Loe raamatut: «Starke Kinder», lehekülg 3

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Hier sind sechs Arten, auf die Eltern Kindern vorschreiben, wie sie zu denken, fühlen und handeln haben. Obwohl wir diese Angewohnheiten nicht über Nacht ablegen können, sollten wir doch versuchen, sie so weit wie möglich zu vermeiden.

 Kritik

 Vorschnelle Bewertungen

 Tadel und irrationale Strafen

 Indoktrinierung

 Übermäßige Kontrolle

 Überfürsorglichkeit

1. Kritik

Kritik bedeutet, dass man Fehler an jemand aufdeckt. Sie ist o.k., wenn sie Positives bewirkt. Tut sie das nicht, sollte man besser darauf verzichten. Auch Meckerei (leicht versteckte Kritik) ist keineswegs harmlos. Sie bringt jedes einigermaßen intelligente Kind auf die Palme. Beides sind Bewertungsformen, die dem Kind signalisieren, dass es sich gerade in einer unerwünschten Richtung entwickelt. Wir leiten mit unserer Kritik und Meckerei unsere Kinder dazu an, sich eher über ihre Schwächen als über ihre Stärken zu definieren.

Kinder werden durch die „destruktive“ Kritik ihrer Eltern oder einer anderen Autorität zu Selbsteinschätzungen gebracht, durch die sie sich selbst entfremden. Wir sollten uns deshalb vor jeder Kritik fragen, ob sie mehr schadet als nützt. Es gibt soviel, das wir besser nicht sagen sollten.

2. Vorschnelle Bewertungen

Vorschnelle Bewertungen können die kindliche Selbstbestimmung sehr behindern. Oft versuchen wir mit dieser Kritik unsere Kinder von unserer Überlegenheit zu überzeugen, aus Angst sie würden sonst später die gesellschaftlichen Erwartungen nicht erfüllen können. In anderen Worten, wir zwingen Kindern durch Urteile und Bewertungen unsere eigenen Beobachtungen und Schlüsse auf. Auch dieser Trick schmeckt nach bedingter Liebe. Wir alle machen solche Bemerkungen. Sicher können Sie sich an Ähnliches erinnern.

„Bei deiner Lernschwäche wirst du es einmal sehr schwer im Leben haben.“

„Dein Schulrektor wird es nicht fassen können!“

„Organische Chemie ist ein schlimmes Fach.“

„Du kannst nichts dafür, du bist einfach ungelenk.“

Bestätigungen können ebenfalls versteckte Kritik enthalten. Hier einige Beispiele.

„Ist o.k., ich war in der Mittelstufe auch nur mit meiner Frisur beschäftigt.“

„Keine Sorge, als Kind hatte ich dieselben Rechtschreibprobleme.“

Durch solche Bemerkung geben wir unseren Kindern zu verstehen, sie seien o.k., weil sie genauso sind wie wir. Wir fordern von ihnen sozusagen ein Komplettremake ihres Selbst. Stattdessen sollten wir ihnen klar machen, dass unsere Bewertungen Meinungen darstellen und keine ehernen Gesetze. Wir müssen auf der Hut sein und hinhören, was wir sagen. Wir sollten unsere Kinder grundsätzlich zum Selberdenken anregen.

3. Tadel und irrationale Strafen

Auch Tadelei ist ein hervorragendes Mittel, aus selbstbewussten Kindern außengesteuerte Waschlappen zu machen. Sie ist gesteigerte Kritik. Während wir Kinder durch einfache Kritik über Fehler aufklären, werfen wir ihnen diese beim Tadel vor. Tadelei spiegelt oft unsere negativen Gefühle wider, besonders Zorn und Enttäuschung. Hier zwei Beispiele solcher negativen Bemerkungen:

„Sprich ja nicht mehr in diesem Ton zu mir, Bürschchen!“

„Es ist unfasslich, wie faul du bist. Nicht einmal den Müll hast du raus gebracht.“

