Seewölfe - Piraten der Weltmeere 472

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 472
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-95439-880-5

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Fred McMason

In Ketten

Es waren gute Männer – doch sie sollten wie Ratten ersaufen

Da waren also vier spanische Handelsgaleonen bei Nacht und Nebel an den Inseln des Teufels auf die Korallenriffe gebrummt, und ihre Mannschaften konnten froh sein, daß drei andere Galeonen dem tödlichen Verhängnis entgangen waren und sie jetzt abbergen konnten. Den feisten Menschen in der feinen Kleidung auf der einen gestrandeten Galeone interessierte das nicht im mindesten. Als man ihn abgeborgen hatte, verlangte er ein opulentes Mahl, die Kapitänskammer und befahl, sofort weiterzusegeln, denn schließlich war er Gouverneur und sollte Vizekönig werden. Sein Pech war jedoch, daß ihn Don Juan de Alcazar erkannt hatte, und so begab sich denn Philip Hasard Killigrew auf die Galeone, um sich den fetten Menschen zu holen: Don Antonio de Quintanilla …

Die Hauptpersonen des Romans:

Philip Hasard Killigrew – stößt unvermutet auf ein paar wilde Kerle, die meinen, ihn aus Havanna zu kennen.

Don Juan de Alcazar – muß sich wieder einmal wundern, was seine Landsleute alles aus der Neuen Welt abschleppen.

Ben Brighton – hat Gelegenheit, wieder auf die „Isabella“ überzuwechseln.

Muddi – die dreckigste Ratte an Bord von „Eiliger Drache“ lernt wieder einmal Seife und Wasser kennen.

Don Antonio da Quintanilla – seine Chancen, Spanien jemals wiederzusehen, schrumpfen zusammen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

6. Mai 1595 – Bermudas.

Vier spanische Schatzgaleonen waren in der Riffzone auf der Westseite der Bermudas gestrandet und leckgeschlagen. Sie saßen unverrückbar fest auf den messerscharfen Korallen.

Die Strandung war auf einen Navigationsfehler zurückzuführen, weil der spanische Verbandsführer irrtümlich angenommen hatte, sich noch mindestens zehn Meilen querab von den „Inseln des Teufels“ zu befinden.

Drei weitere spanische Galeonen waren damit beschäftigt, die Mannschaften von den gestrandeten Schiffen abzubergen.

Für die Spanier war das ein herber Verlust. Hinzu kam noch die Tatsache, daß sie bei dieser Aktion von drei englischen Schiffen belauert wurden. Das waren die „Isabella“, „Eiliger Drache über den Wassern“ und die Karavelle „Chubasco“ unter Ben Brightons Kommando. Man hatte den Dons gestattet, nur die Leute abzubergen, die Schatzgüter aber unangetastet zu lassen, denn diesen unverhofften Reichtum wollte der Bund der Korsaren rupfen.

Zur Zeit lag die „Isabella“ mit der Steuerbordseite längsseits einer spanischen Galeone, um die es viel Aufregung gegeben hatte.

An Bord hatte sich der ehrenwerte feiste Gouverneur von Kuba, Don Antonio de Quintanilla, befunden. Don Juan de Alcazar hatte den Dicken erkannt.

Damit war den Seewölfen ein Kerl in die Hände gefallen, der es faustdick hinter den Schlitzohren hatte. Dieser Fang war mehr als Gold wert, und wenn Don Juan den Dicken nicht erkannt hätte, wäre der unbemerkt durchgeschlüpft und nach Spanien gelangt.

Jetzt war die Spanienreise des fetten Halunken beendet. Hasard hatte sich den Kerl von Bord der Handelsgaleone geholt, nachdem der Dicke heimtückisch und hinterhältig auf ihn geschossen hatte.

Der Kapitän der spanischen Galeone sah Hasard bewundernd an. Er hatte Respekt vor diesem schwarzhaarigen Riesen mit dem silbergrauen Schläfenhaar und konnte sich nicht verkneifen, diesen Mann immer wieder von der Seite zu mustern. Das war ein Gesicht, wie er es noch nie gesehen hatte. Kühn, scharfgeschnitten, geprägt von Leiden und Verzicht, Stolz, Unbeugsamkeit und Energie, mit einer wilden Narbe und eisblauen Augen. Dieser Mann war ein Kavalier, das zeigten sein Benehmen und seine Ritterlichkeit, denn er hatte ihnen versprochen, daß sie ungehindert weitersegeln könnten, sobald sie die letzten Schiffbrüchigen abgeborgen hätten.

