Loe raamatut: «Der Verletzte im Sinne des § 172 StPO bei Vermögensdelikten zum Nachteil von Kapitalgesellschaften»
Der Verletzte im Sinne des § 172 StPO
bei Vermögensdelikten zum Nachteil
von Kapitalgesellschaften
von
David Albrecht
Der Verletzte im Sinne des § 172 StPO bei Vermögensdelikten zum Nachteil von Kapitalgesellschaften › Herausgeber
Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht
Herausgegeben von
Prof. Dr. Mark Deiters, Münster
Prof. Dr. Thomas Rotsch, Gießen
Prof. Dr. Mark Zöller, Trier
Impressum
Erster Berichterstatter: Prof. Dr. Mark Deiters
Zweiter Berichterstatter: Prof. Dr. Michael Heghmanns
Dekan: Prof. Dr. Ingo Saenger
Tag der mündlichen Prüfung: 27.1.2015
D 6
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ISBN 978-3-8114-4159-0
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Zugl.: Münster (Westf.) Univ., Diss. der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, 2015
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Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster im Wintersemester 2014/2015 als Dissertation angenommen.
Größter Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Mark Deiters, der mein Vorhaben durch Anregungen und stetige Gesprächsbereitschaft maßgeblich gefördert hat. Die Fertigstellung der Arbeit ist nicht zuletzt dem großen Freiraum zu verdanken, den er mir während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl gewährt hat.
Bei Prof. Dr. Michael Heghmanns möchte ich mich für die äußerst zügige Erstellung des Zweitgutachtens bedanken.
Zu Dank verpflichtet bin ich auch den Herausgebern der „Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht“ Prof. Dr. Mark Deiters, Prof Dr. Thomas Rotsch und Prof. Dr. Mark Zöller für die Aufnahme in die Schriftenreihe.
Schließlich danke ich meiner Frau Anna, die mir als kritische Diskussionspartnerin half, so manchen Gedanken klarer zu fassen.
Münster, im Juni 2015
David Albrecht
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Teil 1 Einleitung und Gang der Untersuchung
Teil 2 Der Verletztenbegriff in § 172 StPO
A.Meinungsstand zum Verletztenbegriff in § 172 StPO
I.Beeinträchtigung in einem Recht
II.Berechtigtes Vergeltungs- oder Genugtuungsinteresse
III.Straftatbestandlicher Schutzzweck
IV.Straftatbestandlicher Schutzzweck sowie Wertungen des Strafprozessrechts
V.Unmittelbare Beeinträchtigung in einem Recht
1.Begrenzung auf den straftatbestandlichen Schutzzweck
2.Erweiterung auf sonstige rechtlich anerkannte Nähebeziehungen
VI.Zusammenfassung
B.Eigene Auslegung des Verletztenbegriffs in § 172 StPO
I.Grammatikalische Auslegung
II.Historische Auslegung
III.Systematische Auslegung
1.Teleologische Vergleichbarkeit der Verletzteninstitute
a)Sinn und Zweck des Strafantragsrechts, §§ 77 ff. StGB
aa)Einheitliche Ratio der Antragserfordernisse
bb)Differenzierende Einteilung der Antragserfordernisse
cc)Kritik an der These der einheitlichen Ratio der Antragserfordernisse
dd)Sinn und Zweck der Antragsberechtigung des Verletzten
ee)Zwischenergebnis
b)Sinn und Zweck der Privatklage, §§ 374 ff. StPO
aa)Entlastung der Strafverfolgungsbehörden
bb)Sinn und Zweck der Antragsberechtigung des Verletzten
cc)Zwischenergebnis
c)Sinn und Zweck der Nebenklage, §§ 395 ff. StPO
aa)Kontrolle der Staatsanwaltschaft
bb)Sinn und Zweck der Antragsberechtigung des Verletzten
cc)Zwischenergebnis
d)Sinn und Zweck des Klageerzwingungsverfahrens, §§ 172 ff. StPO
aa)Sicherung des Legalitätsprinzips
bb)Sinn und Zweck der Antragsberechtigung des Verletzten
cc)Zwischenergebnis zum Sinn und Zweck des Klageerzwingungsverfahrens
e)Fazit zur teleologischen Vergleichbarkeit der strafprozessualen Verletzteninstitute
2.Übereinstimmende inhaltliche Bestimmung des Verletztenbegriffs im Strafantrags- und Privatklagerecht
