Sternenkarte

Tekst
Loe katkendit
Märgi loetuks
Kuidas lugeda raamatut pärast ostmist
Sternenkarte
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Sternenkarte

Fabienne Gschwind

Vorwort

"Sternekarten" ist die deutsche Übersetzung des englischsprachigen Romans "Star Map" von Fabienne Gschwind.

Was in den letzten 400 Jahren geschah 7

Über die Raumfahrt 12

Das Kartographie-Raumschiff 16

Die Mission 18

Die Crew 20

Leben auf der Abhysal 36

Die Abhysal 44

Subraum Gefahren 48

Der Vortex 51

Da ist jemand 57

Die Squeltrem 61

Was tun mit Aliens? 75

Erster Arbeitstag 81

Die Prototyp-Bojen 86

Eigenarten der Chrismaxen 90

Die Deadline rückt näher 95

Echte Mitglieder 100

Religion 109

Erster Sonntag 113

Weltraumpiraten 122

Baltrak 127

Neue Freunde 134

Ein Neues Zuhause 138

Notfall 146

Feierlichkeiten 155

Morchens Problem 158

Zehn Wochen 162

Lex und Morchen 166

Abrackern bis zur letzten Sekunde 172

Die Attacke 179

Die Antwort 186

Die Plünderung 194

Noch mehr Plünderung 201

Jay’s Beförderung 205

Wer bekommt die Macht? 212

Mit Vollgas in den Abyss 220

Simon wird erwachsen 227

Der Tod 230

Jays Rückkehr 234

Urlaub auf dem Planeten 241

Galaktischer Spaziergang 247

Kapitän eines Schlachtkreuzers 254

Wo ist Jay? 257

Heilige Scheiße 262

Pläne schmieden 265

Simon und Kiki 271

Milos Prototypschiff 275

Erstes Epilog 276

Vier Jahre später 280

Unterwegs 286

Archaner und Tollaner 290

Der zerstörte Planet 292

Plumpsklo Alien 296

Außerhalb der Galaxie 298

Begegnung 303

Katz und Maus 305

Kiki und Simon, schon wieder 313

Wie bitte? 317

Der Leuchtturm 322

Lagerraum 13A-6Z 325

Streustrahlung 328

Die Squeltrems 332

Vorbereitungen und neue Waffen 336

Verteidigung vorbereiten 342

Planet im Subraum 345

Pause 353

Schuften bis zum Schluss 357

Der Anfang vom Ende 360

Die Schlacht 363

Drohnensammlung Aktion 368

Weg 371

Ende 372

Letzter Epilog 376

Was in den letzten 400 Jahren geschah

Der Beginn der überlichtschnellen Raumfahrt wird auf die Mitte des 21. Jahrhunderts datiert. Alles begann mit verbrannten Schokoladenmuffins:

Es war in einer kleinen Wohnung, die sich zwei Junior-Physikprofessoren teilten. Marinella Fregara war eine Expertin für dunkle Materie. Marie-Louise Häberli war eine Theoretikerin und Verfechterin der Quanten-String-Theorie mit ihren zehn gekrümmten und gebogenen Dimensionen.

An einem Sonntagmorgen im Jahr 2044 war Marinella in der Küche und füllte Muffinteig in ein Muffin-Backblech, während Marie-Louise den Küchentisch in Beschlag genommen hatte und an einem Förderantrag schrieb. Sobald die Muffins im Ofen waren, begannen die beiden Professorinnen eine wissenschaftliche Diskussion über dunkle Materie und gekrümmte Dimensionen. Erst als der beißende Geruch aus dem Ofen kam, beendeten die Damen die Diskussion und begaben sich eilig auf Muffin-Rettungsmission.

Die verbrannten Muffins wurden schnell aus dem Ofen geholt, und Marie-Louise begann aufgeregt zu gestikulieren, zeigte auf den verbrannten Teig und sagte angeblich: "Das ist genau das, was ich zu erklären versuche; dunkle Materie ist nichts anderes als verkokkelte dimensionale Raumzeit!"

So begann die Subraumforschung.

Es dauerte sechs Monate, um die neue Theorie zu berechnen und zu veröffentlichen, und weitere fünf Jahre, um den experimentellen Beweis zu erbringen. Unmittelbar danach folgte der Nobelpreis. Ja, es war gelungen, den Zugang zu einer gekrümmten Dimension zu öffnen.

