Loe raamatut: «Maximale Innovation – Minimales Risiko», lehekülg 3

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2.3.2 Das digitale Zeitalter und die Entwicklung hin zur Digitalisierung

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann von England aus die erste Industrielle Revolution. Sie war von einer Vielzahl an bedeutenden und zukunftsweisenden Erfindungen und Innovationen gekennzeichnet. Eine Übersicht über die Entwicklung von der 1. bis zur 4.industriellen Revolution ist schematisch in Abbildung 3 dargestellt.


ABBILDUNG 3

ÜBERSICHT DER INDUSTRIELLEN REVOLUTIONEN IM ZEITSTRAHL

(QUELLE: BMVIT[13])

Heute befinden wir uns mitten in der 4. Industriellen Revolution, welche von der Vernetzung physischer und digitaler Systeme geprägt ist (siehe Abbildung 4). Das Internet-of-Things (IoT) bildet dabei das Zentrum, über das die Vernetzung koordiniert und verwaltet wird.

Im Folgenden werden beispielhaft einige Aspekte des IoTs diskutiert[14]:

+Arbeitnehmer und Angestellte – Sie steuern beispielsweise über ihre Endgeräte (PC, Tablets, Smartphones) Systeme oder sonstige Produkte und Maschinen.

+Produkte – Hier hat sich der Begriff Smart Home bereits etabliert. Produkte wie zum Beispiel TV-Geräte, Haushaltsgeräte wie Öfen, Waschmaschinen, Wäschetrockner oder Gefrierschränke sowie Steuerungsanlagen für Heizung oder Rollos sowie Alarmanlagen lassen sich bequem über IoT vernetzen und steuern.


ABBILDUNG 4

DIE 4. INDUSTRIELLE REVOLUTION – VERNETZUNG PHYSISCHER UND DIGITALER SYSTEME

(QUELLE: BMVIT[15])

+Maschinen – In unterschiedlichen industriellen Bereichen kommunizieren Maschinen miteinander (M2M) oder Maschinen mit Robotern (M2R).

+Werkstoffe und Zulieferer – Auch hier hat die Industrie 4.0 und das IoT bereits Einzug gehalten. So lässt sich nachverfolgen, wo sich beispielsweise die letzte Bestellung befindet. Andererseits lassen sich Beladung und Routen zur Warenauslieferung durch LKWs genau planen.

+Logistik – Durch den Einsatz, beispielsweise von Sensoren, Monitoring und Tracking-Systemen, erfährt der Güterverkehr sowie der Transport via Containerschiffe eine Revolution im wahrsten Sinn des Wortes. Das Transportgut kann durch effiziente Planung optimal verladen werden und lässt sich genauestens lokalisieren. Frachten können in Echtzeit verfolgt werden und die Auslieferung kann bereits in einem kurzen Zeitintervall dem Kunden kommuniziert werden.

+Forschung und Innovation – Die Vernetzung ermöglicht einen Zugriff auf Wissen in kürzester Zeit. Suchalgorithmen unterstützen hier. Andererseits werden neue Technologien entwickelt und Lösungen für neue Produkte und Dienstleistungen geschaffen. Klassische Buzz-Words sind hier Künstliche Intelligenz beziehungsweise Artificial Intelligence (KI beziehungsweise AI), Virtual Reality (VR), Blockchain oder auch Data Analytics beziehungsweise Datenanalyse.

+Kunden – Sowohl Kunden im Business-to-Business (B2B) als auch Business-to-Customer (B2C) Bereich profitieren von den oben genannten Lösungen der Industrie 4.0.

Es wird angenommen, „im Jahr 2002 […] war es der Menschheit das erste Mal möglich, mehr Informationen digital als im Analogformat zu speichern“. Daher wird dies „als der Beginn des ‚Digitalen Zeitalters‘“ gesehen.[16]

2.3.3 Treiber und Auswirkungen der Digitalisierung

Durch die Digitalisierung verändern sich Angebot und Nachfrage nicht nur am Markt von Produkten und Dienstleistungen, sondern auch auf Arbeitsmärkten. Des Weiteren gibt es Auswirkungen auf rechtliche Rahmenbedingungen und ebenso werden beispielsweise politische, ökonomische oder volkswirtschaftliche Aspekte beeinflusst. Sogar unsere Art der Kommunikation unterliegt dem digitalen Wandel.

