Seewölfe Paket 16

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-774-7

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Nr. 301

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 302

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 303

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 304

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 305

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 306

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 307

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 308

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 309

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 310

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 311

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

 

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 312

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Nr. 313

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 314

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 315

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 316

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Nr. 317

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 318

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Nr. 319

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Nr. 320

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9


1.

Über den Ausrüstungskai, an dem die fast fertig aufgeriggte neue „Isabella IX.“ lag, pfiff kalter, fast eisiger Wind, und so war es verständlich, daß die Soldaten des Marquess Henry of Battingham, allen voran ihr dicker Corporal, entsetzlich froren.

Der Corporal stapfte stiernackig und mit knallrotem Schädel immer wieder an dem stolzen Segler vorbei und fluchte vor sich hin.

Da hockten diese lausigen Kerle im Warmen, dachte er mißmutig, während sie sich hier am Kai die Knochen abfroren und Bewacher spielen mußten. Mit dem Bewachen dieser Seewölfe war das auch so eine Sache, denn die hatten angeblich einen kleinen Ausflug unternommen, um ein als Hexe bezichtigtes Mädchen in Plymouth zu befreien. Zu beweisen war ihnen das allerdings nicht, denn keiner der Soldaten hatte jemanden von Bord schleichen sehen, darauf schworen sie alle Stein und Bein. Und doch kamen nur die Seewölfe in Frage, denn wer hätte sonst einen Vorteil davon haben können, zudem es sich bei der „Hexe“ um Dan O’Flynns Freundin handelte.

Dan hatte zusammen mit etlichen anderen das Mädchen dem Scheiterhaufen entrissen und zurück nach Dartmouth gebracht. Und dieser Dan O’Flynn war noch nicht zurück, was wiederum der stiernackige Corporal nicht wußte.

Da erlebte er an diesem kalten Morgen eine sehr seltsame Überraschung, die ihm fast die Augen aus dem Schädel quellen ließ.

Der Corporal blies wütend in seine klammen Hände, schloß auch den allerletzten Knopf seiner Uniform, brüllte seine Soldaten an, daß sie gefälligst nicht im Windschatten der Schuppen stehen sollten und starrte dann voller Zorn auf das Wasser.

Anfangs sah er das übliche Bild: Vor. ihm am Kai lag die prächtige Galeone „Isabella“, ein paar hundert Yards weiter war die verlassene „Hornet“ vertäut, die der Seewolf der Krone zurückgeben wollte, und weiter hinten lag dieses schwarze unheimliche Schiff, das einem bei Nacht bereits durch seinen bloßen Anblick eine Gänsehaut über den Rücken jagen konnte. Schon seine Soldaten behaupteten, auf diesem Kahn ginge es nicht mit rechten Dingen zu, manchmal erscheine dort der Teufel als glimmende Fackel oder Ähnliches. Und die Geräusche erst, die mitunter herüberklangen! Dort schlugen sie sich anscheinend gegenseitig tot – so nahmen die Soldaten an –, weil sie eben nicht mit den Gepflogenheiten nächtlicher Saufereien der Wikinger vertraut waren.

So mußten für unerklärliche Lichter oder Geräusche eben Teufel oder Dämonen herhalten, die selbst der Corporal nicht unbedingt von sich wies.

An diesem Morgen nun kehrte Dan O’Flynn von seinem Ritt nach Dartmouth zurück, und um nicht aufzufallen, wählte er einen unauffälligen, aber reichlich unbequemen Weg.

In rabenschwarzer Nacht war er mit dem Boot zum Schwarzen Segler gepullt und an Bord gegangen. Jetzt mußte er die Strecke zur „Isabella“ zurückschwimmen, denn alle Seewölfe hatten Landverbot und durften das Schiff nicht verlassen.

Aber ein bißchen Schwimmen war ja erlaubt, so von Schiff zu Schiff, da konnte auch der Corporal nichts dagegen einwenden, zumal die Kerle sich ja offenbar der Ausgangssperre beugten.

Nun begann ein Spielchen, das den etwas begriffsstutzigen Corporal reichlich verwirrte.

Zunächst sah er einen dunklen Punkt im Wasser, nicht weit von der „Isabella“ entfernt.

