Loe raamatut: «Albert de Menier - Exposition Universelle Die Gotteskinder von Paris»

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Benjamin Karl

Albert de Menier - Exposition Universelle Die Gotteskinder von Paris

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Prolog

11.04.1900 Im Garten Eden

12.04.1900 Die Reise beginnt

13.04.1900 Willkommen in Paris

14.04.1900 Der Engel am Obelisken

15.04.1900 Blumen für Isabell

16.04.1900 Bei Doktor Huisman

17.04.1900 Das blaue Kleid

18.04.1900 Die Pranken des Tigers

19.04.1900 Das Anthropometrische System

20.04.1900 13 Jahre und 116 Tage

21.04.1900 Nur die Meerjungfrau war Zeuge

22.04.1900 Verzweiflung

23.04.1900 Der Maharadscha von Siam

24.04.1900 Die Welt dreht sich weiter

Epilog

Danksagung

Impressum neobooks

Prolog

„Gestatten, mein Name ist Albert de Menier. Ihr wundert euch über meinen Namen? Für einen preußischen Kommissar ist das wirklich ungewöhnlich. Ich bin zwar in Berlin geboren, aber meine Vorfahren kamen ursprünglich aus Frankreich, aus der Gegend von Nancy. Diese mussten in der Bartholomäus-Nacht aus Frankreich fliehen. Damals wurden zahlreiche Hugenotten verfolgt und ermordet. Aus dieser Zeit ist nur noch mein Familienname übriggeblieben. Aufgrund meines ethnischen Hintergrundes habe ich sogar Französisch gelernt, was mir jetzt zu Gute kommt.

Hoffentlich wird es in Paris nicht langweilig, ich sehe mich schon hinter einem Schreibtisch sitzen und kleine Diebstähle bearbeiten. Würde es euch gefallen in einem Krimi von kleinen Taschendiebstählen zu lesen? Ich will Mord, Totschlag und Aktion. Ein bisschen Liebe darf auch dabei sein, ich fahre schließlich nach Paris.

11.04.1900 Im Garten Eden

„Ann, wie kann ich dir nur danken, ohne dich hätte ich Phillipe nie kennengelernt.“ „Ach Lotte, es freut mich, dich glücklich zu sehen. Ich dachte ihr beide passt gut zusammen.“ „Ich kann nicht glauben wieviel Glück ich habe. Wenn ich bedenke was mir alles widerfahren ist. Es war die richtige Entscheidung nach Paris zu kommen. Meine Eltern wollten mich aus reiner Geldgier zwingen diesen ekligen Kerl zu heiraten. Es blieb mir nichts anderes übrig, als von zu Hause davonzulaufen.“ „Zum Glück bist du zu uns gekommen. Hätte dich unser „Bruder der Glückseligkeit“ nicht gefunden, wärst du mit Sicherheit in den Pariser Straßen unter die Räder gekommen.“ „Das ist wahr, ich bin wirklich froh, dass ihr mich in eure Glaubensgemeinschaft aufgenommen habt. Ich habe mich nach so einem Hort gesehnt, in dem jeder nett und freundlich ist, besonders du Ann.“ „Ach komm, das ist doch selbstverständlich. Gott will, dass wir alle in Frieden leben, besonders wenn man bedenkt wie schlecht die Welt da draußen ist. Wann triffst du dich eigentlich mit Phillipe?“

„Morgen, da werde ich ihm meine Liebe gestehen, ich hoffe er empfindet ebenso für mich. Ich habe mich für ihn aufgespart, Phillipe wird derjenige sein und nicht der andere, den meine Eltern für mich vorgesehen hatten.“ „Dann drücke ich dir die Daumen, es wird schon alles gutgehen. Ich glaube er empfindet ebenso wie du.“ „Meinst du? Ich habe bei ihm noch nicht gespürt, dass er Verlangen nach mir hat, er geht meinen Berührungen aus dem Weg. Er spielt immer nur mit seiner Kamera herum.“ „Ach ja, seine Kamera, damit kann er umgehen, das weiß ich.“ „Wie meinst du das, Ann?“ „Ach, er hat mich schon öfters gebeten für ihn Modell zu stehen.“ „Wirklich? Mich hat er noch nie gefragt. Will er etwa was von dir?“ „Nein, nein, sei unbesorgt, bei den Fotos waren wir nie alleine, da war immer mindestens noch ein anderer dabei, also brauchst du nicht eifersüchtig zu sein.“ „Das beruhigt mich, ich bin schon ganz aufgeregt wegen morgen.“ „Ach das wird schon, du musst mir danach alles ganz genau erzählen!“

Die beiden jungen Frauen, verrichten während dieser Unterhaltung ihre Arbeit im Gemüsegarten der Glaubensgemeinschaft. Als weitere Männer und Frauen der Gemeinschaft dazukommen wechseln sie ihr Thema.

12.04.1900 Die Reise beginnt

Endlich, gleich bin ich am Anhalterbahnhof! Ich habe dringend eine Abwechslung nötig.

