Kurzgeschichte der Caritas

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Kurzgeschichte der Caritas
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Bernd Kösling

Kurzgeschichte der Caritas

Bernd Kösling, Jahrgang 1962, ist katholischer Theologe und Caritaswissenschaftlicher. 1988 zum Priester in der Diözese Hildesheim geweiht und z. Zt. als Propst und Pfarrer der katholischen Propsteigemeinde St.Josef in Verden/Aller tätig. Er ist zugleich Religionslehrer sowie Autor und Sprecher von Verkündigungssendungen bei Radio Bremen, beim NDR und dem Nordwestradio.

Kontakt: propst@propstei-verden.de

Kurzgeschichte der Caritas

von

Bernd Kösling

Imprint Kurzgeschichte der Caritas Bernd Kösling published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de Copyright: © 2013 Bernd Kösling ISBN 978-3- 8442-6526-2

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Biblische Grundlage der Caritas

Nächstenliebe in der Praxis der Kirche

von den Anfängen bis zur Gegenwart

Folgerungen

Vorwort

Diese Kurzgeschichte der Caritas ist der erste Teil der Diplomarbeit, die ich im Rahmen eines caritaswissenschaftlichen Aufbaustudiums unter dem Titel: „Ethische Herausforderungen in der stationären Altenpflege“ unter der Begleitung von Herrn Prof. Dr. Günther Wilhelms im WS 2006/2007 an der theologischen Fakultät Paderborn verfasst habe.

Der akademische Sprachstil ist beibehalten worden. Der Text ist lediglich an den Stellen angepasst, in denen er auf weiter führende Kapitel der Diplomarbeit verwies.

Die Pastoralkonstitution des II. Vatikanischen Konzil beginnt mit den berühmten Worten: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.“ Der Blick in die real existierende Pfarrseelsorge in Deutschland zeigt allerdings, dass Trauer und Ängste aus der Wahrnehmung der Jünger und Jüngerinnen Christi der jeweiligen Ortskirche in die verbandlich verfasste Caritas der Fachleute ausgewandert ist.

Die Geschichte der Caritas der Kirche ist ein einziges großes Plädoyer dafür, die Caritas der Kirche wieder dort zu verorten, wo sie von Anfang an ihren originären Platz gehabt hat: in den konkreten Gemeinden vor Ort. Diesem Plädoyer schließe ich mich aus tiefster Überzeugung an.

Verden, am Fest des Hl. Bernhard von Clairvaux

20. August 2013

Bernd Kösling

Einleitung

Woran lag es eigentlich, dass sich das Christentum im Verlauf von nur 10 Generationen – also bis zur konstantinischen Wende Anfang des 4.Jhd. - aus einer kleinen Gruppe, deren Heimat in einer unbedeutenden Stadt irgendwo im Hinterhof des römischen Reiches lag, zu einer Weltreligion entwickeln konnte? Die Antwort – und das wird die historische Vergewisserung gleich zeigen – liegt in der Sorge der jungen Kirche für die Armen und Benachteiligten ihrer Zeit. Sie fanden bei den Christen Beachtung und Hilfe, die ihnen die antike Welt in dieser Form verweigerte.

Dies ist einerseits faszinierend, bezeugt es doch die Kraft des Christentums in den ersten Jahrhunderten. Andererseits besteht natürlich die Versuchung, Caritas bewusst als Rekrutierungsinstrument für die immer mehr zurückgehenden Mitgliedszahlen der Kirche.

In dieser kurzen Darstellung der Geschichte der Caritas wird deutlich werden, dass caritatives Engagement nicht eine Methode der Missionsarbeit der Kirche ist, die damit die „Armen“ lediglich für einen „höheren Zweck“ instrumentalisieren würde, sondern Wesensausdruck der Kirche ist, der seinen Ursprung in der jüdisch-christlichen Überlieferung hat. Des Weiteren soll gezeigt werden, dass Caritas zunächst in der Gemeinde verortet gewesen ist, sich aber im Laufe der Geschichte von dort immer mehr entfernt hat.

Dazu wird in einem ersten Doppelschritt der soziale Impetus des ersten und des zweiten Testamentes untersucht. Ziel ist es zu zeigen, dass der soziale Impetus der Bibel sowohl im ersten als auch im zweiten Testament wesensmäßiger Ausdruck des Gottesglaubens ist.

In einem zweiten Schritt soll dann untersucht werden, wie sich das Gebot der Liebe zum Nächsten als wesentlicher Ausdruck der Gottesliebe in der Praxis der Kirche entfaltet hat.

Im dritten und letzten Schritt werden dann thesenhaft Folgerungen für die Zukunft der Caritas in ihrem verbandlich-professionellen sowie in ihrem gemeindlichen Kontext gezogen.

Biblische Grundlagen der Caritas

Das erste Testament

„Du sollst Gott lieben und Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst!“ Dieses verkürzte so genannte Doppelgebot der Liebe wird oftmals als das genuin Neue und Kern der jesuanischen Verkündigung beschrieben. Beide Gebote, das Gebot der Gottes- und der Nächstenliebe sind allerdings schon im Pentateuch des Ersten Testamentes, der Tora des jüdischen Volkes zu finden. Daher soll zunächst nach der Bedeutung der beiden Gebote im Kontext der Tora gefragt werden.

Israel strukturiert sich als Kontrastgesellschaft

Allgemein wird die Zeit zwischen 1300 und 1000 v. Christus als Entstehungszeit des Volkes Israel angenommen. In den Texten der biblischen Bücher Exodus bis 1 Sam 12 hat sich die Entstehungszeit erzählerisch niedergeschlagen. In diesen Texten ist auffallend, dass das Volk Israel zunächst nicht monarchisch - also ohne Königtum - verfasst ist, was für die zeitgenössischen Völker des alten Orients ein einmaliger Befund ist.

