Loe raamatut: «Das hat ja was mit mir zu tun!?»

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Die Reihe »Beratung, Coaching, Supervision«

Die Bücher der petrolfarbenen Reihe Beratung, Coaching, Supervision haben etwas gemeinsam: Sie beschreiben das weite Feld des »Counselling«. Sie fokussieren zwar unterschiedliche Kontexte – lebensweltliche wie arbeitsweltliche –, deren Trennung uns aber z. B. bei dem Begriff »Work-Life-Balance« schon irritieren muss. Es gibt gemeinsame Haltungen, Prinzipien und Grundlagen, Theorien und Modelle, ähnliche Interventionen und Methoden – und eben unterschiedliche Kontexte, Aufträge und Ziele. Der Sinn dieser Reihe besteht darin, innovative bis irritierende Schriften zu veröffentlichen: neue oder vertiefende Modelle von – teils internationalen – erfahrenen Autoren, aber auch von Erstautoren.

In den Kontexten von Beratung, Coaching und auch Supervision hat sich der systemische Ansatz inzwischen durchgesetzt. Drei Viertel der Weiterbildungen haben eine systemische Orientierung. Zum Dogma darf der Ansatz nicht werden. Die Reihe verfolgt deshalb eine systemisch-integrative Profilierung von Beratung, Coaching und Supervision: Humanistische Grundhaltungen (z. B. eine klare Werte-, Gefühls- und Beziehungsorientierung), analytisch-tiefenpsychologisches Verstehen (das z. B. der Bedeutung unserer Kindheit sowie der Bewusstheit von Übertragungen und Gegenübertragungen im Hier und Jetzt Rechnung trägt) wie auch die »dritte Welle« des verhaltenstherapeutischen Konzeptes (mit Stichworten wie Achtsamkeit, Akzeptanz, Metakognition und Schemata) sollen in den systemischen Ansatz integriert werden.

Wenn Counselling in der Gesellschaft etabliert werden soll, bedarf es dreierlei: der Emanzipierung von Therapie(-Schulen), der Beschreibung von konkreten Kompetenzen der Profession und der Erarbeitung von Qualitätsstandards. Psychosoziale Beratung muss in das Gesundheitsund Bildungssystem integriert werden. Vom Arbeitgeber finanziertes Coaching muss ebenso wie Team- und Fallsupervisionen zum Arbeitnehmerrecht werden (wie Urlaub und Krankengeld). Das ist die Vision – und die politische Seite dieser Reihe.

Wie Counselling die Zufriedenheit vergrößern kann, das steht in diesen Büchern; das heißt, die Bücher werden praxistauglich und praxisrelevant sein. Im Sinne der systemischen Grundhaltung des Nicht-Wissens bzw. des Nicht-Besserwissens sind sie nur zum Teil »Beratungsratgeber«. Sie sind hilfreich für die Selbstreflexion, und sie helfen Beratern, Coachs und Supervisoren dabei, hilfreich zu sein. Und nicht zuletzt laden sie alle Counsellor zum Dialog und zum Experimentieren ein.

Dr. Dirk Rohr

Herausgeber der Reihe »Beratung, Coaching, Supervision«

Ilja Gold, Eva Weinberg, Dirk Rohr

Das hat ja was mit mir zu tun!?

Macht- und rassismuskritische Perspektiven für Beratung, Therapie und Supervision

Mit einem Vorwort von Eia Asen sowie Interviewbeiträgen von Souzan AlSabah, Sandra Karangwa, Berivan Moğultay-Tokuş und Amma Yeboah

2021


Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:

Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)

Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)

Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)

Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)

Dr. Barbara Heitger (Wien)

Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)

Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)

Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)

Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)

Dr. Roswita Königswieser (Wien)

Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)

Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)

Tom Levold (Köln)

Dr. Kurt Ludewig (Münster)

Dr. Burkhard Peter (München)

Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)

Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)

Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)

Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)

Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)

Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)

Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)

Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)

Jakob R. Schneider (München)

Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)

Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)

Dr. Therese Steiner (Embrach)

Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin † (Heidelberg)

Karsten Trebesch (Berlin)

Bernhard Trenkle (Rottweil)

Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)

Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)

Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)

Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)

Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)

Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)

Themenreihe »Beratung, Coaching, Supervision«

hrsg. von Dirk Rohr

Reihengestaltung: Uwe Göbel

Umschlaggestaltung: Heinrich Eiermann

Umschlagmotiv: © iStock.com/ratselmeister

Redaktion: Vera Kalusche

Satz: Verlagsservice Hegele, Heiligkreuzsteinach

Printed in Germany

Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck

Erste Auflage, 2021

ISBN 978-3-8497-0379-0 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-8268-9 (ePUB)

© 2021 Carl-Auer-Systeme Verlag

und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

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Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

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Inhalt

Vorwort

1Einleitung

2Selbstpositionierung, Weißsein, Selbstbezeichnungen

2.1Selbstpositionierung

2.2Weißsein

2.3Selbstbezeichnungen

3Diskriminierung – Was ist das eigentlich?

3.1Verschiedene Ebenen von Diskriminierung

3.2Direkte und indirekte Diskriminierung

3.3Relevante Merkmale für Diskriminierung

3.4Machtpositionen und Privilegien

4Rassismus: Ein gesellschaftliches Machtverhältnis

4.1Geschichtliche Hintergründe – Ein Einblick

4.2Rassismus und »Kultur«

4.3Rassismus in alltäglichen Situationen

4.4Rassistische Diskriminierung jenseits des individuellen Interaktionsverhaltens

4.4.1Rassismus auf struktureller bzw. institutioneller Ebene

4.4.2Rassismus auf ideologisch-diskursiver Ebene

4.5Othering, Internalisierungsprozesse, Subjektbildung, Double Binds

Interview mit Sandra Karangwa und Berivan Moğultay-Tokuş

5Rassismus und Trauma

5.1Tabuisierung von Rassismus als Trauma-Realität

5.2Trauma

5.3Mögliche traumaähnliche Auswirkungen von Rassismus und eine Einordnung in die Traumatypologie

5.4Studien zu rassistischer Diskriminierung und Trauma

5.5Gefahr der Pathologisierung von Betroffenen

Interview mit Souzan AlSabah

6Macht- und rassismuskritische Anforderungen an die Systemische Beratung

6.1Eine Frage der Haltung?!

6.1.1Eingebundenheit, Beziehung, Kooperation

6.1.2Neutralität und Allparteilichkeit

6.1.3Vergrößerung des Handlungs- und Möglichkeitsraumes

6.1.4Haltung des Nicht-Wissens

6.2Interkulturelle Ansätze unter rassismuskritischer Perspektive

Interview mit Amma Yeboah

7Komponenten einer systemischen macht- und rassismuskritischen Praxis

7.1Selbstreflexion der Berater*innen und Überprüfung eigener Haltung/Perspektiven mithilfe des Inneren Teams

7.2Auf geschilderte Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen reagieren

7.3Rassismus und mögliche Diskriminierungshintergründe sichtbar machen

7.4Auseinandersetzung mit Macht- und Rassismuskritik als Bestandteil des Professionalisierungsprozesses

7.4.1Professionsforschung

7.4.2Fort- und Weiterbildung

8Fazit und Ausblick

Danksagung

Literatur

Über die Interviewpartnerinnen

Über die Autor*innen

Vorwort

Die systematische Benachteiligung und Marginalisierung von Menschen, die rassifiziert und so als »Andere« konstruiert, empfunden und bezeichnet werden, wird in Großbritannien seit über zwei Jahrzehnten als institutioneller Rassismus (McPherson 1999) tituliert: Hier handelt es sich um die kollektive Weigerung einer Organisation, Menschen aufgrund ihrer vermeintlichen »Kultur« und/oder Herkunft die angemessenen professionellen Dienstleistungen zukommen zu lassen. Institutioneller Rassismus manifestiert sich in diskriminierenden Verfahrensweisen, Einstellungen und Verhaltensmustern, in denen meist unwissentlich Vorurteile, Ignoranz und rassistische Stereotypisierungen reproduziert werden, die zur Abwertung von Menschen, die von der hiesigen Mehrheitsgesellschaft außerhalb der eigenen »weißen Normalität«1 verortet werden, führt. Besonders stark betroffen von solchen Diskriminierungserfahrungen sind People of Color und Schwarze2 Menschen sowie Personen, die als muslimisch gelesen werden. Sie sind nicht nur den rassistischen Strukturen von Organisationen, wie z. B. der Polizei, Lehreinrichtungen oder dem Gesundheitswesen, ausgesetzt, sondern ähnliche rassistische Strukturen werden auch im Kontext der Systemischen Beratung reproduziert.