Nur diesen dicken Kerl hatte er sich ausbedungen und geholt – den Gouverneur von Kuba, der sich als „reicher Bürger“ nach Spanien eingeschifft hatte.

Jetzt stand dieser „reiche Bürger“ auf dem Achterdeck der „Isabella“, hatte von Hasard kräftige Maulschellen bezogen und wurde nun von Big Old Shane im eisenharten Griff gehalten. Shane stand hinter dem Dicken und hatte ihm die Arme im schmerzhaften Griff nach hinten zusammengebogen.

Auf der spanischen Galeone standen Mannschaften und Offiziere wie erstarrt. Keiner rührte sich. Fast alle blickten auf das Achterdeck der „Isabella“.

Hasard drehte sich um und zeigte Ben Brighton auf der „Chubasco“ klar. Das hieß so viel, daß sie den geldgierigen, korrupten und intriganten Fettsack vereinnahmt hätten. Die Karavelle lag Steuerbord achteraus von der „Isabella“ auf Beobachtungsposition zwischen den vier gestrandeten Handelsgaleonen, während „Eiliger Drache“ unter dem Wikinger Thorfin Njal querab an Backbord dümpelte. Die Schiffe hatten Treibanker gesetzt, um nicht das Schicksal der vier Galeonen zu teilen und in die gefährlichen Riffe zu geraten.

Hasard nickte dem immer noch stramm an Deck stehenden spanischen Kapitän freundlich zu.

„Mast- und Schotbruch“, sagte er. „Und herzlichen Dank für den netten reichen Bürger. Ich bin sicher, daß er nie mehr nach Spanien gelangen wird.“

Der Don verbeugte und bedankte sich höflich.

„Wir legen jetzt ab“, sagte Hasard. „Was ich Ihnen versprochen habe, gilt selbstverständlich. Sobald Sie mit dem Abbergen der Leute fertig sind, können Sie weitersegeln. Denken Sie daran, sich etwas weiter westlich zu halten, wenn Sie auf Heimatkurs sind. Diese Ecke ist bei Nebel oder Dunkelheit sehr gefährlich.“

Der Don verbeugte sich erneut mit Grandezza.

„Ich habe mir jedes Ihrer Worte gemerkt“, versicherte er. „Möge der Herr im Himmel immer die Hand schützend über Sie halten. Es war mir eine Ehre, Señor.“

Smoky und Sam Roskill lösten die Leinen. Die „Isabella“ setzte sich langsam ab, um auf Warteposition zu gehen, bis die drei intakten Galeonen mit den Mannschaften Fahrt aufnahmen und verschwanden.

Danach sollten die gestrandeten Schiffe ausgenommen werden. Was sich in deren Frachträumen an Reichtümern befand, war mehr als genug, um die Bäuche aller drei Schiffe zu füllen und sie bis an die Luken vollzustopfen.

Wenn das erledigt war, dann wollten sie sich die „Inseln des Teufels“, wie die Bermudas genannt wurden, einmal in aller Ruhe ansehen.

Jetzt war aber erst einmal der fette Bastard an der Reihe, dem sie soviel Ärger zu verdanken hatten, und der augenblicklich eine recht klägliche und jammervolle Figur abgab.

Außer Don Juan kannte keiner den feisten Kerl persönlich. Sie hatten nur über Arne von Manteuffel über ihn erfahren und über Don Juan, der es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Gouverneurs-Bastard vor ein Gericht in Spanien zu bringen, um seine Machenschaften aufzudecken.

Jetzt braucht er nicht mehr nach Spanien, überlegte Hasard. Er war sich auch noch nicht darüber im klaren, wie er mit dem Halunken verfahren sollte. Er hätte diesen Kerl gern an die Rah geknüpft, aber das war ihm zu billig.

Kalt betrachtete er den Wabbelpudding in seiner kostbaren Kleidung, die jetzt allerdings ziemlich lädiert war, seit er mit dem Seewolf aneinandergeraten war.

Dieser geldgierige Hundesohn hatte dem Bund der Korsaren ganz erheblich zugesetzt. Zuletzt durch den Angriff auf die Schlangen-Insel, ohne daß er wußte, daß diese Insel untergegangen war und nicht mehr existierte. Eine ganze Flotte hatte er dafür ausgerüstet.