3.Ergebnis der systematischen Auslegung
IV.Teleologische Auslegung
1.Orientierung am Schutzzweck der jeweiligen Strafnorm
2.Berücksichtigung sonstiger gesetzlicher Wertungen
a)Strafantragsberechtigung
b)Privatklageberechtigung
c)Nebenklageberechtigung
V.Ergebnis
Teil 3 Der Verletzte i.S.d. § 172 StPO bei Vermögensdelikten gegen Kapitalgesellschaften
A.Meinungsstand zur Vermögenszuordnung im Strafrecht bei Kapitalgesellschaften
I.Herrschende Meinung: Zivilrechtsakzessorische Vermögenszuordnung
II.Strafrechtsspezifische Vermögenszuordnung
1.Die Auffassung Nelles'
2.Wirtschaftliche Betrachtungsweise
III.Vermittelnder Ansatz Tiedemanns
B.Eigener Ansatz zur Vermögenszuordnung im Strafrecht bei Kapitalgesellschaften
I.Bestimmung der Voraussetzungen für die Vermögenszuordnung
1.Auffassungsspezifische Kritik
a)Kritik an der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ als Kriterium strafrechtlicher Vermögenszuordnung
b)Kritik am Ansatz Tiedemanns
2.Die Kriterien zur Bestimmung tauglicher Vermögensinhaber
a)Die inhaltliche Bestimmung des Rechtsguts Vermögen
aa)Die drei Grundpositionen zur Bestimmung des Vermögensbegriffs und ihre Konsequenzen für die Vermögenszuordnung
bb)Stellungnahme
b)Konsequenzen für die Bestimmung tauglicher Vermögensinhaber
II.Schutzwürdige eigene Vermögensinteressen von Gesellschaften mbH und Aktiengesellschaften?
1.Meinungsstand zur Frage eines eigenen Vermögensinteresses von Kapitalgesellschaften
a)Eigenes Vermögensinteresse der GmbH
aa)Eingeschränkte Gesellschaftertheorie
bb)Strenge Gesellschaftertheorie
b)Eigenes Vermögensinteresse der AG
aa)Strenge Körperschaftstheorie
bb)Eingeschränkte Gesellschaftertheorie
cc)Strenge Gesellschaftertheorie
2.Stellungnahme zur Frage eines rechtlich anerkannten Vermögensinteresses von Kapitalgesellschaften
a)Zivilrechtliche Anerkennung eines eigenen Vermögensinteresses von Kapitalgesellschaften
aa)Eigenes Vermögensinteresse der GmbH
bb)Eigenes Vermögensinteresse der AG
b)Verfassungsrechtliche Anerkennung eines eigenen Vermögensinteresses von Kapitalgesellschaften
c)Strafrechtliche Anerkennung eines eigenen Vermögensinteresses von Kapitalgesellschaften
aa)Der Wortlaut der früheren spezialgesetzlichen Untreuevorschriften
bb)Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB
cc)Fazit zur strafrechtlichen Anerkennung eines eigenen Vermögensinteresses von Kapitalgesellschaften
d)Ergebnis zur Frage eines rechtlich anerkannten Vermögensinteresses von Kapitalgesellschaften
III.Die Anteilseigner als Inhaber des Gesellschaftsvermögens
1.Hinweise in der Rechtsprechung auf eine Anerkennung der Gesellschafter als strafrechtliche Inhaber des Gesellschaftsvermögens
a)Schadensberechnung nach der Beteiligungsquote der GmbH-Gesellschafter
b)GmbH-Gesellschafter als Verletzte einer Straftat gegen das Gesellschaftsvermögen i.S.d. § 247 StGB
2.Die Ausgestaltung der Vermögenszuordnung (Einzel- vs. Gesamtzuständigkeit)
IV.Ergebnis
Teil 4 Ausübung des Antragsrechts gem. § 172 StPO
A.Gesellschaft mit beschränkter Haftung
I.Vertretung durch die Geschäftsführer
II.Vertretung durch die Gesellschafterversammlung
B.Aktiengesellschaft
I.Vertretung durch den Vorstand
II.Vertretung durch den Aufsichtsrat
III.Vertretung durch die Hauptversammlung
C.Ergebnis
Teil 5 Gesamtergebnis
Teil 6 Ausblick
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Teil 1 Einleitung und Gang der Untersuchung
1