Das mag auf den ersten Blick verwunderlich erscheinen, da gerade Systemische Berater*innen in ihrer Selbsteinschätzung meinen, besonderes Verständnis und Toleranz für verschiedene kulturelle Werte und Sichtweisen zu haben. Aber es braucht mehr als das – und gerade dann, wenn es darum geht, als weiße Berater*innen mit Schwarzen Klient*innen und Klient*innen of Color zu arbeiten. Hier ist es wichtig, über die oft unsichtbaren, gesellschaftlich machtvollen und rassistischen Strukturen und die davon beeinflussten therapeutischen Modelle und deren begrenzte Anwendbarkeit zu reflektieren. Weiße Systemische Berater*innen sollten verstehen, dass viele Modelle eigentlich »WEIRD« (engl. = seltsam, unheimlich, schräg) sind. Das Akronym WEIRD (Henrich et al. 2010) steht für »Western, Educated, Industrialized, Rich and Democratic«. Man könnte noch ein weiteres W (für »White«) hinzufügen, aber dann wäre das Akronym noch »schräger« oder WWEIRDer … Worum geht es hier? Es geht um die Tatsache, dass ein Großteil der psychologischen Forschung routinemäßig davon ausgeht, dass ihre Ergebnisse im Großen und Ganzen repräsentativ sind, obschon 96 % der Proband*innen – und die Mehrzahl der Forscher*innen – aus westlichen Ländern stammen, die allerdings nur 12 % der Weltbevölkerung beherbergen. So sind die meisten gängigen therapeutischen Ansätze geprägt von diesen »eurozentrischen« (und nordamerikanischen) Forschungen und Erkenntnissen, und sie spiegeln wissenschaftliche Machtstrukturen wider, die auch rassistisch geprägt sind.

Institutioneller Rassismus findet sich überall und natürlich auch in der systemischen Praxis. Ich erinnere mich lebhaft an das zweitägige Antirassismus-Training mit einem Follow-up sechs Monate später, das vor mehr als 20 Jahren in der systemisch inspirierten Londoner Klinik, die ich damals leitete, stattfand. Alle nahmen daran teil, einschließlich Haus- und Reinigungskräfte, Verwaltung, Sekretär*innen und Berater*innen. Es war ein Schock für alle von uns, den unbewussten Rassismus in unseren Annahmen und Praktiken zu entdecken – ein wahrhaft deprimierendes und gleichzeitig lehrreiches Erlebnis. Die »Weißheit« aller Mitarbeitenden und die totale Abwesenheit von Schwarzen Berater*innen in unserem Team sahen wir nun als Beweis für den institutionellen Rassismus in unserer Klinik. So begannen wir umgehend, neue Mitarbeitende zu gewinnen, die die Heterogenität der Menschen unserer Versorgungsbezirke abbildeten. Wir begaben uns in einen sehr wichtigen gemeinsamen und gegenseitigen Lehr- und Lernprozess, in dem wir uns mit systemischen, rassismuskritischen und transkulturellen Inhalten beschäftigten. Wir begannen selbstreflexive Fragen zu stellen, wie: Welche Stereotype und Vorurteile sind in meinem Kopf wirkmächtig? Wie beeinflussen diese meine systemische Praxis? Wie mögen sie wohl auf die Ratsuchenden wirken? Welche Vorstellungen habe ich in der Schule und in meiner Herkunftsfamilie über die Anderen gelernt? Bin ich mir meiner eigenen gesellschaftlichen Position und Privilegien bewusst und wie mögen diese wohl meine therapeutischen Interventionen beeinflussen?

