Loe raamatut: «Starke Kinder», lehekülg 4

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Der Familienzusammenhalt ist wichtig

Neben dem Bemühen, die Erziehung möglichst von den Faktoren der Außengesteuertheit zu befreien, sollten wir auch auf die Stärkung des Familienzusammenhalts achten. Der Familienzusammenhalt ist eine wichtige Voraussetzung, damit Kinder selbständig werden. Je größer der Familienzusammenhalt, desto wohler werden sich unsere Kinder in ihrer Haut fühlen. Kinder, denen das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Familie abgeht, suchen dieses oft durch übersteigerte Anpassung draußen zu finden.

Kinder brauchen, um selbständig zu werden, einen soliden, verlässlichen Rückhalt in der Familie. Und dies beginnt mit Kleinigkeiten. Familiäre Traditionen und Rituale, ob an Feiertage gebunden oder nicht, sind etwas, worauf sich unsere Kinder freuen. In den Gesprächen, die ich mit Familien führte, wurden feste Ferienziele genannt, das aberwitzige Singen von „Happy Birthday“, besondere Redewendungen, das Festessen zum Erntedankfest, feste „Einzel-Ausgehtage“ mit den Kindern, Vater-Tochter-Abendessenstage, Mutter-Sohn-Aussprechtage und so weiter. Auch das gemeinsame Anschauen von Familienvideos und Fotoalben sorgt für manch herzliches Gelächter und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl. Viele interviewte Familien fanden, dass gemeinsame Mahlzeiten viel zum Familienzusammenhalt beitragen. Man sah in ihnen eine wunderbare Gelegenheit für die Kinder, sich frei zu äußern und als Familienmitglied zu begreifen. Wir sollten allerdings sehr aufpassen, dass wir die Kinder nicht durch vorschnelle Belehrung und Kritik in ihrer Offenheit verletzen. Wir sollten sie nie lächerlich machen und auch nicht ständig alles besser wissen.

Ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl hilft, in der Familie Werte zu verankern. So könnten wir zum Beispiel sagen „In unserer Familie wird nicht gelogen“, oder „Die Vasquez Familie achtet ihre Freunde“ oder „In unserer Familie wird mit Worten und nicht mit Fäusten gestritten“, um zu verdeutlichen, auf welche Werte wir achten. Um Freude am Geben zu wecken, gehe ich zum Beispiel mit meinen Kindern am Heiligen Abend hinaus, und wir verteilen Decken, Socken, Fausthandschuhe und Jacken an Obdachlose. Und um ihren Gemeinschaftssinn zu fördern, helfen wir bei Spendenaktionen für die Schule an den Verkaufsständen mit. Eigenverantwortung und Selbstbestimmung könnten ebenfalls zum Familienmotto erhoben werden. Es könnte beispielsweise lauten: „Wir sind eine Familie, in der sich die Eltern nicht in den Streit von Geschwistern einmischen“, oder „Wir gehen in unserer Familie davon aus, dass jeder für sich selbst denken kann“, oder „In unserer Familie entscheidet jeder selbst, welche Musik er hört/welche Kleidung er trägt/welche Freunde er aussucht/was er tut.“

Da wir nun wissen, wie wir in der Familie ein Klima der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung schaffen können, wollen wir uns sechs weiteren Erziehungsgrundsätzen zuwenden, die unseren Kindern Hilfestellung geben.

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Kinder zum Nachdenken bringen

Sobald du sagen kannst, was du denkst,

und nicht, was ein anderer für dich gedacht hat,

bist du auf dem Weg, ein bemerkenswerter Mensch zu werden.

– J. M. Barrie

Acht Hilfestellungen zur Selbstbeobachtung

Selbstbestimmte Menschen haben eine entscheidende Fähigkeit. Sie können Selbstgespräche führen und daraus Schlüsse ziehen. Sie schöpfen dazu Erinnerungen aus, die ihre eigenen Erfahrungen und Beobachtungen widerspiegeln. So können sie, bevor sie sich für etwas entscheiden, das Für und Wider möglicher Konsequenzen abwägen. Aufgrund ihres inneren Dialogs brauchen sie daher nicht zwanghaft zu handeln. Statt nur auf äußere Einflüsse zu reagieren, können sie eigenverantwortlich handeln. Das heißt, sie tun das, was sie für richtig halten. Solange wir bei unseren Kindern nicht die Entwicklung ihrer inneren Stimme fördern, werden sie überwiegend auf die Stimmen anderer hören. Wir brauchen uns nur umzuschauen und die Nachrichten anzusehen, um festzustellen, wie rasant es durch blindes Vertrauen abwärts geht.

