Seewölfe - Piraten der Weltmeere 499

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 499
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-907-9

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Burt Frederick

Mordbuben

Einmal entfesselt – kannten sie keine Skrupel

Es fing damit an, daß Old O’Flynn einen Traum hatte, der ihn nach Erwachen beflügelte, nunmehr schleunigst an die Planung einer neuen „Rutsche“ zu gehen. Diese Rutsche sollte ein Pfahlbau werden, wie er von den Arawaks auf Andros gebaut wurde. Die Fahrt dorthin, um die Pfahlbauten zu „studieren“, endete in einer Katastrophe. Denn unterwegs setzte der Sturm ein, vor dem man vernünftigerweise lenzt. Aber Old O’Flynn war bockig, zumal sie mit der „Empress of Sea“ in die Nähe der Bimini-Insel gerieten, wo angeblich eine Jungbrunnenquelle sprudeln sollte. Er ging auf der Leeseite einer der Inseln der Cat Cays vor Anker, aber ab die Mannen noch damit beschäftigt waren, an Land weitere Leinen auszufahren, brach der Anker aus, und die „Empress“ entschwand …

Die Hauptpersonen des Romans:

Julio Acosta – der Steuermann der „Viento Este“ verfolgt einen mörderischen Plan.

Old Donegal Daniel O’Flynn – hat eine Stinkwut und will Sir John schlachten.

Edwin Carberry – der Profos sieht zu, seinen Liebling vorm Schlachten zu bewahren.

Der Kutscher – lenkt die allgemeine Aufmerksamkeit auf Dinge, die getan werden müssen.

Sir John – unternimmt einen Erkundungsflug mit üblen Folgen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

„Himmel, Arsch und Zwiebelfisch“, sagte Ed Carberry geradezu andächtig. Er hielt die Laterne ein Stück höher, und Stenmark, der ihm über die kantige Schulter spähte, schloß geblendet die Augen.

„Nicht zu fassen“, fuhr der Mann, mit dem Narbengesicht kopfschüttelnd fort. „Da denkt man vor ein paar Stunden noch, man würde den Rest seiner Tage auf einer öden Insel herumlungern – und jetzt das!“

Was sich da vor seinen staunenden Augen offenbarte, war für die Männer vom Bund der Korsaren in der augenblicklichen Situation mindestens so kostbar wie das Gold, das sie entdeckt hatten. Kistenweise hievten sie es nun schon seit gestern aus den Laderäumen der aufgebrummten Galeone.

Da man als Schiffbrüchiger mit purem Gold nicht unbedingt etwas anfangen kann, hatten sich Old Donegal Daniel O’Flynn und die anderen von der „Empress of Sea“ zunächst entschlossen, den unverhofften Reichtum abzubergen und an geeigneter Stelle einzulagern. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich die „Viento Este“ – so der Name der Galeone, der „Ostwind“ bedeutete – jedoch als Schatzkästlein in der vielfältigsten Bedeutung des Wortes. Da gab es buchstäblich alles, was das Herz eines Schiffbrüchigen begehrte.

Die Kammer, deren Schott Ed Carberry soeben geöffnet hatte, konnte das besagte Herz sogar vor Freude hüpfen lassen.

Da funkelte und blitzte es, daß es eine reine Pracht war.

Blitzblank poliertes Messing von Beschlägen und Schloßteilen, schimmernder Laufstahl, funkelnde Edelsteine und Blattgoldeinlagen in den Griffstücken von Prunkwaffen, wie sie ausschließlich spanischen Offizieren und Edelleuten vorbehalten waren.

„Ich kann nichts sehen“, beschwerte sich der blonde Schwede, „würdest du vielleicht mal so freundlich sein, die Funzel ein Stück zu schwenken?“

Vor lauter Andächtigkeit folgte Carberry der Aufforderung schweigend, ohne den leisesten Widerspruch. Nun konnte auch Stenmark die Pracht überblicken.