Hätte sich diese einmalige Möglichkeit nicht aufgetan, wäre ich wohl aus Verzweiflung noch freiwillig in eine der deutschen Kolonien ausgewandert, nur um einen Tapetenwechsel zu bekommen. Aber ich fahre jetzt nach Paris! Mit Sicherheit war es die richtige Entscheidung, nach Paris zu fahren, vor allem jetzt, wo dort das größte Ereignis stattfindet das die Welt je gesehen hat - die Pariser Weltausstellung.

Ich kann es immer noch nicht glauben. Es hört sich jedes Mal komischer an, je öfter ich es zu mir selber sage: „Offizieller Gesandter des Kaiserreiches in Paris“.

Auch wenn es kein großer Unterschied zu dem ist, was ich in Berlin in den letzten Jahren gemacht habe, ist es eine große Änderung in meinem Leben. Hoffentlich kann ich dort genügend Anerkennung bei meinen Vorgesetzten sammeln. Wenn man befördert werden will, muss man auch mal etwas riskieren. Wenn ich mich nicht zu dumm anstelle, ist mir die Beförderung sicher. Allerdings schauen in Paris einige Augen auf mich, da kann eine kleine Dummheit große Folgen haben.

Karriere hin oder her, so langsam muss ich auch an meine Zukunft denken, ich bin schließlich schon 29 Jahre alt und meine Mutter fragt immer wieder nach, wann sie endlich ein paar Enkel von mir bekommt.

Aber überstürzen darf man das natürlich auch nicht. Ich muss eben warten, bis mir die richtige Frau über den Weg läuft, denn die werde ich brauchen. Schließlich weiß ich mittlerweile auch, dass es nicht der Storch ist, der die Babys bringt.

Ich habe gehört, dass es in Paris viele gutaussehende Frauen geben soll, aber ob Paris die richtige Stadt ist, um eine Frau zum Heiraten zu finden? Den besten Ruf haben sie ja nicht. Meine Mutter war jedenfalls nicht so begeistert, als ich ihr sagte, dass ich nach Paris gehe. Ich höre immer noch ihre Worte: „Was willst du in diesem Sündenpfuhl, weißt du denn nicht, wie es da zugeht?“

Ich soll mich bei meiner Ankunft sofort melden und ihr regelmäßig schreiben, wie es mir geht – als ob ich noch ein kleiner Junge wäre. Wenn es nach ihr ginge, müsste ich ihr jeden Tag schreiben.

Ich kann sie ja verstehen, dass sie so besorgt ist, ich bin schließlich ihr einziger Sohn. Wäre mein Vater damals 1871 nicht im Krieg gegen Frankreich in der Nähe von Paris gefallen, hätte ich wahrscheinlich noch zahlreiche Geschwister, aber so hat sie nur noch mich. Leider habe ich meinen Vater nie kennengelernt, da er schon starb, bevor ich geboren wurde. Ich weiß nicht einmal, ob er überhaupt wusste, dass ich auf dem Weg war.

Paris! Ich bin so aufgeregt. Die Entscheidung fiel sehr schnell, als man mich fragte. Es war weniger eine Frage, sondern eher ein Befehl, aber ich freue mich auf die neuen Aufgaben. Diese Weltausstellung ist größer als alle anderen, die es je gegeben hat. Direkt an der Seine, von den Esplanades des Invalides über den Quai d`Orsay bis zum Marsfeld, auf dem der riesige Eiffelturm steht. Auf der anderen Seite der Seine erstreckt sie sich vom Trocadéro bis an den Place de la Concorde, an dem sich das mächtige Riesentor als Haupteingang befindet. Außerdem gibt es aus Platzgründen noch einen Außenbereich im Bois de Vincennes am Rande der Stadt.

Wahrscheinlich hat man mich gewählt, da ich französisches Blut in den Adern habe. Von meinen Vorfahren, ist nur noch unser Familienname übriggeblieben – „de Menier“. In Berlin werde ich mit meinem Namen öfters komisch angeschaut, aber in Paris habe ich hoffentlich keine Probleme damit.

Ich weiß, dass es nicht einfach werden wird. Obwohl der Krieg gegen Frankreich schon fast 30 Jahre zurückliegt, hat man es als Deutscher in Frankreich immer noch sehr schwer. Auf der Weltausstellung von 1889 hatte Deutschland keine eigenen Ausstellungen und als Besucher wurde man mit Missachtung gestraft. Ich frage mich, ob wir immer noch so von den Franzosen gehasst werden, oder ob sich die Meinung unserer Nachbarn über uns mittlerweile geändert hat?

Auf jeden Fall habe ich die Anweisung, mit äußerster Vorsicht und Diplomatie vorzugehen, das heißt, ich soll mich nicht überall einmischen und mich aus allem raushalten. Damit werde ich keine Probleme haben, da ich hauptsächlich zwischen den deutschen Besuchern, den Verantwortlichen und den Franzosen in polizeilichen Angelegenheiten vermitteln soll. So war zumindest die offizielle Beschreibung meiner Tätigkeiten, die Realität sieht wahrscheinlich dann so aus, dass ich bei Fällen ermitteln darf, bei denen unsere Landsleute betroffen sind.