Unser zunehmend heterogenes Team schickte so ein wichtiges Signal an unsere Klient*innen – und auch an andere Kliniken und Organisationen. Und wir erlebten täglich, dass rassismuskritisches Lernen am besten in heterogenen und multi-professionellen Teams erfolgt. So sind wir auch oft auf vorher unbeachtete rassistische Problematiken aufmerksam geworden, und wir mussten als Institution immer wieder neue Wege finden, um mit spezifischen rassistischen Situationen umzugehen, wenn z. B. ein Klient ablehnte von einer Schwarzen Therapeutin behandelt zu werden. Unsere Klinik entschied sich ein Jahr später, über die Universität eine systemische Ausbildung anzubieten, mit dem zentralen Fokus auf »Race and Culture«. Andere systemische Ausbildungsinstitute nahmen ebenso »Race and Culture« zentral in ihre Curricula auf, nicht als eine einmalige »ethnic hour Zugabe«, sondern als einen integralen Bestandteil der systemischen Ausbildung in jeder Fort- und Weiterbildungsstunde. Auch heutzutage gibt es in Großbritannien keine systemischen Aus- und Fortbildungen, bei denen nicht »Race and Culture« einen zentralen Platz einnimmt.

Und trotzdem müssen Berater*innen täglich auf der Hut sein: Rassismus ist wie ein Virus, gegen den man sich regelmäßig impfen muss. Leider kommt es nie zu einer Immunität, obschon man schnell und leicht vergessen kann, wie endemisch und eigentlich unausrottbar dieses Virus ist. Obschon ich seit nun sieben Jahren am Anna Freud Centre arbeite, waren es der Mord an George Floyd und die neubelebte Black Lives Matter-Bewegung, die den Anstoß gaben, den institutionellen Rassismus unserer Klinik, die in der Vergangenheit vor allem psychoanalytisch orientiert war, zu untersuchen. Das führte im Sommer 2020 zu dem Entschluss, dass jeder der fast 300 Angestellten und Mitarbeitenden verpflichtet war, an einem von der Institution organisierten Antirassismus-Training teilzunehmen. Ich sage das selbstkritisch, und während ich diese Zeilen schreibe, frage ich mich, warum das erst jetzt passierte und was meine eigene Verantwortung für diese Unterlassung ist und war. Und es wird mir bewusst, was die Autor*innen des vorliegenden Buches immer wieder betonen: Rassismus wirkt als permanente Machtstruktur im gesamten Gesellschaftssystem und infolgedessen auch in vielen alltäglichen Situationen.

In den USA und Großbritannien beschäftigen sich seit mehr als 40 Jahren Systemische Therapeut*innen mit Multikulturalität und entsprechenden kultur-kompetenten und -sensitiven Ansätzen (z. B. McGoldrick et al. 1982; Falicov 1983). In diesen Ländern ist interkulturelle Kompetenz seit Jahrzehnten wichtig und gefragt und im systemischen Familientherapiebereich voll in Lehrprogramme integriert. Seit mindestens 20 Jahren befassen sich angelsächsische Systemische Therapeut*innen auch explizit mit institutionellem Rassismus und dessen Einfluss auf die Praxis. Lehrtherapeut*innen of Color sowie Schwarze Lehrtherapeut*innen lehren in Ausbildungsinstituten, sind auf dieser Ebene stark repräsentiert und beeinflussen so Lehre und Lernen. In Deutschland hat sich das Feld der »interkulturellen Beratung« im systemischen Bereich vor zwei Jahrzehnten zu entwickeln begonnen (siehe z. B. El Hachimi u. v. Schlippe 2000; Hegemann u. Salman 2001), aber Begriffe wie »Kultur« oder »Religion« sind meist an die Stelle von »Rasse« getreten und die spezifische Fokussierung auf »Kultur« hat mit sich gebracht, dass Rassismus und implizite Machtverhältnisse, wenn, dann nur randläufig thematisiert wurden und werden. Eine systematische und gleichzeitig systemische Auseinandersetzung mit Rassismus als einer speziellen Form von Diskriminierung ist, soweit ich die deutsche systemische Szene kenne, längst überfällig.