Ich habe im vorigen Kapitel gezeigt, wodurch wir den inneren Dialog unserer Kinder behindern. Drohungen, Ultimaten, vorgefasste Meinungen, Pauschalurteile, Kritik, Indoktrination, Tadelei, Bevormundung, Überfürsorglichkeit, Geschwätzigkeit, Bestechung, Anflehen, Abmachungen und so weiter geben den Kindern wenig Gelegenheit, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Sie werden durch diese Zwangsmethoden wohl fügsam, aber nicht eigenständig. Betrachten wir nun acht Methoden, durch die wir unseren Kindern Hilfestellung zur Selbstbeobachtung geben können.

1. Fragen stellen

Das Fragenstellen eignet sich zur Anregung des inneren Dialogs sehr. Wenn wir unseren Kindern Fragen stellen, signalisieren wir ihnen damit, dass sie an der Reihe sind. Kinder aus einer um Selbstbestimmung bemühten Familie sind meist zu längeren Überlegungen geneigt. Eine Hilfestellung mag hin und wieder nötig sein, aber nur, wenn sie gar nicht mehr weiter wissen. Natürlich ist auf hässliches Fragen zu verzichten. Sie werden aus der Bahn geworfen, wenn wir ihnen in Fragen unseren Ärger oder unsere Frustration vorwerfen. Wir müssen daher sehr auf einen freundlichen respektvollen Ton achten. Hier ein Beispiel für richtiges Fragenstellen:

Mutter: „Billy, Du sitzt hier allein und spielst nicht mit den anderen. Warum?“

Billy: „Keiner will mit mir spielen!“

Mutter: „Ist irgendetwas vorgefallen?“

Billy: „Ja, Tommy hat gesagt, ich sei ein Spielverderber.“

Mutter: „Warum?“

Billy: „Weil ich beim Verstecken spielen gespitzt habe, als ich mit dem Zählen dran war.“

Mutter: „Wüsstest du, wie ihr euch wieder vertragen könntet?“

Billy: „Keine Ahnung. Er ist sowie ein Idiot. Ich kann ihn überhaupt nicht ausstehen.“

Mutter: „Aber gestern wart ihr noch Freunde. Was ist heute anders?“

Billy: „Er hat mich wie den letzten Trottel behandelt.“

Mutter: „Bist du irgendwie Schuld daran?“

Billy: „Ein bisschen schon. Ich hätte nicht spitzen sollen.“

Mutter: „Was könntest du jetzt tun?“

Billy: „Mich entschuldigen.“

Mutter: „Klingt gut. Probier’s einfach mal.“

Und noch eins.

Vater: „Rachel, du siehst sauer aus. Was ist los?“

Rachel: „Ich hasse meine Lehrerin. Sie hat mich grundlos zum Nachsitzen verdonnert.“

Vater: „Was hat sie gesagt?“

Rachel: „Es war eine Kleinigkeit. Ich hatte wieder mein Mathematikbuch vergessen.“

Vater: „Wozu soll das Nachsitzen sein?“

Rachel: „Es soll die Schüler klüger machen.“

Vater: „Wie sieht es momentan mit deinen Mathenoten aus?“

Rachel: „Ich glaube, sie sind ein bisschen schlechter geworden.“

Vater: „Und sagt dir das etwas?“

Rachel: „Vielleicht sollte ich mir einen Zettel in den Spind kleben, damit ich das nächste Mal nicht schon wieder meine Mathesachen vergesse.“

Vater: „He, das ist eine gute Idee! Das wird bestimmt nützen!“

Beide Male wurden die Kinder zum Nachdenken gebracht. Vergleichen Sie dazu die falsche Art von Fragestellung:

Mutter: „Billy, zieh keinen Flunsch und spiel lieber mit den anderen.“

Billy: „Aber der Tommy hat mich einen Spielverderber genannt.“

Mutter: „Was? Du hast gemogelt? Wie kannst du nur so etwas Dummes tun?“

Billy: „Ich wollte auch einmal gewinnen.“

Mutter: „Den Nachmittag hast du dir wieder einmal gründlich verdorben, nicht wahr?“

Billy: „Hmm.“

Mutter: „Pack deine Sachen, wir fahren sofort heim.“

Hier das zweite Gegenbeispiel:

Vater: „Warum machst du so ein böses Gesicht, mein kleines Fräulein?“

Rachel: „Du wärst auch sauer, wenn du nachsitzen müsstest!“

Vater: „Was! Wie oft glaubst du nachsitzen zu können, bevor sie dich von der Schule werfen?“

Rachel: „Ist doch egal. Ich hasse die Schule sowieso.“

Vater: „Und wie willst du dann deinen Lebensunterhalt verdienen, wenn du keinen Schulabschluss hast?“

Rachel: „Ach, lass mich in Ruhe!“

Was ist hier anders? Der Unterschied besteht zwischen guter Laune und schlechter Laune. Zwischen guter Beziehung und schlechter Beziehung. Und es stehen Kinder, die über ihr Handeln nachdenken, Kindern gegenüber, die auf die Vorwürfe der Eltern reagieren und deren Fehler übernehmen.