Eigentlich sollte ursprünglich der Chefinspekteur selbst fahren, aber dieser wollte sein schönes Büro und seine Familie nicht verlassen - oder sollte ich besser sagen, er durfte seine Familie nicht verlassen. Ich habe gehört, bei ihm zu Hause hat Madame die Hosen an. Sie hatte anscheinend kein Vertrauen in ihren Mann und hat wohl auch so manch anzügliche Geschichten über die Pariser Damenwelt gehört.

Aber was soll`s, Hauptsache ich darf für ihn einspringen. Das Beste daran ist, dass ich jetzt erster Klasse reisen darf, da schon alles organisiert wurde und man die Fahrkarte nicht mehr umtauschen konnte. Immerhin kostete die Bahnfahrt fast 100 Mark, soviel hätte man für mich sonst nicht springen lassen. Auf die Unterkunft bin ich auch gespannt, da man so kurzfristig auch keine andere Unterkunft finden konnte. Da werde ich mit Sicherheit auch in besseren Verhältnissen wohnen, als ich es sonst gewohnt bin…

„So, da sind wir.“ Mit diesen Worten unterbricht der Kutscher die Gedanken seines Fahrgastes, als diese am Bahnhof ankommen. Dem jungen Mann wird nun bewusst, dass er seiner Heimatstadt für über ein halbes Jahr lebe wohl sagen muss. Es herrscht ein reges Treiben am Bahnhof. Reisende kommen und gehen, die Frühlingssonne erhellt die Eingangshalle und der Abschied fällt bei Sonnenschein wohl leichter als bei Regenwetter, bei dem man im Allgemeinen etwas melancholischer wird.

Seinen großen Koffer lässt er vom Kofferträger aufgeben, aber sein Handgepäck nimmt er besser selbst, schließlich befindet sich eine nicht unbeträchtliche Summe Bargeld darin, wie wohl auch bei jedem anderen Reisenden hier am Bahnhof, der eine längere Reise vor sich hat.

Er ist zwar schon öfters mit dem Zug gefahren, aber noch nie eine so lange Strecke, immerhin fast 1200 km. Zum Glück ist der Zug dank der modernen Technik schon in 20-24 Stunden da, das geht ganz schön fix.

Also auf in die erste Klasse! Der Waggon ist riesig, er hat immerhin 7 Abteile, die über einen Seitengang zugänglich sind, beim Betreten bemerkt man den luxuriösen, modernen Linoleumboden. Die Decken sind aufwendig bemalt und die Beschläge vergoldet. Wenn man sich hinsetzt, schmiegt sich der mit blau gemustertem Samt bezogene Sitz an den Fahrgast. Da muss man sich in die erste Klasse verlieben, nach so einer Fahrt, kann man wahrscheinlich nie wieder zweite Klasse fahren.

Im Abteil ist Platz für 4 Personen. Allerdings ist in dem Abteil, welches sich der junge Mann ausgesucht hat, schon ein Platz besetzt. Ein Pastor, der seine Augen geschlossen hat und zu schlafen scheint, hat es sich dort gemütlich gemacht. Ein großer brauner Lederkoffer, auf dem die Initialen R. K. stehen, liegt im Gepäckfach über ihm. Die Seitenwände des Koffers verzieren etliche Aufkleber mit Reisezielen, anscheinend ist der Pastor schon viel herumgekommen. Er nimmt neben ihm Platz, um in Fahrtrichtung zu sitzen, dabei macht er anscheinend so viel Lärm, dass sein Sitznachbar aufschreckt.

Der junge Mann nimmt natürlich gleich die Gelegenheit wahr und stellt sich vor: „Gestatten, Albert de Menier.“ Ganz verdutzt und überrascht schaut ihn der Pastor an, erhebt sich und stellt sich ebenfalls vor: „Angenehm, ich bin Pastor Richard Koch.“

Nachdem sich die beiden gegenseitig bekannt gemacht haben, fangen sie auch gleich eine angeregte Unterhaltung an.

„Wo führt Sie der Weg hin? Fahren Sie auch nach Paris?“ „Ganz recht, Gottes Weg führt mich nach Paris. Ich werde dort in der Missionsausstellung über meine Erfahrungen in den deutschen Kolonien berichten. Ich habe mittlerweile fast jede einzelne durchreist“ „Das ist interessant.“ „Angefangen habe ich in Kiautschou, der asiatischen Provinz, da hatte ich auch die Möglichkeit die tolle asiatische Küche kennenzulernen. In China gibt es Gegenden, in denen fast alles aufgetischt wird. Von Insekten bis hin zu Reptilien und was es nicht alles aus den Meeren gibt...“ Unser junger Kommissar hat einen Fehler gemacht - hat der Pastor erst einmal zu reden angefangen - hört er nicht mehr auf. Wahrscheinlich kann er bis Paris ununterbrochen weiterreden.