Genau wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Entdeckung der Quantenphysik eröffnet die neue Häberlin-Ferrara-Dimension tausende neuer Möglichkeiten. Der Subraum - wie die gekrümmte Dimension umgangssprachlich genannt wurde - ermöglichte nicht nur überlichtschnelles Reisen, sondern eröffnete auch neue Möglichkeiten der Energiegewinnung und der Medizin. Doch dazu später mehr.

Für die Menschheit war es in den ersten zehn Jahren nach der Entdeckung des Subraums alles nur eine Physiker Spielerei, ohne wirkliche Auswirkungen auf das Leben. Aber die erste "Reise" durch den Subraum mit einem Roboterraumschiff war dennoch eine Sensation. Trotz tobender Religionskriege und dem Kampf um Ressourcen verfolgten eine Milliarde Menschen dieses Spektakel in Echtzeit. Da es viel einfacher war, Subraumspalten im Weltraum zu öffnen, fand das Experiment im geostationären Orbit statt. Und dann der Moment, der die Geschichte der Menschheit tiefgreifend veränderte:

In der ersten Subraumspalte entdeckte das Roboterschiff ein außerirdisches Raumschiff!

Das riesige Raumschiff wurde aus der Subraumspalte herausgezogen und auf die Erde gebracht.

Es war mehrere Kilometer lang und bestand aus einer unbekannten Praseodym-Gadolinium-Legierung. Das Schiff war nur noch ein leerer Rohbau, aber die Halterungen für die riesigen Kanonen waren noch deutlich sichtbar.

Natürlich waren die "Fake News"-Schreier und die Verschwörungstheoretiker sofort zur Stelle, die behaupteten, dass dies alles eine von einigen Regierungen erfundene Verschwörungstheorie sei.

Aber jeder konnte zu dem Schiff pilgern und einen Blick darauf werfen.

Die größten Skeptiker verstummten innerhalb von Sekunden. Das Raumschiff war so unmenschlich, dass kein Zweifel blieb: Es konnte nur außerirdisch sein.

Aber wie alt war es?

Die Datierung ergab Werte zwischen 10 und 40000 Jahren. Extrapolationen ergaben, dass es genug Waffenpotenzial hatte, um die Erde in Schlamm zu verwandeln. Und die Legierung war so dicht, dass keine menschlichen Waffen dem Schiff etwas anhaben könnten. Nicht einmal eine Zar-Bombe würde mehr als einen Lackschaden anrichten.

Ein Grauen erfasste die Menschheit: Ja, es gab Außerirdische, und wenn sie es böse meinten, waren die Menschen dem Untergang geweiht!

Plötzlich spielten Religionen, Hautfarben, Politik und alles andere keine Rolle mehr. Sie alle waren nur noch verletzliche Menschen auf einem einzigen Planeten.

Friedensverträge wurden in Rekordzeit unterzeichnet und alle rückten zusammen. Geld und egoistisches Getue waren unwichtig. Billionen wurden ausgegeben.

Fünfzig Jahre später sah die Welt ganz anders aus. Elektrizität war billiger als je zuvor - sie war sogar kostenlos. Er wurde von zwei riesigen Phalanxen erzeugt, die sich um die Erdumlaufbahn bewegten und wie riesige Dynamos Strom direkt aus dem Magnetfeld der Erde zogen. Der elektrische Strom wurde durch Subraumtunnel direkt zur Erde geleitet. Strom war im Überfluss vorhanden, und auch Süßwasser konnte durch die Subraum-Pipeline leicht auf der Erde verteilt werden. Da der ganze Strom irgendwie genutzt werden musste, wurde Meerwasser verdampft, um Süßwasser zu erzeugen. Energieverschwendung war ein Muss, um die Schaltkreise vor Überhitzung zu schützen.

Die größte Auswirkung auf den Einzelnen hatte jedoch nicht so sehr die neu aufkeimende Raumfahrt und der kostenlose Strom, sondern der Gehirnscan. Basierend auf der Subraum-Wissenschaft ermöglichte diese neue Technologie zum ersten Mal, das menschliche Gehirn auf neuronaler Ebene zu scannen und zu verstehen.

Endlich konnten Ärzte feststellen, wo Depressionen und viele andere psychische Erkrankungen ihren Ursprung haben. Nun war es möglich, gezielte Therapien zu entwickeln. Depressionen, Schizophrenie und viele andere Krankheiten gehörten der Vergangenheit an.

