Seewölfe - Piraten der Weltmeere 247

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 247
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

ISBN: 978-3-95439-583-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1.

Den Ärger gab es eigentlich nur aufgrund eines Mißverständnisses, eines kleinen navigatorischen Fehlers wegen. Aber dieser Fehler im verwirrenden Vorfeld Ägyptens konnte jedem unterlaufen, auch einem Philip Hasard Killigrew, der Seewolf genannt.

Von dem Feluken-Händler Ibrahim, der mit richtigem Namen Ali Abdel Rasul hieß, wußte Hasard, daß der mächtige Nil im Delta viele Arme hatte. Man konnte in Rashid hineinsegeln oder in El Iskandariya, aber es gab auf ihrem Kurs noch einen kürzeren Weg, und das war Damietta, Dumyat genannt, in der Nähe der ägyptischen Stadt Bûr Sa’id gelegen.

Für den Seewolf stand damit die Route zu den geheimnisvollen Gräbern und riesigen Bauwerken fest: die „Isabella VIII.“ würde bei Damietta in das Nildelta segeln.

An jenem kühlen Januarmorgen im Jahre 1592 inspizierte der Waffen- und Stückmeister Al Conroy die Pulverkammer der „Isabella“.

Es war eine reine Pflichtübung, eine Sache, die zur Routine geworden war. Pulver wurde kontrolliert, ob es nicht feucht geworden war. Die Flaschenbomben wurden überprüft, und was der Dinge mehr waren.

Brach hier einmal durch eine Verkettung unglückseliger Umstände ein Feuer aus, dann würde sich der stolze ranke Rahsegler in des Teufels Höllenbombe verwandeln, und alle Seewölfe würden den gemischten Chor der Englein singen hören – oder das Schwefelgebrüll des Teufels, je nachdem, wie sie in ihrem Leben gesündigt hatten. Der Profos Edwin Carberry behauptete zwar, daß keins der Rübenschweine in den Genuß der himmlischen Chöre gelangen würde, aber so sicher war das auch nicht, denn im Grunde genommen hielten sich die meisten für fromme Pilger.

Der stämmige, schwarzhaarige Stückmeister mit den braunen Augen hatte seine Kontrolle fast abgeschlossen, als sein Blick auf die kleinen Fäßchen fiel, die Ibrahim, dessen wahren Namen an Bord niemand kannte, ihnen verkauft hatte.

In den Fäßchen befand sich „Griechisches Feuer“, eine Mixtur, die ein gewisser Kallinikus aus Heliopolis in Syrien erfunden hatte.

Conroy und der Schiffszimmermann Ferris Tucker, der sich ebenfalls in der Pulverkammer aufhielt, wußten, aus was das Zeug bestand, nämlich aus Pech, Schwefel, Naphta, Holzkohle und etwas ungebranntem Kalk. Das alles zusammen gab zwar noch kein Griechisches Feuer, dazu bedurfte es einer weiteren Ingredienz. Aber diese Zusammensetzung war geheim, und sie befand sich in einem anderen Fäßchen. Erst das alles zusammengemixt ergab die Höllenmischung, die schon durch die Berührung mit Wasser aufloderte.

Conroy kontrollierte auch diese Fässer sorgfältig, während Ferris Tucker am Schott lehnte und laut gähnte.

Dann sah er es in Als dunkelbraunen Augen plötzlich aufleuchten, und die Lippen des Stückmeisters verkniffen sich leicht.

„Ist was?“ fragte Ferris.

Al starrte nochmals in die Fäßchen. Dann sah er Ferris an und hob die Schultern.

„Von dem Zeug fehlt was, Ferris. Mindestens ein paar Hände voll.“

„Weiß ich“, sagte Ferris gelangweilt. „Und du solltest es auch wissen. Wir haben doch versucht, aus dem Zeug neue Brandsätze herzustellen.“

„Das weiß ich ja alles“, brummte Al gereizt. „Aber nach unseren Versuchen fehlt noch mal was. Ich weiß ganz genau, wieviel in den Fässern drin war.“

„Glaubst du etwa, einer von uns klaut das Zeug?“

„Glaubst du denn an den Weihnachtsmann?“ fragte Al zurück.