Der Corporal starrte sich die Schweinsäuglein aus. Da platschte doch wahrhaftig ein Kerl im Wasser herum. Bei dieser Lausekälte und dem eisigen Wind! Munter und fröhlich krebste er durchs Wasser, als bade er in einer Lagune der südlichen Meere, von der der Corporal mal gehört hatte.

Oder war der Kerl etwa am Ersaufen und über Bord gefallen? Aber das konnte auch nicht sein, denn die Kerle von der „Isabella“ klatschten noch Beifall und riefen dem Schwimmer aufmunternde Worte zu.

„He, was soll das?“ schrie der Corporal. „Ist der über Bord gefallen?“

Einer, den der Corporal insgeheim fürchtete, der ein wüstes narbiges Gesicht und ein mächtig breites Kreuz hatte, drehte sich grinsend um und gab Antwort.

„Der ist selbst gesprungen. Das tut der jeden Morgen. Er taucht hier nach Muscheln.“

„Hier gibt’s keine Muscheln“, brummte der Corporal entschieden.

„Wieso?“ fragte der Narbenmann. „Hast du denn hier schon mal im Winter getaucht?“

Der Corporal mußte das verneinen.

 

„Na siehst du! Aber einfach Behauptungen aufstellen, was, wie? Und nicht mal selbst in der kalten Brühe nachsehen.“

„Ihr dürft aber nicht an Land!“ schrie der Corporal, weil er nicht wußte, was er darauf antworten sollte.

„An Land wachsen doch auch keine Muscheln, oder?“ erkundigte sich der Narbenmann drohend. „Und deshalb schaut er ja auch im Wasser nach, ob es da welche gibt. Erzähl das ruhig deinem Lord Flattermann.“

Der Corporal rang empört nach Lust.

„Marquess Henry of Battingham!“ schrie er, rot vor Zorn. „Ich verbitte mir derartige Respektlosigkeiten.“

„Tu das ruhig!“ riet der Narbenmann trocken.

Dann sah der Corporal, wie der triefnasse Kerl aufenterte und an Deck stand und die anderen ihn grinsend umringten.

Er vernahm, daß sie ihn fragten, ob er Muscheln gefunden habe, und erfuhr die verblüffende Weisheit, daß am Ausrüstungskai tatsächlich keine wuchsen.

Alles Weitere vernahm er dann nicht mehr, denn es spielte sich unter Deck ab.

In der geräumigen Messe, die hinter dem Großmast im Quarterdeck lag, zog der Kutscher Dan O’Flynn die nassen Plünnen vom Körper, schob ihm eine Muck heißen Rum zwischen die zitternden Lippen und hüllte ihn in eine große Decke. Mac Pellew klopfte den schnatternden O’Flynn derweil mit Püffen und Knüffen so lange durch, bis das Blut wieder richtig zirkulierte.

„Alles gut abgelaufen, Dan?“ fragte Ben Brighton.

„Ja, das Mädchen ist in Sicherheit, ich habe sie zurückgebracht. Den Gaul habe ich bei Plymson abgeliefert. Aber es ist doch eine verdammte Saukälte, wenn man durch den Bach paddelt. Haben die Kerle wirklich nichts gemerkt?“

Carberry schüttelte den Kopf.

„Ganz sicher nicht. Der Corporal ist doch ausgesprochen dämlich, und seine Soldaten drücken sich hinter den Schuppen rum, weil sie wie nackte Gänse frieren.“

Während der Kutscher weiterhin heißen Rum ausschenkte, erschien der Seewolf in der großzügig ausgestatteten Messe. Auch er war froh, daß alles so glimpflich abgelaufen war, doch auf seinem Gesicht lag ein Schatten, der ihn ernster und älter erscheinen ließ.

Bisher hatten sie die Schikanen und Intrigen des Marquess Henry ja ganz gut überstanden, der unbedingt die „Isabella“ für sein Geschwader requirieren wollte. Aber dieser Requirierungsanspruch war ein Witz, denn dem jungen Schnösel war die moderne Bauweise des Schiffes in den Kopf gestiegen, und im Geiste sah er sich bereits auf dem Achterdeck der „Isabella“ als Geschwaderführer stehen.