2. Kurze Bemerkungen zur Erinnerung

Mit einfachen Anmerkungen können Kinder ebenfalls zum Nachdenken gebracht werden. Zu meinen Lieblingsbemerkungen gehören zum Beispiel Informationen, Beobachtungen und Stichworte.

Hier ein Beispiel für das Informieren:

Mutter: „David, das um den Pool Rennen ist gefährlich.“

David, zu sich: „Hmm. Voriges Jahr ist ein Kind in den leeren Pool gestürzt und hat sich dabei ein Loch im Kopf geholt. Ich habe keine Lust, dass mir das passiert!“

Zum Vergleich:

Mutter: „David, hör auf, um den Pool herum zu rennen!“

David, im Gedanken: „Blöde Meckerliese! Sie soll mich nicht immer wie ein Baby behandeln!“

Ein Beispiel für das Mitteilen einer Beobachtung:

Vater: „Wie ich sehe, bist du noch nicht fertig, und auf der Einladungskarte steht, die Party beginnt um 9 Uhr.

Lizzy, zu sich: „Ach ja! Mann, gut dass er mich erinnert hat. Was, wenn er es auch vergessen hätte? Das nächste Mal trage ich es lieber in meinen Terminkalender ein!“

Zum Vergleich:

Vater: „Weißt du eigentlich, wie viel Uhr es ist? Du kommst zu der Super-Party zu spät! Wenn du nicht in fünf Minuten abfahrbereit bist, kannst du dir einen anderen Chauffeur suchen!“

Lizzy, im Gedanken: „Mann, geht der mir auf die Nerven, wenn er so ist. Außerdem bin ich locker in fünf Minuten fertig. Ich werde Jenny anrufen und fragen, ob sie mich fährt. Zu diesem Monster setze ich mich jedenfalls nicht ins Auto!“

Und ein Beispiel für das Stichwortgeben:

Mutter: „Eliza, der Bus.“

Eliza, zu sich: „Au weh, ich bin viel zu spät dran. Ich frühstücke lieber im Bus, sonst erwische ich ihn nicht mehr. Gott sei Dank hat sie mich erinnert. Wir schreiben doch heute das Diktat. Nächstes Mal stehe ich lieber 15 Minuten früher auf.“

Zum Vergleich:

Mutter: „Eliza, ich höre den Bus um die Ecke kommen. Solltest du ihn verpassen, habe ich absolut keine Lust, dich in die Schule zu fahren!“

Eliza, im Gedanken: „Mein Gott, wie ich sie hasse! Als hätte ich nicht schon genug Stress heute früh. Ist doch ihre Schuld. Hätte sie mich geweckt, als mein Wecker nicht ging.“

Noch einmal, kurze Mitteilungen helfen den Kindern, über ihre Probleme und deren Vermeidbarkeit nachzudenken. Vorwürfe führen dagegen nur zu ebenso vorwurfsvollen unvernünftigen Reaktionen.

3. Kindern auf angemessene Weise die Wahl lassen

Kinder freunden sich mit ihrem inneren Dialog an, wenn wir ihnen Entscheidungsfreiheit geben. Man kann Sally zum Beispiel den Platz im Restaurant aussuchen lassen, oder Tommy die Sets für das Erntedank-Essen. Es gibt natürlich einen kleinen Haken dabei. Wir müssen die Entscheidungen dann auch wirklich akzeptieren! Wenn wir sie rückgängig machen, werden unsere Kinder ihren Entscheidungen im Laufe der Zeit misstrauen. Sie werden sich bei ihren Entschlüssen immer weniger auf sich selbst verlassen und immer mehr darauf, was andere von ihnen erwarten

4. Laut Nachdenken

Unsere Kinder lernen auch durch Beobachten das Nachdenken. Haben Sie jemals laut nachgedacht? Mehr ist hier nicht gemeint. Schauen wir uns ein Beispiel an.