Die Eingeborenen, die er bekehrte, hatten wohl auch keine andere Wahl, als sich missionieren zu lassen, sie kamen nicht zu Wort, um zu widersprechen. Der junge Albert de Menier nickt immer nur zustimmend. Dennoch ist es interessant, was der Pastor erzählt. Er war anscheinend auch in Samoa, auf den Marshallinseln, im Kaiser-Wilhelms-Land, auf dem Bismarck-Archipel und kreuz und quer durch Afrika.

Der gute Pastor wird bei seinen Erzählungen jedoch unterbrochen, als noch weitere Fahrgäste zusteigen. Es betreten zwei Frauen das Abteil, die mit Sicherheit der gehobenen Berliner Gesellschaft angehören. Es handelt sich um eine junge Dame mit ihrer Zofe, schätzungsweise 20-22 Jahre alt. Als die feine junge Dame das Abteil betritt, erwischt sich der Kommissar selbst dabei, wie er sie anstarrt. Sie sieht einfach atemberaubend aus, zum Glück hat das niemand bemerkt.

Ihre nussbraunen Haare sind aufwendig geflochten und hochgesteckt. Ihre dunkelgrünleuchtenden Augen und ihre roten Lippen strahlen eine Sinnlichkeit aus, die man nicht zu beschreiben vermag. Ihre Schuhe, die mit Sicherheit ein Vermögen gekostet haben, passen farblich perfekt zu ihrem dunkelblauen Kleid, dazu einen beigen Sommermantel und einen dunkelblauen verspielten Hut – einfach umwerfend.

Als ob dies nicht schon reichen würde, um einen Mann zu betören, lässt der Duft ihres Parfums die Sinne des jungen Mannes benebeln und seinen Herzschlag in die Höhe eilen. Als sie sich umdreht, sieht er sie auch noch lächeln und es läuft ihm eiskalt den Rücken herunter.

„Ge-Gestatten mein Name ist de Menier, Albert de Menier“ stammelt der junge Mann in leisen Tönen. Wahrscheinlich hat sich auch sein Gesicht leicht rot verfärbt - hoffentlich ist es nur ein leichtes rot - auf jeden Fall fängt die Zofe der hinreißenden Dame zu grinsen an.

Der junge Mann ist nach dieser Vorstellung etwas verlegen und denkt sich, dass es besser ist, erst einmal seine Sinne wieder zu sammeln.

Nachdem sich nun auch der Pastor vorgestellt hat, öffnet diese bezaubernde Frau ihre Lippen und die Mitreisenden vernehmen ihre Worte: „Angenehm, mein Name ist Schubert, Isabell Schubert.“ Diese Stimme klingt auch noch wie Musik in den Ohren des jungen Herrn und diese Melodie geht ihm vorerst auch nicht mehr aus dem Kopf.

„Sophie, verstaue bitte das Handgepäck, ich werde den Fensterplatz nehmen.“ „Sehr wohl Fräulein Schubert“, antwortet diese. Ein Glück sitzt auch der Pastor mit im Abteil, da dieser weiter zu reden beginnt, hat der verlegene Kommissar Zeit sich zu sammeln. Der Pastor stellt dem jungen Fräulein auch solche Fragen die Albert de Menier interessieren. Es würde sich nicht geziemen, wenn er das junge Fräulein selbst ausfragen würde, aber ein Mann Gottes darf so etwas.

„Darf ich fragen, wo eine junge Dame wie Sie und ihre Begleitung hinwollen?“ fragt der Pastor. „Nun, mein Vater stellt auf der Ausstellung in Paris aus und ich nehme die Gelegenheit wahr übermorgen an der großen Eröffnungsfeier teilzunehmen. Das ist eines der größten Ereignisse des neuen Jahrhunderts. Da kommt bestimmt auch der französische Präsident Loubet und alle anderen wichtigen Persönlichkeiten, die in Frankreich Rang und Namen haben.“ „Präsident Loubet? Ich finde es eigenartig, dass ein gewählter Präsident ein Land regiert.“ stellt Albert de Menier fest. „Wieso? Finden Sie?“ wundert sich Pastor Koch. „Nun ja, ein König hat es schließlich von klein auf gelernt und weiß was zu tun ist. In Frankreich oder den USA könnte sogar ein Schuhputzer das Land regieren, ich bezweifle, dass dies gut gehen kann. Wenn Sie ein paar Schuhe kaufen wollen, gehen Sie schließlich nicht zum Metzger, man geht zum Fachmann.“ Pastor Koch schaut Albert de Menier erstaunt an und erwidert: „Ich finde dieses demokratische System eigentlich sehr einfallsreich, wenn man die Geschichte betrachtet, hat sich leider nicht jeder König oder Kaiser bewährt, man siehe nur Nero der das alte Rom niederbrannte. Wenn sich ein Präsident als unfähig erweist, wird er in der nächsten Wahl nicht mehr gewählt. Wenn ein König Misswirtschaft treibt, bleibt nur ein Aufstand und dann rollen Köpfe, das hat man damals bei der großen Revolution in Frankreich gesehen.“ „Schon klar, aber wie entscheiden Sie, wer bei der Wahl zum Präsidenten der richtige ist, sie kennen die Kandidaten nicht persönlich...“

Während dieser Diskussion, aus der sich Fräulein Schubert und ihre Zofe Sophie heraushalten, ertönt ein schriller Pfiff und man hört, wie die Türen geschlossen werden. Das ist preußische Pünktlichkeit, genau um 13:25 Uhr setzt sich der Zug mit kurzem rütteln in Bewegung und man hört bei geöffnetem Fenster das schnauben des Dampfrosses, welches sich abmüht den ganzen Tross hinter sich herzuziehen. Die Reisenden schließen noch schnell das Fenster, da sonst der ganze Qualm ins Abteil strömt.

