätte er die Worte genau verstanden.

Über eine halbe Stunde tobte das Gewitter bereits. Der Mann hatte sich an die peitschenden Donnerschläge längst gewöhnt. Er zuckte nicht einmal mehr zusammen, wenn ein Blitz in der Nähe einschlug.

Wie lange musste er noch warten, bis die Ablösung kam?

Längst hatte er zu Hause sein wollen. Sicherlich machte sich seine Frau bereits Sorgen, aber hier konnte er sein Handy nicht benutzen, und irgendwann musste das Unwetter schließlich weiterziehen.

Es war wie verhext. Die Gewitterfront schien sich direkt über London zusammenzuballen. Sie zog einfach nicht vorbei und entlud sich mit aller Kraft. Eigentlich war es faszinierend, diesen gewaltigen Kräften der Natur zuzuschauen, und auch Thomas ertappte sich bei dem Gedanken, dass er die Abfolge von Blitz und Donner regelrecht genoss und ihnen positive Seiten abgewann.

Bis zu dem Zeitpunkt, als Acon, der Schäferhund, auf einmal verrücktspielte! Bis jetzt hatte sich das treue Tier, von einigen Ausnahmen abgesehen, ruhig verhalten. Plötzlich sprang Acon wie von der Tarantel gestochen in die Höhe und bellte laut und fordernd.

„Acon, was hast du?“, rief Thomas, näherte sich seinem Hund und wollte ihn am Halsband zurückzerren. Acon knurrte nur, machte sich schwer und wollte seinen Platz nicht verlassen.

Es waren nur wenige Situationen in den letzten Jahren gewesen, bei denen Acon so reagiert hatte. Und wenn, dann war immer etwas im Busch gewesen, so wie jetzt. An dem Gewitter konnte es nicht liegen. Daran hatte sich der Hund längst gewöhnt. Also musste es etwas anderes sein, was ihn belastete. Nur – was konnte das sein?

Thomas kniete sich neben seinem Hund nieder und streichelte das Fell. „Ist ja schon gut, Acon. Hör doch auf, da ist nichts. Wirklich ...“

Er hatte seinen Blick erhoben und schaute unter dem dichten Blätterdach hervor. Abe er konnte in der tiefen Dunkelheit nichts erkennen.

Acon wurde immer wilder. Er zerrte und kratzte mit den Läufen. Irgendetwas musste sich in der Schwärze der Nacht verborgen haben. Er spürte, wie es kalt seinen Rücken hinablief.

Er lockerte den Griff am Halsband des Hundes. Darauf hatte der Schäferhund gewartet. Mit einem heftigen Ruck riss er sich los. Er schleuderte seinen Kopf zurück und raste bellend und mit weiten Sätzen hinaus in die Dunkelheit, wobei er sich auch nicht um Blitz und Donner kümmerte.

Thomas presste seine Augen zu Schlitzen, versuchte etwas zu erkennen. Da bewegte sich jemand. Eine Gestalt, die aussah wie ein aufrechtstehender Bär, aber keinem Menschen glich. Konnte sich ein entlaufenes Tier auf dem Grundstück befinden?

Acon war wie von Sinnen. Er schlug auch Haken. Thomas verfolgte ihn mit seinen Blicken und sah dann, wie der Hund das Ziel erreicht hatte und kläffend an der fremden Gestalt hochsprang.

Jetzt würde er zupacken – jetzt ...

Und dann geschah das Grauenhafte!

Ein klagender, schreiender Ton, zu vergleichen mit dem eines kleinen Kindes, übertönte selbst den Donner, und Thomas ahnte, dass sein Hund diesen Ton ausgestoßen und somit sein letztes Lebenszeichen gegeben hatte.

Der Magen des Mannes zog sich zusammen. Heiß stieg es seine Kehle hoch, Tränen traten in seine Augen, denn er hatte sehr an Acon gehangen.