Da Hasard diese Flausen strikt und eiskalt abgelehnt hatte, begann der einflußreiche Marquess, Sohn des Duke of Battingham, sie zu schikanieren und zu schurigeln, wo er nur konnte.

Trotz aller Maßnahmen hatte er nicht verhindern können, daß der Bau seiner Vollendung entgegenging und jetzt so gut wie fertig war.

Die Masten waren aufgeriggt, das laufende und stehende Gut eingeschoren, und es gab nur noch ein paar belanglose Kleinigkeiten zu tun, die man auch auf See erledigen konnte.

Die Galeone des Schiffbaumeisters Hesekiel Ramsgate war bereit, ihre Jungfernfahrt anzutreten.

Ein paar Tage hatte dieser adlige Schnösel sie nun in Ruhe gelassen, aber es war durchgesickert, daß er auf Verstärkung wartete, denn mit seinen spanischen Beutegaleönchen traute er sich nicht, offen gegen die Seewölfe vorzugehen. Außerdem lag da immer noch ganz in der Nähe das Schwarze Schiff des Wikingers Thorfin Njal, mit dem der eitle Marquess nicht viel anzufangen wußte, er war sich über das Verhältnis zwischen den beiden Mannschaften nicht im klaren und wollte aus diesem Grund auch nichts riskieren.

„Wir könnten zur ersten Fahrt auslaufen“, sagte Hasard, „doch wie werden sich die Kerle auf der Pier verhalten? Ich weiß nicht, welche Order sie haben. Lösen wir die Leinen, eröffnen sie vielleicht auf uns das Feuer.“

„Offiziell ist über uns nur eine Ausgangssperre verhängt worden“, meinte Hasards Stellvertreter Ben Brighton. „Davon, daß wir nicht in See gehen dürfen, hat niemand etwas gesagt.“

„Eben“, meinte auch Ferris Tucker, „das ist eine reine Spitzfindigkeit. An Land dürfen wir nicht, also gehen wir in See.“

Doc Freemont, der sich noch als Gast auf der „Isabella“ befand, schüttelte den Kopf.

„Ich weiß nicht, was Sie damit heraufbeschwören würden, Hasard“, sagte er leise, „aber es dürfte weiteren Ärger in Plymouth geben. Schließlich haben Sie die ganze Stadt gegen sich mit ihrem gesamten Verwaltungsapparat, und das wird immer weitere Kreise ziehen wie ein Stein, der ins Wasser fällt.“

„Sollen wir einfach resignieren und darauf warten, was dieser halbreife Lümmel entscheidet?“

„Fragen wir doch mal den Corporal, welche Order er in dem Fall hat“, schlug der Arzt vor.

Mit diesem Gedanken mochte sich auch keiner so recht anfreunden, aber schließlich einigte man sich doch darauf, den stiernackigen und etwas dümmlichen Kerl zu befragen, der immer noch schnatternd an dem Ausrüstungskai stand.

„Ist es richtig, daß die Ausgangssperre immer noch besteht?“ erkundigte sich der Seewolf.

Der Corporal warf sich in die Brust und wurde dienstlich.

„Das ist richtig!“ brüllte er. „Niemand hat, laut Anordnung des Marquess of …“

„Geschenkt“, sagte Hasard kalt, „den Spruch kennen wir bereits. Aber wir sind seeklar und wollen auslaufen. Hinsichtlich des ehrenwerten Marquess und so weiter bestehen wohl keine Bedenken …“

Diesmal unterbrach ihn der Corporal, wobei er sofort entschieden den Kopf schüttelte.

„Das Schiff darf auch nicht auslaufen. Order vom Marquess Henry of Battingham …“

„Ogottogott“, sagte der Profos ergeben, „an dem Titel kaut er jedesmal eine volle Woche herum. Verdammt noch mal, Kerl! Was passiert, wenn wir jetzt ablegen? Kannst du das nicht ein bißchen kürzer ausdrücken!“

Hasard wollte seinen biestigen Profos erst zurechtweisen, doch er verstand, daß auch Ed langsam die Galle hochstieg. Sie alle mußten sich hier wie dumme Jungen behandeln lassen.