Der Zug fährt zwischen den Fassaden der großen Mietshäuser Berlins hindurch, ab und zu befindet sich ein karges Gelände zwischen den Gebäuden, auf denen Anwohner ihr Gemüse anbauen. In der Entfernung sieht man den Rauch der Fabriken emporsteigen, wobei auch der Rauch des Zuges durch den Fahrtwind am Fenster des Abteils vorüber geweht wird. Da merken die Reisenden erst, wie schnell doch der Zug ist, das müssen immerhin 50 bis 60 km/h sein, damit dürften sie die Großstadt bald hinter sich haben.

Nachdem die Reise nun begonnen hat, versucht Albert die junge hübsche Dame in das vorherige Gespräch mit einzubeziehen. „Wie denken Sie darüber Fräulein Schubert? Könnten Sie mit einem Präsidenten als Oberhaupt leben?“ „Ich denke, ich könnte auch einen Präsidenten akzeptieren. Bisher kenne ich noch keinen Präsidenten, nur unseren Kaiser. Allerdings muss ich sagen, unser Kaiser ist ein toller Mann, von der Kaiserin kaum zu schweigen. Sie verstehen es Feste zu feiern, außerdem ist unser Kaiser immer so elegant gekleidet. Ob der französische Präsident auch so eine Ausstrahlung hat, werde ich hoffentlich bald erfahren.“ „Waren Sie etwa auch schon mal bei Hofe in Berlin?“ „Aber natürlich, das ist ein Muss! Ich habe kaum einen Ball im Stadtschloss ausgelassen und kann es kaum erwarten, wenn der nächste ansteht. Ich bin dort mittlerweile ein alter Hase.

Vor 4 Jahren bei meiner Einführung am Hofe, war alles noch so ungewohnt und neu. Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen. Ach, war das ein Spaß! Ich bekam dafür extra ein neues Kleid geschneidert und konnte es kaum erwarten das Ballkleid anzuprobieren. Ich war fast täglich beim Schneider, um nachzuschauen wie weit es schon ist. Als ich es schließlich das erste Mal trug, war ich hin und weg. Das schwierigste war, dann noch die richtigen Accessoires zu finden, die Schuhe, den Fächer und nicht zu vergessen den richtigen Schmuck. Wenn man bei Hofe eingeführt wird, muss man einen perfekten Eindruck hinterlassen, kaum auszudenken, wenn man da etwas Peinliches macht. In der Nacht davor konnte ich kein Auge schließen. Die Fahrt zum Stadtschloss schien eine Ewigkeit zu dauern und die Kutschen stauten sich. Als endlich meine Kutsche an der Reihe war und ich ausstieg, nahm ich den Duft des Schlosses wahr, ein ganz spezielles Parfum, das nur für das Schloss kreiert wurde. Man riecht es beim Betreten des Berliner Stadtschlosses. Wenn ich meine Augen schließe, kann ich den Geruch immer noch wahrnehmen. Am Eingang wurde man schließlich den anwesenden Persönlichkeiten vorgestellt und schon hier musste man aufpassen, sich keinen Fauxpas zu leisten. Herren und Damen warteten ungeduldig, dass es endlich losging. Ha! Und das Beste war, dass diese dumme Gans - Konstanze von Trapnitz - sich übergeben musste. Sie hatte ihr Korsett anscheinend zu eng geschnürt. Das kommt davon, wenn man die anderen immer übertreffen muss. Sie wäre wohl am liebsten im Erdboden verschwunden. Das geschieht ihr aber auch recht, sie denkt immer, sie wäre etwas Besseres und versucht mich jedes Mal zu übertreffen. Kaum habe ich ein schönes Kleid gefunden, kommt sie mit einem das 3-mal so teuer war, oder ich unterhalte mich auf einem Ball mit einem netten jungen Mann, kommt sie und erzählt Unsinn über mich und zieht sein Interesse auf sich. Ich könnte Sie manchmal erwürgen! Wenigstens war der Abend für sie dann gelaufen.“ Nachdem sich Isabell wieder beruhigt hat, erzählt sie weiter. „Aber egal, ich behielt natürlich meine Fassung, selbst als es dann losging und man den Kammerherrn mit seinem großen Stab auf den Boden klopfen hörte. Das Klopfen auf den Boden ließ meinen Herzschlag in die Höhe eilen, gleich werde ich dem Kaiser gegenüberstehen, denn das war nun das Zeichen, dass das Kaiserpaar eingetroffen war. Es breitete sich eine Stille aus, nicht einen Ton konnte man hören. Zuerst kamen die höheren Damen an die Reihe. Sie betraten nacheinander den Saal und wurden durch den Hofmeister erst der Kaiserin mit Namen vorgestellt, dabei mussten diese mit ihrem „Kompliment“- einer tiefen Verbeugung - ihren Respekt bezeugen. Ich habe das Kompliment tagelang geübt, kaum vorzustellen, wenn man aus dem Gleichgewicht gekommen und vor dem Kaiser und der Kaiserin gestürzt wäre, man hätte sich im Schloss nie wieder blicken lassen können. Nach dem Kompliment vor der Kaiserin folgte natürlich auch das vor dem Kaiser – dieser war wieder toll gekleidet, von so einem stattlichen Mann träumt jede Frau. Ich kam schließlich am Ende dran. Es war einfach wundervoll, diese Aura, die das Kaiserpaar ausstrahlte, ich bin immer noch begeistert, wenn ich nur daran denke. Als der Cours vorüber war, verschwand das Kaiserpaar wieder schnell und man konnte sich bei einem aufgebauten Buffet stärken und sich mit den anderen austauschen. Ich schwebte eine ganze Woche auf Wolke Sieben. Es war der schönste Tag in meinem Leben.“