„Seit er mir letzten Monat nichts gebracht hat, glaube ich an den Kerl sowieso nicht mehr. Vielleicht hast du dich geirrt, Al.“

„Nein, da fehlen ein paar Hände voll“, beharrte Al Conroy.

Etwas später glaubte es auch Ferris Tucker, denn der Stückmeister war gewissenhaft und genau, was die Pulverkammer, Kanonen, Musketen und Munition betraf. Da verließ er sich nie auf andere, sondern immer auf sich selbst.

Alle beide rätselten herum, aber es gab an Bord niemanden, der aus der Pulverkammer oder dem danebenliegenden Magazin Pulver oder Griechisches Feuer klaute.

Wer sollte damit schon etwas anfangen?

Schließlich, nach langer Diskussion, waren sich Ferris Tucker und Al Conroy darüber einig, daß das Zeug durch die Stampf- und Schlingerbewegungen des Schiffes etwas gesackt sei. Eine Art Schwund sozusagen, wie Ferris sich ausdrückte.

An Bord war es allgemein üblich, daß der Kutscher morgens mühsam und in aller Herrgottsfrühe das Holzkohlenfeuer entzündete. Bis es im Kombüsenherd dann richtig brannte, dauerte es eine Weile, und bis genügend Glut da war, dauerte es noch länger.

Dann stand der Kutscher müde, verpennt und fluchend vor dem Herd und blies mit dem Blasebalg hinein.

Aber seit einiger Zeit hatten diese Arbeit Hasards Söhne übernommen, und so konnte der geplagte Kutscher eine halbe Stunde länger schlafen.

Aber etwas war ihm bei der ganzen Sache nicht geheuer. Die beiden Kerle zauberten das Feuer fast aus dem Ärmel. Womit er sich elend lange plagte, das schafften die Burschen in einem atemberaubenden Tempo. Verdammt, er kannte doch alle Tricks und Raffinessen, aber gegen Philip und Hasard war er direkt lahm.

Einerseits freute er sich darüber, andererseits wurmte es ihn, daß sie ihn dabei mühelos ausstachen, denn wenn er in der Kombüse erschien, dann glühten schon die Herdplatten, das Wasser kochte, und die Glut schien bereits stundenlang zu lohen.

„Wie kriegt ihr das bloß immer so verdammt schnell hin?“ fragte er.

Die cleveren Bürschchen, jetzt ins zwölfte Lebensjahr gehend, grinsten überlegen.

„Kleine Holzspäne, etwas Zündkraut, ganz wenig zerriebene Holzkohle und ein paar Funken. Dann pusten wir alle beide in die Glut. Das ist eigentlich schon alles“, erklärte Hasard junior.

„Ja, und wir lassen die Feuertür auf, damit es Durchzug gibt“, setzte Philip hinzu.

„Aha“, sagte der Kutscher und kratzte sich nachdenklich das Kinn. Und dieses „Aha“ zog er ziemlich lang.

So ähnlich verfuhr der Kutscher auch, aber trotzdem dauerte es bei ihm wesentlich länger. Und als er den beiden Lümmeln in die Augen sah, entdeckte er wieder mal alle Harmlosigkeit dieser Welt darin, was ein untrügliches Zeichen dafür war, daß sie ihn beschummelten. Denn auch mit den Holzspänen war das so eine Sache, denn die waren zur Mangelware geworden und lagen nicht ständig überall herum.

Der Kutscher, ein Mann, der gern allen Geheimnissen gründlich nachging, sprach etwas später mit Ferris Tucker darüber, als die „Isabella“ auf Westkurs ging und bei nördlichem Wind über Backbordbug segelte.

„Hast du Holzspäne für die Kombüse übrig?“ fragte er.

Der breitschultrige Zimmermann schüttelte den Kopf.

„Nee, Kutscher. Benutz mal schön eine Lunte und blase damit die Glut an. Das dauert zwar ein bißchen, aber du kannst ja noch ein wenig Zündkraut dazu nehmen. Ich kann doch wegen dir nicht ständig die ‚Isabella‘ abholzen oder dauernd Reserveplanken zersägen. Oder soll ich dir vielleicht die Großrah zerkleinern?“

„War nur ’ne Frage“, sagte der Kutscher. „Ich dachte nur, denn die Zwillinge holen bei dir immer Holzabfall, weil sie das Feuer so schnell in Gang kriegen.“

„Haben sie dir das gesagt?“

„Allerdings.“

„Dann haben sie dich angeflunkert.“

„Und aus welchem Grund?“

„Frag sie doch!“ riet Ferris.