Stellt die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts ein, ist der Verletzte der verfahrensgegenständlichen Tat, sofern er einen Strafantrag gestellt hat, in der Regel berechtigt, sich im Wege des Klageerzwingungsverfahrens unter Maßgabe der §§ 172 ff. StPO gegen die Verfahrenseinstellung zu wenden. Dies erfolgt grundsätzlich in einem zweistufigen Verfahren. § 172 Abs. 1 StPO sieht in einem ersten Schritt die Beschwerde an den vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft (in der Regel der Generalstaatsanwalt)[1] binnen zwei Wochen nach Bekanntgabe des Einstellungsbescheids vor. Gegen den ablehnenden Bescheid des vorgesetzten Beamten der Staatsanwaltschaft ist binnen einer Frist von einem Monat der Antrag auf gerichtliche Entscheidung an das zuständige OLG statthaft. Dieses kann zur Vorbereitung seiner Entscheidung die Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft hinzuziehen und darüber hinaus eigene Ermittlungen anstellen (§ 173 StPO). Gelangt das Gericht zu der Erkenntnis, dass ein hinreichender Tatverdacht besteht, beschließt es gem. § 175 S. 1 StPO die Erhebung der öffentlichen Klage. Die Durchführung dieses Beschlusses obliegt der Staatsanwaltschaft, wobei sie an die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Gerichts gebunden ist (§ 175 S. 2 StPO).[2] Andernfalls ist der Antrag nach § 174 StPO als unbegründet zu verwerfen. Hat die Staatsanwaltschaft allerdings den Sachverhalt im Vorverfahren nicht oder bloß vollkommen unzureichend aufgeklärt, kann das Gericht sie nach herrschender Auffassung stattdessen dazu verpflichten, (weitere) Ermittlungen durchzuführen.[3] Der Verwerfung des Antrags kommt gem. § 174 Abs. 2 StPO beschränkte Rechtskraftwirkung zu; die öffentliche Klage kann in einem solchen Fall nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel erhoben werden. Gegen die Entscheidung des OLG findet eine Beschwerde nicht statt (§ 304 Abs. 4 S. 2 StPO).
2
Betrifft die Verfahrenseinstellung den Verdacht einer gegen das Vermögen einer Kapitalgesellschaft gerichteten Straftat, soll nach ganz überwiegender Auffassung ausschließlich die juristische Person, nicht dagegen ihre Anteilseigner, Verletzte i.S.d. §§ 171, 172 StPO sein. Rechtsprechung und herrschende Lehre begründen dies damit, dass in derartigen Fällen allein die Kapitalgesellschaft die für die Verletzteneigenschaft notwendige unmittelbare Betroffenheit in einem Recht aufweise.[4] Dies wiederum folge daraus, dass Kapitalgesellschaften als zivilrechtlich vollwertige Rechtssubjekte auch strafrechtlich alleinige Inhaber des geschädigten Gesellschaftsvermögens seien. Der herrschenden Auffassung liegen somit zwei Annahmen zugrunde, die im Rahmen dieser Arbeit überprüft werden sollen. Die erste betrifft die Definition des Verletztenbegriffs in den §§ 171, 172 StPO, nach der die unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung entscheidendes Kriterium für die Verletzteneigenschaft sei. Die zweite Prämisse der h.M. liegt darin, dass Kapitalgesellschaften ebenso wie natürliche Personen Träger des Strafrechtsguts Vermögen sein können.
3
Hinsichtlich der Auslegung des Verletztenbegriffs wird sich zeigen, dass die überwiegend für erforderlich gehaltene Voraussetzung der Unmittelbarkeit der Rechtsverletzung nicht sachgerecht ist. Da das Klageerzwingungsverfahren neben der Kontrolle des Legalitätsprinzips auch der Realisierung des durch die Straftat hervorgerufenen berechtigten Genugtuungsinteresses des Verletzten dient, ist verletzt i.S.d. § 172 StPO diejenige Person, die ein derartiges Interesse hat. Berechtigt ist ein tatsächlich bestehendes Genugtuungsinteresse des Betroffenen dann, wenn es vom Recht als schutzwürdig anerkannt wird. Es wird sich zeigen, dass die Frage der rechtlichen Anerkennung im Ergebnis vom materiellen Strafrecht abhängt. Durch die Schaffung des jeweiligen Straftatbestandes entscheidet der Gesetzgeber darüber, wessen Interessen durch die Norm rechtlich geschützt werden. Damit bestimmt er zugleich, wessen Verlangen nach Genugtuung für einen erlittenen Nachteil als berechtigt gelten soll.