„Donnerwetter!“ entfuhr es ihm. „So ein Musterbeispiel von Waffenkammer sieht man selten.“

„Noch dazu“, sagte der Profos, „wenn man in so einer saumäßigen Lage ist wie wir. Sehen wir uns mal genauer an, was unsere Freunde, die Dons, hier für uns bereitgelegt haben.“

„Wenn sie das wüßten“, entgegnete Stenmark lachend, „würden sie sich glatt selbst in den Hintern treten.“

Schon auf den ersten Blick hatten die beiden Männer erkannt, daß sie in der Waffenkammer der „Viento Este“ allerfeinste Erzeugnisse spanischer Waffenschmiedekunst vor sich hatten. Bei näherem Hinsehen zeigte sich sogar, daß die Pistolen, Musketen und Tromblons kaum zu übertreffen waren, was die Präzision der Verarbeitung betraf. Neben den Prunkpistolen für Offiziere und Edelleute gab es auch einen großen Vorrat an ein- und zweiläufigen Pistolen einfacherer Bauart, die für Decksleute und Seesoldaten gedacht waren.

Die hölzernen Halterungen waren gestaffelt angeordnet und so geschickt verteilt, daß auch der letzte Quadratinch in der nicht übermäßig großen Kammer genutzt wurde.

Ed Carberry hing die Laterne an einen Haken in der Mitte des Raumes, nahm eine der doppelläufigen Prunkpistolen, wog sie in den Händen und betrachtete sie prüfend.

„Höchste Qualität“, sagte er anerkennend, „und vor allem gut eingefettet, nicht ein Hauch von Rost.“

„Was wieder beweist, daß die Dons noch nicht lange von diesem Schiff verschwunden sind“, sagte Stenmark. Er folgte dem Beispiel des Profos und begutachtete eine der einfacheren Waffen.

Carberry legte die Doppelläufige zurück an ihren Platz.

„Könnte uns gut passen, daß sie noch viel Zeit brauchen, bis sie mit Verstärkung wieder aufkreuzen. Um so besser können wir uns darauf vorbereiten, ihnen Dampf unter dem Hintern zu machen.“

„Vorausgesetzt, sie haben ihr Pulver für uns trockengehalten“, sagte Stenmark.

„Wenn nicht, hauen wir ihnen was auf die Rüben“, sagte Ed Carberry grollend.

Wenig später zeigte sich jedoch, daß die Schiffsführung der „Viento Este“ offenbar in jeder Beziehung auf peinlichste Ordnung bedacht gewesen war. Die Pulvervorräte waren einwandfrei und knochentrocken. In der Munitionskammer fanden sich mehrere tausend Schuß an Bleikugeln der verschiedenen Kaliber, die für die Hand- und Faustfeuerwaffen gebraucht wurden.

Ed Carberry und Stenmark griffen sich die Musketen bündelweise und kehrten damit zu Martin Correa auf das Hauptdeck zurück. Die Jolle der „Empress“ war noch unterwegs zur übernächsten südlichen Insel, die etwa eine halbe Stunde entfernt war. Die drei Männer an Bord der havarierten spanischen Galeone hatten bereits wieder einen ausreichenden Vorrat an Kisten mit Barrengold an Deck gehievt, so daß sie sich eine Verschnaufpause erlauben konnten.

Der Bootsmann von der „Empress“ zog überrascht die Brauen hoch, als Carberry und Stenmark die Musketen behutsam auf die Planken legten.

„Eine verrückte Welt ist das“, sagte Martin Correa kopfschüttelnd. „Erst hat man das Gefühl, als ob man so gut wie nackt dasteht, und dann kann man plötzlich aus dem vollen schöpfen.“

„Recht hast du“, sagte Ed Carberry und wischte sich das Waffenfett an den Hosenbeinen ab. „Aber ich gebe dir einen guten Rat, wenn du auf mich hörst, Mister Correa.“

„Warum sollte ich nicht auf dich hören, Mister Carberry?“

Der Profos der „Isabella“ atmete schnaufend ein und sah den Schweden von der Seite an.

„Erkläre du es ihm, Mister Stenmark.“

Der schlanke Mann mit dem leuchtend blonden Haarschopf grinste breit.