Als Technologietreiber der digitalen Transformation sind IoT, M2M, KI beziehungsweise AI, AR (Artificial Reality), VR oder auch der 3D-Druck und Blockchain zu nennen. Lösungen und Produkte, die bereits heute zur Verfügung stehen und digitale Technologien einsetzen, sind beispielsweise im Bereich Mobile, Social, Cloud und Big Data vorzufinden.


ABBILDUNG 5

LÖSUNGEN SOWIE TECHNOLOGIETREIBER DER DIGITALEN TRANSFORMATION (BEISPIELHAFT)

(QUELLE: STREIMELWEGER B.)

Um neue innovative digitale Lösungen oder digitale Geschäftsmodelle entwickeln zu können, ist es notwendig, die oben genannten unterschiedlichen Technologien, ihre Einsatzgebiete sowie ihre Vor- und Nachteile zu kennen.

Ein wesentlicher Aspekt der Digitalisierung ist das Sammeln von Daten und aus den vorliegenden Big-Data sogenannte Smart-Data zu generieren beziehungsweise abzuleiten. Dies bedeutet, dass aus den vorliegenden Datenmengen durch definierte Analysemethoden, die je nach Situation notwendigen Daten entsprechend aufbereitet werden. Neben der Datenanalyse kommen unterschiedliche Algorithmen, aber auch Ansätze basierend auf Machine Learning (Maschinenlernen) und KI zum Einsatz. Beispielsweise können mittels Sensoren oder durch Laserabtastungen sowie Video- und Audioaufzeichnungen Daten gesammelt und in weiterer Folge aufbereitet werden. Daten werden damit zu einem wichtigen Gut.

Ein Leben ohne Digitalisierung und digitale Lösungen ist kaum noch denkbar und so hat sich die Digitalisierung zu einem ständigen Begleiter entwickelt. Die Digitalisierung ermöglicht in vielen Branchen sowie „cross-sektoral“ über Branchen hinweg neue innovative Lösungen, wobei sich diese Lösungen entweder noch in der Forschungs- und Entwicklungsphase, in Pilotierung oder bereits erfolgreich im Einsatz befinden.

Es gibt keine Innovation ohne Risiko und damit hat jede Technologie und digitale Lösung ihre Risiken, mit denen sich Unternehmen, Nutzer und Anwender auseinandersetzen müssen. Diese Risiken können technischer, organisatorischer beziehungsweise betrieblicher oder menschlicher Natur sein. Betroffene Rahmenbedingungen sind an die neuen Anforderungen anzupassen und entsprechende Maßnahmen sowohl betreffend Sicherheit in der Anwendung als auch für die Anwender selbst sind zu definieren und umzusetzen.

Risiken haben stets mit Unsicherheiten oder unvorhersehbaren Ereignissen zu tun, unabhängig davon, ob es um Innovationsrisiken oder andere Arten von Risiken geht. Dies zeigen auch jüngste Vorkommnisse wie Covid-19. Unternehmerinnen und Unternehmer neigen in weiterer Folge gerne dazu, Versäumnisse mit dem Faktor der Unvorhersehbarkeit der jeweiligen Situation zu relativieren. So auch der Daimler-Chef Ola Källenius, der sich mit den Worten: „Covid-19 ist wie ein schwarzer Schwan: Wir konnten uns nicht direkt darauf vorbereiten“, in einer Videobotschaft an seine Mitarbeiter richtete. Risikoexperten wie Frank Romeike finden diese Aussage als „schlicht und einfach falsch“[17]. Dieser zitiert daher in diesem Zusammenhang Nikolaus von Bomhard, Ex-Vorstandvorsitzender der Münchener Rück, der die Ansicht vertritt: „die vermeintliche Unvorhersehbarkeit von Ereignissen muss nur allzu oft als Ausrede für fehlendes Risikomanagement herhalten.“

2.4 REGULATORIEN – REGLEMENTIERUNG

Neben den Aspekten Globalisierung und Digitalisierung stellt die Reglementierung Unternehmen vor umfassende Herausforderungen. Internationale und nationale Gesetze, regulatorische Vorgaben und insbesondere die Anforderungen durch den „Stand der Technik“ bilden ein Gerüst rund um neue innovative Lösungen.