Irrationale Strafen setzen der destruktiven Tadelei dann noch die Krone auf. Etwa wenn Kindern eine Tracht Prügel verpasst wird, weil sie nicht die Wahrheit gesagt haben, oder sie zur Strafe hundert Mal schreiben müssen „Ich will meinen Eltern gehorchen“ oder sie ohne Abendessen ins Bett geschickt werden, weil sie beim Hausaufgaben machen herumgetrödelt haben. Solche Strafen stärken nur die Rachegelüste der Kinder und tragen wenig zu einer Verhaltensänderung bei. Auf Strafen in Form logischer Konsequenzen, die nicht entwürdigend sind, wird später in diesem Buch eingegangen. Hier sei nur soviel gesagt, dass irrationale Strafen nutzlos sind und ihre willkürliche autoritäre Durchsetzung der Selbstständigkeit des Kindes schadet. Zwar fügen sich Kinder normalerweise rasch und tun das Befohlene, aber nicht, weil sie es einsehen, sondern aus Angst vor noch schlimmeren Strafen. Der „Respekt“, den sie diesermaßen den Eltern erweisen ist dann gewissermaßen pure Schau.

4. Indoktrinierung

Sie ist weit verbreitet. Während die anderen Formen der Bevormundung das Denken indirekt beeinflussen, tut dies die Indoktrinierung direkt. Hier einige typische Beispiele:

„Auf diese gute Referatsnote musst du einfach stolz sein.“

„Schäm dich! Dein Bruder hat den Fußballkurs problemlos geschafft!“

„Wie peinlich, dass du so etwas vor der Klasse gesagt hast.“

Wir schreiben mit solchen Äußerungen unseren Kindern vor, was sie denken sollen. Nach einiger Zeit fragen sie sich dann gar nicht mehr erst, was sie selbst denken und fühlen. Es wäre schon viel gewonnen, wenn man sich folgendermaßen ausdrückte:

„Toll, eine Supereins. Du hast dich ja auch gut auf dein Referat vorbereitet. Wie fühlst du dich jetzt?“

„Oh, du hast den Fußballkurs nicht geschafft? Dabei hast du dir doch so viel Mühe gegeben. Wie kommst du damit zurecht? Wirst du den Kurs wiederholen?“

„Wie deinen Klassenkameraden wohl zumute war, als du das gesagt hast? Wie könntest du die Sache wieder in Ordnung bringen?“

Auf diese Weise werden Kinder zum Nachdenken angeregt. Sie dürfen selbst eine Lösung finden und werden nicht durch die Formulierung zur Übernahme einer fremden Meinung gezwungen.

5. Übermäßige Kontrolle

Damit unsere Kinder gut funktionieren, greifen wir oft auf Zwangsmaßnahmen zurück. Wir festigen ihr äußeres Selbst, indem wir sie zum Beispiel herum dirigieren, körperlich züchtigen, Drohungen äußern und ihnen Ultimaten stellen.

Wenn wir Herum dirigieren, mischen wir uns übermäßig in das Leben unserer Kinder ein, ganz so wie bei Gepetto und Pinocchio. Hier einige Beispiele mit Alternativen:

„Vergiss deinen Rucksack nicht“ statt „Der Bus kommt gleich. Hast du irgendetwas vergessen?“

„Setz deinen Helm auf, wenn du rausgehen und Fahrrad fahren willst!“ statt “Fahrradfahren ohne Helm ist gefährlich.“

„Zieh deine Jacke an. Es ist eiskalt draußen!“ statt „Die Temperatur soll heute Nachmittag auf minus Zwanzig Grad fallen.“

„Mach dich gleich nach dem Essen an die Hausaufgaben“ statt die Kinder selbst darauf kommen zu lassen. Wenn sie ständig daran erinnert werden müssen, ihre Hausaufgaben zu machen, liegt das Hauptproblem sicher ganz wo anders!

„Denk daran, Jerry anzurufen, und bitte ihn, dir die Diktatliste zuzufaxen“ statt sie am andern Morgen beim Diktat die Folgen spüren zu lassen.

Man sieht, oft fallen einem Anweisungen leichter. Doch ist es wesentlich besser, Kindern informative Anstöße zum eigenen Denken zu geben und auch einmal zuzulassen, dass sie die Folgen schlechter Entscheidungen zu spüren bekommen.