„Deine Logik ist wieder mal bestechend“, murmelte der Kutscher, ehe er verschwand.

Ferris Tucker war nun ebenfalls ein gründlicher Mann, der gern tüftelte, nachdachte und Überlegungen anstellte, und so sah er dem Kutscher gedankenvoll nach, als der in der Kombüse verschwand.

Feuer so schnell in Gang kriegen? überlegte Ferris. Angeblich Holzspäne holen? Von wegen, da steckte etwas anderes dahinter, und das wollte er gern herausfinden, denn schon jetzt beschlich ihn so eine leise Ahnung.

Er ließ sich jedoch nichts anmerken und ging weiter seiner Arbeit nach.

Die „Isabella“ befand sich jetzt vor einer Küste, die riesige bergige Buchten aufwies. Kahle Berge waren zu sehen, und genau in Westrichtung erschien wieder Land.

„Das sieht nach einer Halbinsel oder einer sehr langen Landzunge aus“, sagte Hasard, durch das Spektiv blickend. „Aber in diesem Einschnitt kann auch einer der Nilarme liegen.“

„Bleiben wir auf Kurs, Sir?“ fragte der blonde Schwede Stenmark, der jetzt am Ruder stand.

Hasard gab noch keine Antwort. Er blickte zu Batuti hoch. Der riesige Gambianeger stand im Großmars als Ausguck, hatte seine mächtigen Arme auf die Segeltuchverspannung gelegt und blickte starr geradeaus in Kursrichtung.

 

„Was siehst du, Batuti?“ rief Hasard.

„Langes Zunge, Sir. Totbucht, fast zehn Meilen lang.“

„Keinen Fluß in der Bucht?“

„Nix Fluß sehen, Sir. Wasser zu Ende. Müssen großes Zunge runden. Aber Batuti auch sehen kluges Delphin wieder, Sir!“

„Kurs Nordwest vorerst!“ befahl Hasard. Und zu Ben Brighton gewandt: „Sag dem Profos, er soll anbrassen. Batuti sieht das viel deutlicher als wir.“

Aber Ben brauchte dem Profos nichts zu sagen. Carberry hatte längst begriffen. Er spürte so etwas, und außerdem sah er es meist an Hasards Daumen, ob der nach Backbord oder Steuerbord zeigte.

Während Carberry die Seewölfe gleich wieder durch laute Motzereien auf Trab brachte und das Deck mit Rübenschweinen und lahmarschigen Kanalratten geradezu überschwemmt wurde, kümmerten sich Hasard und Dan um „kluges Delphin“, wie Batuti gesagt hatte.

Kluges Delphin war ein Fühlungshalter, der raffinierteste, den die „Isabella“ jemals im Kielwasser hängen hatte. Dieses Tier war von dem Händler Ibrahim abgerichtet worden, und es erwies sich als sehr klug und geschickt.

Aber Dan O’Flynn hatte den tierischen Fühlungshalter anhand von Berechnungen überlistet und ausgetrickst, und so wußten sie immer genau, wo die Feluke des gerissenen Händlers stand.

Daß Ibrahim etwas mit der „Isabella“ vorhatte, war ihnen allen klar. Sie wußten nur noch nicht, wie das ablaufen sollte. Aber dem geriebenen Schlitzohr war alles zuzutrauen, der hatte irgendwo in weiter Ferne einen Braten gerochen, der Duftspur folgte er nun getreulich, und der abgerichtete Delphin wies ihm den Weg.

In den letzten Tagen hatten sie den Delphin allerdings nicht mehr gesehen, denn die Ereignisse mit dem etwas reichlich merkwürdigen Kreuzritter und Pilger Hubertus Leone hatten sie den Delphin fast vergessen lassen.

Jetzt war er wieder da, als zöge die „Isabella“ eine Duftspur durch das Wasser, und als er an dem Rumpf vorbeiglitt, sprang er aus dem Wasser und stieß wieder seine merkwürdigen, keckernden Töne aus, als wolle er die Seewölfe begrüßen.

Dieses Keckern, Keffern und Schnattern löste auf der „Isabella“ jedesmal Heiterkeit und brüllendes Gelächter aus.