Die biblischen Texte lassen stattdessen auf eine zunächst akephal strukturierte Gesellschaftsform schließen, der eine von gleichberechtigten Mitgliedern einer Führungsgruppe gebildeten Regierung vorsteht, die über keine Sanktionsgewalt und keinen Erzwingerstab verfügt. Man folgt aufgrund von Autorität.

Dies hat vermutlich seinen Ursprung im Gründungsereignis Israels, dem geschichtlichen Urdatum des Volkes Israels: der Rettung einer Gruppe von hebräischen Sklaven aus der Hand des ägyptischen Pharaos, wahrscheinlich Ramses II., die ihre Rettung als geschichtliches Eingreifen Gottes, als Rettungs- und Befreiungstat Jahwes aus der ägyptischen Gefangenschaft und damit auch als Befreiung aus der ägyptischen Gesellschaftsstruktur interpretieren. Wenn Gott sie aus den Unterdrückungsstrukturen Ägyptens befreit und zu einem neuen Volk konstituiert, dann ergibt sich daraus die Verpflichtung dieses neue Volk so zu strukturieren, dass in ihm seinerseits Unterdrückungsmechanismen weitestgehend ausgeschlossen bleiben. Das besondere Verhältnis Jahwes zu „seinem“ Volk, das sich in seinem Befreiungshandeln zeigt, konstituiert eine besondere Sozialform in diesem Volk.

Erst die andauernde Bedrohung durch die Philister führt dann unter Saul und David zur Monarchisierung der israelischen Gesellschaft, die aber immer einer gewissen Herrschaftskritik unterlag, wie sie z.B. in 1 Sam 8, 11-17 als Warnung zum Ausdruck kommt:

„Er sagte: Das werden die Rechte des Königs sein, der über euch herrschen wird: Er wird eure Söhne holen und sie für sich bei seinen Wagen und seinen Pferden verwenden und sie werden vor seinem Wagen herlaufen. Er wird sie zu Obersten über (Abteilungen von) Tausend und zu Führern über (Abteilungen von) Fünfzig machen. Sie müssen sein Ackerland pflügen und seine Ernte einbringen. Sie müssen seine Kriegsgeräte und die Ausrüstung seiner Streitwagen anfertigen. Eure Töchter wird er holen, damit sie ihm Salben zubereiten und kochen und backen. Eure besten Felder, Weinberge und Ölbäume wird er euch wegnehmen und seinen Beamten geben. Von euren Äckern und euren Weinbergen wird er den Zehnten erheben und ihn seinen Höflingen und Beamten geben. Eure Knechte und Mägde, eure besten jungen Leute und eure Esel wird er holen und für sich arbeiten lassen. Von euren Schafherden wird er den Zehnten erheben. Ihr selber werdet seine Sklaven sein.“

Die Samuelbücher haben wohl von deuteronomistischen Kreisen im Exil - also nach dem Zusammenbruch der großen Königreiche - ihre endgültige Gestalt bekommen. Ohne auf die exegetischen Untersuchungen der zitierten Textstelle ausführlicher einzugehen, steht dieser Text exemplarisch für eine sich im Ersten Testament durchziehende Kritik an der Institution des israelischen Königtums, die sich entweder - wie in 1 Sam 8 - als generelle oder als Einzelkritik am Königtum äußert.1 1 Sam 8 weist nämlich typische Merkmale einer vergleichbaren staatlich organisierten Gesellschaft der Nachbarvölker auf: Zentralgewalt des Königs mit einem Regierungsapparat, der „zur Einschränkung der Freiheits- und Besitzrechten der Bevölkerung führt und die Israeliten wieder zu Sklaven in Ägypten macht“.2 Dadurch ist die neue Sozialform, die durch das besondere Verhältnis Jahwes zu seinem Volk und das besondere Verhältnis des Volkes zu seinem Gott Jahwe konstituiert werden soll gefährdet.

Daher wurde - neben der Kritik - auch die Macht des Königs beschränkt, hier z.B. exemplarisch im Königsgesetz der Tora (Dtn 17, 14-20):

„Wenn du in das Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt, hineingezogen bist, es in Besitz genommen hast, in ihm wohnst und dann sagst: Ich will einen König über mich einsetzen wie alle Völker in meiner Nachbarschaft!, dann darfst du einen König über dich einsetzen, doch nur einen, den der Herr, dein Gott, auswählt. Nur aus der Mitte deiner Brüder darfst du einen König über dich einsetzen. Einen Ausländer darfst du nicht über dich einsetzen, weil er nicht dein Bruder ist. Der König soll sich aber nicht zu viele Pferde halten. Er soll das Volk nicht nach Ägypten zurückbringen, um mehr Pferde zu bekommen; denn der Herr hat zu euch gesagt: Ihr sollt auf diesem Weg nie wieder zurückkehren. Er soll sich auch keine große Zahl von Frauen nehmen, damit sein Sinn nicht vom rechten Weg abweicht. Er soll nicht zu viel Silber und Gold anhäufen. Und wenn er seinen Königsthron bestiegen hat, soll er sich von dieser Weisung, die die levitischen Priester aufbewahren, auf einer Schriftrolle eine Zweitschrift anfertigen lassen. Sein Leben lang soll er die Weisung mit sich führen und in der Rolle lesen, damit er lernt, den Herrn, seinen Gott, zu fürchten, auf alle Worte dieser Weisung und dieser Gesetze zu achten, sie zu halten, sein Herz nicht über seine Brüder zu erheben und von dem Gebot weder rechts noch links abzuweichen, damit er lange als König in Israels Mitte lebt, er und seine Nachkommen.“

 
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