„Ein Buffet?“ unterbricht Pastor Koch das junge Fräulein, „Was gab es denn Leckeres am Buffet? Ich wette am Hofe gibt es nur gute Sachen.“

„Sie sind wohl Experte, was gutes Essen betrifft?“ fragt Albert den Pastor mit leicht ironischem Unterton. „Nicht nur gutes Essen, einem guten Wein kann ich auch nicht widerstehen. Ach wie habe ich das alles auf meinen Reisen vermisst, aber der liebe Gott prüft uns ständig. Es gab Zeiten, da habe ich mich nur von Reis und Bohnen ernährt. Wie habe ich da von gebratenen Hühnchen, ein bisschen Schinken oder gar Austern geträumt. Austern! Haben Sie schon mal Austern gegessen? Also das müssen Sie mal probieren. Sie müssen frisches Rindermark mit gehacktem Fasanenfleisch und Gänseleber vermischen. Dann mit grünem Pfeffer und Meeressalz würzen, anschließend noch frischgehobelte piemonter Trüffel und kleingeschnittene englische Austern beifügen. Diese Masse füllt man dann in Taschen aus Nudelteig und lässt sie in heißem Wasser garen, dazu serviert man eine leichte Steinpilzsoße. Ein Gedicht sage ich ihnen.“ Der Kommissar versucht es sich vorzustellen, allerdings würde ihm so ein Mahl einen Monatslohn kosten. „Wie können Sie sich als Pastor so ein teures Essen leisten?“ fragt er den Mann Gottes.

„Der liebe Gott hat es bisher ganz gut mit mir gemeint, ein guter Freund und Gönner, der jetzt in Paris lebt, hat sich meiner angenommen. Er ist ebenfalls ein Gourmet. Wenn ich bei ihm vorbeischaue, teilt er die Gaumenfreuden mit mir. Mein Förderer ist derjenige, der es mir auch ermöglicht hat, die Welt zu bereisen und die armen Ungläubigen zu bekehren. Er ist ein großer Wohltäter, wäre er nicht reich, wäre er wahrscheinlich Pastor wie ich geworden, aber so kann er mit seinem Geld eine Menge Gutes tun. Mein Gönner hat mir auch die Billets für die Zugreise und eine Unterkunft vermittelt. Allerdings ist er auch sehr bescheiden, ich soll normalerweise nicht herumerzählen, was für ein großer Wohltäter er ist. Ach ja, Fräulein Schubert, Sie erwähnten, dass ihr Vater auf der Weltausstellung ausstellt, darf ich Fragen was seine Firma macht?“ damit versucht der Pastor das Thema zu wechseln und wendet sich der hübschen jungen Frau zu. „Nun, er macht in Garne und Stoffe, für die Bekleidungsindustrie. Vor einigen Jahren hat er sich mit Seidenrauben befasst, um Seide herzustellen, allerdings hatte er da einiges an Lehrgeld bezahlt. Das neueste Produkt ist Stoff aus Spinnenfäden….“

„Spinnenfäden? Und was kommt dann als nächstes? Wohl Zwirn aus Einhornhaar!“ fällt Albert Isabell spöttelnd ins Wort und macht sich darüber lustig – doch schon bereut er es, da ihn Fräulein Schubert ganz böse anschaut. Diesen Scherz hätte er sich sparen sollen und er versucht wieder einzulenken.