Die Umsetzung unterschiedlicher normativer Regulatorien auf hierarchischen Ebenen ist schematisch in Abbildung 6 dargestellt.


ABBILDUNG 6

UMSETZUNG VON REGULATORIEN

(QUELLE: STREIMELWEGER B.)

Diese Regulatorien tragen einerseits zur Sicherheit von Anlagen und Systemen bei und regeln andererseits die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen B2B-, B2C-Partnern und jeglichen Handelsbeziehungen zwischen Ländern. Dennoch werden sie oftmals als störend und einschränkend empfunden und insbesondere im Zusammenhang mit Innovation als wesentliche Faktoren zur Verhinderung von Innovation gesehen.

Eine andere Sichtweise auf Regulatorien ist, dass Innovationen auch durchaus Einfluss auf Regulatorien haben können und dazu beitragen können, diese zu verändern oder neue zu gestalten. Passt meine Organisation (Struktur, Prozesse, Verantwortlichkeiten, …) zur Innovation? Welche gesetzlichen und normativen Anforderungen sind im Rahmen der vorliegenden Innovationsbestrebungen zu beachten? Sind sie anwendbar und erfüllbar oder bedarf es gesetzlicher oder normativer Änderungen, um diese Innovation umsetzen zu können? Diese Fragen unterstützen bei der Einschätzung von bestehenden Vorgaben. So kann eine neue und insbesondere bahnbrechende Innovation durchaus dazu führen, bestehende Regulatorien kritisch zu betrachten, zu hinterfragen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Dies gilt auch für unternehmensinterne Vorgaben sowie Strukturen, Strategien oder Prozesse. Sollten keine entsprechenden Vorgaben oder Regulatorien vorliegen, können neue Innovationen hier wertvolle Inputs für neue Regulatorien liefern.

Als Beispiele seien hier IoT (Internet of Things), der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sowie Blockchain genannt.

+Für IoT wurde seitens ISO und IEC bereits der dreizehnteilige Internationale Standard ISO/IEC 29341[18] zum Management von Geräten und deren Protokollen (ISO/IEC 29341, Information technology – UPnP Device Architecture), ISO/IEC 30141[19] für den Aufbau einer entsprechenden Referenzarchitektur (ISO/IEC 30141:2018, Internet of Things (loT) – Reference Architecture) und ISO/IEC 20924[20] für Begriffe und Definitionen im Bereich IoT veröffentlicht. Weitere Regelwerke zu Themen wie Frameworks, Use Cases, dem Gebrauch von Object Identifiers und IoT in der Versorgungskette sind in Vorbereitung und Ausarbeitung.

+Im Bereich KI wird beispielsweise seitens der Europäischen Kommission an einem Dokument gearbeitet, das jegliche Anforderung an den Umgang mit Künstlicher Intelligenz enthalten soll. Hier stehen insbesondere ethische Fragen im Vordergrund.

+Zur Gewährleistung der Sicherheit beim Transfer sensibler Daten kommt bereits Blockchain zum Einsatz. Eine der ersten Lösungen, die Blockchain verwendet, ist Bitcoin. Wie mit sensiblen Daten umzugehen ist und was auch hinsichtlich technischer Maßnahmen zu beachten ist, wird beispielsweise in der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und im zugehörigen Datenschutzgesetz geregelt. Aber was bedeutete dies für den Einsatz von Blockchain? Welche Standardprotokolle oder Verschlüsselungstechnologien sind anzuwenden und welche sind unbedingt zu vermeiden? Auch hierzu wird an standardisierten Vorgaben gearbeitet wie zum Beispiel im Rahmen von Datenschutz und Datensicherheit, Informationstechnik-Sicherheit (IT-Security), Verschlüsselungstechnologien und andere.

2.4.1 Rechtliche Vorgaben

Zu den rechtlichen Vorgaben zählen Gesetze (G), Verordnungen (VO), Richtlinien (RL) und sonstige Rechtsakte. Hierarchisch gesehen, stehen europäische Rechtsakte über den nationalen österreichischen Rechtsakten.