Doch wie bei fast allen Technologien gab es auch hier eine Kehrseite. Der Hirnscanner war wie der ultimative Lügendetektor, man konnte fast Gedanken lesen und auch alle möglichen Veranlagungen erkennen. Pädophile oder Psychopathen wurden aus dem Verkehr gezogen, bevor sie überhaupt ein Verbrechen begehen konnten. Alle Arten von Verbrechen konnten leicht geahndet werden: zehn Minuten im Gehirnscan und man wusste, wer welches Verbrechen begangen hatte oder plante, dies zu tun. Terroristen und andere Rebellen konnten verhaftet werden, während sie gerade ein Verbrechen planten. Ebenso wurde es zur Gewohnheit, dass sich wichtige Politiker in der Öffentlichkeit einem Gehirnscan unterziehen mussten, schließlich musste man beweisen, dass man ein reines Gewissen hatte und nur das Beste für das Volk wollte.

Das 22. bis 23. Jahrhundert war das friedlichste, das die Menschheit je erlebt hatte. Der Gang zum Hirnscan war eine regelmäßige Routine und half, junge Menschen in die richtigen Berufe zu lenken sowie Probleme und Krankheiten rechtzeitig zu erkennen.

Die Fehlerquote, also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unschuldiger fälschlicherweise verurteilt wurde, war extrem gering. Und die fünf Personen pro Jahr, die fälschlicherweise verurteilt wurden, hatten es sehr schwer, zu beweisen, dass der Scanner falsch lag. In diesem Sinne war der Gehirnscan eine hochgeschätzte Methode. Nebenbei wurde eine Raumschiff Flotte geschaffen, um die Erde vor Gefahren zu schützen. Doch während der nächsten 350 Jahre wurden keine Aliens gesichtet. Erst am Ende des 24. Jahrhunderts, während des großen Angriffs, tauchten sie für ein paar Stunden auf...

Über die Raumfahrt

Raumfahrt im Subraum ist eine komplizierte Angelegenheit. Der menschliche Verstand kann sich eine gekrümmte Dimension nicht vorstellen, und man kann sie mit keinem menschlichen Sinn sehen, fühlen oder erfassen. Es gab Raumschiffe, die mit Fenstern ausgestattet waren, man konnte wirklich nichts sehen... wirklich nichts, gar nichts. Und wenn man zu lange hinausstarrt, wird einem einfach schlecht.

 

Die Subraumschiffe brauchen eine riesige Batterie von Sensoren, um den Subraum darzustellen. Um ihn für den menschlichen Verstand irgendwie verständlich zu machen, wurden die vielen Einsen und Nullen in eine Art Seekarte umgewandelt. Subraum-Raumfahrt verwendete Begriffe aus der Seefahrt. Es gab Strömungen, Riffe, Wellen, Gezeiten, Sandbänke, Buchten und vieles mehr. Tatsächlich war die Subraumfahrt eher wie Segeln, denn auch 400 Jahre nach der Entdeckung des Subraums hatten die Schiffe keinen aktiven Antrieb. Der Tauchgenerator diente dazu, das Schiff in den Subraum zu bringen, wo es Strömungen und Winde finden musste, um sich fortzubewegen.

Im Subraum wurden drei Zonen unterschieden: Erstens, das "Oberflächenwasser". Hier war der Raum nur leicht gekrümmt und es gab keine Strömungen oder andere Gefahren. Aber ohne Antrieb stand man in dieser Zone still und niemand hatte Interesse daran, sich dort aufzuhalten. Sollte irgendwann ein Antriebssystem entwickelt werden, wäre auch diese Zone wenig interessant, denn hier war der Raum nur leicht gekrümmt und man konnte nicht so schnell reisen, wie wenn man tiefer im Subraum wäre. Zweitens wurde die unterste Zone Abyss genannt, genau wie im Meer. Aber auch hier gab es keinen Wind, nur mit Antrieb wäre es hier interessant: Hunderte von Lichtjahren wären in wenigen Minuten durchquerbar. Aber auch diese Zone blieb den Menschen verschlossen, und sie mussten sich vorerst mit dem Meso-Subraum begnügen. Der Teil des Subraums, in dem es Winde und Strömungen gab, die man nutzen konnte, der aber auch voller Gefahren war...

Wie funktioniert also das Reisen im Subraum?

Im Wesentlichen brauchte man zunächst ein Kartierungsschiff. Dieses Schiff kartierte den Subraum mit seinen extrem empfindlichen Sensoren. Dann wurde eine nautische Karte erstellt und ein sicherer Kurs zu einem sicheren Ort berechnet. Die nächsten Tage oder Wochen verbrachte man damit, zu diesem sicheren Ort zu driften. Durch vorsichtiges Auftauchen im Normalraum stellte die Besatzung fest, wo sie sich nun befand, und beide Karten wurden übereinandergelegt.