„Also Spinnenfäden? Sind die nicht zu fragil und dünn?“ „Wenn Sie wirklich interessiert sind, kann ich gerne darüber erzählen“, erwidert sie mürrisch. „Man kann natürlich nicht jede Spinne die einem über den Weg läuft dafür hernehmen. Wir verwenden dafür eine spezielle Spinnenart aus Madagaskar, allerdings nicht nur eine, sondern mehrere Spinnen auf einmal. Man muss die Spinnen allerdings voneinander trennen, da sie sonst übereinander herfallen würden.“ „Und wie bekommt man den Faden von der Spinne?“ fragt Albert nun neugierig nach. „Die Spinne hat eine Drüse am Hinterleib, diese muss man berühren, und der Faden bleibt hängen. Das macht man mit allen Tierchen und spinnt die Fäden dann zusammen.“ „Benötigt man dafür nicht unzählige von diesen Tierchen?“ „Natürlich reichen da nicht nur 5-6 Spinnen, man benötigt schon mehrere hundert Spinnen. Angst darf man da nicht haben. Die Spinnen sind auch besser wie Seidenraupen geeignet, da die Raupe nur einmal einen Kokon spinnt. Die Spinne dagegen kann sehr oft verwendet werden. Ist ihr Faden zu Ende, wird sie immer wieder aufgepäppelt und liefert einen neuen Faden. Da fällt mir ein, als mein Vater damit begann, Arbeiter für die Garnherstellung zu suchen, haben die meisten, das Firmengelände so schnell wie möglich wieder verlassen, als sie ein paar hundert Spinnen auf einmal sahen. Da war auch so manch gestandenes Mannsbild dabei“, erzählt sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Wie fühlt sich so ein Zwirn eigentlich an?“ wollen die Mitreisenden wissen. „Der Stoff ist sehr geschmeidig und fein, vor allem glänzt er phantastisch in der Sonne.“ Dabei lenkt sie die Aufmerksamkeit auf ihren Schal, der wirklich außergewöhnlich im Licht der Sonne funkelt. „Der fühlt sich ja beeindruckend an, den kann sich mit Sicherheit nicht jeder leisten.“ „Deswegen ist die Ausstellung für uns so wichtig. Es hätte keinen besseren Ort wie Paris geben können. Vielleicht schaffen wir es, einen der großen Modeschöpfer, wie zum Beispiel Monsieur Felix für unsere Stoffe zu interessieren.“ „Monsieur Felix?“ so etwas kann schließlich nur ein Mann fragen.

„Sie kennen nicht Monsieur Felix? Er ist einer der kreativsten Modeschöpfer, den die Welt je gesehen hat. Ich muss mir auf jeden Fall seine neueste Kollektion anschauen. Auf der Ausstellung hat er im Kostümpalast eine Retrospektive der Kleidung erstellt, er soll mehrere Jahre recherchiert und dann die Moden der letzten Jahrhunderte dargestellt haben. Außerdem gibt es dort im Salon Felix einmal in der Woche eine Modenschau - Les dernières créations de son atelier. Da werde ich mir so manches Kleid aussuchen. In Berlin wird mir dann keine mehr den Rang ablaufen, selbst diese Konstanze von Trapnitz nicht.“ Albert de Menier merkt, dass sich im Leben dieser hübschen Frau doch so einiges um Mode dreht und auch um die Rivalität zu dieser anderen Frau, dieser „von Trapnitz“, oder wie sie hieß. Eine Frau die etwas auf sich hält, hat anscheinend auch eine Rivalin.

„Wie lange haben Sie vor in Paris zu bleiben?“ fragt der Pastor das junge Fräulein. „Nun, eigentlich hatte ich vor vier Wochen zu bleiben, aber wer weiß, vielleicht gefällt mir die Stadt so gut, dass ich noch länger bleiben werde.“ „Und da hat ihr Verlobter nichts dagegen?“ stichelt Pastor Koch weiter. Oh wie dankt Albert dem Pastor für diese Fragen. „Sie sind aber ganz schön neugierig, aber wäre ich verlobt, würde ich mit Sicherheit kaum alleine mit Sophie nach Paris fahren. Nicht dass ich keine Verehrer hätte, auf den Bällen kann ich mich kaum erwehren und meine Ballkarte ist immer rasch voll. Mein Vater schleppt auch immer wieder Geschäftspartner an, die wohl eine gute Partie wären. Ich möchte aber erst mein Leben genießen und dazu gehört unter anderem diese Reise nach Paris.“ Das klingt wie Musik in den Ohren des jungen Albert - Fräulein Schubert ist noch nicht verlobt, ob er allerdings eine Chance bei ihr hat, mag man trotzdem bezweifeln. Ihre Leben sind zu unterschiedlich, da sind Welten dazwischen. Was er in einem Jahr verdient, würde ihr kaum für eine Woche reichen. Die Leute würden auch darüber reden, dass er nur wegen des Geldes an ihr interessiert wäre. Ihr Vater würde ihn mit Sicherheit auch nicht akzeptieren und im hohen Bogen hinauswerfen, aber wenn er nur an dieses bezaubernde Lächeln von ihr denkt - sie hat in der kurzen Zeit sein Herz erobert.