„Ich habe Order, das Feuer zu eröffnen, wenn die Leinen gelöst werden“, knurrte der Corporal. „Anordnung des ehrenwerten Marquess …“

Noch während der Kerl den Titel herunterleierte, waren Hasard und Ed schon wieder unten, und der Corporal quasselte in den Wind.

„Was sind ein Dutzend Seesoldaten gegen uns?“ fragte Carberry. „Denen hauen wir doch in kurzer Zeit die Klüsen so dicht, daß sie das Schiff nicht mal mehr aus der Nähe sehen.“

„Gewalt gegen Gewalt“, meinte der Seewolf, „das können wir uns vorerst in Plymouth nicht leisten, zumal wir uns hier schon des öfteren nicht gerade herzlich verabschiedet haben. Nein, wir warten noch ab, vielleicht bietet sich eine andere Lösung an.“

„Und wie wär’s mit Abstimmen, Sir?“ schlug der Decksälteste Smoky vor.

„Das würde nichts an der Gewalt ändern, Smoky. Es eskaliert nur immer weiter, wie der Doc ganz richtig bemerkte.“

„Lange sehe ich da jedenfalls nicht mehr zu!“ rief der hitzköpfige Luke Morgan mit knallrotem Schädel. „Dann lasse ich mir diesen lausigen Marquess vom Kutscher in Öl und Zwiebeln braten und freß ihn mitsamt seiner hochtrabenden Uniform.“

Sie sprachen weitere Möglichkeiten durch, aber eine gewaltlose Lösung ließ sich nicht finden. Der Marquess hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt, gerade dieses Schiff seinem Geschwader einzuverleiben. Die Tatsache blieb bestehen, daß er aufgrund seiner Vollmachten den längeren Arm hatte. Und hinter seinen Anordnungen standen die Stadtväter, die Büttel und Schergen, der Vogt, der Friedensrichter und all die anderen.

Aber gegen Mittag gab es dann Neuigkeiten, und die klangen nicht gerade ermutigend.

2.

Der Wikinger Thorfin Njal hatte sich an den Ausrüstungskai pullen lassen und stampfte nun geradewegs auf die „Isabella“ zu, um Hasard eine Neuigkeit zu überbringen.

Wie nicht anders zu erwarten war, wurde er von einem der Soldaten, die überall herumlungerten, auch prompt aufgehalten.

Thorfin kam daher, graubärtig, rötlich, in Felle gehüllt. Ein wahrer Recke aus grauer Vorzeit. Um die Handgelenke trug er breite Armbänder aus Gold, ebensolche Spangen um seine gewaltigen Oberarme.

Das Heulen des Windes, eiskalt und scharf jetzt, war für ihn anscheinend schon das zarte Säuseln des beginnenden Frühlings, obwohl der noch ein paar Monate ausstand.

„Halt! Wo wollen Sie hin?“ rief der Soldat scharf und stellte sich dem Wikinger in den Weg.

Das hätte er nicht tun sollen, denn Thorfin hatte seine eigenen nordischdickschädeligen Ansichten darüber, was er tun dürfe und was nicht. Und bei allen nordischen Eichen: Was wollte dieser Mickerzwerg mit seinem Blasrohr in den klammen Händen überhaupt?

Das drei Zentner schwere Monstrum von Nordmann überrannte den Soldaten einfach, mangelte ihn unter wie ein großes Schiff ein kleines und ließ ihn lädiert auf der Kai zurück.

Die anderen sahen fassungslos zu. Trotz der Musketen in ihren Händen stand in den Gesichtern fast nacktes Entsetzen. Der einzige, der einen schwachen Versuch unternahm, dem Riesen abermals die Frage nach dem Wohin zu stellen, war der Corporal, der schließlich seine Würde verteidigen mußte. Aber auch er scheiterte an dem Nordmann recht kläglich.