„Ich will es mal so ausdrücken, Martin: Wenn du deinen Kapitän fragen würdest – nun, dann würde er dir wahrscheinlich empfehlen, keine Silbe von dem krausen Zeug anzuhören, das dieser Mister Carberry von sich gibt.“

„Empfehlen?“ rief der Narbenmann dröhnend. „Befehlen! Wie ich den alten Donegal kenne, läßt er sich auf Widerspruch ganz und gar nicht ein. Aber sonst hat Stenmark den Nagel auf den Kopf getroffen, Martin. Deinem hochgeschätzten Kapitän bin ich als vorübergehendes Crewmitglied wohl der größte Dorn im Auge, den er jemals erlebt hat.“

Correa zog die Schultern hoch.

„Na gut, ihr spielt immer ein bißchen Hund und Katze. Aber was geht mich das an? Außerdem sind wir unter uns. Also laß schon deinen guten Rat hören, Ed.“

Carberry schob das mächtige Rammkinn vor.

„Ganz einfach, mein Junge: Halte dich mit solchen Sachen zurück – erst nackt, dann aus dem vollen und so. Halte dich zurück, wenn der alte Donegal in der Nähe ist. Verstehst du?“

Martin Correa sah den Profos einen Moment erstaunt an, dann lachte er schallend.

„Himmel, natürlich! Diesen Rat hättest du mir nicht einmal zu geben brauchen.“

„Schlechte Erfahrungen, was, wie?“

„Schlecht will ich’s nicht nennen. Ich bin ein geduldiger Mensch. Wenn Old Donegal seine übersinnliche Ader entdeckt, läßt man’s eben über sich ergehen.“ Correa deutete nacheinander auf sein linkes und dann auf sein rechtes Ohr. „Hier rein, da raus. Das regt mich nicht auf.“

„Und seine Wahnsinnsgeschichten gehen dir nicht auf die Nerven?“

„Vielleicht kenne ich ihn noch nicht lange genug. Aber ich werde natürlich sein zweites Gesicht nicht herausfordern. Allerdings bin ich ziemlich sicher, daß er unseren ungewöhnlichen Glücksfall ganz von selbst zu erklären versucht. Wann passiert Schiffbrüchigen so etwas schon mal?“

 

„Einmal in hundert Jahren“, sagte Stenmark nickend und mit düsterer Miene. Er wandte sich dem Profos zu. „Martin hat recht, Ed. Wir können mal wieder auf einiges gefaßt sein. Wenn der Alte drüben auf der Insel erstmal zur Ruhe gelangt ist und mit dem Grübeln anfängt …“

Carberry winkte ab.

„Auf der Insel kann ich mich in einen stillen Winkel verholen. Auf der ‚Empress‘ konnte man seinen Schauermärchen nicht so leicht entgehen.“

Die Männer grinsten sich eins und fuhren mit der Arbeit fort. Wie am Tag zuvor, rann ihnen der Schweiß in Strömen über die Stirn, und wie alle anderen von der „Empress“ schufteten sie bis an die Grenze ihrer Kräfte. Dennoch waren sie wie besessen bei der Sache. Sie wußten um den Wert ihrer Chance, und sie wußten, daß die Stunden, die ihnen noch blieben, genutzt werden mußten.

Denn die einzige Ungewißheit bestand in der Frage, wann die Spanier wieder zur Stelle sein würden.

Immer deutlicher hatte sich herauskristallisiert, daß die Besatzung der Galeone offenbar alle Vorkehrungen getroffen hatte, um die „Viento Este“ oder zumindest deren wertvolle Ladung vom Riff abzubergen. Alle Boote waren von der Galeone verschwunden. Erstaunlich war nur die Tatsache, daß man keine Bewachungsmannschaft zurückgelassen hatte. Doch das hatte möglicherweise den Grund, daß die Crew des Goldschiffes ohnehin nicht sehr zahlenstark gewesen war.

All das änderte jedoch nichts daran, daß die Männer vom Bund der Korsaren über den Zeitpunkt einer heraufziehenden Gefahr völlig im unklaren waren.

Deshalb hatten sie auch an diesem zweiten Tag schon beim ersten Licht mit der Arbeit begonnen. Und sie würden nicht vor Einbruch der Dunkelheit aufhören. Unentwegt war die Jolle der „Empress“ im Einsatz. Keine Minute lang vergaßen die Männer, daß dieses Boot ihr einziges bißchen Besitz gewesen wäre, wenn sie nicht die aufgebrummte Galeone entdeckt hätten. Das Glück war ihnen hold gewesen, und sie arbeiteten dafür, daß es auf ihrer Seite blieb.