Sie: „Herr Rask ist ziemlich sauer, dass ich nicht pünktlich zur Besprechung kam. Ich weiß, was für einen großen Wert er auf Pünktlichkeit legt. Und ich habe stattdessen mein Kreuzworträtsel zu Ende gelöst! Ich hätte mir denken können, dass es ihn verletzt. Ich glaube, ich werde mich lieber bei ihm entschuldigen. Vielleicht hat er ja zu einem gemeinsamen Lunch Zeit. Wir könnten dann die Punkte seiner Präsentation durchgehen, die ich versäumt habe. Vielleicht kann ich ihm ja bei seinem Projekt weiterhelfen.“

Sicher werden Ihre Kinder sich zunächst wundern, weil sie vor einer unsichtbaren Zuhörerschaft sprechen, aber es ist eine gute Methode, um ihr Gewissen zu wecken und sie Ehrlichkeit sich selbst gegenüber zu lehren. Es regt die Kinder dazu an, über das Geäußerte selbst noch weiter nachzudenken.

5. Probleme durchgehen

Auch indem wir mit unseren Kindern ihre Probleme im Rollenspiel durchgehen, können wir sie zum Nachdenken anregen. Angenommen Johnny wird von einem Klassentyrann gemobbt. Das Rollenspiel könnte dann so verlaufen:

Sie: „Nicht wahr, Chris hat dir in der Schule die letzte Zeit über ganz schön zugesetzt.“

Johnny: „Ja, er schubst mich oft und sagt, ich sähe mit meinen Locken wie ein Mädchen aus.“

Sie: „Spielen wir es doch einmal mit vertauschten Rollen nach. Ich bin du und du spielst Chris. Vielleicht finden wir zusammen eine Lösung.“

Johnny: „Ok. Gewöhnlich sagt er Sachen wie: „He, Lockenkopf, wohin des Wegs? Wohl nach Hause, Puppen spielen, wie?“

Sie als Johnny: „Ich lass mich nicht von dir hänseln. Dich könnte man gut brauchen, wenn du nicht immer so auf den anderen herumhacken würdest.“

Johnny als Chris: „Wer sagt das, Kumpel?“

Sie als Johnny: „Ich. Du kannst super scharfe Bälle werfen. Ich fände dich Klasse in unserem Team. Aber bloße Angeber können wir nicht brauchen.“

Johnny als Chris: „Tut mir leid, Kumpel. Ich hab’s nicht so gemeint. Hand drauf?“

Sie als Johnny: „Okay, aber merk dir eins, keine Hänselei mehr.“

Dieses Rollenspiel hätte natürlich in allen möglichen Richtungen verlaufen und auch ohne Versöhnung enden können. Durch einen gelegentlichen Rollentausch lernt ihr Kind Problemsituationen aus verschiedenen Perspektiven betrachten, was für die Entwicklung eines gesunden Selbstgesprächs sehr wichtig ist.

6. Pro und Kontra abwägen

Wir können unsere Kinder auch dadurch zum Nachdenken und selbständigen Problemlösen anspornen, wenn wir mit ihnen bei anstehenden schwierigen Entscheidungen das Pro und Kontra der jeweiligen Möglichkeiten durchgehen. Schauen wir uns folgende Szene an:

Tim: „Mutti, soll ich nächstes Jahr Fußball oder Baseball spielen?“

Mutter: „Hmm. Das ist schwer zu sagen. Was würde jeweils dafür und was dagegen sprechen?“

Tim: „Wie?“

Mutter: „Na, wo würden die Vorteile und Nachteile jeder Entscheidung liegen.“

Tim: „Ach so. Also im Baseballspielen bin ich wesentlich besser!“

Mutter: „Dann könntest du ja andererseits deine Fußballtechnik verbessern wollen.“

Tim: „Genau. Jimmy spielt auch Fußball. Er ist momentan mein bester Freund.“

Mutter: „Dein Vater wird das Baseballteam trainieren. Ist das ein Pro oder ein Kontra?

Tim: „Auf jeden Fall ein Kontra. Es macht mich nervös, wenn er dauernd um den Weg ist.“

Mutter: „Verstehe. Wann finden die Kurse statt?“

Tim: „Fußball ist gleich nach der Schule, so habe ich eine Pause vor den Hausaufgaben und spar mir eine ganze Fahrt.“

Mutter: „Dafür ist das Training abends angenehmer, weil es nicht mehr so heiß ist.“

Tim: „Stimmt. Aber mir macht die Hitze nichts aus. Ich glaube, ich werde mich für den Fußballkurs entscheiden. Baseball kann warten.“

Ein solches Abwägen kann in mündlicher oder schriftlicher Form geschehen. Für diejenigen, die schon gut schreiben können, hat eine schriftliche Liste den Vorteil, dass sie öfter durchgesehen werden kann, bis man zu einer Entscheidung oder auf eine Lösung gekommen ist.