„Was fällt Ihnen ein?“ brüllte der Corporal. „Einfach einen Soldaten umzurennen, einen Mann der in königlichen Diensten …“

„Halt’s Maul, du saftloser Torfkopp“, sagte der Wikinger mit seiner grollenden Stimme, „und nimm dein verdammtes Blasrohr von meinem Gesicht weg, sonst puste ich in den Lauf und die Kugel fliegt zur anderen Seite raus. Und da wird sie bestimmt eine Menge Holz zertrümmern.“

Den erbleichenden Corporal übermannte der Jähzorn. Saftloser Torfkopp, das hatte noch keiner zu ihm gesagt. In jenem Augenblick fühlte er sich wie David, der gegen den Riesen Goliath antrat. Seine fleischige Rechte schoß jäh vor und fuhr schmetternd gegen den breiten Brustkasten des Wikingers. Der Schlag war so gewaltig, daß er dem Corporal die Hand verstauchte. Eine Schmerzwelle durchraste ihn von den Fingern bis ins Schultergelenk.

Thorfin Njal schüttelte nur den behelmten Schädel. Fast ein wenig vorwurfsvoll sah er den vor Schmerz gekrümmt dastehenden Corporal dann an und sagte: „Bei Odin und seinen Raben! Das hast du Tranbeutel nun davon! Weißt du überhaupt, wie die Raben von Odin heißen?“

„Scheiß auf deine Vögel!“ brüllte der Corporal, seine Hand hin und her schlenkernd. „Ich lasse dich erschießen, du Monstrum!“

Thorfin legte ihm in einer scheinbar freundlichen Geste die Hand auf die schmerzende Schulter. Der Druck war allerdings so stark, daß der Corporal mit einem wilden Aufbrüllen in die Knie ging, während seine Soldaten reglos herumstanden.

Als einer von ihnen endlich den Mut faßte, die Muskete auf den gewaltigen Muskelberg anzulegen, rannte Thorfin leichtfüßig und äußerst schnell auf ihn zu.

Der Soldat ergriff zur Schande seines geschwächten Corporals sofort das Hasenpanier, als er den fellbekleideten Hünen heranstürmen sah. Er warf seine Muskete auf die Katzenköpfe und verschwand in affenartigem Tempo hinter einem Schuppen. Vorsicht war immer der bessere Teil des Heldentumes, dachte er, und wer weiß – dieser nordische Klotz war vielleicht gar unverwundbar. Der hätte vielleicht einen Siebzehnpfünder klaglos geschluckt, ohne eine Miene zu verziehen.

Thorfin kehrte wieder zurück, sah die grinsenden Gesichter der Seewölfe und wandte sich noch einmal dem verdatterten Häuflein Soldaten mit grollender Stimme zu.

„Wenn ihr einen freien Mann nicht dahin gehen laßt, wohin er will, dann werdet ihr was erleben, ihr Rotzlümmel. Und wenn ihr mich noch einmal so dämlich anquatscht und beleidigt, dann schlag ich euch ein paar Löcher in die Köpfe und sauf’ euch aus wie rohe Eier!“

Dann enterte er ab, weil die „Isabella“ durch die einsetzende Ebbe nun langsam tiefer absackte.

Auf der Kuhl lachte der Profos Tränen.

„Das war ein Späßchen ganz nach meinem Geschmack“, sagte er. „Das war prächtig, Thorfin.“

„Mir hat keiner was zu befehlen“, sagte der nordische Grimbart nachdrücklich, „schon gar nicht so ein abgelaichter Stockfisch. Und wenn er glaubt, daß er mir Kummer bereiten kann, dann werde ich hier das nordische Sackhüpfen mit den Kerlen exerzieren, bis sie umfallen.“

Er folgte den anderen in die Messe, nahm an der langen Back Platz und begrüßte die Männer. Die meisten hatten fast alles mitgekriegt, was sich gerade abgespielt hatte.

Hasard hatte keinen Grund, dem Wikinger etwas vorzuwerfen. Einmal war er ohnehin in solchen Sachen unbelehrbar, und zum zweiten betonte er ewig sein Recht auf Freiheit, und daß ihn gefälligst nicht jeder Sumpftölpel dumm fragen solle, wohin er ginge. Das sei seine Sache.