EU-Verordnungen sind Teil des Sekundärrechts der Union. „Eine Verordnung ist ein verbindlicher Rechtsakt, den alle EU-Länder in vollem Umfang umsetzen müssen.“[21] Eine Richtlinie hingegen ist „ein Rechtsakt, in dem ein von allen EU-Ländern zu erreichendes Ziel festgelegt wird. Es ist jedoch Sache der einzelnen Länder, eigene Rechtsvorschriften zur Verwirklichung dieses Ziels zu erlassen.[22]“

Dies bedeutet, dass eine EU-Verordnung unmittelbar nach der Verabschiedung in der gesamten EU und damit in jedem EU-Staat gültig und bindend ist, mit anderen Worten sofort geltendes nationales Recht wird. Eine EU-Richtlinie hingegen bedarf einer nationalen Umsetzung in Form eines Gesetzes, wobei zeitliche Fristen bis zur Umsetzung vorgegeben werden. Abbildung 7 veranschaulicht die hierarchische Struktur der Rechtsakte.


ABBILDUNG 7

PYRAMIDENMODELL RECHTSAKTE[23]

(QUELLE: STREIMELWEGER B.)

2.4.2 Standards und Frameworks

Im Risikomanagement bilden Reglementierungen einen wesentlichen Bestandteil, sei es im Rahmen der Definition des Kontextes und Anwendungsbereichs (Scope), im Rahmen der Risikobeurteilung (Risk Assessments) und der Risikobewältigung (Risk Treatment) oder im Rahmen der Umsetzung. Hier helfen Standards wie beispielsweise ISO 31000[24] beziehungsweise das nationale Übernahmedokument ÖNORM ISO 31000[25], ISO/IEC 27005[26], die Reihe ÖNORM D 490x[27] oder Frameworks wie COSO ll und COSO ERM[28] sowie Cobit[29] bei der Implementierung und Umsetzung von Risikomanagement.

Im Bereich Innovationsmanagement haben sich neben den bekannten traditionellen Methoden und Techniken wie dem Business Model Canvas, dem Value Proposition Design, dem integrierten Management-Ansatz oder der Blue-Ocean-Strategie in den letzten Jahren neue agile Methoden und Techniken wie Design Thinking, Lean Startup, Effectuation, SCRUM oder der Business-Lifecycle-Ansatz entwickelt.

Innovationsmanagement wurde beispielsweise als wesentlicher Punkt in der 4. Generation des St. Galler Management-Modells von Johannes Rüegg-Sturm und Simon Grand aufgenommen sowie in den integrierten Management-Ansatz von Ulrich Bleicher. Damit wird die notwendige Bedeutung und Aufmerksamkeit von Innovationsmanagement nach außen hin aufgezeigt. Es gibt inzwischen zahlreiche Methoden und Tools, wie beispielsweise Ideen kreiert, designt, getestet, entwickelt und umgesetzt werden können, die durch Best Practices untermauert werden. Es gibt unterschiedliche Darstellungsformen des Innovationsmanagement-Prozesses, jedoch findet sich derzeit kein allgemein international anerkannter Standard wie für Risikomanagement.

2.5 INNOVATION

In den meisten Fällen haben der Großteil der Unternehmer sowie Startups, die bekannterweise Risikoträger meiden, sehr geringen bis keinen Erfolg, da sie das Management der Finanz- und Marktrisiken vernachlässigen und damit auf hohe erzielbare Erträge quasi verzichten. Ebenso ist bekannt, dass etablierte Unternehmen eher risikoavers sind und darauf programmiert sind, nahezu sicher und vorhersehbar zu operieren. Aufkommende digitale Technologien und neue Geschäftsmodelle als potenzielle Möglichkeiten für radikale Innovation werden daher verpasst. In weiterer Folge werden sie unbemerkt von Startups in ihrer Erfolgsgenerierung gestört und am Markt verdrängt, da diese nicht auf dem Radar des Unternehmens stehen.

Innovation braucht Kreativität. Kreativität braucht wiederum ihren Freiraum in Form von Handlungsspielraum und Gestaltungsraum, um visionäre und innovative Lösungen designen, testen und entwickeln zu können. Regeln, und darunter fallen die genannten Regulatorien, werden als hinderlich angesehen und ausgeblendet. Spätestens mit Beginn der Umsetzung der Idee und damit mit der Entwicklung ist es angebracht, sich über etwaig geltende Regulatorien Gedanken zu machen.