"Auftauchen" klingt sehr einfach, aber es war viel komplizierter als das Auftauchen mit einem U-Boot. Viele Dinge mussten beachtet werden: Man durfte nicht zu nahe an einem Himmelskörper auftauchen, sonst könnte man direkt in ihm materialisieren. Aber zum Glück konnte man massenreiche Objekte auch aus dem Subraum sehen. Wollte man zu einem Planeten gelangen, musste die Bahnmechanik beachtet werden, damit man richtig in der Umlaufbahn eines Planeten ankam und der Planet einem nicht davonflog. In diesem Fall konnte man immer noch die Sublichtantriebe benutzen, aber das war energieaufwendig. Und es war sehr wichtig, dass man beim Auftauchen nach oben schaute und nicht z.B. von unten in eine Treibsandbank krachte. Subraumtauchen war also eine komplizierte Disziplin, und man musste jahrelang studiert haben, bevor man ans Ruder gelassen wurde.

Die Subraumkartographen legten dann ein paar Funkboyen aus und machten sich dann an die Kartierung des nächsten Abschnitts. Danach wurde alles einfacher: Sogenannte Straßenbauschiffe nutzten die Karten und bestimmten, wo es am besten war, "Straßen zu legen", also die Routen mit Funkbojen zu bestücken. Die nachfolgenden Schiffe brauchten nichts mehr zu berechnen, sie konnten einfach den vorgegebenen Routen folgen. Was also eine Kartografie-Crew Jahre an Arbeit kostete, wurde später innerhalb von Tagen oder Wochen überbrückt.

Eigentlich wäre die Kartographie eine perfekte Aufgabe für die fortgeschrittene künstliche Intelligenz, die es im 24. Jahrhundert gab. Doch autonome Subraumschiffe hatten überdurchschnittlich viele Unfälle und verschwanden auf Nimmerwiedersehen im Subraum. Niemand wusste wirklich, warum dies geschah, und es gab alle möglichen Hypothesen. Aber das half nicht weiter: Es blieb also nichts anderes übrig, als menschliche Besatzungen auf jahrelange Reisen zu schicken.

Nach fünfzig Jahren Subraumreisen konnten vier Planeten kolonisiert werden, und endlich konnte die Erde von der extremen Überbevölkerung befreit werden. Nach und nach folgten weitere Kolonien. Doch trotz intensiver Suche wurde keine weitere handelswillige außerirdische Rasse entdeckt. Die Menschen entdeckten auf einem eisbedeckten Planeten etwas, das wie Ruinen einer Zivilisation aussah, mit einer übermäßigen Menge an Metallschrott in seiner Umlaufbahn. Aber die Zivilisation war wahrscheinlich schon vor 20000 Jahren ausgestorben. Auf einem anderen Planeten vermutete man ebenfalls Intelligenz in Form von Riesenkraken, aber sie schienen keine Technologie zu besitzen.

Die einzige Zivilisation, die man fand, waren die Tollaner. Sie hatten eine blühende Zivilisation, und ihre Umlaufbahn war mit High-Tech-Satelliten gefüllt. Es dauerte zwölf Jahre, um Kontakt aufzunehmen, da die Tollaner alle Kommunikationsversuche ignorierten. Selbst Entdecker, die auf den Planeten streiften, wurden ignoriert. Erst nach zwölf Jahren ein Durchbruch; die Tollaner schickten eine Nachricht an das Beobachtungsschiff. Eigentlich war es eine Software, die in wenigen Sekunden die menschliche Sprache erlernte und folgende Botschaft übersetzte: "Wir haben euch gesehen, aber wir sind nicht daran interessiert, mit euch zu kommunizieren."

Also ließen die Menschen die Tollaner in Ruhe und kehrten mit dem einzigen bekannten Stück außerirdischer Technologie zurück: dieser Super-Übersetzungssoftware, die von da an alle Sprachprobleme löste.

Das war in kurzen Worten, was in den letzten 400 Jahren geschah.

Das Kartographie-Raumschiff

Captain Jay Shakleton saß in seinem Kommandosessel auf der Brücke des Kartografie-Raumschiffs Abhysal. Nun, eigentlich war es keine richtige Brücke, sondern nur ein Büro mit vielen Bildschirmen, und Jay war offiziell kein Captain. Das Raumschiff der Kartografie-Firma StarMap Ltd. hatte keine militärische Struktur und Jay war nur "Schiffsmanager".

Jay klickte sich gelangweilt durch die neuesten Kartographiekarten und schaute auf die Bildschirme, um zu sehen, was die anderen taten.