Innerhalb der Vormittagsstunden stöberten sie die Galeone vom Kielschwein bis zum Hauptdeck durch. Neben den Waffen und der Munition fanden sie unendlich viel Nützliches, das sie während ihres Zwangsaufenthaltes auf den Cat Cays sehr gut gebrauchen konnten.

Mit jeder Kistenladung, die sie in das Boot fierten, wurden auch Utensilien in dem noch verbleibenden engen Raum zwischen den Duchten verstaut. Nach Waffen und Munition handelte es sich dabei in erster Linie um Werkzeug, Vorräten an Segeltuch und Tauwerk und Kombüsenausrüstung von Kochlöffeln bis zu Pfannen und Kochtöpfen.

Pro Transport von der Galeone zur Insel konnte die Jolle nicht mehr als vier Kisten verkraften, zumal die zusätzliche Ladung auch ihr Gewicht hatte. Bei Wind aus Nordosten waren Hasard und Philip junior wegen ihres Leichtgewichts die geeigneten Hands, um die schwerbeladene Jolle von der „Viento Este“ zur Insel zu segeln. Mit der jeweils entladenen Jolle kreuzten sie in kurzen Schlägen von der Insel zurück zur Galeone.

2.

Bis zur Mittagspause schufteten die Männer, was das Zeug hielt. Alle Kisten, Waffen und Gebrauchsgegenstände waren von Old Donegal, dem Kutscher, Nils Larsen und Sven Nyberg zunächst am Strand einer kleinen Bucht aufgereiht und gestapelt worden. Auch Proviantvorräte hatten Ed Carberry und die beiden anderen an Bord des gestrandeten Spaniers noch entdeckt.

Der Kutscher hatte ausgetrocknetes Treibholz gefunden, ein Feuer am Strand entfacht und mit den ersten eingetroffenen Sachen von der Galeone ein schmackhaftes Mahl zubereitet. Es gab einen kräftigen Eintopf aus eingeweichtem Dörrgemüse, roten karibischen Bohnen und kleingeschnittenem Räucherspeck und Pökelfleisch. Im Halbkreis hockten die Männer am Strand. Sie waren gezwungen, aus Mucks und Krügen zu essen, doch das änderte nichts daran, daß sie sich wie im Paradies fühlten. Zu frisch war noch die Erinnerung, daß sie als Schiffbrüchige wahrscheinlich tage- und wochenlang von Kokosnüssen hätten leben müssen.

„Donnerwetter“, sagte Sven Nyberg anerkennend. Er ließ einen wohligen Laut hören, nachdem er seinen ersten Krug geleert hatte. „Das hebt einen drei Tage toten Seelord wieder in die Stiefel.“

„Mindestens“, sagte Nils Larsen im Brustton der Überzeugung. „Ich bin sogar der Meinung, daß es besser ist als jeder Jungbrunnen.“

Der Kutscher hörte aufmerksam zu und lächelte geschmeichelt. Jeder in der Runde zuckte indessen beim Stichwort „Jungbrunnen“ kaum merklich zusammen, und Nils erntete vorwurfsvolle Blicke für seine Unbedachtsamkeit.

Old Donegal hatte den Kopf gehoben, war auf einmal hellwach geworden und vergaß sogar das Löffeln.

„Auf die Gewürze kommt es an“, sagte der Kutscher und versuchte damit, das Gespräch doch noch rasch in eine unverfängliche Bahn zu lenken. „Die Dons waren so freundlich, uns auch Pfeffer und Salz und getrocknete Kleinigkeiten zurückzulassen.“

„Scharfe Kleinigkeiten“, sagte Stenmark, öffnete den Mund weit und gab ein hechelndes Geräusch von sich. „Aber hervorragend.“

„Ja, finde ich auch“, sagte Ed Carberry, und ausgerechnet er, dem es sonst nie an Sprüchen mangelte, suchte krampfhaft nach Worten. „Ja, also – ich meine, das Zeug schmeckt wirklich verdammt gut.“

„Und es gibt Kraft!“ rief Sven Nyberg begeistert. „Ich sage euch, hinterher arbeiten wir doppelt so schnell. Die Dons werden ihre Goldkisten überhaupt nicht mehr zu sehen kriegen.“

Old Donegal Daniel O’Flynn hatte seine Mitstreiter die ganze Zeit über sinnierend angestarrt – einen nach dem anderen. Zum Schluß blickte er den Kutscher mit zusammengezogenen Brauen und gefurchter Stirn an.