In Abhängigkeit von den gegebenen Rahmenbedingungen ist situationsbedingt zu entscheiden, ob eher auf traditionelle oder agile Methoden in der Ideenfindung zurückgegriffen wird oder auf eine hybride Form, das heißt einer Kombination beider. Als Rahmenbedingungen sind beispielsweise zu berücksichtigen, ob es sich um ein etabliertes oder eher „junges“ Unternehmen (3-10 Jahre) oder Startup (dazu zählen Unternehmen jünger als 3 Jahre) handelt und in welcher Branche das Unternehmen tätig ist.

Insbesondere im Digitalisierungsbereich, in dem die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle eine wesentliche Rolle spielt sowie die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen auf Basis neuer Technologien im Vordergrund steht, wird ein sehr hohes Maß an Agilität gefordert, was den Einsatz agiler Methoden und Techniken mit sich bringt. Etablierte Unternehmen ziehen bereits nach und versuchen ihre Unternehmensorganisation als solche agiler zu gestalten, um den Anschluss bei Innovationen nicht zu verpassen. Des Weiteren bedarf es im Unternehmen an Ambidexterität, das heißt der Fähigkeit von Organisationen, gleichzeitig effizient und flexibel zu sein.

Agilität und Ambidexterität sind zwei grundlegende Faktoren, um das Risiko-Ertrags-Paradox (Risk-Reward-Paradox) und das Ausbeuten/Erforschen-Dilemma (Exploit-Explore-Dilemma beziehungsweise Improve-Invent-Dilemma) zu lösen. Ausgewählte agile Techniken für extreme Kreativität und schlanke und schnelle Innovation werden in Kapitel 3.3 vorgestellt.

2.5.1 Innovation bedeutet Veränderung

Innovationen finden in unterschiedlichen Bereichen statt. Wie erwähnt, kann es sich demzufolge bei Innovationen um neue Produkte, Lösungen und Dienstleistungen, neue Geschäftsmodelle und Strategien oder auch neue Organisationsstrukturen oder -kulturen handeln. Überall da, wo Innovation stattfindet, findet in weiterer Folge auch eine Veränderung statt und jede Veränderung unterliegt einem Prozess, dem Veränderungsprozess, der in typischen Phasen abläuft. Das planvolle Management von Veränderungsprozessen von einem Ausgangszustand (Status quo, Ist-Zustand) hin zu einem Zielzustand wird unter anderem als Change-Management bezeichnet. Change-Management umfasst alle Aspekte der Umsetzung, wirft einen ganzheitlichen Blick auf die Situation und hat keinen prozessorientierten Fokus. Veränderungen laufen in Einzelschritten ab, die strategisch sinnvoll geplant, gesteuert, kontrolliert und stabilisiert sind.

Generell werden interne und externe Auswirkungen unterschieden. Dazu gehören auch, wie bereits oben beschrieben, Innovationen:

+interne Auswirkungen: organisatorische, technische oder wirtschaftliche Auswirkungen, Umsetzung von Strategien, Prozessen, Technologien, Änderungen bestehender sowie Implementierung neuer Geschäftsmodelle usw.

+externe Auswirkungen: Politik, Wirtschaft, Technologie, Umwelt, Globalisierung, Auswirkungen von Gesetzgebung und Staat usw.

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Praxistipp:

Veränderungen sollten wirkungsvoll sein. Gestalten Sie daher Veränderungsprozesse, und damit auch Ihre digitalen Transformationsprozesse, bewusst!

2.5.2 Ansätze in Veränderungsprozessen

Jeder, der sich mit der Umsetzung von Innovationen beschäftigt, und insbesondere das oberste Management sollte mit Veränderungsprozessen und den einzelnen zu durchlaufenden Phasen vertraut sein, um die Beteiligten und Mitarbeiter entsprechend erfolgreich durch diese Phasen zu führen. Hierfür gibt es unterschiedliche Ansätze. Zu den bekanntesten Modellen zählen:

+3-Phasen-Modell nach K. Lewin,

+Mitarbeiterführung in 4 Change-Management-Phasen,

+7-Phasen-Modell von Richard K. Streich,

+8-Stufen-Modell von Jon P. Kotter,

+5-Phasen-Modell von Wilfried Krüger.