Die Besatzung bestand aus fünf Personen. Neben Jay gab es noch die Schiffsmechanikerin Almamira Malhotra, die sich um die Subraumtauchgeneratoren und die komplizierte Sensortechnik kümmerte. Ihr Spitzname war kurz Joe, und niemand wusste wirklich, warum. Nicolai Sweroltzki war der Ingenieur, Hausmeister, MacGyver und Allrounder. Er war ein Subraum-Veteran und sein Spitzname war Nemo, benannt nach dem Kapitän der Nautilus aus dem Roman von Jules Verne.

Der Subraum-Astrophysiker hieß Milo Aaron, und als Naturgenie mit einer sehr seltenen Begabung konnte er den Subraum intuitiv erfassen. Milo war einfach Milo; Spitznamen interessierten ihn nicht. Die letzte war die KI-Expertin Lexaly Park, sie hatte ein Datenimplantat und konnte direkt mit der künstlichen Intelligenz der Abhysal kommunizieren. Ihr Spitzname war Lex und die künstliche Intelligenz wurde Kiki genannt.

Die Abhysal wurde außerdem von weit über 100 anderen Robotern bevölkert, die sich um alles Mögliche kümmerten, von der Pflege der hydroponischen Gärten über die Wartung der Frischluftsysteme bis hin zur Inspektion des Schiffsrumpfs oder sogar als Sparringspartner für Jay.

In der Tat hätte das Schiff völlig automatisch fliegen können. Die Besatzung war nur da, um im Notfall einzugreifen und zu überprüfen, ob Kiki ordnungsgemäß funktionierte.

Die Mission

Alle hatten sich an die Langeweile gewöhnt. Schließlich war es für niemanden die erste Kartierungsreise. Die Abhysal war das beste und teuerste Subraumkartierungsschiff, das je gebaut wurde. Man sagte, dass sie noch einen drei Lichtjahre entfernten außerirdischen Furz hören konnte, so genau waren ihre Sensoren. Dieses Wunderwerk der Sensortechnik war für die längste Mission aller Zeiten gebaut worden. Die Abhysal durchbrach letzte Woche die Marke von 45'000 Lichtjahren. Die Crew war somit die Menschen, die am weitesten von der Erde entfernt waren.

Typischerweise dauerten Kartierungsmissionen 10 bis 15 Jahre, und die Besatzung erhielt eine beträchtliche Rente, so dass sie ihren Ruhestand genießen konnte, ohne jemals wieder arbeiten zu müssen.

Es gab keine richtige Ausbildung, um ein Subraumkartograph zu werden; jeder war ein Quereinsteiger, von Physikern, Informatikern, Technikern, Ingenieuren, Piloten, sogar Köche, Friseure oder Opernsänger konnte man auf den Schiffen finden.

Die Ausbildung war einfach: zwei Jahre auf einem Trainingskartierungsschiff verbringen und dann für 10 bis 15 Jahre auf einer echten Mission anheuern. Gehirnscans zeigten, ob die Kandidaten mit der Isolation umgehen konnten, und jeder wurde psychologisch betreut. Doch wer den zweijährigen Trainingsflug überlebte, wusste selbst, ob er für weitere zehn oder fünfzehn Jahre Isolation geschaffen war.

Im Grunde bedeutete dies, dass Star Map händeringend nach Personal suchte.

Für die Abhysal-Mission war es noch schwieriger; auf einem so teuren Schiff konnten keine Neulinge eingesetzt werden, nur erfahrene Kartographen. So kam es, dass jedes Mitglied der Abhysal-Besatzung einen ganz besonderen Grund hatte, sich nach einer bereits abgeschlossenen ersten Mission für mindestens 20 weitere Jahre zu verpflichten. So lange sollte die Reise dauern. Die Abhysal selbst hatte genug Energie und Ersatzteile, um ein halbes Jahrhundert durchzuhalten. Wasser und Nahrung waren kein Problem, und es hing alleine von der Stimmung der Besatzung ab, wie lange die Mission dauern würde. Tatsächlich befanden sie sich jetzt im 14. Jahr, und niemand in dieser speziellen Crew schien an einer Rückkehr interessiert zu sein.

Die Crew

Was für Leute waren also an Bord?

An Bord von Kartierungsschiffen war die Vergangenheit der Besatzungsmitglieder unwichtig, und niemand würde jemals den anderen bitten, sie preiszugeben, wenn er oder sie es nicht wollte. Aber Jays Geschichte war allgemein bekannt.