Körperstrafen sind alarmierend weit verbreitet, vielleicht deswegen, weil unsere Terminkalender meist übervoll sind und Zeitdruck herrscht. Viele Eltern finden, dass zu einer guten Erziehung auch hin und wieder eine Tracht Prügel gehört. Anderen rutscht einfach die Hand aus, weil sie in manchen Stresssituationen keine andere Möglichkeit sehen. Beides wirkt sich negativ aus. Erstens führt es den Kindern Gewalt als praktikable Lösung vor Augen. Zweitens gibt es ihnen zu verstehen, dass sie minderwertige Personen sind, die unterdrückt und beherrscht werden dürfen. Das nährt in ihnen einen Minderwertigkeitskomplex. Wenn wir ausrasten und es doch einmal eine Ohrfeige setzt, sollten wir uns bei den Kindern sofort entschuldigen und zwar ohne dies durch irgendwelche Zusätze herunterzuspielen, wie „Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe, aber du hast so einen Lärm gemacht, dass ich nicht anders konnte.“

In unserer Gesellschaft sind die verheerenden Auswirkungen körperlicher Züchtigung nicht zu übersehen. Körperverletzung, Vandalismus, Raub oder Totschlag - die Jugendkriminalität hat in beängstigendem Ausmaß zugenommen. Außerdem sind die Motive hinter den Gewaltverbrechen immer trivialer geworden. Man erinnere sich nur, dass kürzlich ein älterer Rollstuhlfahrer von einem Achtjährigen wegen fünfzehn Cent erschossen wurde. Viele fragen sich vielleicht: „Was hat sich der Junge dabei gedacht?“ Er hat sich gar nichts dabei gedacht. Das ist es ja gerade. Er hat einfach abgedrückt, ohne groß über andere mögliche Lösungen nachzudenken. Er war in allgemeinen Auffassungen befangen, weil er keine Eigenverantwortung mehr kannte. Ihm war weder bewusst, dass er ungerechtfertigte Ansprüche durchzusetzen versuchte, noch, dass er Gewaltverherrlichung betrieb. In anderen Worten, er handelte außengesteuert statt eigenverantwortlich.

Eltern können auch mit Drohungen und Ultimaten viel Macht ausüben. Hier einige Beispiele:

„Wenn du nicht sofort die Zigarette ausmachst, bekommst du einen Monat Ausgehverbot!“

„Ich warne dich zum letzten Mal. Wenn deine Noten im nächsten Halbjahr nicht besser werden, ist das Auto weg. Du kannst dann meinetwegen mit dem Skateboard in die Schule fahren!“

„Noch eine solche freche Antwort und es setzt was.“

Auch hier handelt es sich, wie schon bei den Körperstrafen, um Einschüchterungsmethoden. Die Kinder fügen sich aus Angst und nicht aus Einsicht. Wir müssen bei der Erziehung unserer Kinder stets darauf achten, dass wir ihnen genug Raum zum Nachdenken lassen. Sie entwickeln erst Eigenverantwortung, wenn sie aus eigener Einsicht handeln und Entscheidungen fällen. Eigenverantwortung will gelernt sein, sie fällt einem nicht in den Schoß.

6. Überfürsorglichkeit

In unserer Gesellschaft scheint es nur mit Vollgas vorwärts zu gehen. Ist man im Stress, findet man es oft einfacher, die Angelegenheiten der Kinder selbst zu erledigen. Wie oft kommt es vor, dass ich das Frühstücksgeschirr der Kinder abspüle, abends die Schulkleider zurecht lege, oder mit Müttern telefoniere, nur um herauszufinden, wo es etwa einen ganz bestimmten Schlüsselanhänger zu kaufen gibt, den einer von ihnen am Rucksack eines Mitschülers so toll fand. Wie oft wische ich die Milch auf, die sie verschüttet haben, oder rufe in der Schule an, um zu fragen, ob beim Eignungstest Taschenrechner erlaubt sind. Es ist nicht so, dass dies meine Kinder nicht selbst erledigen könnten. Sicher würde es sie selbstbewusster machen und ihre Geschicklichkeit im Problemlösen fördern. Aber oft erscheint es so viel einfacher, die Angelegenheiten der Kinder selbst zu erledigen, weil das schneller geht, und die Aussicht lockt, dass ich mich nicht mehr weiter darum kümmern muss. Außerdem war mir ihr Gemeckere und Geschmolle oft ein Gräuel. Das zog an meinen extravertierten Strippen. Der Gedanke, ich könnte vor mir selbst und anderen als unfähige unaufmerksame Mutter dastehen, war mir unerträglich.