4
Wer Verletzter i.S.d. §§ 171, 172 StPO bei einer gegen das Vermögen einer Kapitalgesellschaft gerichteten Straftat ist, hängt somit davon ab, wem das Gesellschaftsvermögen strafrechtlich zuzuordnen ist. Hinsichtlich der Frage der Vermögenszuordnung im Strafrecht stehen sich zwei Grundpositionen gegenüber. Überwiegend wird eine zivilrechtsakzessorische Vermögenszuordnung für richtig gehalten. Dies lehnen Teile der Literatur zugunsten einer strafrechtsspezifischen Bestimmung der Vermögensinhaberschaft ab. Im Rahmen der Arbeit soll untersucht werden, nach welchen Kriterien die Vermögenszuordnung zu erfolgen hat und welche Konsequenzen sich daraus für die strafrechtliche Behandlung von Kapitalgesellschaften ergeben. Die Untersuchung beschränkt sich dabei auf die Gesellschaftsformen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und der Aktiengesellschaft (AG). Sie sind nicht nur die am weitesten verbreiteten[5] und damit praktisch bedeutsamsten Arten von Kapitalgesellschaften, sie bilden zudem auch die Grundformen der übrigen Kapitalgesellschaftstypen wie etwa der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und der Unternehmergesellschaft (UG)[6].
5
Gegenstand der Arbeit sind ausschließlich die sogenannten Vermögensdelikte im engeren Sinne,[7] d.h. diejenigen Tatbestände, die das Vermögen als Ganzes schützen sollen. Außer Betracht bleiben damit solche Tatbestände, die bloß bestimmte Arten von Vermögen (z.B. das Eigentum, §§ 242, 246, 303 StGB) oder Teile desselben (so etwa die §§ 248b, 288 ff. StGB) zum Gegenstand haben.[8] Die mit Abstand größte praktische Relevanz besitzen dabei die Tatbestände der Untreue (§ 266 StGB) und des Betrugs (§ 263 StGB), die deshalb im Mittelpunkt der Betrachtung stehen sollen. Da die Vermögenszuordnung von der Frage abhängt, welche Herrschaftspositionen über einen Gegenstand strafrechtlich schutzwürdig sind, wird in einem ersten Schritt auf den strafrechtlichen Vermögensbegriff eingegangen (Rn. 101 ff.). Den Vorzug erhalten dabei diejenigen Lehren, die den Vermögensbegriff weder rein zivilrechtsakzessorisch, noch ausschließlich anhand wirtschaftlicher Kriterien bestimmen. Die zutreffende Bestimmung schutzwürdiger Herrschaftsbeziehungen muss stattdessen sowohl am Maßstab ihrer wirtschaftlichen Werthaltigkeit als auch ihrer Anerkennung durch das Zivilrecht erfolgen. Die erstgenannte Voraussetzung folgt aus dem Zweck des Strafrechts, materielle Interessen zu schützen. Die Berücksichtigung zivilrechtlicher Wertungen soll demgegenüber zum einen gewährleisten, dass nur solche Herrschaftspositionen strafrechtlichen Schutz erfahren, die auch vom Zivilrecht anerkannt werden. Dadurch wird vermieden, dass ein Verhalten unter Strafe steht, das zivilrechtlich erlaubt ist. Zum anderen ermöglicht die Anknüpfung an das Zivilrecht es, die Zuordnung von Vermögensgegenständen anhand des dort geltenden Ordnungsrahmens vorzunehmen. Eine rein wirtschaftliche Betrachtung böte dagegen keine verlässlichen Kriterien der Vermögenzuordnung. Für die Frage, wer Inhaber von Vermögenswerten im Strafrecht sein kann, hat dies zur Konsequenz, dass zunächst von der Zivilrechtslage auszugehen ist. Es kommen daher grundsätzlich nur solche Subjekte in Betracht, die rechtsfähig sind. Entsprechend dem Zweck des Strafrechts ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob das Subjekt Träger materieller Vermögensinteressen sein kann. Ausgeschieden werden damit solche Subjekte, die zwar formal rechtsfähig sind, deren Vermögen jedoch nicht um ihrer selbst willen, sondern allein deshalb rechtlich geschützt wird, weil Dritte ein wirtschaftliches Interesse an ihrem Vermögensbestand haben.