Sein richtiger Name war Johann Jeremias Joshua Shakler. Seine Eltern waren wohlmeinend gewesen und hatten ihm viele biblische Namen gegeben. Aber schon als Kind wusste Jay genau, was er werden wollte: ein Mitglied der Hades-Truppe. Die Hades-Truppe war seit dem 23. Jahrhundert ein spezielles Militärkommando. Es gab keine normale Armee mehr auf der Erde, aber wenn es eine Invasion oder einen anderen Angriff auf die Erde geben sollte, wurden gut ausgerüstete und gut vorbereitete Soldaten benötigt. Und die Hades-Truppe war eine solche Einsatztruppe.

Jay wurde magisch von allem angezogen, was mit Militär zu tun hatte. Er las Überlebensbücher wie andere Kinder Comic-Hefte und besuchte schon früh Kampfsportkurse. Mit sechzehn bewarb er sich für den Hades-Aufnahmetest, aber noch bevor er den Fitnesstest absolvieren konnte, wurde er einem Gehirnscan unterzogen. Der Scan ergab, dass Jay überhaupt nicht geeignet war, ein Soldat zu sein. Er hatte angeblich einen Minderwertigkeitskomplex und befolgte nur ungern Befehle, sondern befahl lieber selbst.

Auch bei der Polizei wurde er abgelehnt. Der muskulöse Mann, der aussah und sich bewegte wie ein echter Berufssoldat und sein halbes Leben damit verbrachte, Kampfsportarten zu trainieren, um Teil eines Killerkommandos zu sein, passte nicht in das Berufsbild des modernen Polizisten.

Doch die Berufspsychologin, die Jay besuchte, rettete seine Karriere; sie schlug ihm vor, Bergretter zu werden. Schließlich gab es genug Touristen, die tagein, tagaus ihren Hals in den Bergen riskierten. Und in so einem Beruf braucht man starke und mutige Menschen. Jay ließ sich zunächst zum Krankenpfleger und Sanitäter ausbilden und flog kurz darauf seine ersten Bergeinsätze mit dem Hubschrauber. Nach zwei Jahren erhielt er eine Einladung, auf einem Subraum-Ambulanzschiff zu helfen.

Der Subraum war auch für normale Menschen zugänglich, und abenteuerlustige Menschen, die beim normalen Segeln oder Bergsteigen keinen Adrenalinstoß bekommen konnten, schlossen sich schließlich Subraumrennen an. Natürlich gab es auch unzählige Luxusyachten und private Raumschiffe. Rettungsmissionen waren an der Tagesordnung. Jay durfte für 10 Minuten auf dem Pilotensitz sitzen und den Rettungsraumschiff steuern. Es war ein Moment, der sein Leben veränderte. Jetzt wusste er endlich, was er werden wollte: Subraumpilot! Er kündigte seinen Job und setzte seine Ausbildung fort. Mit der Pilotenbrille, die ihm die kartografische Karte zeigte, und dem Joystick in der Hand, fühlte er sich wie ein Abenteurer. Er schien ein Naturtalent dafür zu haben, das Ambulanzschiff in die perfekte Strömung zu bringen und ein verunglücktes Schiff schnell anzuvisieren.

 

Im Alter von 25 Jahren wurde er zum Subraumpiloten des Jahres ernannt.

Zwei Wochen nach der Auszeichnung änderte sich sein Leben, wie das vieler anderer auch. Es war das Jahr 2390, als plötzlich ein außerirdisches Raumschiff aus dem Subraum auftauchte, etwa in der Höhe des Mars. Es raste an der Umlaufbahn des Mondes vorbei und stürzte in den Ozean in der Nähe der Philippinen. Dann tauchte es auf und aktivierte seine Waffen, eine Art diffuse Mikrowellenstrahlung, die die Hirnmasse der Menschen zum Kochen brachte. Das außerirdische Schiff feuerte alle seine Waffen ab, mehrere tausend Menschen starben und viele weitere überlebten mit Hirnschäden. Nach drei Wasserstoffbomben wurde der Angriff schließlich zum Schweigen gebracht.

Tagelang herrschte völliges Chaos, und die eingemottete Raumflotte wurde eilig hervorgeholt. Aus Kostengründen waren die Piloten und Offiziere der Flotte jedoch nie mit den Kampfraumschiffen geflogen, sondern hatten nur in einer Simulationsumgebung gearbeitet.

Dabei muss erwähnt werden, dass die Simulationsumgebungen so real wie möglich waren. Die 3D-Exoskelette der Auszubildenden simulierten genau alle Bewegungen und Berührungen, leichte Hirnstimulationen trugen dazu bei, dass die Auszubildenden fast glaubten, es sei real, aber eben nur fast.