„Mein Besuch hat einen anderen Grund“, sagte der Wikinger, nachdem Hasard ihm ebenfalls eine Muck Rum gereicht hatte, die Thorfin mit seinem schnellen Ruck in den Rachen kippte. „Zwei englische Galeonen sind unterwegs. Von meinem Schiff aus kann man bereits die Mastspitzen sehen. Ich bin sicher, daß der Ärger jetzt erst richtig beginnt. Ich habe ein bißchen bei diesem Schnapphahn von der ‚Bloody Mary‘ herumhorchen lassen. Dieses schwachbrüstige Lördchen, oder wie der Kerl sich nennt, hat Verstärkung anfordern lassen. Jetzt wird er sich aus seinem Rattenloch hervorwagen, denn nun hat er insgesamt fünf Schiffe.“

Hasard nahm das keineswegs so gelassen auf, wie es den Anschein hatte. Wenn Thorfins Angaben zutrafen, und daran zweifelte er nicht, dann würde es wirklichen Ärger geben, dann tanzten in Plymouth die Puppen, denn keiner war gewillt, die neue „Isabella“ dem Marquess zu überlassen, weil ja überhaupt kein Requirierungsanspruch bestand.

„Das ist eine böse Sache“, sagte Hasard, „und ich weiß wirklich noch nicht, wie wir da mit Anstand herausgeraten. Bist du sicher, daß es die Schiffe sind, die dieser Schnösel angefordert hat?“

„Nach allem, was ich gehört habe, ja. Ihr werdet sie von eurem Ausguck aus auch bald sehen können. Sie halten Kurs auf den Hafen. Wenn ihr ausbrechen wollt, gebe ich euch Flankenschutz und Deckung, und wir können die Kerle in Grund und Boden ballern. Die paar Torfkähne haben wir mit einer Breitseite zusammengeschossen.“

„Ich kann mich nicht mit der englischen Krone anlegen, Thorfin“, sagte der Seewolf. „Ich weiß nicht genau, was dahintersteckt. Ich hoffe immer noch, daß Lord Cliveden hier auftaucht und sich alles klärt. Natürlich sind wir freie Männer, ich will es jedoch nicht so weit eskalieren lassen, daß wir uns nie wieder in England blicken lassen können.“

„Aber du hast einen königlichen Kaperbrief“, betonte der Wikinger.

„Trotzdem kenne ich die Vollmachten dieses Kerls nicht, seinen Einfluß bei Hofe, und was der Dinge mehr sind. Wenn er jetzt Verstärkung erhält, beweist das nur, daß sein Einfluß doch sehr groß sein muß. Im übrigen kann ein Kaperbrief je nach Laune des Regierenden ohne weiteres für ungültig erklärt werden. Er gibt mir jedenfalls nicht das Recht, Schiffe Ihrer Majestät in Grund und Boden zu schießen.“

Der Wikinger sah das anders. Für ihn gab es weder einen König noch eine Königin, er berief sich auf die alten Götter. Vor denen habe er Respekt, sagte er, und mit denen wäre er auch noch nie zusammengerasselt. Stets schienen sie genau das zu befürworten, was der Wikinger auch immer tat. Und wenn er jetzt die „Torfkähne“ zusammenballern würde, dann könne er sich darauf verlassen, daß irgendwo unsichtbar im Hintergrund Odin und sämtliche Asen im Asgard wohlwollend zu der Tat nicken würden.

Hasard mußte gegen seinen Willen lächeln, denn Thorfin begann sich wieder einmal in Eifer zu reden, und wenn die nordischen Götter dran waren, dann funkelten seine Augen, und alle glaubten zu sehen, daß der Feuergott Loki den Helm des Wikingers von innen her erleuchtete.

Mehr als eine Viertelstunde war jetzt vergangen. Oben auf der Kai regte sich nichts. Die Soldaten waren immer noch da und bewachten das Schiff, aber niemand traute sich heran, um es dem nordischen Riesenlümmel einmal zu zeigen, wie der Corporal anfangs androhte.

Jetzt hatte er sich das allerdings anders überlegt, denn mit den merkwürdigen Kerlen wollte er sich doch nicht anlegen. Außerdem, so redete er sich selbst heraus, hatte er ja nur das Schiff zu bewachen und nicht den behelmten Riesenkerl, der so grob und empfindlich reagierte.

„Ich werde mal nach oben gehen“, sagte Dan O’Flynn, „um nach den beiden Galeonen Ausschau zu halten.“

„Ich gehe mit“, sagte Ed spontan und stand auf.