Er riss seine Pistole aus dem Holster, entsicherte die Waffe und lud durch. Jetzt hielt er es nicht mehr aus, er wollte sehen, was da geschehen war und rannte hinein in die graue fahle Dunkelheit, um vielleicht noch etwas zu retten.

Der starke Regen traf ihn. Gewaltige Wasserfluten ergossen sich über seinen Körper, durchnässten die Kleidung, klatschten gegen sein Gesicht.

Thomas kam nicht so schnell voran, wie er es sich vorgestellt hatte. Der Sturm blies manchmal so heftig, dass er ihn fast von den Füßen gerissen hätte. Es heulte, pfiff und tobte um ihn herum. Einige Male rutschte er aus und konnte sich nur mühsam auf den Beinen halten.

„Acon! Acon!“

Er schrie den Namen des Hundes, war jedoch nicht sicher, ob ihn das Tier noch hatte hören können, zudem riss ihm der Wind die Worte von den Lippen. Die Pistole hielt er schussbereit nach vorne gerichtet.

Der Weg führte jetzt dorthin, wo sich alles abgespielt hatte, und er vernahm plötzlich ein triumphierendes Heulen. So laut und schrecklich, dass es sogar die Geräusche des Unwetters übertönte. Obwohl er Angst um den Hund hatte und er ihm unbedingt zur Seite stehen wollte, konnte er nicht mehr weiterlaufen. Er musste stehenbleiben, riss seine Augen auf und schaute hinein in den dichten Vorhang aus Wasser.

Schemenhaft sah er die Szene!

Eine athletische Gestalt stand auf dem kleinen Hügel. In Höhe des Kopfes begann es schwarz zu schimmern, so dass Thomas den Eindruck hatte, es würden dort Haare wachsen. Dies konnte natürlich eine Täuschung sein, aber auszuschließen war es nicht!

Dann erklang wieder dieses unheimliche Heulen!

Schaurig und grässlich klang es durch die fahle Dunkelheit. Ein Laut, der Thomas eine Gänsehaut über den Rücken trieb und ihn erzittern ließ. Er wagte nicht mehr, einen weiteren Schritt nach vorn zu gehen. Die Furcht nagelte ihn auf der Stelle fest. Instinktiv ahnte er, dass er unter Umständen sein Leben verlieren konnte, wenn er sich dem unheimlichen Wesen jetzt näherte.

Der Bodyguard schüttelte sich. Er sah durch den Regen die huschende Bewegung, dann war die unheimliche Erscheinung plötzlich verschwunden. So, als hätte es sie nie gegeben.

Aber es hatte sie gegeben!

Thomas bekam den Beweis Sekunden später geliefert, als er die dunklen Teile auf dem Boden liegen sah, die auch nicht vom Regen zur Seite gespült wurden.

Es war sein Hund!

Der treue Acon lag zerrissen im nassen Gras.

Die Augen des Mannes begannen zu brennen. Die seltsam zerfließenden Gebilde der Bäume schienen zu Figuren zu werden. Sie gaukelten ihm Gestalten vor, unheimliche Gespenster! Sein Herzschlag trommelte. Er steigerte sich, die Schläge spürte er oben im Kopf, sie schmerzten förmlich unter seiner Schädeldecke. Obwohl er eine geladene Pistole in den Händen hielt, fürchtete er sich. Ein Gegner konnte im Hintergrund lauern und heimtückisch zuschlagen.

Schritte!

Ja, jetzt hörte er sie.

Sie schienen überall zu sein, die Dunkelheit ließ kaum eine Orientierung zu, aber er konzentrierte sich genauer, versuchte andere Eindrücke auszuklammern und kam zu dem Entschluss, dass die Schritte rechts von ihm aufgeklungen waren.

Hastig wandte er sich um. Er hielt den Atem an. Und plötzlich sah er die Gestalt!

Wie eine Statue stand sie da. Unbeweglich, kaum atmend. Er ging langsam noch näher heran. Nach zwei Schritten war er so nahe herangekommen, dass er die Gestalt besser erkennen konnte.