Genaugenommen war das Tier ihr Feind, denn es verriet ständig ihre Position, aber niemand konnte ihm böse sein, denn es wurde von dem listigen Händler eingesetzt und hatte nicht die geringste Ahnung, welchem unheiligen Zweck es diente.

Jetzt klang das Keckem wieder laut aus dem Wasser, als der Delphin übermütige Sprünge vollführte, und schon war an Bord der Teufel los.

Auf den Schimpansen Arwenack wirkte das wie ein rotes Tuch, und auch der Aracanga Sir John regte sich jedesmal mächtig auf.

Sir John flatterte kreischend von einer Rah zur anderen und plusterte sein Gefieder auf.

„Affenarsch!“ krächzte er laut und gellend. Dann folgte ein entnervendes Gezeter, er schlug mit den Flügeln, segelte in langgestrecktem Bogen aufs Meer hinaus, ließ vor Aufregung etwas fallen und gab die netten Wörter alle von sich, die er dem Profos abgelauscht hatte.

Der fröhliche Delphin wurde mit „lausiger Hurenbock“, „Mistkrücke“, und „Stinkfisch“ tituliert, und er keckerte fröhlich zurück, als auch Sir John noch wesentlich unanständiger wurde. Keifend und zeternd flog er dem immer wieder hoch aus dem Wasser schnellenden Delphin nach, und als er Wasserspritzer abkriegte, hätte das fast seinen Absturz ins Meer bedeutet.

Dazu erfolgte das Kreischen von Arwenack, der von vorn nach achtern über den Handlauf des Schanzkleides raste, sein Gebiß bleckte, in die Wanten flitzte und sich wie verrückt benahm.

„Ogottogott“, sagte Smoky auf dem Vordeck, und hielt sich den Bauch vor Lachen. „Das ist ja schlimmer als in einem dieser Wanderzirkusse. Ist denn hier alles verrückt geworden?“

Auch der Seewolf lachte, er konnte sich diesem merkwürdigen Schauspiel nicht entziehen. Da flitzten, flogen und schwammen anscheinend drei total verrückte Tiere um die Wette und benahmen sich wie eine Horde Irrer.

Länger als sonst umkreiste der Delphin das Schiff, schien die Seewölfe anzugrinsen und zog dann wieder ins Meer hinaus.

„Offenbar hat ihn unser neuer Kurs verwirrt“, meinte Dan. „Ich bin sicher, daß er bald wieder erscheint.“

Mit dem Spektiv verfolgte er seine Bahn, aber das währte nur ein paar Minuten, dann ging das Tier auf Tiefe und wurde vorerst nicht mehr gesehen.

„Er hat fast Nordostkurs drauf“, sagte Dan. „Das bedeutet also, daß die Feluke unserem Kurs beharrlich gefolgt ist. Und dem alten Gauner ist auch unser Ziel bekannt. Ich halte jede Wette, daß er Kurs auf Dumyat nimmt, denn ganz sicher wird er sich sagen, daß wir dort den Fluß hinaufsegeln. Nur schade, daß man nicht weiß, ob der Delphin auf dem Kurs bleibt.“

„Dumyat müssen wir bald erreichen“, sagte Hasard. „Das Delta dieses Flusses kann nicht mehr weit entfernt sein.“

Es war aber doch noch ein wenig weiter entfernt, als Hasard annahm, und dieser kleine Irrtum brachte schließlich den Ärger.

2.

In der folgenden Nacht richtete es Ferris Tucker so ein, daß seine Wache gegen vier Uhr morgens endete.

Es fiel auch keinem auf, daß er in der Kombüse verschwand und sich dort in der angrenzenden Proviantlast versteckte.

Das Schott ließ er leicht angelehnt und klemmte etwas dazwischen, damit es nicht von allein zufallen konnte. Sobald in der Kombüse Licht entzündet wurde, konnte er alles überblicken, aber noch herrschte totale Finsternis.

Der Schiffszimmermann übte sich in Geduld, hockte sich zwischen Mehlund Maissäcken auf die Planken und lehnte sein breites Kreuz an das Schott.

Eine halbe Stunde später glaste es vom Achterdeck, und die Sanduhr wurde umgedreht.

Kurz danach quietschte das Kombüsenschott, und die Zwillinge betraten des Kutschers Heiligtum. Sie hatten eine blakende Lampe aus dem Quartier dabei und hängten sie an den Wandhaken.