Viele Eltern gehen so weit, dass sie für ihre Kinder neben Kleidung, Hobbies und Sportarten sogar die Freunde aussuchen. Einige sind ängstlich darauf bedacht, ihren Kleinen Entscheidungen zu ersparen, unter deren Folgen sie leiden könnten. Anderen macht allein schon der Gedanke Bauchschmerzen, dass die Entscheidungen ihrer Kinder sie als schlechte Eltern dastehen lassen. Also denken, fühlen und handeln sie für sie. Wenn Kinder keine eigenen Entscheidungen treffen dürfen, entwickeln sie kaum ein Urteilsvermögen, was ihnen später sehr schadet. Denn je älter sie werden, um so teurer müssen sie ihre Fehlentscheidungen bezahlen.

Hier zwei Beispiele eklatanter Überfürsorglichkeit, und wie sich geeigneter reagieren ließe:

Wenn ein Kind ankommt und sagt: „Mutti, ich brauche dich. Ich muss wegen meiner Verspätung genau an dem Tag nachsitzen, wo wir unser wichtigstes Fußballspiel haben! Sprich doch bitte mit dem Lehrer!“ Dann würde ich nur antworten: „So nicht, mein Junge. Du bist klug genug, um für dich selbst zu sprechen. Fußballspiel hin oder her.“

Und wenn dieser Hilferuf kommt: „Vati, sei doch ein echter Kumpel und tippe mir mein Referat! Hier sind die Aufzeichnungen. Ich würde es ja selbst machen, aber ich habe heute Abend eine Verabredung mit Cindy. Ich möchte sie nicht versetzen, weißt du!“ Dann käme zurück: „Ich bin wirklich hilfsbereit mein Lieber, aber ich habe dich tippen gesehen. Das flutscht nur so. Soll ich Cindy anrufen und ihr sagen, dass du später kommst, damit du schon einmal loslegen kannst?“

Kurz, manche Eltern sind überfürsorglich, weil sie es nicht sehen können, wenn ihre Kinder leiden. Andere sind es, um nicht schlecht angesehen zu werden. Wieder andere sind es, weil sie den Unmut fürchten, wenn ihre Kinder Fehler machen. Wie auch immer, Überfürsorglichkeit ist in der Erziehung allgemein üblich. Und da den Kindern durch solche Bemutterung sehr viel Denkarbeit abgenommen wird, können sie sich viel leichter in einem falschen Selbst verheddern bzw. sich in Äußerlichkeiten verfangen. Diese Kinder werden in der Überzeugung groß, dass es keine verlässlichen inneren Antworten gibt, weil sie niemals die Chance bekommen, überhaupt in sich hineinzuschauen.

Ich weiß, was am besten für dich ist!“

Hier sind vor allem drei Unarten zu nennen, die bei der Erziehung Tabu sein sollten. Erstens, wir sollten Kinder nicht zur Anpassung auffordern. Zweitens, wir sollten sie nicht mit anderen vergleichen. Drittens, wir sollten ihre Eigenschaften nicht verallgemeinern. Schauen wir uns dies genauer an.

1. Wenn zur Anpassung gedrängt wird

Eine Fünfzehnjährige sagte im Interview: „Ich habe eine Klassenkameradin, deren Mutter vorschreibt, was sie anziehen soll, mit wem sie sich treffen soll und so weiter. Sie hat Angst, dass ihre Tochter sonst nicht gemocht wird und sie dadurch als schlechte Mutter dastehen würde.“ Klar wollen wir Eltern nicht schief angesehen werden, und warum sollten wir das dann nicht auch für unsere Kinder zu verhindern suchen? Aber das ist nicht der einzige Grund. Manchmal wissen wir einfach nicht wohin mit der Überschwenglichkeit und Kreativität unangepasster, selbstbewusster Kinder, und das ist uns unheimlich. Wenn sie den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entsprechen, könnten wir als unfähige Eltern angesehen werden, die nicht erziehen können. Und wir fürchten, dass unsere kleinen Nonkonformisten später nicht zurechtkommen draußen in der weiten Welt. Diese Enttäuschung wollen wir uns und ihnen ersparen.

Ich finde jedoch, es sollte Eltern egal sein, ob ihre Kinder gelbe Socken, rote Shorts und ein lila T-Shirt in der Schule tragen wollen. Und wenn Kinder ein Pferd mit einer blauen Mähne malen wollen, sollte es ihnen nicht nur erlaubt werden, sondern sie sollten sogar dazu ermutigt werden. Sicher, ich finde es oft schauderhaft, in welcher Kleiderkombination meine Kinder in die Schule düsen. Doch dürften meine Bedenken eher von der Angst herrühren, als nachlässige Mutter zu gelten, als vom Zweifel an der Fähigkeit meiner Kinder.