Und da blieb er stehen.

Das war kein Monster, kein Tier, sondern eine schlanke Gestalt in einem schwarzen Regenmantel.

„Hände hoch!“, schrie Thomas und versuchte selbstbewusst zu klingen. „Nehmen Sie die Kapuze herunter und zeigen Ihr Gesicht.“

Die unheimliche Gestalt gehorchte und zog die Kopfbedeckung herunter. Unbeschreiblich war der Schrecken des Bodyguards, als er in das Gesicht schaute.

Es war die Fratze einer Bestie!

Ein Alptraum, ein Geschöpf des Schreckens, Wahnsinn – oder nur ein Spaß? Vielleicht eine Maske, um ihn zu erschrecken?

Thomas versuchte sich innerlich zu beruhigen, was ihm sehr schwerfiel und auch nicht mehr als ein Zucken seiner Gesichtsmuskeln war. Er holte tief Luft, bevor er es schaffte, eine Frage zu stellen: „Wer sind Sie?“

„Dein Schicksal!“, antwortete das Wesen in einer rasselnden, kehligen Stimme. Zwei Worte nur! Fauchend ausgestoßen, und dabei bewegte sich die Maske, allerdings so, dass Thomas Zweifel hatte, es hier mit einer wirklichen Maske zu tun zu haben. Das hier war so täuschend echt, und er spürte auch den heißen Atem, der ihm entgegengeweht wurde.

Kein menschlicher Atem!

Er zuckte zusammen. Einmal, zweimal, als hätte er Peitschenhiebe bekommen. Das schreckliche Monstrum vor ihm, ein Wesen mit gelblichen Augen und spitzen Raubtierzähnen, blickte ihn wie hypnotisierend an.

In diesem Moment feuerte er die Pistole ab. Einmal! Zweimal! Dreimal!

Und jeder Schuss traf exakt das gewünscht Ziel.

Das unheimliche Wesen wurde in den Oberkörper getroffen und stolperte mehrere Schritte zurück.

Aber dann geschah das Unfassbare!

Die Treffer schienen der Kreatur keinen Schaden zugefügt zu haben. Die Bestie wischte die plattgedrückten Patronen vom Regenmantel herunter und lächelte den Bodyguard ironisch an.

Thomas riss seinen Mund auf, wollte schreien, brachte aber keinen Ton hervor. Nur einen Wimpernschlag später stand das Wesen direkt vor ihm. War es ein Sprung gewesen? Er konnte es nicht sagen, denn alles geschah so furchtbar schnell. Die Bestie holte mit dem rechten Arm aus und schlug Thomas die Pistole aus den Händen. In einem großen Bogen landete die Waffe einige Meter entfernt im Gras.

„Bitte ... nicht ...!“, flehte Thomas streckte dabei seine Arme aus. Es war eine hilflose, bittende Geste, die Bestie sollte sie sehen, und der hässliche Schädel bewegte sich von einer Seite zur anderen.

Die Bestie ließ den Mann nicht aussprechen. Sie bewegte sich vorwärts. Ein schneller Schritt, lautlos geführt. Der Mann schaute direkt in die gefährlich funkelnden Augen, die ihn an kalte Sterne erinnerten. Grausam blickten sie ihn an, und er las darin ein Versprechen: Den Tod!

Die Bestie sprang!

Es war ein blitzschnelles Abstoßen. Die Kreatur wuchtete sich auf ihr Ziel zu, die Arme hielt sie vorgestreckt, und Thomas, der zwar mit dem Angriff gerechnet hatte, wurde trotzdem von der Schnelligkeit überrascht.

Zur Seite kam er noch weg, nur schaffte er den Bogen nicht mehr ganz. Die Pranken der Bestie erwischten ihn noch an der Schulter. Es war ein harter Schlag. Der Stoff seiner Kleidung hatte dem nichts entgegenzusetzen. Er wurde von den Krallen zerfetzt! Thomas hörte das Reißen, sein Gesicht verzerrte sich, die Bewegung stoppte, und noch in der gleichen Sekunde verspürte er den Schmerz. Scharf und bitter!