Alle beide gähnten laut, und Hasard lehnte sich an den kalten Herd. Dann griffen sie nach den Hühnereiern, die der Kutscher einem der ambulanten Händler abgekauft hatte. Mit dem Fingernagel klopften sie die Eier auf und schlürften sie genußvoll aus. Die Schalen zerdrückten sie und schoben sie in den Abfallkübel.

Ferris sah grinsend zu, und wenn er weit in die Vergangenheit zurückdachte, mußte er sich eingestehen, daß er als kleiner rothaariger Bengel der gleichen Prozedur gehuldigt hatte, als er in den Hühnerstall geschlichen war und sich mit Genuß über die verhinderten Hühner hergemacht hatte.

Nur hatte sein Alter dafür kein Verständnis aufgebracht und ihn so lange vermöbelt, bis ihm die Dotter wieder aus dem Hals liefen.

Soweit ist ja alles in Ordnung, dachte er, auch daß die beiden Lümmel sich Rosinen griffen und Speckscheiben absäbelten.

Nur was dann folgte, ließ ihm die roten Haare fast senkrecht zu Berge stehen.

Philip räumte die Asche aus dem Herd, und Hasard schüttete neue Holzkohle auf. In die Mitte der aufgeschichteten Holzkohle wühlte er eine kleine Grube. Dann lehnte er sich an den Herd und bohrte mit seinen schwarzen Fingern in der Nase.

„Mensch, steck das endlich an“, drängte Philip, „sonst ist gleich der Kutscher da und merkt was.“

Hasard junior ließ sich jedoch nicht stören.

„Bißchen Zeit haben wir noch“, sagte er, bequemte sich dann aber doch, sein Tun aufzugeben. Er verschwand vom Herd, ging zum Schapp und wühlte in der Tiefe darin herum. Mit einem kleinen Leinenbeutel in der Hand tauchte er wieder auf.

Aus dem Leinenbeutel nahm er eine viertel Handvoll körnigen Pulvers, das er in die Mulde schüttete. Darüber häufte er Holzkohle und ließ den Beutel wieder verschwinden.

Dann hörte Ferris, wie die beiden sich ungeniert unterhielten.

„Was meinst du“, sagte Hasard junior, „was der Kutscher wieder für rote Ohren kriegt, wenn das Feuer schon brennt. Hast du dir mal sein ratloses Gesicht angesehen? Da blickt der nicht durch, auch wenn er noch so gescheit ist.“

„Nee, das ist für ihn ein Wunder“, sagte Philip grinsend. „Aber so geht es am schnellsten.“

Ferris wollte schon aufspringen, für den Fall, daß etwas passierte, aber er ließ es dann doch. Er befand sich ja in unmittelbarer Nähe und konnte sofort eingreifen. So völlig sicher war er sich seiner Sache auch jetzt noch nicht, doch er glaubte zu wissen, was hier vor sich ging. Es paßte alles wunderbar zusammen.

Er beobachtete weiter und hörte, wie sie über den Kutscher lästerten, weil der einfach nicht begriff, wie man so schnell ein Feuer entzünden konnte.

Dann griff Hasard zur Schöpfkelle, goß ein paar Tropfen Wasser in die Mulde zwischen der Holzkohle und zog seinen Kopf zurück.

Bläuliches Feuer zuckte auf, als das Gemisch mit Wasser in Berührung kam. Innerhalb von wenigen Augenblicken fraß sich das Teufelszeug in die Holzkohle und ließ sie blutrot erglühen. Noch keine halbe Minute war vergangen, als sich die Herdplatte unter der hellen Glut rötlich färbte.

Deshalb also fehlen ein paar Hände voll Griechisches Feuer, dachte Ferris.

„Ich glaube, wir haben ein bißchen zuviel genommen“, sagte Philip besorgt und schielte auf den Herd, dem jetzt ungeheure Hitze entströmte.

„Das glaube ich auch“, sagte Ferris Tucker und trat aus dem Schott.

Die beiden zuckten zusammen und drehten sich wie Kistenteufelchen angstvoll um.

„Oh, oh, Mi – Mister Tucker“, stammelte Hasard entgeistert.