Hier einige Beispiele, wie wir unsere Kinder zur Anpassung drängen:

„Bist du verrückt? Keiner trägt Armeestiefel zu Shorts.“

„So kannst du nicht ausgehen; du siehst aus wie eine Witzfigur.“

„Meine Güte, du hörst ja gar keine Backstreet Boys Musik mehr. Sind sie jetzt total out?“

„Das Paisleymuster passt überhaupt nicht zum Karo. Zieh doch ein einfarbiges Shirt an.“

Wir müssen uns vor Äußerungen, die unsere Kinder zur Anpassung drängen, sehr in Acht nehmen. Wir sollten ihre Kreativität und individuelle Ausdrucksweise akzeptieren, statt ständig zu versuchen, sie in ein Muster zu pressen. Wenn wir sie in ihrem individuellen Geschmack zu sehr beschneiden, gewöhnen wir sie bloß daran, sich nur an Äußerlichkeiten zu orientieren. Vielleicht befindet sich ja ein wirkliches Juwel in Ihrer Obhut. Einige der faszinierendsten Persönlichkeiten, die Großes für die Menschheit geleistet haben, waren echte Exzentriker. Denken Sie nur an Albert Einstein und Georgia O’Keeffe. Diese „Spinner“ sind doch gute Vorbilder, oder?

2. Das Anstellen von Vergleichen

Einige Eltern halten es für eine gute Methode, Kinder mit anderen zu vergleichen. Auch dies ist wieder eine Zuckerbrotmethode. Folgende Beispiele stammen aus Gesprächen mit Eltern:

„Warum willst du nicht den Fußballkurs machen, so wie die anderen auch?“

„Ich habe erfahren, dass Billy von nebenan lauter Einsen im Zeugnis hat. Wenn er das schafft, kannst du das auch. Du brauchst dir nur ein wenig Mühe zu geben!“

Da gibt es kein Wenn und Aber: Solche Vergleiche untergraben das Selbstwertgefühl der Kinder massiv. Im Grunde geben Eltern ihren Kindern damit zu verstehen, dass sie enttäuscht über sie sind. Die Kinder trauen es sich dann schließlich nicht mehr, zu sich selbst zu stehen. Sie lernen, sich auf Äußerlichkeiten zu verlassen und beurteilen sich hauptsächlich nach den Maßstäben anderer. In anderen Worten, sie sind dann fremdbestimmt.

Besser ist es, wenn wir unsere Kinder an ihren eigenen Leistungen messen, statt sie mit anderen Leuten zu vergleichen. Das stellt ihnen frei, inwiefern sie sich weiter verändern wollen. Sie nehmen sich dann selbst zum Maßstab und finden zu einer realistischen Selbsteinschätzung – ein wesentliches Merkmal eigenverantwortlicher Menschen.

3. Generalisierungen

Nichts haftet mehr als Generalisierungen und Etikettierungen, von Fliegenfängern einmal abgesehen. Sie bringen Kinder dazu, Vorurteile über sich zu entwickeln. Dabei ist unwichtig, ob es sich um richtige oder unrichtige Beobachtungen handelt. Sie müssen ja darauf reinfallen. Schließlich sind wir die Größeren und Klügeren! Hier einige Beispiele.

„Schatz, du bist einfach ein Langsamleser, da kann man nichts machen.“

„Du bist der Schlauste in der Familie.“

„Also, wenn du etwas anfasst, geht es in die Brüche. Mister Destruktiv!“

Solche Etikettierungen geben zukünftigen Ausflüchten und Rechtfertigungen Nahrung. Ein Kind hat zugegeben: „Meine Eltern nennen mich manchmal fett und faul, und das nütze ich als Entschuldigung aus, wenn ich mich vor etwas drücken will. Ich geb‘ ihnen dann zu verstehen: he, so bin ich eben, was kann ich dafür!“ Etikettierungen verwirren Kinder. Sie machen es ihnen schwer, zu sich selbst zu finden.