Shane hielt den Kerl immer noch fest. Hin und wieder quiekte der Dicke wie ein überfressenes Ferkel, wenn der Exschmied etwas fester zupackte. Dann verzog sich sein wabbeliges Gesicht zu einer schmerzerfüllten Grimasse, die Tränensäcke hingen ihm bis über die Wangen.

Aber Don Antonio erschrak fast zu Tode, als er seinen Bezwinger jetzt näher in Augenschein nahm. Vorher hatte er ihn kaum sehen können, denn da war es in der Achterkammer reichlich turbulent zugegangen. Ihm hatte der Schädel von den vielen Maulschellen gedröhnt, und Tränen waren aus seinen Augen geflossen.

Er riß den Mund auf, doch er brachte vor Schreck und Staunen keinen einzigen Ton heraus.

Dieser Mann ist doch Arne von Manteuffel, überlegte er wie betäubt. Jener deutsche Kaufherr, dem er es in seiner „großen Güte“ gestattet hatte, eine Faktorei in Havanna zu eröffnen. Natürlich hatte der deutsche Kaufherr dafür kräftig bezahlen müssen, aber das war jetzt Nebensache, darüber dachte Don Antonio auch nicht weiter nach. Er konnte die Leute ohnehin nicht alle zählen, die ihn schmieren mußten, um eine Genehmigung zu erhalten.

 

Er würgte an einem dicken Kloß, während er weiter zu dem Mann stierte.

Nein, er war es offensichtlich doch nicht. Der deutsche Kaufherr war etwas jünger und hatte blonde Haare. Aber dieser Kerl hier hatte eine geradezu verblüffende und unwahrscheinliche Ähnlichkeit mit ihm.

Aber er war schwarzhaarig und wirkte älter. Das mochte an seinen silbergrauen Schläfenhaaren liegen. Und eine verwegen aussehende Narbe hatte er auch im Gesicht. Das war ja sehr merkwürdig, daß sich zwei Menschen so ähnelten.

Don Antonio klappte endlich die Futterluke zu. Er war immer noch total verwirrt und hatte nicht die geringste Ahnung, was die Kerle von ihm wollten. Dieser schwarzhaarige Riese hatte ihm auch zwei Säcke mit erlesenen Perlen abgenommen, die ein Vermögen wert waren. Jetzt lagen die beiden Säcke unbeachtet auf den Planken.

Hasard musterte Don Antonio seinerseits kalt und geringschätzig.

Er wußte sehr genau, was im Schädel dieses dicken unangenehmen Kerls ablief. Der rätselte erst einmal herum, weil er mit der Ähnlichkeit nicht fertig wurde. Die Verblüffung war ihm deutlich anzusehen. Immer wieder scheint er mich mit Arne zu vergleichen, dachte Hasard innerlich belustigt.

Das war natürlich ebenfalls ein Grund, den ehrenwerten Gouverneur weder nach Spanien noch nach Havanna zurückkehren zu lassen, sonst geriet Arne in ernsthafte Gefahr.

Hasard ging einmal halb um ihn herum und musterte ihn dabei aus eisigen Augen. Der Dicke fing an zu schwitzen, und ihm wurde unbehaglich zumute. Er versuchte so etwas wie ein Froschgrinsen, doch das scheiterte jämmerlich, denn er sah eher so aus, als würde er jetzt zu greinen beginnen.

Hasard taxierte ihn als widerliche fette, aufgeblasene Ratte. Ein Schmierlappen war das, der zuviel Macht in den Händen hatte und sie kräftig mißbrauchte.

Er mußte den Dicken noch ein wenig verunsichern und einschüchtern.

„Sie werden sich damit abfinden müssen, daß ich Sie an die Rah hängen lasse“, sagte er kühl und unbeteiligt. „Aber bevor das soweit ist, unterhalten wir uns noch.“

Zwei Augen über mächtigen Tränensäcken starrten ihn furchtsam an. Das Doppelkinn wabbelte, in den wäßrigen Augen standen Schlieren, das fette Mündchen zuckte.

Ein widerlicher teigiger, fetter und aufgeschwemmter Drecksack, dachte Hasard wieder, ein Halunke, dem hinterhältige Gemeinheit in die Fettpolster seiner Schwammvisage eingeprägt war.