„Ihr seid wohl nicht mehr ganz bei Trost, was?“ sagte Ferris grimmig. „Wißt ihr überhaupt, was ihr damit anrichten könnt? Unser Schiff kann abbrennen wie ein Brander und in die Luft fliegen. Und die Männer kann es alle das Leben kosten. Ihr spielt mit dem gefährlichsten Zeug, das wir überhaupt jemals an Bord hatten, ihr verdammten Läuseknakker.“

Ferris’ Augen blitzten die beiden ärgerlich und vorwurfsvoll an, und die versuchten auch erst gar nicht, sich reinzuwaschen.

„Wir haben uns wirklich nichts dabei gedacht, Mister Tucker“, sagte Hasard reumütig. „Wir wollten nur, daß es schneller geht, weil man immer so lange zum Feueranzünden braucht.“

„Ein paar Funken davon genügen, um hier alles in Brand zu setzen“, sagte Ferris erbittert. „Das Zeug ist mit Wasser nicht zu löschen, und es brennt verdammt lange. Ihr müßt nicht nur immer an eure Bequemlichkeit denken, verstanden?“

„Ja, Mister Tucker.“

So zornig hatten alle beide den Schiffszimmermann schon lange nicht mehr gesehen, und sie versprachen mit gesenkten Köpfen, daß sie das nie wieder tun würden.

„Ich müßte das eurem Vater melden“, sagte Ferris.

„Der würde uns halbtot schlagen, Sir“, murmelte Philip voller Angst. „Bitte nicht, Sir! Wir geben unser Ehrenwort, daß das nie wieder passiert.“

Ferris überlegte eine Weile. Sein wütender Blick ließ die beiden in sich zusammensinken wie nasse Lappen. Wenn er Hasard den Vorfall meldete, dann setzte es Prügel, das würde der Seewolf nicht durchgehen lassen.

„Gut“, sagte er nach einer Weile. „Euer Vater würde euch mit dem Tampen bearbeiten, das ist sicher. Ich habe es mir überlegt. Ich werde nichts sagen, und deshalb bleibt diese Lumperei unter uns Pastorentöchtern, klar?“

„Vielen Dank, Sir.“

„Dafür braucht ihr euch wirklich nicht zu bedanken“, sagte Ferris. Dann zog er mit Daumen und Zeigefinger Hasard junior an der Nase heran und gab ihm zwei saftige Ohrfeigen.

Philip brauchte er nicht an der Nase zu ziehen, der trat gleich freiwillig zwei Schritte vor.

Ferris gab auch ihm in aller Ruhe zwei ebenso saftige Ohrfeigen.

„Wenn ihr noch mal in die Pulverkammer schleicht“, sagte er, „dann gibt’s wieder Ohrfeigen, aber solche, daß euch die Eierköpfe wie Kanonenkugeln davonfliegen. Kapiert?“

„Aye, aye, Sir. Und vielen Dank, daß Sie uns nicht bei Dad melden werden.“

„Für mich ist der Vorfall damit erledigt“, sagte der Schiffszimmermann, „und ich bin auch nicht nachtragend.“

„Wir auch nicht, Sir“, sagte Hasard. „Das waren zwei saftige Brocken, aber wir haben sie ehrlich verdient.“

„Fein, daß ihr das einseht. Und jetzt geht an eure Arbeit.“

Ferris holte das Säckchen mit dem Pulver aus dem Schapp und schob es in seine Hosentasche. Dann kontrollierte er den Herd und fand, daß nichts mehr passieren konnte. Zwar stand die Holzkohle in heller Glut, aber das Pulver war abgebrannt.

Gerade als er gehen wollte, erschien der Kutscher.

 

„Mann, seid ihr Teufelskerle“, bemerkte er. „Das brennt ja schon wieder wie die Hölle. Was habt ihr denn für rote Gesichter?“

„Weil sie ihre Köpfe immer so dicht an die Glut halten, wenn sie das Feuer anblasen“, sagte Ferris. „Außerdem stehen diese Lausebengels noch früher auf, als sie zugeben, und tun nur so, als könnten sie das Feuer aus dem Ärmel schütteln. Du brauchst dich also nicht mehr zu wundern, Kutscher.“

„Tüchtig, tüchtig“, lobte der schmalbrüstige Koch und Feldscher.