Als sie durch die Messe gingen, lag überall noch der Geruch nach frischem Holz in den Räumen. Er würde sich auch noch lange halten. Auch Klopfen und Hämmern war noch zu hören. Big Old Shane und Ferris Tucker arbeiteten in den achteren Kammern. Unter dem Achterdeck vor dem Besanmast hatte Ben Brighton seine Kammer auf der Steuerbordseite, Carberrys Kammer lag gegenüber an Backbord. Darunter wiederum lagen die Kammern von Dan O’Flynn an Backbord und die des alten O’Flynn an Steuerbord. Zwei weitere Kammern von Big Old Shane und Ferris Tucker befanden sich ganz achtern hinter dem Besan unter der Kapitänskammer des Seewolfs.

Von Shanes Kammer ging auch der Geheimgang ab, der durch das ganze Schiff direkt über das Kielschwein führte und im Mannschaftslogis, für jeden Fremden unsichtbar, wieder herausführte. Achtern und vorn gab es ebenfalls noch zwei geheime Waffenkammern.

Dan und Ed enterten auf. Jeder hatte im Hosenbund einen nagelneuen Kieker aus Messing. Es war das Neueste, was es zur Schiffsausrüstung gab. und die vergrößernde Optik rückte das Blickfeld schlagartig heran.

Bevor Carberry im Großmars den Kieker ansetzte, drehte er sich noch einmal um und musterte den Corporal. Der jedoch sah hochmütig an ihm vorbei und würdigte ihn keines Blickes, denn ganz besonders von dem Narbenkerl hatte er stets Beleidigungen einstecken müssen. Die harmlosesten davon waren noch: kalfaterte Bilgenratte, Affenarsch und Rübenschwein.

Die heransegelnden Galeonen waren bereits mit bloßem Auge als Punkte und Striche zu erkennen. Sie segelten bei ruppiger See hart über Backbordbug liegend.

Durch den Kieker erkannte man sie allerdings viel besser.

„Das eine ist eine Galeone von höchstens fünfzig tons“, schätzte Dan O’Flynn. „Mehr hat die sicher nicht drauf.“

„Und die andere ist so mickrig, daß sie gar nicht zählt“, meinte der Profos. „Könnte ein Beiboot von uns sein.“

Das war natürlich wieder mal stark untertrieben, aber der Profos untertrieb gleich noch weiter.

„Durch die vier Stückpförtchen bringen die nicht mal einen Zahnstocher raus“, stellte er fest. „Wenn die wirklich mal feuern, dann knallt da bloß ein bißchen Blei aus dem Rohr, so’n halbes Pfund schätze ich, aber weil da kein Dampf dahintersteckt, fallen denen die Kugeln immer in die eigenen Bordwände. Sie würden also bei einem Gefecht das Risiko eingehen, sich selbst zu versenken“, überlegte er laut.

„Sagen wir mal, es sind nur eineinhalb Galeonen“, meinte O’Flynn. „Insgesamt hat seine ehrenwerte Lordschaft dann also viereinhalb.“

„Was habt ihr da zu glotzen?“ brüllte der Corporal plötzlich, als er die beiden Männer im Ausguck laut lachen hörte.

Der Profos schwenkte das Spektiv herum und blickte genau in das Gesicht des wütenden Corporals. Natürlich sah er nichts, weil der Kerl viel zu dicht davor stand, trotzdem stieß er Dan entsetzt an.

„Hast du schon mal so große triefäugige Kakerlaken gesehen?“ fragte er laut. „Oder was ist das da?“

„Du mußt das Spektiv rumdrehen“, schlug Dan vor. „Und was siehst du jetzt?“

„Jetzt sind die Kakerlaken ganz klein geworden, aber eine ist etwas größer als die anderen. Sie ist auch triefäugiger und hat eine rote dicke Fratze. Was es nicht alles gibt!“

Dem frierenden Corporal zog es wegen dieser erneuten unerhörten Beleidigungen fast die Stiefel aus, doch als er losbrüllen wollte, sah er in zwei so drohende Augenpaare, daß ihm wieder die Luft wegblieb. Hilflos vor Wut und weil ihn jämmerlich fror, schlug er sich kraftvoll die Arme unter die Achseln und spie ärgerlich auf die Katzenköpfe.