Das nun ist der Fokus dieses Buchs, nämlich rassismuskritische Perspektiven einzubringen und so einen wichtigen Beitrag zu liefern, um die gähnende Lücke in deutschen systemischen Arbeitskontexten zu füllen. Systemische Berater*innen in Deutschland – das wahrlich auch eine Kolonialgeschichte hat, wenn auch eine andere als Großbritannien – sollen ermutigt werden, Rassismus als gesellschaftlich wirkmächtige Konstruktion – mit ganz konkreten und realen Auswirkungen! – bei ihrer therapeutischen Arbeit und in Supervisionen zentral zu berücksichtigen. Die Autor*innen, die sich in ihrer Selbstpositionierung als »weißes Autor*innenteam« beschreiben, betonen ausdrücklich, dass das vorliegende Buch aus einer weißen Perspektive geschrieben ist und sich primär an weiße Berater*innen richtet, die sich mit Macht- und Rassismuskritik in Bezug auf die eigene systemische Arbeit befassen und diese kritisch hinterfragen wollen. Sie zeigen auf, wie weiße Personen, einschließlich Berater*innen, von allgegenwärtigen rassistischen Machtstrukturen profitieren, sei es bewusst oder unbewusst. Sie zeigen auch auf, wie wichtig die Reflexion über die eigene Positioniertheit und insbesondere das Bewusstsein der eigenen weißen Privilegien sind, um die Machtverhältnisse wenigstens im systemischen Beratungssetting ein bisschen auszugleichen. Aber sie betonen auch, wie wichtig es ist, dass in Aus- und Weiterbildungskontexten und der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Systemischer Beratung die Auseinandersetzung mit Weißsein als ein zentrales Element mit einbezogen wird. Auf diese Weise, so sagt das Autor*innenteam, können Systemische Berater*innen die eigene Positioniert- und Verstricktheit innerhalb dieser Machtverhältnisse kritisch reflektieren, Macht- und Rassismuskritik konkret in ihre Arbeit integrieren und zu einer Sichtbarmachung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen beitragen. Die drei umfangreichen Expertinnen-interviews enthalten bedeutende Erfahrungen und Sichtweisen, die alle weißen Systemischen Berater*innen und Supervisor*innen zu überraschenden Perspektivwechseln und Erkenntnissen auffordern.

Ich selbst habe viel von der Lektüre dieses Buches gelernt und sehe es als eine echte Bereicherung und Inspiration für die systemische Lehre, Supervision und Praxis. Ich wünsche dem Buch und dem Autor*innenteam von ganzem Herzen den Erfolg und die weite Leser*innenschaft, die sie voll verdienen.

Prof. Dr. Eia Asen Anna Freud Centre und University College London

Literatur

El Hachimi, M. u. A. v. Schlippe (2000): Therapie und Supervision in multikulturellen Kontexten. In: System Familie 13: 3–13.

Falicov, C. (1983): Cultural perspectives in family therapy. Rockvill, ML (Aspen).

Hegemann, T. u. R. Salman (Hrsg.) (2001): Transkulturelle Psychiatrie: Konzepte für die Arbeit mit Menschen aus anderen Kulturen. Bonn (Psychiatrie Verlag).

Henrich, J., S. Heine a. A. Norenzayan (2010): Most people are not WEIRD. Nature 466: 29.

McGoldrick, M., J. K. Pearce a. J. Giordano (1982) (Hrsg.): Ethnicity and family therapy. New York (Guilford).

McPherson, W. (1999): Stephen Lawrence Inquiry Report. London (H. M. O.).

1Weiß bezieht sich hier auf eine soziale Konstruktion, bezeichnet Menschen, die nicht durch Rassismus diskriminiert werden und soll kursiv geschrieben deutlich machen, dass damit nicht eine reale Hautfarbe gemeint ist (siehe Kap. 2.2).

2Schwarz ist hier bewusst mit einem großen »S« geschrieben, da es sich in diesem Kontext nicht um die Farbe, sondern um eine politische Selbstbezeichnung von Menschen handelt, die durch Rassismus diskriminiert werden.