Ja, tüchtig sind diese Satansbraten, dachte Ferris, die jetzt verlegen herumstanden und den Kutscher angrinsten. Und die beiden Feuerteufelchen dachten daran, daß sie gerade jeder zwei tüchtige Ohrfeigen empfangen hatten, und so legte jeder das Wort auf seine eigene Art aus.

Von da an klappte es aber mit dem schnellen Feuer nicht mehr so richtig wie früher, obwohl die Zwillinge noch eine halbe Stunde früher aufstanden.

Bevor das vermeintliche Dumyat auftauchte, kam Sturm auf.

Am nördlichen Horizont erschien eine düstere Wolkenbank. Zusehends wurde der Himmel dunkler und brachte Wetterleuchten heran, bis der erste leise Donner zu hören war.

Mit dem scharf wehenden Wind wurde auch die See immer ruppiger, bald darauf begann es zu pfeifen und zu heulen. In den Luvwanten sang der Wind wie auf einer Äolsharfe.

„Das ging aber schnell“, sagte Ben Brighton, „und es sieht verdammt so aus, als wenn es noch wüster wird. Sollen wir Vorbram- und Großbramsegel wegnehmen, Sir?“

„Scheint wirklich schlimmer zu werden“, sagte auch der Seewolf und blickte zum Horizont, wo nur noch Düsternis aufzog. Innerhalb kurzer Zeit wurde es dunkel, aber es regnete nicht.

„Ja“, beantwortete Hasard Bens Frage. „Blinde und Besan auch. Laß alles auftuchen.“

Die Seewölfe gingen an die Arbeit. Die meisten hatten angenommen, das Wetterchen würde sich gleich wieder verziehen, aber es wurde nur noch schlimmer.

Als die ersten Brecher über Bord schwemmten und das Heulen und Jaulen des Sturmes sich verstärkte, ließ der Seewolf noch weiter von der Küste abdrehen, um nicht auf Legerwall zu geraten.

Etwas später segelte die „Isabella“ nur noch unter einem Sturmsegel, und es hatte den Anschein, als müßte sie bald vor Topp und Takel lenzen.

Alles, was an Deck festgezurrt war, wurde noch einmal überprüft.

„Wer hätte das gedacht!“ fluchte Carberry. „Ich denke, in dieser Ecke gibt’s gar keinen Wind, weil hier so leichtgebaute Mustöpfe rumgurken, und jetzt das! Komm her, du lausige Federwanze!“ schrie er gleich darauf und grapschte nach Sir John, den es von der Rah geweht hatte, und der vergebens gegen den Wind ankämpfte.

Carberry hielt den Vogel fest, öffnete das Schott zum Aufenthaltsraum, der Messe, und ließ Sir John hinunterflattern. Unten hockte schon der Affe, der rechtzeitig vor dem Wind nach mittschiffs geflüchtet war.

Die Wellenberge wurden immer höher. Die „Isabella“ ächzte und knarrte in allen Verbänden, kletterte an den Wogen hoch und mußte sie voll nehmen.

Über die Kuhl fluteten harte Brecher, als sich der Profos nach achtern hangelte. Wirbelnder Schaum holte ihn ein, und ein dunkler tintiger Brecher schob ihn schneller den Niedergang hinauf, als ihm lieb war. Klatschnaß und fluchend erreichte der Profos schließlich das Achterdeck.

Doch als er sich umdrehte, glaubte er, sein Herzschlag müsse aussetzen.

Das Schott zur Messe ging auf, und Arwenack, der es von innen geöffnet hatte, steckte seinen Schädel heraus, als wolle er sich über das Wetter informieren.

Ein Schwall Wasser ergoß sich in das Innere, und Arwenack verzog angewidert das Gesicht.

„Ah, verdammt!“ brüllte der Profos und übertönte mühelos das Heulen des Sturmes. „Dir zieh ich doch gleich deinen Affenarsch in Streifen ab, du vergammelter Stinkfisch.“

Er wollte gerade nach unten zur Kuhl gehen, aber der Gambia-Neger Batuti hatte das sich anbahnende Drama ebenfalls bemerkt und reagierte erstaunlich schnell. Nicht nur, daß sein Affenliebling über Bord gehen konnte, es konnte auch noch die Messe vollaufen.

Mit einem Satz sprang er auf die Kuhl und landete im Wasser, als die „Isabella“ hart überkrängte.