7. Konsequenzen auflisten

Eine Konsequenzenliste ist einfach eine abgewandelte Pro-und-Kontra-Liste. Die Kinder schreiben die Folgen möglicher Entscheidungen auf, ohne sie nach Vorteilen und Nachteilen zu sortieren. Wenn sich Sarah zum Beispiel den Kopf darüber zermartert, ob sie sich als Schülerlotsin anmelden soll oder nicht, könnte ihre Konsequenzenliste schließlich so aussehen:

Ich müsste eine halbe Stunde früher aufstehen.

Ich bekäme von Freunden und Lehrern Anerkennung.

Ich dürfte kleinere Kinder über die Straße führen.

Ich würde neun Wochen lang nach der Schule nicht mehr in die Schachgruppe können.

Ich dürfte das coole Abzeichen tragen.

Ich würde dann nächstes Jahr vielleicht zur Schülersprecherin gewählt werden.

Ich könnte mich im Zeiteinteilen üben.

Ich könnte nicht mehr mit Jenny früh im Bus fahren.

Ich könnte meine Umgangsformen üben.

Nach der Diskussion oder dem Durchlesen der Liste dürfte Sandra die Entscheidung wahrscheinlich leichter fallen. Und mit der Zeit würde sie in der Lage sein, diesen Vorgang in ein automatisch und blitzschnelles Selbstgespräch zu verwandeln.

8. Lob und Belohnungen so einsetzen, dass sie mehr die Eigenverantwortung fördern als die Anpassung

Lob und Anerkennung sind als Erziehungsmethode sehr umstritten, weil damit nicht nur Gutes bewirkt, sondern auch sehr viel Schaden angerichtet werden kann.

Damit Kinder Selbstbestimmung lernen, dürfen wir ihnen nicht zu viele Anreize geben, ihr Verhalten nur an Lob und Anerkennung auszurichten, was bedeutet, dass sie sich äußeren Vorgaben anpassen. Eine Fünfzehnjährige brachte es auf den Punkt: „Manchmal tue ich etwas nur wegen einer Belohnung, für ein Geschenk oder so. Ich wüsste überhaupt nicht, weshalb ich es sonst tun sollte.“ Wir müssen also Formen des Lobens wählen, die das Selbstwertgefühl in unseren Kindern nähren. Sehen wir uns also einige Formen des Lobens an und fragen, warum sie entweder gut oder schlecht sind.

Loben Sie Kinder nicht wegen ihrer Pokale, Medaillien, Urkunden, gewonnenen Spiele oder guten Noten. Dies sind Äußerlichkeiten. Bewundernde Äußerungen wie „Du bist große Klasse. Lauter Einser im Zeugnis!“ lenken ihre Aufmerksamkeit mehr auf ihr Gewinner/Verlierer Muster (Außenorientierung) als auf ihre erbrachte Leistung (Innenorientierung).

Loben Sie Kinder wegen ihrer Leistungen, die zu solchen Pokalen, Medaillien, gewonnenen Spielen oder guten Noten geführt haben. Anerkennende Worte wie „Diese Einser zeigen, dass du sehr fleißig warst. Du kannst stolz auf deine Leistung sein“ veranlassen das Kind, über seine Leistung nachzudenken, so dass es zwischen seiner Anstrengung und dem Ergebnis einen Zusammenhang erkennen lernt.

Loben Sie ein Kind nicht als Person: „Du bist so ein gutes Mädchen.“ Dies ist eine Beurteilung des Selbstwerts. Der Selbstwert sollte niemals von außen beurteilt werden, auch nicht von den Eltern. Das haben unsere Kinder ganz allein zu entscheiden, für welche Art Menschen sie sich halten.

Loben Sie stattdessen das Verhalten, indem sie sagen: „Du spielst sehr nett mit deinen Freundinnen.“ Das motiviert Kinder über etwas nachzudenken, das ganz bei ihnen liegt – ihre Handlungen.

Loben Sie nicht pauschal. Pauschale Anerkennungen haben etwas sehr Einseitiges an sich, weil sie, offen gestanden, nur Meinungen wiedergeben. Und wir wollen sicherlich nicht, dass unsere Kinder ihr Verhalten an Meinungen ausrichten, die von Autoritätspersonen stammen. Die folgenden Beispiele illustrieren diese Art von leerem Lob.