In der Zwischenzeit waren zwei weitere außerirdische Raumschiffe aufgetaucht, die Kurs auf die Erde nahmen.

Die Zeit drängte!

Die Flotte suchte schnell nach den erfahrensten Piloten, um ihre Schiffe zu bemannen. So fand sich Jay plötzlich als Chefpilot an Bord des Flaggschiffs wieder. Er, der nie für eine militärische Karriere in Frage gekommen war.

Er war so glücklich, dass ihn selbst ein Kampf mit einem außerirdischen Raumschiff nicht erschreckte. Er war voller Adrenalin und konnte es kaum erwarten, zu kämpfen und die Erde zu beschützen. Der Kampf dauerte nicht lange, denn die außerirdischen Schiffe beschleunigten plötzlich und waren früher als geplant in der Erdumlaufbahn. Die Schlacht war ein einziges Chaos.

Die Aliens aktivierten ihre Waffen und zwei Zerstörerbesatzungen starben, als ihre Gehirne explodierten. Jays Schiff wurde teilweise getroffen und die halbe Crew starb. Jay selbst hatte eine Hirnblutung erlitten, er klammerte sich an seinen Stuhl und in seinem Wahn dachte er, er sei der Kapitän und müsse das Alien-Schiff aufhalten. Aus seiner Sicht war alles klar, trotz der Schmerzen kroch er zur Konsole des Waffenoffiziers und wollte die Raketen abfeuern. Aber das Schiff weigerte sich; jemand hatte es gehackt. Dann griff ihn jemand an, aber Jay war ein Kampfsportexperte. Mit zwei Tritten brachte er den Angreifer zu Boden und tippte weiter auf der Konsole, bis er endlich die Raketen abfeuern konnte. Auf dem Bildschirm sah er, wie das außerirdische Raumschiff in einem Feuerball explodierte. Dann wurde er ohnmächtig.

Erst als er nach sechs Monaten aus dem künstlichen Koma erwachte, erfuhr er, was wirklich geschehen war. Die außerirdischen Raumschiffe hatten ihren Angriff sofort abgebrochen, als ein anderer Zerstörer auf sie feuerte. Sofort tauchten sie in den Subraum ab und flohen.

Die Aktion von Jay fand nur 30 Minuten nach dem Angriff statt. Auf den Kameraaufnahmen war ein schwankender Jay zu sehen, der durch die Brücke lief und den anderen Verwundeten befahl, sofort auf das fremde Schiff zu feuern. Als niemand reagierte, manipulierte er die Waffenkonsole, zielte aber nicht auf das fremde Schiff, sondern auf die Phalanx, die gerade Energie erzeugte. Die junge Waffenoffizierin erkannte dies und versuchte, ihn aufzuhalten. Jay brach ihr mit einem Tritt das Genick. Dann gelang es ihm, die Sicherheitsmechanismen des Schiffes außer Kraft zu setzen und die Raketen abzufeuern.

Dabei halbierte er die Energieversorgung der Erde.

Die Preise stiegen dramatisch, es gab überall Engpässe, bis schließlich die Ersatz-Fusionskraftwerke ans Netz gingen.

Johann Jeremias Shakler wurde überall verflucht, nur die Flotte hielt sich zurück. Tatsächlich hatte ein Schlupfloch in der Software dafür gesorgt, dass Jay überhaupt erst Zugang bekam. Er wurde auch nicht des Mordes angeklagt; die Waffenoffizierin hatte eine schwere Hirnblutung erlitten und wäre laut Pathologen ohnehin gestorben.

Der Gipfel der Ironie war jedoch, als sich herausstellte, dass es sich bei den außerirdischen Waffen nicht um Waffen, sondern um einen Funkspruch handelte.

Der Funkspruch lautete in etwa so: "Wir kommen in Frieden, wir sind friedliche Entdecker. Wir wollen euch nichts Böses, wir wollen nur unsere Latrinen leeren und unsere Wassertanks füllen."

Also, die Erde wäre nur eine kosmische Toilette gewesen...

Und so bekamen die Aliens ihren Spitznamen: Klohaus-Aliens!