Da wurde ihm klar, dass die Krallen der Bestie bis auf seine Haut gedrungen waren. Das konnte man nicht mehr als Spaß bezeichnen. Im Gegenteil, es war blutiger Ernst, der Bodyguard ahnte, dass er um sein Leben kämpfen musste.

Mensch gegen Bestie!

Hatte er überhaupt eine Chance? Der kampferprobte Personenschützer versuchte optimistisch zu denken, und schlug zu. Diesmal nahm er die Handkante, und er bedauerte den Hieb nicht einmal, freute sich sogar, als er einen harten Treffer landen konnte, der einen Menschen sicherlich zu Boden geschickt hätte, nicht aber diese Bestie. Sie nahm den Schlag zwischen Schulter und Maul, zuckte zwar und torkelte auch zur Seite, aber sie hielt sich auf den Beinen und fuhr fauchend herum. Angriff!

Thomas sah den Körper kommen. Ein riesiges Monstrum, gefährlich und zerstörend. Diesmal schlug er Mann mit beiden Handkanten zu. Sie kamen links und rechts wie Sicheln. Abermals war das Wesen nicht zu verfehlen. Die Schläge schüttelten es durch, das Fauchen wurde böse, wütend. Der muskulöse Bodyguard stand wie ein Baum, bis die Bestie gegen ihn prallte. Da merkte er, wie schwer dieses Wesen war und welch eine Wucht hinter dem Sprung lag.

Zwar spreizte er gedankenschnell seine Beine, um den Fall zu bremsen, doch die Kreatur riss ihn einfach um. Für den Mann wurde die Welt zu wirbelnden Schatten. Er knallte zu Boden, die Bestie lag plötzlich auf ihm, und schon führte sie den nächsten Schlag.

 

Diesmal wurde Thomas an der Brust getroffen. In seiner Panik wusste er nicht mehr, was er unternehmen sollte. Er riss einfach den Mund auf und schrie. Vielleicht würde er Hilfe bekommen, doch der Regen reagierte wie Watte und schluckte seine Schreie.

Und dann waren plötzlich die Zähne da! Hart und spitz wie Messer. Sie schauten aus dem Ober- und Unterkiefer. Das Maul klaffte weit auf, biss sich in Fleisch und schloss sich wieder. Thomas verspürte den wilden Schmerz, der ihn zu zerreißen drohte, glaubte sein Blut zu sehen, die Welt verschwand vor seinen Augen, und wurde rot!

Eine blutige Wand baute sich vor seinen Augen auf, die kaum noch durchlässig war, und hinter der Wand sah er die Bestie als einen gefährlichen Schatten, der sich schnell bewegte.

Thomas wurde nicht bewusstlos. Irgendwie bekam er noch mit, dass nicht nur etwas außerhalb seines Körpers geschah, sondern auch innerhalb. Ein gewaltiges Rauschen erfüllte ihn. Er spürte seine Knochen brechen, bevor der Tod ihn gnädiger Weise von seinem Leid erlöste.

Die Bestie erhob sich, blickte sich forschend um. Aber es war kein weiteres Opfer in Sicht. Nun konnte er sich seinem wahren Ziel zuwenden.

Im Haus von Sir Mowbray, der Inhaber der Agusta Westland, dem zweitgrößten Hubschrauberproduzenten der Welt, brannte Licht.

Die Bestie huschte auf die Terrasse zu, die vom starken Regen feucht glänzte. Wie ein Spiegel sahen die aneinandergereihten Natursteine aus.

Während der nächsten Schritte knirschte der Kies unter den Schuhen des Unheimlichen. Dann hatte er die Stufen erreicht, die zur Terrasse hinaufführten. Sein Atem ging schnell.

Er war aufgeregt. Kein Wunder. Der Auftrag des Meisters war eindeutig gewesen: Sir William Mowbray musste sterben.