„Sag mal, woher hast du das Wasser zum Kochen geholt?“

Der Kombüsenmann deutete zur Südseite der Bucht, wo sich die Felsen fast bis auf das Niveau des Strandes senkten. Dort bestand praktisch die einzige Möglichkeit, ohne große Umstände das Inselinnere zu erreichen. Denn sonst war die Bucht von einer hohen Steilwand umgeben.

„Da gibt es eine Quelle“, sagte der Kutscher leichthin, „ungefähr dreihundert Yards von hier. An Trinkwasser haben wir jedenfalls keinen Mangel.“

Die Augen des alten Donegal begannen zu leuchten.

„Hast du noch was von dem Wasser da?“ fragte er erregt, stellte seine Muck weg und rappelte sich hastig auf.

Erst in diesem Moment begriff der Kutscher.

„Alles verbraucht“, sagte er rasch. „Habe alles fürs Kochen nehmen müssen.“

„Dann holen wir was“, entschied Old Donegal. „Her mit einer Pütz!“

„Haben wir noch nicht auf Lager“, sagte Ed Carberry und mühte sich ab, ein Grinsen zu unterdrücken. „Pützen liegen auf der Galeone noch auf dem Hauptdeck rum.“

„Wie, zum Teufel, hast du denn das Wasser geholt?“ fauchte Old Donegal den Kutscher an.

„In dem Topf natürlich.“ Der Kombüsenmann zeigte auf die Feuerstelle. „Und den habe ich zum Kochen gebraucht. Wir müßten erst alles aufessen, bevor wir neues Wasser holen können.“

„Darum geht’s nicht!“ schrie der alte O’Flynn aufgebracht. „Ich muß das Wasser probieren! Sofort! Kapiert ihr denn nicht? Vielleicht haben wir den Jungbrunnen entdeckt! Der soll hier in der Gegend sein. Himmel, ja das ist bestimmt der Jungbrunnen!“

„Ich habe einen anderen Vorschlag für dich“, sagte der Kutscher trocken. „Geh einfach selber los. Dreihundert Yards nach Osten, wenn du oben auf dem Felsen bist. Du kannst die Quelle gar nicht verfehlen. Da läuft ein kleiner Creek, der dir den Weg weist. Und dann trinkst du das Wasser einfach mit den Händen.“

Einen Moment sah Old Donegal überrascht aus, als hätte ihm der Kutscher eine völlig verblüffende Lösung offenbart. Dann stapfte er los, und trotz seines Holzbeins legte er ein beträchtliches Tempo vor.

Die Männer zwangen sich, still zu bleiben, und konzentrierten sich ganz auf das Backen und Banken. Letztlich wollten sie auch vor den Söhnen des Seewolfs nicht unbedingt zeigen, daß es ihnen an Respekt mangelte, um den Old Man und seinen Traum vom Jungbrunnen ernstzunehmen. Immerhin hatten sie dank der Idee des Kutschers erst einmal ihre Ruhe.

Nach dem Essen gönnten sie sich keine lange Pause.

Philip und Hasard junior zeigten den Männern das Versteck, das sie auftragsgemäß bei ihrer ersten Erkundung der Bucht entdeckt hatten. Es stellte sich heraus, daß es sich um einen hervorragenden Unterschlupf handelte, wie man ihn sich besser nicht vorstellen konnte.

In der Steilwand, vier Yards hoch über dem Sandstrand, hatten die Junioren eine Grotte erspäht. Die Öffnung war kaum größer als das Kombüsenschott an Bord der „Isabella“.

Stenmark und die beiden Jungen rüsteten sich mit Tauwerk aus und benutzten den Weg, den Old Donegal genommen hatte, um den Felsen oberhalb der Grotte zu erreichen. Die notwendigen Vorbereitungen für das Stauen des Goldschatzes und der Waffen und Ausrüstungsgegenstände mußten getroffen werden.