An den beiden Modellen nach Lewin und nach Streich soll die Bedeutung für das Verständnis eines Veränderungsprozesses anhand eines Beispiels erläutert und veranschaulicht werden. Es wird angenommen, dass ein Unternehmen die Einführung eines neuen digitalen Geschäftsmodells plant. Dabei wird ein grundlegender und lang angewendeter Prozess den Kunden betreffend geändert. Künftig sollen Kunden durch eine Online-Plattform direkt mit ihren Betreuern in Kontakt treten können. Dies bedeutet wesentliche Veränderungen betreffend Kommunikation, Erreichbarkeit oder Projektabwicklung.

Lewins Modell ist ein vereinfachtes Modell zur Beschreibung von Veränderungen, das in den Phasen (1) Auftauen (Unfreezing), (2) Bewegen (Moving) und (3) Einfrieren (Refreezing) abläuft. Wie in Abbildung 8 veranschaulicht, werden alte Strukturen aufgetaut und durch Bewegung entstehen neue Strukturen, die letztlich eingefroren werden. Diese neuen Strukturen werden nach geraumer Zeit wieder selbst zu alten Strukturen, die es zu verändern gilt, womit der Veränderungsprozess von Neuem beginnt.


ABBILDUNG 8

3-PHASEN-MODELL DER VERÄNDERUNG NACH LEWIN

(QUELLE: STREIMELWEGER B.)

Lewin ging in seinem Ansatz von zwei grundsätzlich wirkenden Kräften in Organisationen aus. Die erste wirkende Kraft ist das Streben nach Sicherheit und Gewohnheit sowie der Angst vor Veränderungen. Die zweite wirkende Kraft ist jene, die Veränderungen innerhalb der Organisation hervorruft.[30]

+Phase 1 – Auftauen: Es wird Verständnis für die Stärken und Schwächen des Ist-Prozesses geschaffen und es erfolgt eine entsprechende Bewusstseinsbildung für die kommenden Veränderungen. Das anfangs herrschende Gleichgewicht zwischen antreibenden und widerstrebenden Kräften wird gestört. Durch die steigenden antreibenden Kräfte wird der Wandel initiiert.

+Phase 2 – Bewegen: Die Kräfte sind nun im Ungleichgewicht, es kommt Bewegung in den Wandel und Veränderungen werden geplant und umgesetzt. Das Prozess-Team wird zur Mitwirkung motiviert, um die Veränderungen selbst mitzugestalten. Dadurch entsteht das notwendige Commitment bei allen Beteiligten.

+Phase 3 – Einfrieren: Es kommt zur neuerlichen Stabilisierung der betroffenen Bereiche, in denen wieder Ruhe und damit ein neues Gleichgewicht einkehrt. In dieser Phase wird das Bewusstsein für kontinuierliche Weiterentwicklung geschaffen und alles getan, um einen Rückfall in den alten Status quo zu verhindern.

Stellt man das genannte Beispiel in Kontext zu Lewins Modell, so zeigt Phase 1, dass altbekannte Prozesse aufgebrochen werden müssen und der der Status quo zu verlassen ist, um die gewünschte Veränderung, nämlich ein neues Geschäftsmodell zu implementieren, herbeiführen zu können. Die Mitarbeiter setzen sich mit den neuen Gegebenheiten auseinander, sie verstehen die Notwendigkeit der Veränderung und beginnen, die neuen Prozesse aktiv mitzugestalten. Damit ist Phase 2 erreicht. Nachdem das Geschäftsmodell erfolgreich implementiert wurde und die neuen Prozesse von allen auch gelebt werden, entsteht die notwendige Stabilisierung und Ruhe im Unternehmen und jeder hat sich an die neuen Prozesse gewohnt. Die „neue Struktur“ wird damit eingefroren (Phase 3).

Das 7-Phasen-Modell von Streich, auch bekannt als 7 Phasen der (individuellen) Veränderung, ist vergleichbar mit dem Auf und Ab einer Gebirgskette. Eine schematische Darstellung der Veränderungskurve nach Streich zeigt Abbildung 9. Wie Menschen und ganze Organisationen Veränderungen erleben, hängt laut Streich von der „wahrgenommenen Kompetenz in der Veränderung ab, die sich im Zeitverlauf ändert “[31].