„Super, dass die Blätter zusammen geharkt sind.“

„He, das ist ein tolles Bild, das du da malst.“

„Was für eine schöne Karte du da gezeichnet hast!“

Sie sehen, dass diese Art zu loben den Kindern keine andere Möglichkeit lässt, als richtig und falsch in Beziehung zu äußerer Anerkennung zu bestimmen. So werden sie schließlich von den Meinungen anderer abhängig. Selbst die Bemerkung „Ich bin so stolz auf dich“ kann einem Kind dieselbe Botschaft vermitteln, deshalb sage ich stattdessen lieber „Ich wette, du bist stolz auf dich.“

Außerdem sind Kinder oft geneigt, sofort das Gegenteil zu denken, wenn sie ein Pauschallob erhalten. Nehmen wir an, ein Elternteil sagt: „Billy, du bist so ordentlich!“ Ich möchte wetten, dass Billy sich als erstes an Zeiten rückerinnert, in denen er schlampig und nachlässig war. Wenn ein Elternteil sagt: „Jane, du bist so ein gutes Mädchen“, wird sie wahrscheinlich als erstes denken, wie schlimm sie sich letzte Woche verhalten hat. Sie könnte sogar denken: „Nein, das bin ich nicht! Ich bin ein böses Kind. Entweder willst du bloß nett zu mir sein, oder ich habe dich glatt beim Schwindeln erwischt!“ Kurz, diese Art von Lob lässt Kinder oft an vergangene Fehler denken.

Loben Sie Kinder auf individuelle Weise. So kann man zum Beispiel unparteiische Beobachtungen mitteilen, wie die folgenden:

„Hui, schau wie viele Blätter du im Garten zusammen geharkt hast! Zehn Säcke! Das ist viel Arbeit gewesen!“

„Wie ich sehe hast du deine Hausaufgaben bereits gemacht und es ist erst sechs Uhr! Du hast deine Mathematikaufgaben alle ganz allein gelöst!“

„Sicher hast du für diese Landkarte viele Farben gebraucht und schau nur, an wie viele Bezeichnungen du gedacht hast – Flüsse, Berge, Städte. Toll!“

Gut ist auch, wenn man den Nutzen guter Entscheidungen beschreibt:

„Du hast deine Hausaufgaben so schnell erledigt, dass du jetzt zwei Stunden länger spielen kannst.“

Lobt man in Form von genauen Beschreibungen, werden die Kinder darin unterstützt, auf ihr eigenes Urteil zu vertrauen, statt auf sich auf die Meinungen und Urteile anderer zu verlassen. Die Kinder lernen folglich zu entscheiden, ob ihre Handlungen ihre eigene Anerkennung wert sind. Um Selbstbestimmt zu sein, müssen Kinder schließlich ihre Größe selbst erkennen.

Regen Sie mit Ihrem Lob Kinder zur Introspektion und zum Eigenlob an, indem sie etwa sagen „Sicher bist du stolz auf dich.“ Auch diese Methode unterstützt Kinder darin, sich durch Nachdenken über ihre Handlungen selbst einzuschätzen. So bekommen sie ein Gefühl für ihre Fähigkeiten und Leistungen, was ihnen wiederum dabei hilft, ihre Identität zu bestimmen.

Loben Sie Kinder so, dass sie es mithören. Während sie so tun, als wüssten sie nicht, dass ihr Kind zuhört, sagen sie etwa: „Erik ist geschickt im Zusammenbauen, ich frage ihn einmal“ oder „Hast du gemerkt, wie freundlich Michelle die letzte Zeit war?“ Diese Art von Lob ist äußerst wirksam, weil das Kind davon ausgeht, dass wir es ernst meinen und nichts damit bezwecken wollen. Ich zähle das mitzuhörende Lob zu den beiden wichtigsten Methoden in der Erziehung selbstbestimmter Kinder. Die andere Methode ist, echte Hilfe zu erbitten.

Loben sie auf stille Weise durch Nicken, Winken, „Daumen hoch“ Halten, Lächeln und Schulterklopfen. Wenn Eltern Gesten statt Worte gebrauchen, zieht das Lob oft mehr, weil es echter und deshalb glaubhafter wirkt. Es ermutigt Kinder zudem, über ihr lobenswertes Verhalten nachzudenken.