Oberhalb der Höhlenöffnung neigte sich die Steilwand nach vorn, seewärts nach Westen hin. Stenmark half Hasard junior, ein Tauende um Oberkörper und Oberschenkel zu schlingen und so zu verknoten, daß es sich nicht zuziehen konnte. Dann belegten der blonde Schwede und Philip junior das andere Ende etwa zehn Yards landeinwärts an einer Felsnase. Gemeinsam packten sie das Tau vor dem aufgerollten Teil, und Stenmark nickte dem Sohn des Seewolfs zu.

Hasard hielt das Tau zusätzlich mit beiden Händen, als es sich gestrafft hatte. Rückwärts bewegte er sich über die Felsenkante, bis er frei baumelte und langsam nach unten schwebte. Wegen des überhängenden Felsenteils hatte es den Anschein, als wiche die Steilwand, von ihm zurück.

Als seine Füße knapp unterhalb der Höhlenöffnung schwebten, stieß er einen gellenden Pfiff aus.

Sofort endete sein Abwärtssinken. Er begann, sich in Pendelbewegungen zu versetzen, indem er die Beine abwechselnd anzog und nach vorn streckte. Hatte sein Abstand von der Höhlenöffnung in lotrechtem Zustand zwei Yards betragen, so gelangte er nun immer näher an den düsteren Felseneingang heran.

Schließlich, mit einem letzten Schwungholen, warf er die Beine hoch, erfaßte mit den Füßen den unteren Rand der Öffnung und nutzte den Schwung, um sich aufzurichten und nach vorn in die Dunkelheit zu werfen. Stenmark und Philip reagierten richtig, indem sie haargenau in diesem Moment mehr Tau gaben. Hasard stieß einen erneuten Pfiff aus.

Wenig später hangelte sein Bruder nach unten. Philip trug eine dicke Taurolle schräg über Schulter und Rücken. Die weitere Arbeit lief zügig und wie am Schnürchen. Stenmark löste das obere Tauende von der Felsnase, und die Jungen holten es in die Höhle.

Während der blonde Schwede zum Strand hinunterstieg, suchten Hasard und Philip in der Höhle geeignete Felsvorsprünge, an denen sie die beiden Tampen belegen konnten. Dann warfen sie die Taue hinunter. Schon fünf Minuten später konnten sie die bereitliegende Jakobsleiter bis zum Sims des Höhleneingangs hochziehen. Das Straffen der Seile und das sichere Verknoten erledigten die Söhne des Seewolfs im Handumdrehen.

Die Männer enterten über die Jakobsleiter auf. Der Kutscher hatte eine Laterne aus den „Viento-Este“-Beständen mitgebracht und zündete sie in der Höhlenöffnung an.

Der erste Blick in die Grotte bewies, daß die Zwillinge eine gute Nase gehabt hatten. Vom Eingang aus verbreiterte sich die Kaverne zu einem großen Rund, das jede Menge Stauraum bot.

In Nischen und auf Vorsprüngen der Höhlenwände gab es verlassene Nester von Seevögeln, die hier ihre Jungen großgezogen hatten und nun irgendwo in der Weite der Karibik ihr neues Domizil hatten.

„Da haben unsere Rübenschweinchen doch tatsächlich was Prachtvolles aufgetan“, sagte Ed Carberry dröhnend und hieb den Jungen auf die Schulter, daß sie in die Knie gingen.

„Unterschlupf und Lagerraum zugleich“, sagte der Kutscher und nickte. „Wir haben alles an einem Platz, brauchen unsere Kräfte also nicht zu zersplittern.“

„Und wenn es sein muß“, fügte Sven Nyberg hinzu, „können wir uns hervorragend verteidigen.“

„Eine Burg könnte nicht besser sein“, sagte Nils Larsen. „Hier kommt überhaupt keiner an uns heran. Wenn wir die Jakobsleiter eingezogen haben, sind wir sicher wie in Abrahams Schoß.“

 

„Und von oben“, sagte Stenmark grinsend, „hat erst recht keiner eine Chance – wegen des Felsenüberhangs.“

„Übermut wäre aber auch nicht gut“, mahnte Martin Correa. „Höhlen kann man schließlich immer noch ausräuchern.“

Die Männer sahen ihn mißbilligend an.