Zu den 7 Phasen nach Streich zählen[32]:

+Schock, Überraschung,

+Ablehnung,

+Rationale Einsicht,

+Emotionale Akzeptanz,

+Lernen,

+Erkenntnis,

+Integration.


ABBILDUNG 9

7-PHASEN-MODELL NACH STREICH

(QUELLE: STREIMELWEGER B.)

Jede Phase ist mit Emotionen verbunden und jede Phase muss zwingend durchlaufen werden. Ein Überspringen von Phasen ist nicht möglich, jedoch variiert die Zeitspanne einzelner Phasen, die von Mitarbeitern durchlebt werden. Was eine jede Phase für sich bedeutet, wird im Folgenden beschrieben.

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Praxistipp:

Veränderungsprozesse und Emotionen

Gehen Sie als verantwortliche Person für einen Veränderungsprozess auf mögliche Ängste und Zweifel der Mitarbeiter ein und vermitteln Sie ein Gefühl des Verständnisses. Zeigen Sie Empathie und gewinnen Sie damit das Vertrauen und in weiterer Folge die Zustimmung zur Veränderung und das Engagement während der Umsetzung der betroffenen und beteiligten Personen.

Phase 1: Schock, Überraschung – Eine wesentliche Veränderung steht an und die Mitarbeiter werden erstmalig mit ihrer Notwendigkeit konfrontiert. Typischerweise reagieren die Betroffenen einerseits mit Schock und Überraschung, andererseits kommt Angst betreffend die neue Situation auf sowie Unverständnis für diese. Sie erkennen, dass bestehende Handlungen und Praktiken für die neue Situation ungeeignet sind. Betroffene können in einen Schockzustand verfallen und sind damit nicht in der Lage, zu verstehen, dass die Veränderung notwendig ist und sie sich an etwas Neues anpassen müssen. Sie sind damit weder im Stande zu handeln noch zu denken und ihre Leistung und Produktivität sinkt radikal.

Phase 2: Ablehnung – Mitarbeiter beginnen sich nach dem ersten Schock an die Vergangenheit zu klammern. Sie möchten so weiter machen wie gewohnt. Es ist wichtig, dass die für den Veränderungsprozess verantwortliche Person, zumeist eine Führungskraft oder jemand aus dem Management, Bewusstseinsbildung für die Notwendigkeit der Änderung schafft. Es ist wichtig für die Betroffenen zu verstehen, warum die geplante Änderung für das Unternehmen wichtig ist und vorgenommen wird. Kommunikation ist hier das A und O.

Phase 3: Rationale Einsicht – Mitarbeiter sind in der Lage, die Notwendigkeit der Änderung zu verstehen. Sie haben sie allerdings noch nicht akzeptiert! Sie erkennen jedoch, dass ihre negative Haltung und Ablehnung nicht zielführend sind, die Änderung unumgänglich oder vielleicht sogar notwendig ist.

Phase 4: Emotionale Akzeptanz – Am tiefsten Punkt des Veränderungsprozesses, in der Trauerbewältigung, auch als das Tal der Tränen bezeichnet, werden die Kompetenzen reflektiert und es kommt zur entscheidenden Wende. Ab nun „geht es bergauf“. Nachdem die Mitarbeiter die Veränderung verstanden haben, beginnen sie nun diese zu akzeptieren. Die grundlegende Transformation oder Umstrukturierung kann beginnen, wobei von bekannten Handlungen und Praktiken abgewichen wird.

Phase 5: Lernen - Mitarbeiter beginnen, sich mit der neuen Situation auseinanderzusetzen. Sie entwickeln eine Neugier für den neuen geplanten Weg und die damit verbundenen Prozesse. Abgeleitete Maßnahmen werden wie in jedem Lernprozess durch Versuch und Irrtum erlernt.

Phase 6: Erkenntnis – Die Beteiligten erlangen die Erkenntnis, dass die geplante Veränderung auch eine Chance darstellt und etwas Gutes hat. Erste Erfolge bei der Erweiterung der eigenen Fähigkeiten führen dazu, Handlungen in den Alltag zu integrieren.

Phase 7: Integration – Es erfolgt die vollständige Integration von gesetzten Maßnahmen und Verhaltensweisen, welche die Veränderung mit sich brachte, in den Arbeitsablauf. Mitarbeiter betrachten sie nun als selbstverständlich.