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Da Kapitalgesellschaften rechtliche Konstrukte sind, hängt die Bejahung eines eigenen materiellen Vermögensinteresses entscheidend davon ab, ob das Recht ihnen ein solches zugesteht. Eine Untersuchung insbesondere der gesellschaftsrechtlichen Regelungen wird ergeben, dass das Gesellschaftsvermögen von GmbH und AG nicht im Interesse der juristischen Personen selbst, sondern ausschließlich zugunsten ihrer Gesellschafter bzw. Gläubiger geschützt wird. Die Kapitalgesellschaft ist letztlich nichts anderes als ein „Werkzeug“, das von den hinter ihr stehenden natürlichen Personen verwendet wird, um sich im wirtschaftlichen Bereich zu betätigen. Dies hat für die strafrechtliche Beurteilung zur Folge, dass Inhaber des Gesellschaftsvermögens nicht die Kapitalgesellschaften, sondern ihre Gesellschafter sind. Was die Ausgestaltung der Vermögensinhaberschaft angeht, wird sich zeigen, dass das Gesellschaftskapital den Anteilseignern nicht nach Bruchteilen, sondern der Gruppe der Gesellschafter zur gesamten Hand zuzuordnen ist. Dies folgt aus der zwischen den Anteilseignern vereinbarten Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens, die auch im Strafrecht Beachtung finden muss. Verletzte i.S.d. §§ 171, 172 StPO eines gegen die Kapitalgesellschaft gerichteten Vermögensdelikts ist somit die Gruppe der Anteilseigner der Gesellschaft.
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Schließlich stellt sich die Frage, in welcher Weise das der Gesellschaftergruppe zustehende Antragsrecht des § 172 StPO auszuüben ist. Hier wird sich zeigen, dass eine Parallele zwischen dem Antrag auf Klageerzwingung und der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zugunsten der Gesellschaft besteht. Dies hat zur Folge, dass die gesellschaftsrechtlichen Regelungen zur Vertretung der Gesellschaft bei der Durchsetzung von Ersatzansprüchen auf die Ausübung des Klageerzwingungsrechts entsprechend anwendbar sind. Vorbehaltlich zulässiger abweichender Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag kann somit auf die Vertretungsvorschriften in GmbHG und AktG zurückgegriffen werden. Aus ihnen folgt, dass grundsätzlich die Geschäftsführer bzw. der Vorstand berechtigt sind, den Antrag gem. § 172 StPO im Namen der Gesellschaftergruppe zu stellen. Besonderheiten ergeben sich vor allem dann, wenn sich das eingestellte Strafverfahren gegen ein Mitglied dieser Organe richtete. Um in derartigen Fällen Interessenkollisionen zu vermeiden, sehen GmbHG und AktG ausnahmsweise Vertretungsbefugnisse der Mitgliederversammlung bzw. des Aufsichtsrats und in begrenztem Umfang der Hauptversammlung vor.
Anmerkungen
[1]
KK-Moldenhauer § 172 Rn. 5.
[2]
KK-Moldenhauer § 175 Rn. 6.
[3]
OLG Hamm StV 2002, 128 (129); OLG München NStZ 2008, 403 (404); LR-Graalmann-Scheerer § 175 Rn. 17 ff.; Roxin/Schünemann Strafverfahrensrecht, § 41 Rn. 15; a.A. SK-StPO-Wohlers § 175 Rn. 2; KK-Moldenhauer § 172 Rn. 5.
[4]
S. die Darstellung des Meinungsstands zur Auslegung des Verletztenbegriffs der §§ 171, 172 StPO in Rn. 9 ff.
[5]
S. den Befund (Stand: 1.1.2013) bei Kornblum GmbHR 2013, 693 (694).
[6]
MüKo-AktG-Perlitt Vor § 278 Rn. 29; Baumbach/Hueck-Fastrich § 5a Rn. 7.
[7]
Die Terminologie ist diesbezüglich uneinheitlich; s. dazu Wessels/Hillenkamp Strafrecht BT 2, Rn. 1 ff.
[8]
Zur strafrechtlichen Zuordnung von Eigentum bei Kapitalgesellschaften s. Piehl NStZ 2006, 550 ff.; Otto Struktur, S. 153.