Und dann gibt es Verallgemeinerungen:

„Immer verlierst du alles! Sei froh, dass dein Kopf festsitzt, sonst würdest du den auch noch verlieren!“

„Los, komm schon! Trödle doch nicht immer so herum!“

„Du kannst aber auch gar nichts richtig machen.“

Verallgemeinerungen enthalten meistens Wörter wie „immer“ und „nie“. Sie nehmen den Kindern jeden Schwung, sich anders zu verhalten. Sie haben dann das Gefühl, es handle sich um Eigenschaften, gegen die sie nichts ausrichten können und deshalb bräuchten sie sich gar nicht weiter bemühen. Im Grunde nimmt es ihnen die Mühe ab, sich zu fragen, wer sie sind. Selbstbestimmte Kinder gehen von sich selbst aus. Ihr Selbstwertgefühl nährt sich aus keiner fixen Idee, sondern leitet sich aus tatsächlichen Leistungen, Sinnerfahrungen, Begabungen, Wünschen und Interessen ab. Sie tragen individuell zur Gemeinschaft bei.

Bedeutung von Geschwistern

Geschwister können die besten Freunde oder die größten Feinde sein (je nach Tageszeit). Und auf jeden Fall haben Geschwisterbeziehungen große Bedeutung. Sie sind sehr vielschichtig. Daher sollte man sich ihre Dynamik klarmachen und bewusst damit umgehen. Sie wird zum Großteil dadurch bestimmt, dass die Geschwister um die Zuneigung und Anerkennung der Eltern wetteifern. Je mehr Konkurrenz unter ihnen herrscht, desto außengeleiteter wird ihr Umgang miteinander. Sie reagieren dann mehr aufeinander als dass sie voneinander lernen.

Kinder versuchen im Konkurrenzkampf um die meiste Aufmerksamkeit in der Familie, ihre Geschwister und uns zu manipulieren. Damit dieses Machtspiel zwischen Geschwistern und Eltern nicht ausufert, sollten wir uns möglichst aus den Streitigkeiten unserer Kinder heraushalten. Wir sollten keine Partei ergreifen und nicht intervenieren (außer im Notfall), weil uns die Kinder sonst als äußeren Einfluss definieren und mit ihm rechnen. Wir verhindern dann, dass sie ihr Verhältnis unabhängig von uns regeln. So entwickelt sich nur schwer eine innige Beziehung zwischen ihnen.

Ich finde, Geschwister haben die wunderbare Möglichkeit, sich gegenseitig in ihrer Entwicklung zu fördern. Sie können voneinander lernen. Doch müssen die Kinder das selbst wollen. Es funktioniert nur, wenn sie selbstbewusst mit ihren Eigenarten umgehen können und jeweils ihren inneren Dialog pflegen. Wir sollten diesen inneren Dialog fördern, indem wir uns nicht in ihre Zwistigkeiten einmischen, sie nicht miteinander vergleichen und nicht voreinander in Schutz nehmen. So werden sie weniger geneigt sein, sich gegenseitig nachzuahmen, nur um uns besser zu gefallen.

Hier sind einige Vorschläge, wie sich der Konkurrenzkampf zwischen Geschwistern in gesunde Bahnen lenken lässt, so dass sie negative Reaktionen überwinden und zu mehr Eigenverantwortlichkeit finden.

 Wir sollten ihnen nicht sagen, dass wir sie gleich gern haben, denn so müssen sie annehmen, wir hätten keine besondere, persönliche Beziehung zu ihnen. Ich sage meinen Kindern, dass ich sie jeweils auf ganz einmalige Weise liebe.

 Wir sollten uns darum bemühen, die Kinder nicht miteinander zu vergleichen. Selbst versteckte Andeutungen können gravierende Auswirkungen haben.

 Wir sollten versuchen, niemanden zu bevorzugen! Das ist manchmal schwierig. Denn machen wir uns doch nichts vor, fast immer fühlen wir uns zu einem von ihnen besonders hingezogen.

 Noch einmal, wir sollten uns nicht in die Streitereien unserer Kinder einmischen, es sei denn Knochenbrüche oder andere schwere Körperverletzungen drohen. Und das kommt eigentlich ganz selten vor. Dieses Gewährenlassen bedeutet, dass wir keine Partei ergreifen. Wenn Johnny ankommt und sich beschwert, Bobby sei ganz gemein zu ihm gewesen und hätte ihn ins Schienbein gekickt und an den Haaren gezogen, dann wäre es ein Fehler etwa so zu antworten: „Ich weiß Johnny. Ich hasse es, wenn Bobby dir so weh tut, aber er tut sich momentan in der Schule sehr schwer. Vielleicht hat er einfach nur schlechte Laune. Ich an deiner Stelle ginge ihm lieber aus dem Weg.“ Man sollte es eher mit folgender Antwort versuchen: „Es tut mir leid, dass dir weh getan wurde, aber ich weiß, dass du das mit deinem Bruder selbst auf die Reihe kriegst. Es ist deine Angelegenheit, nicht meine.“