„Was machen Sie eigentlich in Paris?“ wendet sich nun Pastor Koch an Albert. „Ich bin beruflich unterwegs, von Beruf bin ich Kriminalkommissar bei der Berliner Polizei und abkommandiert, um auf der Ausstellung nach dem Rechten zu sehen. Aber hauptsächlich bin ich für die Belange der Deutschen Aussteller und Besucher verantwortlich und werde die Kontaktperson zur französischen Polizei sein. Ich werde auch nach der Ausstellung dort bleiben, bei der Demontage wird ebenfalls die Polizei benötigt. Eigentlich schade, dass die tollen Gebäude und Attraktionen ab dem 12. November wieder abgerissen werden, zumindest bis auf ein paar Ausnahmen. Das meiste ist auch nicht für die Ewigkeit gebaut worden, nur Gips und Sperrholz. Sogar nach der Ausstellung von 1889 wollte man den Eiffelturm anschließend wieder abreisen und jetzt kann man sich Paris nicht mehr ohne ihn vorstellen. Kaum zu glauben, aber es gab sogar die Idee den Eiffelturm für die diesjährige Weltausstellung bis zur ersten Plattform abzutragen und als Gestell für einen riesigen Globus umzufunktionieren, jetzt haben sie zum Glück den Globus auf ein Extragestell errichtet.“ „Oh mein Gott, das wäre ja furchtbar gewesen, ich wollte schon immer mal da hoch, man soll bei schönem Wetter bis zu 80 km weit blicken können“, mischt sich Fräulein Schubert in die Unterhaltung mit ein. „Es wurde nun glücklicherweise entschieden, den Turm weitgehend so zu lassen wie zuvor. Man hat ihm nur eine neue Aufzugsanlage verpasst und was ich gehört habe, soll er auch neu gestrichen worden sein. Jetzt ist er Gelborange, welches in 5 Farbtönen abgestuft wurde. Außerdem erhellen während der Nacht 5000 Glühlampen die Kontur des Turms.“ „Da haben Sie sich ja ganz gut informiert Herr de Menier, wenn das mit ihrem Polizeidienst nicht klappt, können Sie ja noch Fremdenführer werden“, witzelt Fräulein Schubert. „Nun, eigentlich gehört es zu meinem Beruf, über möglichst viel Bescheid zu wissen. Ich muss mich ja in Paris zurechtfinden und nicht nur auf dem Ausstellungsgelände. Ich habe schon sämtliche Fremdenführer und Stadtpläne durchgeschaut. Beinahe hätte sich die Ausstellung noch verschoben, da die Franzosen hinter dem Zeitplan zurückliegen. Das hätte in Preußen nicht passieren können, da wären wir wohl schon zwei Wochen früher fertig gewesen. Die Ausstellung eröffnet aber nun doch wie geplant. Da wird es eben noch so einige Baustellen geben. Ich befürchte das erschwert auch meine Arbeit, da so mancher Dieb als Bauarbeiter getarnt auf das Gelände gelangen könnte.“ „Sie scheinen ihren Beruf zu lieben. Hatten Sie schon immer vor Polizist zu werden?“ fragt Fräulein Schubert überraschend interessiert. „Es blieb mir nicht viel übrig, da mein Vater im großen Krieg gegen Frankreich gefallen war, hatte meine Mutter etwas dagegen, dass ich beim Militär eine Laufbahn einschlage. Gleich nach meiner Grundausbildung habe ich mich dann für den Polizeidienst gemeldet. Somit habe ich einen ehrbaren Beruf und konnte mich gleichzeitig um meine Mutter kümmern. Einige meiner Kameraden aus der Grundausbildung hat es in die ganze Welt verschlagen, nicht nur in die Kolonien. Als am Anfang des Jahres die Engländer begannen deutsche Schiffe in Südafrika zu kapern, da sie glaubten sie hätten Munition und Waffen für ihre Feinde geladen, haben so einige ihren Dienst quittiert und kämpfen nun freiwillig auf der Seite der Buren in Transvaal gegen die Briten. Hoffentlich werden wir nicht in einen Krieg mit Großbritannien gezogen. Ich denke zwar nicht, dass dies passiert. Unser Kaiser wird sich aus diesem Krieg wahrscheinlich heraushalten, wieso sollte er sich auch mit seiner Großmutter, der englischen Königin, anlegen. Also bleiben wir wohl neutral. Ich bin mal gespannt, wie sich die Engländer und die Buren aus Transvaal auf der Ausstellung verhalten werden. Ich denke da wird es so einige Spannungen zwischen den beiden Parteien geben. Die Engländer verlieren durch diesen Krieg momentan an Ansehen, da jeder denkt, sie haben den Krieg nur begonnen, um an die Bodenschätze dort zu kommen. Mittlerweile sympathisieren insgeheim auch einige mit den Buren, man denke nur an den Attentatsversuch letzte Woche auf den Prince of Wales. Der ist auf der Fahrt nach Kopenhagen in Brüssel von einem Attentäter beschossen worden. Gott sei Dank wurde er nicht getroffen, wer weiß, was das für Folgen gehabt hätte. Was mich allerdings am meisten wunderte ist, dass der Attentäter nur 15 Jahre alt war, ein Junge Namens Sipido. Auf jeden Fall begründete er seine Tat mit dem Überfall der Briten auf Transvaal.“