Loben Sie nicht auf übermäßige und unkritische Weise. Kinder, die jahrelang solcher Lobhudelei ausgesetzt sind, lernen nicht, sich realistisch einzuschätzen. Sie erfahren Hilflosigkeit, weil sie über die Fähigkeiten und Talente, die ihnen zugeschrieben werden, in Wirklichkeit oft gar nicht oder nur in sehr geringem Ausmaß verfügen. Wenn diese Kinder sich dann in der Welt bewähren müssen, wird ihnen schmerzhaft bewusst, dass sie in vieler Hinsicht gar nicht so außergewöhnlich sind, wie ihnen weisgemacht wurde. Der eingeredete Größenwahn hat ihnen vielmehr geschadet, weil er sie daran hinderte, sich effektiv auf diesen Gebieten zu verbessern.

Diese Erkenntnis ruft ein Minderwertigkeitsgefühl hervor, das Gegenteil dessen, was mit dem Lob beabsichtigt war. Ich begegne dieser Lobhudelei oft in Grundschulen. Dort wird so viel Wert auf äußere Bewunderung gelegt. Die Kinder werden in ihrem Selbstwertgefühl gehätschelt und mit Pauschallob überhäuft in Form von Stickern, Lehrerkommentaren und so weiter. In der Mittelschule folgt dann das bittere Erwachen, wenn es plötzlich nicht mehr nur um eitel Sonnenschein, sondern um echte Leistungen geht. Für Elfjährige ein Schock.

Loben Sie nicht aus künstlicher Begeisterung heraus. Kinder übernehmen dieses Getue, das sie vom sinnvollen Nachdenken abhält. Eine Interviewte sagte: „Ich finde es schrecklich, wie manche Erwachsene mit Kindern reden, sie wie Babys behandeln und sie mit überzogenem Lob überschütten. Sie tun gerade so, als wären sie geistig völlig zurückgeblieben.“

Fassen wir zusammen. Lob sollte die Aufmerksamkeit der Kinder auf ihr eigenes Verhalten lenken, so dass sie zu einer eigenen Einschätzung ihrer Leistung kommen, statt sich von Urteilen anderer abhängig zu machen. Kinder, die durch Lob auf sich selbst verwiesen werden, beginnen darüber nachzudenken, was sie in der Vergangenheit getan haben, welche Konsequenzen sich daraus ergaben und was sie zukünftig tun wollen. Es ist diese Selbstbesinnung, die einen selbstbestimmten Menschen auszeichnet – und nach der nicht nur unsere Kinder, sonder wir alle streben sollten.

Sollen Kinder für Folgsamkeit belohnt werden? Ich bin gegen jede Art von Belohnungssystem, das Kinder zu einem gewünschten Verhalten bringen soll. Belohnungen stellen einen äußeren Einfluss dar, der unsere Kinder davon abhält, aus vernünftigen Gründen zu handeln. Zum Beispiel sollten Kinder ohne Belohnung im Haushalt mithelfen, weil sich das für Familienmitglieder gehört. Und schließlich gehören sie zur Familie. Bekommen Kinder für Hausarbeit Geld, fördert das die Käuflichkeit. Andererseits bin ich dafür, dass Kinder ein angemessenes Taschengeld erhalten, und zwar aus dem Grund, weil sie sich als Familienmitglieder am finanziellen Erfolg mit erfreuen sollen. Werden Kinder für ihre guten Noten belohnt, bestärkt sie das in dem Glauben, dass es auf die Noten ankommt und nicht auf das für das Leben Gelernte. Noten sind etwas Äußerliches. Kinder sollten sich in der Schule anstrengen, weil das Lernen für ihre Entwicklung und ihr Wohlergehen wichtig ist und persönlich lohnt.

Ich bin auch nicht dafür, dass Kinder für gutes Betragen belohnt werden, aber darauf gehen wir weiter hinten im Kapitel über Strafen noch genauer ein. Sie sollten stattdessen negative Konsequenzen für ihr schlechtes und positive Konsequenzen für ihr gutes Benehmen zu spüren bekommen. Wenn Sie die Zeit und Geduld haben, für ihre Kinder eine Benimmliste mit bestimmten Zielen zu erstellen, ist das in Ordnung. Aber sie sollte den Kindern nur dabei helfen, ihre Fortschritte zu überprüfen. Ihnen sollte keine andere Belohnung winken, als ihre Befriedigung, sich gemäß dem eigenem moralischen Kode verhalten zu haben. Wir können Kinder auf zwei akzeptable Arten belohnen. Einmal durch ermutigende Worte, wenn sie das Richtige tun. Wenn Tommy zum Beispiel unaufgefordert den Mülleimer hinausträgt, könnten wir etwa sagen: „Nanu, du wirst ja groß! Ist dir klar, dass ich dich nicht daran erinnern musste, dass du den Müll raus bringen sollst? Das ist eine echte Hilfe gewesen!“ Bemerkungen wie diese motivieren Kinder, ihre Handlungen selbst zu bewerten. Die zweite Möglichkeit besteht im Gewähren positiver, logischer Folgen. Wenn Brianna zum Beispiel schnell mit ihren Hausaufgaben fertig ist, kann sie länger draußen mit ihren Freundinnen spielen. Das lässt sie ebenfalls über ihre Handlungen nachdenken. Sie sagt sich dann vielleicht: „Toll! Weil ich mit meinen Hausaufgaben so schnell fertig wurde, habe ich jetzt mehr Zeit zum Spielen! Das werde ich jetzt jeden Tag versuchen!“ Andere Arten des Belohnens sind nur Bestechungen. Es sind Verlockungszwänge, die unsere Kinder zu gedankenlosen Marionetten machen.