Batuti kämpfte sich durch, hielt sich an den inzwischen gespannten Manntauen über seinem Schädel fest und wartete die nächste Woge ab, um weiterzuhangeln.

Das Schott war inzwischen mit einem lauten Knall wieder zugedonnert. Arwenack hatte nach unten verholt. Das war aber keine Garantie dafür, daß er nicht doch wieder seinen Schädel hervorstrecken würde, wenn es ihn danach gelüstete.

Eine heranrollende Riesenwoge erschien wie ein Berg vor der „Isabella“. Das letzte Segel war gerade vor kurzer Zeit geborgen worden, und der Rahsegler lenzte jetzt vor Topp und Takel.

„Batuti!“ brüllte der Profos. „Halt dich fest, Kerl!“

Der Neger, ein erfahrener Seemann, hörte wohl etwas brüllen, aber er verstand es nicht, denn das Jaulen, Pfeifen und Heulen verstärkte sich noch mehr. Er sah jedoch auch die herandonnernde Riesenwelle und verkrallte sich im Hauptwant.

Da orgelte es auch schon mit Urgewalten heran. Tosend überflutete eine Wasserwand die „Isabella“, die sich ächzend wie ein todkrankes Tier auf die Seite legte.

Batuti befand sich übergangslos unter Wasser, krallte sich fest, hielt die Luft an, hustete und würgte, als sie harte See ihn immer noch unter sich gefangen hielt.

Zischend lief das Wasser ab, und ein brüllender Donnerschlag ließ den Neger zusammenzucken.

Noch bevor die nächste Woge heran war, hatte er das Schott erreicht und warf den eisernen Riegel vor.

So, der Messeraum war gesichert, den schweren Riegel konnte das Wasser nicht mehr hochdrücken.

„Aufs Achterdeck!“ brüllte Hasard. „Schnell, Batuti!“

Es wurde immer dunkler, immer mehr Blitze zuckten aus dem Himmel, und von zwei Seiten zugleich schob sich eine heulende Regenfront heran. Wie zäher Nebel sah es aus, wie ein Vorhang, der sich über das Meer legte.

Ein ungeheuer laut hallender Schlag ließ die „Isabella“ in allen Verbänden erzittern. Es hörte sich so an, als sei sie bei voller Fahrt über einen Felsen geschrammt, aber es war nur eine auflaufende Woge, die sie nicht mehr erklimmen konnte, und die ihr voll unter den Kiel donnerte.

In diesem Augenblick konnten sich auch Carberry und Ben Brighton nicht mehr halten. Sie rutschten aus und schlitterten über das Deck bis zum Schanzkleid der Steuerbordseite.

Ben Brighton stumm, verzweifelt mit den Armen rudernd, Carberry, wie es seiner Art entsprach, unter entsetzlichen Flüchen.

Batuti versuchte, das Achterdeck zu erreichen, aber bei dem Höllentanz, den das Schiff vollführte, war das fast unmöglich. Immer wieder drohten ihn die Brecher über Bord zu waschen.

Batuti keuchte, fluchte, versuchte, seinen einsamen Kampf gegen die entfesselten Elemente zu gewinnen und wußte doch, daß es hoffnungslos war. Obwohl er die Kraft eines Gorillas hatte, kam er gegen diese tobenden Wassermassen nicht an, die immer wieder brüllend über ihm zusammenschlugen.

Carberry hatte sich inzwischen wieder fluchend erhoben und wollte dem Neger zu Hilfe eilen. Doch das erwies sich als unmöglich. Sowie er die oberste Stufe des Niedergangs erreichte, drohte es ihn über Bord zu schwemmen.

Der Bug der „Isabella“ tauchte in diesem Moment so tief ein, daß das Vorschiff völlig verschwand. Ein Berg wälzte sich mit Urgewalten über das Schiff und drückte es noch tiefer ins Wasser.

Da hatte Batuti die Webeleinen erwischt und wollte in seiner Verzweiflung aufentern.

Dann passierte das, was die Männer auf dem Achterdeck mit Entsetzen erfüllte. Hilflos sahen sie zu, wie der Brecher der Länge nach über das Schiff tobte und den Neger, der wie eine dicke schwarze Spinne in den Webeleinen hockte, mit einem gewaltigen Fauchen aus dem Tauwerk riß.

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