„Einer muß doch immer die Stimmung verderben“, sagte Ed Carberry brummig, aber an seinem Augenzwinkern war zu erkennen, daß er es durchaus humorvoll meinte.

Jeder der Freunde wußte indessen, daß Martins Hinweis durchaus angebracht war. Man durfte sich nie zu sicher fühlen.

Sie nahmen auch den hinteren Teil der Grotte in Augenschein und stellten fest, daß keine Feuchtigkeit vorhanden war, die dem Schwarzpulver geschadet hätte. Ohne Zeit zu verschwenden, setzten sie ihre Arbeit fort.

Spieren und Taljen hatten sie von der „Viento Este“ bereits mitgebracht. Über die Jakobsleiter wuchteten Nils Larsen und Sven Nyberg das notwendige Material nach oben. Mittels Tauen und Stützstreben wurde der erforderliche Ladebaum im Höhleneingang montiert. Mit einem ausreichend langen Tau, durch Taljen geschoren, konnte bald darauf das Aufhieven der Kisten beginnen.

Nyberg und Larsen blieben im Höhleneingang bei den Zwillingen, wo sie die wertvollen Lasten in Empfang nahmen. Hasard und Philip junior beteiligten sich eifrig daran, Ausrüstungsgegenstände in den hinteren Teil der Grotte zu schleppen.

Zügig klappte das Hieven der Goldkisten. Ed Carberry, Stenmark, Martin Correa und der Kutscher sorgten dafür, daß es keine ungenutzte Minute gab. Jedesmal wenn der leere Tampen vom Ladebaum abwärts schlenkerte, standen schon eine neue Kiste und Ausrüstungsgegenstände zum Hieven bereit.

Irgendwann in der ersten Phase des Kistenstauens kehrte Old Donegal über den südlichen Felsenhang zum Strand zurück. Flügelschlagend schwebte Sir John vom Überhang herab ein und ließ sich auf einer der Kisten nieder, die noch am Strand standen.

„Affenärsche“, sagte der farbenprächtige Ara-Papagei beiläufig und begann, sich das überwiegend karmesinrote Gefieder zu putzen.

Plymmie, die graue Wolfshündin, hatte sich auf einem Packen Segeltuch niedergelassen. Träge hob sie den Kopf. Als sie den zupfenden und zerrenden Sir John erblickte, erlosch ihr Interesse sofort wieder, und ihr Kopf sank zurück zwischen die Vorderpfoten.

Sir John richtete sich in einer Putzpause auf.

„Viehzeug!“ keifte er in Plymmies Richtung. „Verlaustes Viehzeug sofort unter Deck!“ Einen Moment schien er darauf zu warten, daß sich Plymmie ebenfalls äußerte. Dann jedoch, als die Hündin keinerlei Reaktion zeigte, fuhr er fort, sich aufzuplustern und seine Federn zu richten.

Die Männer verfolgten den Vorgang mit einem Grinsen, ohne ihre Arbeit zu unterbrechen. Ed Carberry wußte natürlich, was die Blicke zu bedeuten hatten, die sie ihm zuwarfen. Sir John war sein gelehrigster Schüler an Bord der „Isabella“ – und sicherlich auch der einzige, der seine Sprüche wortgetreu zum Vorbild nahm.

Der alte O’Flynn stapfte unterdessen wortlos auf die Gruppe der Männer zu, die für das Verzurren und Hieven der Kisten zuständig waren. Sie wechselten erstaunte Blicke, während der Alte sich näherte.

„Kann das angehen?“ flüsterte Stenmark seinem Nebenmann Martin Correa zu. „Machen wir ausnahmsweise mal alles richtig?“

„Unsinn“, entgegnete der Bootsmann der „Empress“. „Der Old Man badet in Gedanken noch im Jungbrunnen. Das ist es.“

„Zum Baden dürfte die Quelle nicht groß genug sein“, sagte der Kutscher leise.

Die Männer konnten sich ein Glucksen nicht verkneifen. Doch auch damit vermochten sie den Zorn des alten O’Flynn nicht zu erwecken, denn er war mit seinen Gedanken noch immer weit entfernt. Drei Yards entfernt blieb er stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte durch die Männer hindurch.

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