Jonathan wurde von der Flotte von allen Schuld freigesprochen. Aber das half ihm nicht. Er spürte, dass die ganze Menschheit ihn hasste. Auch das Ändern seines Namens half nicht. Ständige Schmähnachrichten füllten sein Telefon, und seine Familie wandte sich ab und zog weg. Er versuchte, sich umzubringen, aber nicht ernsthaft genug. Er wollte nicht wirklich sterben! Und dann wurde ihm die Lösung angeboten: Er heuerte bei StarMap Ltd. an. Dort war ein Subraumpilot immer willkommen, und man bot ihm die Position des "Kapitäns" an, oder in diesem Fall des Schiffsmanagers.

Dies war die Gelegenheit, der Menschheit und ihrer Ungerechtigkeit zu entkommen.

Als er nach der ersten zehnjährigen Mission zurückkehrte, verspürte er kein Bedürfnis, sich irgendwo niederzulassen und meldete sich sofort für die Mission mit der Abhysal an.

Für Milo gab es keine besonders tragische Geschichte. Milo hatte eine seltene Krankheit; in früheren Jahrhunderten hätte man sie vielleicht fälschlicherweise als Savant-Syndrom eingestuft. Aber mit der modernen Medizin und dem Gehirnscan war nun viel mehr bekannt: Milos Gehirn war auf den Subraum ausgerichtet. Er spürte alle Schwingungen und Impulse. Leider hatte auch die moderne Medizin keine Lösung parat, um ihn zu heilen, aber das war auch nicht nötig. Weder seine Eltern noch die Gesellschaft sahen es als notwendig an, dass Menschen einem sozialen Schema folgen sollten. Er besuchte eine Sonderschule, wo er besonders gefördert wurde. Alles wurde getan, damit Milo seine Talente und Vorlieben ausleben und ein erfülltes Leben haben konnte. Das Wichtigste für Milo war der Subraum. Zusätzlich zu seiner Fähigkeit, den Subraum zu spüren, hatte er auch eine geniale mathematische und physikalische Begabung, und noch vor seinem zwanzigsten Lebensjahr war Milo ein weltbekannter Subraumexperte geworden. Spezielle Pflegeroboter halfen ihm im täglichen Leben, weil er es nicht selbst tun konnte, er hatte auch Schwierigkeiten, sich auf andere Menschen einzulassen. Der Umgang mit vielen Menschen irritierte ihn, machte ihn wütend und unkonzentriert. Er zog es vor, allein oder in einer Familienstruktur zu leben. Da er sich magisch zum Subraum hingezogen fühlte, war es eine natürliche Entscheidung gewesen, bei StarMap zu arbeiten, und der Umgang mit einer kleinen Crew, die fast wie seine Familie war, war für ihn auch absolut ideal. Seine Arbeitsbedingungen waren einfach: Er musste die Befehle des Schiffsmanagers bedingungslos befolgen und das Raumschiff mit künstlicher Intelligenz so sicher wie möglich durch den Subraum navigieren. Im Gegenzug durfte er so viel freie Zeit für seine Forschungen nutzen, wie er wollte, und auch auf alle Sensordaten zugreifen. Natürlich durfte er seine Entdeckungen auch veröffentlichen.

Von seiner ersten zehnjährigen Mission brachte er tausende Seiten bahnbrechende Subraumbeobachtungen mit und auch eine neue Theorie zur Berechnung der Diskontinuität in mehrdimensionaler Form. Er wurde zum Popstar unter den Subraumphysikern und tourte mit seiner Familie durch die vereinigten Planeten, hielt Vorträge und veröffentlichte seine Erkenntnisse. Dabei entdeckte er auch, dass er sein Wissen gerne weitergab. Aber leider waren seine Vorträge völlig chaotisch und alles andere als organisiert. Er schrieb Formeln auf die altmodische Kreidetafel und begann oft zu stottern, so dass ihn niemand verstand. Daher waren seine Vorlesungen meist schlecht besucht, und die wissenschaftliche Gemeinschaft konzentrierte sich hauptsächlich auf seine schriftlichen Arbeiten. Milo hätte sich gut vorstellen können, an einer Universität zu lehren und zu forschen. Aber niemand wollte diesem unorganisierten Genie einen Lehrstuhl anbieten. Das machte Milo sehr traurig, und das Zusammenleben mit vielen Menschen machte ihn reizbar und er konnte sich kaum konzentrieren. Also fragte er StarMap, ob er wieder an einer Mission teilnehmen könnte. StarMap war natürlich sehr begeistert, denn in zwei Jahren würde die große Abhysal-Mission beginnen. Um ihn bis dahin bei Laune zu halten, bekam er ein Büro und eine kleine Wohnung im StarMap-Hauptquartier und durfte alle Subraum-Rohdaten durcharbeiten, die von den Kartierungsschiffen gesammelt wurden.