 Wir sollten unsere Kinder zu einem positiven Miteinander anregen. Zum Beispiel könnten wir das ältere Kind dem jüngeren eine Gutenachtgeschichte vorlesen lassen. Oder wir könnten anregen, dass das jüngere Kind beim Ausmalen einer Karte für ein Schulprojekt hilft, wenn es dies schon kann.

 Wir sollten unsere Kinder darauf hinweisen, dass Auseinandersetzungen auch ihre positiven Seiten haben, und für die Meinungsbildung und Identitätsfindung gut sind, solange sie sich im Rahmen halten.

 Wenn Kinder ihre gegenseitigen Antipathien vortragen, sollten wir diese nicht entschuldigen oder verurteilen, weil das als Parteinahme wahrgenommen wird. Wir sollten uns neutral verhalten und ihren Gefühlen Verständnis entgegenbringen. Hier ein Beispiel: Rachel: „Mutti, Jimmy hat meiner Lieblingsbarbypuppe den Kopf abgerissen und wollte Rover damit füttern!“ Mutti: „Es tut mir leid, dass du und Jimmy euch nicht vertragt. Ich kann deine Bestürzung verstehen.“

 Es ist gut, die Kinder etwas gemeinsam erledigen zu lassen, damit sie Zusammenarbeit lernen. „Wie wär’s, wenn ihr beide zusammen die Spülmaschine ausräumen würdet?“ „Rohin, beschäftigst du dich bitte mit Sarah, während ich telefoniere?“

 Liegen die Geschwister altersmäßig sehr weit auseinander, könnten wir den älteren Aufsichtsfunktionen übertragen. Sie könnten manchmal auf die Rasselbande aufpassen oder den jüngeren Geschwistern hin und wieder beim Lernen helfen. „Tommy, du hast dein Einmalseins schon auswendig gelernt. Kannst du mit Adam die Leselernkarten durchgehen?“

 Verletzt sich eines der Kinder, könnten wir die anderen die Wunde mit versorgen lassen, und so ihr Mitgefühl fördern. „Sarah, dein Bruder ist vom Fahrrad gestürzt. Kannst du bitte die Wunde zudrücken, bis ich den Verband geholt habe?“ Wenn unsere Kinder merken, dass sie von ihren Geschwistern gebraucht werden, trägt das zur Vertiefung ihrer Beziehung bei.

 Wir sollten versuchen, unsere Kinder nicht zu etikettieren. („Josh ist unser kleiner Gelehrter!“ oder „Joe ist ein solcher Störenfried!“) Etikettierungen liefern nur die Munition zum nächsten Geschwisterstreit.

 Es gibt viele Gelegenheiten, bei denen wir unsere Kinder ermuntern können, sich als Freunde zu betrachten. Wenn sie die unvermeidbare Erfahrung machen und einen Freund verlieren, können wir sie daran erinnern, dass sie sich glücklich schätzen können, Geschwister haben. Mag es auch zu Raufereien kommen, ihre Freundschaft würde doch über Jahre und Jahrzehnte Bestand haben.

 Müssen sie ein Bett teilen, kann das ihre Verbundenheit fördern. Ihre Streitlust lässt dann nach, sobald es dunkel wird. Schließlich kann man auf so engem Raum keinen Schlaf finden, wenn man sich nicht irgendwie verträgt.

Eltern sind Schiedsrichter und weder Richter noch Geschworene. Daran sollten wir immer denken, wenn sich die Kinder in den Haaren liegen. Das heißt, wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, mit ihrem Streit allein fertig zu werden, vorzugsweise ohne uns damit auf den Wecker zu fallen. Und natürlich haben Auseinandersetzungen zwischen Geschwistern auch ihr Gutes. Sie stärken das Durchsetzungsvermögen und sind eine gute Vorbereitung für die harte Realität draußen außerhalb des Schoßes der Familie. Wir müssen unseren Kindern nur beibringen, wo dabei die Grenzen liegen.

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Žanrid ja sildid
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Ilmumiskuupäev Litres'is:
22 detsember 2023
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9783946433200
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