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Praxistipp:

Wirkungsvolle Instrumente im Veränderungsprozess

Nutzen Sie Monitoren und Kommunizieren als wirkungsvolle Instrumente während des Veränderungs- oder Transformationsprozesses.

Kommen wir zurück zum Beispiel der Implementierung eines neuen Geschäftsmodells und stellen dies in Relation zu Streichs Modell. Mit der Einführung eines neuen digitalen Geschäftsmodells durch die Geschäftsführung soll eine neue Online-Plattform implementiert werden. Die Mitarbeiter, die unmittelbar davon betroffen sind, sind schockiert (Phase 1 – Schock, Überraschung) und verstehen nicht, warum sie plötzlich ständig und rund um die Uhr erreichbar sein sollten. Sie sehen lediglich ihre möglichen Mehraufwendungen, jedoch nicht, welche Vorteile die Plattform mit sich bringt. Sie lehnen diese ab und wollen an ihrer Kommunikation nichts ändern (Phase 2 – Ablehnung). Nachdem das Management die Vorteile sowie die Notwendigkeit der Umstrukturierung erläutert, um wettbewerbsfähig zu bleiben und damit auch Arbeitsplätze sichern zu können, beginnen die Betroffenen die geplante Änderung zu verstehen (Phase 3 – rationale Einsicht). Sie setzen sich intensiver mit der Änderung auseinander und akzeptieren die Änderung als wichtige Notwendigkeit (Phase 4 – emotionale Akzeptanz). Die neue Plattform weckt nun die Neugierde und die Mitarbeiter beginnen, neue Wege einzuschlagen (Phase 5 – Lernen). In weiterer Folge erkennen Sie auch die damit verbundenen Chancen (Phase 6 – Erkenntnis). Sie gestalten aktiv die Implementierung mit, bekennen sich zur neuen Plattform und haben die neuen Prozessabläufe verinnerlicht (Phase 7 – Integration).

Diese beiden Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, die mit einer Innovation verbundenen Änderungen, wie beispielsweise Auswirkungen auf Prozesse, zu verstehen und aktiv zu gestalten.

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Praxistipp:

Veränderungsprozesse gestalten

Bleiben Sie stets Gestalter Ihrer Veränderungs- und Transformationsprozesse! Die notwendige Fach- und Methodenkompetenz sowie persönliche Skills sind dabei wesentliche Instrumente.

1 Streimelweger, B.; Hage, R.: Minimal-Risk-Innovation (MRI) – Wie können Unternehmen trotz verschärfter Globalisierung & Reglementierung, die Früchte der Digitalisierung & Innovation mit Minimalrisiko ernten? (Wien, 2016); Zitat von Streimelweger, B.

2 Nayan, Chanda: How Traders, Preachers, Adventurers, and Warriors shaped Globalization. New Haven: Yale University Press, 2007, S. 246

3 Menzel, Ulrich: Globalisierung – Geschichte und Dimensionen eines Begriffs; 25.07.2002; online auf Bundeszentrale für politische Bildung: http://www.bpb.de/veranstaltungen/dokumentation/130248/globalisierung-geschichte-unddimensionen-eines-begriffs; (Abruf: 10.07.2020)

4 ebd.

5 Streimelweger, B.; Hage, R.: Minimal-Risk-Innovation (MRI) – Wie können Unternehmen trotz verschärfter Globalisierung & Reglementierung, die Früchte der Digitalisierung & Innovation mit Minimalrisiko ernten?; Impulsvortrag; Wien (14.12.2016); online: https://www.stragere.at/downloads/ (letzter Abruf: 30.01.2021)

6 Hess, Thomas; Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien, Ludwig-Maximilians-Universität München; in: Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik; online: https://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de (letzter Abruf: 13.07.2020)

7 ebd.

8 ebd.

9 Onpulson.de GbR – Das Business-Magazin für den Mittelstand, https://www.onpulson.de/lexikon/automatisierung, Zitat © Campus Verlag, Abruf 13.07.2020

10 ebd.

11 Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW, Österreich): Digitalisierung; online: https://www.bmdw.gv.at/Themen/Digitalisierung.html (letzter Abruf: 13.07.2020)