Aus Gedankenlosigkeit herausführen

Es gibt nur eine Sache, die schlimmer ist, als sich nur nach den äußeren Umständen zu richten, und das ist, wenn man sich dem Selbstbetrug ergibt und jener schlechten Triade der Entschuldigungen, Rechtfertigungen und Rationalisierungen folgt. Warum geben sich die Menschen diesen selbstzerstörerischen Verhaltensweisen hin? Manchmal halten sie die Wahrheit für zu schmerzhaft. Manchmal haben sie Angst vor Tadel oder Schande. Immer geht es um den gefürchteten Verlust des Ansehens. Sie glauben, dass sie nicht mehr geliebt werden, wenn sie etwas zugeben würden, auf das sie nicht hundertprozentig stolz sind. Sie haben Angst, sie könnten sich nicht mehr lieben, wenn sie etwas Unsympathisches an sich entdecken. Und wenn sie sich selbst nicht lieben, warum sollte es dann jemand anderes tun?

Es gibt Möglichkeiten, unseren Kindern den vernünftigen Weg der Aufrichtigkeit zu ebnen.

Aus Gedankenlosigkeit heraushelfen

Wenn unsere Kinder mit Entschuldigungen kommen oder unaufrichtig sind, übergehen wir das oft. Wir wollen ihre Schwächen nicht wahr haben, sie nicht verletzen, nicht an unsere eigenen Fehler erinnert werden oder uns das Trara ersparen, das auf die Bloßstellung folgt. Aber es ist im Interesse der Kinder, sie wissen zu lassen, dass wir ihnen auf die Schliche kommen. Hier ein Beispiel:

Danny: „Frau Müller ist richtig gemein. Sie hat uns Unmengen Hausaufgaben aufgegeben. Ich werde sie auf keinen Fall machen!“ (Selbsttäuschung)

Mutter: „Frau Huber sagt, Hal muss für eine Sozialkundeex morgen lernen. Ihr seid doch in derselben Klasse. Und wenn ich mich recht erinnere, kannst du dieses Fach nicht besonders leiden. Hat es vielleicht damit zu tun?“

Danny: „Hmm, vielleicht. Mir ist jetzt noch peinlich, dass ich die vorige Ex verhaut habe. Könntest du mich nicht für Morgen krank schreiben? Nur dieses eine Mal, bitte, damit ich mich besser auf die Arbeit vorbereiten kann.“

Mutter: „Moment mal, soweit ich meine Sozialkundelektion verstanden habe, ist jeder für sein Tun selbst verantwortlich. Du bist klug genug, zu wissen, was Lernen oder Nichtlernen bedeutet. Ich für meinen Teil habe nicht die Absicht, für dich zu lügen. Auf diese Tour falle ich nicht herein, und ich möchte auch nicht, dass du dir etwas vormachst, lass dir das gesagt sein. Wie wär’s, wenn ich mit dir die Schwerpunkte durchgehe?“

Danny: „Du könntest mich ja die Aufgaben abfragen, die am Ende jedes Kapitels stehen!“

Und noch ein zweites:

Debbie: „Jessica ist die längste Zeit meine Freundin gewesen. Sie ist so eine Oberlangweilerin.“ (Selbsttäuschung)

Vater: „Ihr Mädchen wart letztes Wochenende praktisch unzertrennlich. Sag, was ist zwischen euch beiden vorgefallen?“

Debbie: „Ich bin wirklich sauer auf sie. Sie hat Jannika erzählt, dass ich sie nicht zu meiner Geburtstagsparty einladen werde!“

Vater: „Ist das wahr?“

Debbie: „Ja, schon, aber sie hätte nicht hingehen und es ausplaudern müssen. Jedenfalls werden wir uns nicht mehr sehen, weil sie völlig andere Schulkurse belegt hat als ich.“ (Rechtfertigung)

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