„Was habe ich Ihnen getan?“ greinte der Dicke, der jetzt abgeschlafft in Shanes hartem Griff hing. „Ich bin doch nur ein armer, unbescholtener Bürger aus Havanna.“

„Tragen alle armen Bürger aus Havanna Säcke voller Perlen mit sich herum?“ fragte Shane voller Spott.

„Die – die Perlen gehören mir nicht“, jammerte Don Antonio.

„Das stimmt“, sagte Hasard kalt. „Jetzt jedenfalls nicht mehr.“

Er sah, daß der Dicke wieder zitterte, weil er verunsichert war. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was sie von ihm wollten, und warum diese Kerle die Absicht hatten, ihn aufzuknüpfen.

Sie ließen ihn auch weiter im Ungewissen. Sollte der Kerl erst einmal Blut und Wasser schwitzen, dann wollte Hasard sich ihn noch einmal vorknöpfen. Mit Sicherheit würde der Mann dann weichgekocht sein und alles erzählen.

Er warf noch einen bezeichnenden Blick zur Großmarsrah, wobei er kalt lächelte.

„Bringt den Kerl in sein Quartier“, sagte Hasard. „Wenn ich ihn noch länger ansehen muß, wird mir schlecht.“

„Ich hätte gern eine Kammer für mich allein“, sagte der Dicke leise, „ich möchte in Ruhe nachdenken können.“

Shane starrte verblüfft Smoky an, als hätte er sich verhört. „Der ehrenwerte Señor wünscht eine Kammer für sich allein? Das läßt sich einrichten, glaube ich.“

Die beiden grinsten sich an, dann lockerte Shane den eisenharten Griff ein wenig. Er packte den rechten Arm des Dicken, Smoky den linken.

Als sie über den Niedergang abenterten, schwitzte der Dicke noch mehr. Er keuchte leise und wollte sich umsehen. Doch er kriegte nur noch einen schnellen Blick aus den Augenwinkeln mit.

Schluckend gewahrte er um sich herum kalte und harte Gesichter, Augen, die ihn verächtlich musterten, als hätte er die Pest. Und er sah auch ein paar Indianerinnen, die an Deck standen.

Heilige Mutter Maria, fragte er sich voller Angst und Beklemmung, was hatte das nur alles zu bedeuten?

Dort lagen die aufgebrummten Schiffe, da wurden Männer in Jollen abgeborgen, wie man ihn auch abgeborgen hatte, und weiter hinten gischtete Brandung auf.

Er war schon so gut wie auf dem Weg nach Spanien, und jetzt war plötzlich alles anders geworden. Er war Gefangener auf einem fremden Schiff bei hartgesichtigen Kerlen, er war seine Perlen los, und man wollte ihn auch noch hängen. Dann war da dieser Kerl, der wie Arne von Manteuffel aussah. Das war ziemlich viel auf einmal.

Don Antonio spürte, wie sich sein Herzschlag ganz enorm beschleunigte, wie ihm übel wurde und fast die Luft wegblieb vor Aufregung.

Halb besinnungslos vor Angst schleppten die beiden Kerle ihn weiter nach vorn. Bevor er in einem Gang verschwand, wandte er noch einmal den fetten Hals, um einen letzten Blick zu erhaschen.

Er sah auf dem Achterdeck hochaufgerichtet die schlanke Gestalt des schwarzhaarigen Mannes, der keinen Blick mehr für ihn hatte.

Die letzten paar Yards wackelte er nur noch und wäre gestürzt, wenn ihn die Männer nicht gehalten hätten.

„So, da haben wir auch schon Ihre Kammer“, sagte Shane, „wo Sie in Ruhe nachdenken können. Sie sind hier ganz allein bis auf ein paar vierfüßige, langschwänzige und knopfäugige Gesellschafter, mit denen Sie sich sicher prächtig verstehen werden. Sie müssen Ihnen nur noch verklaren, daß Sie ab jetzt die Oberratte sind.“

Smoky hatte das Schott zur finsteren Vorpiek geöffnet und lud den bleichen Fettwanst ironisch zum Nähertreten ein.

Fassungslos starrte der ehemals verwöhnte Gouverneur in das finstere Verlies, in dem leise Wasser gluckerte. Er hatte schon oft von solchen „Räumen“ gehört, aber noch nie einen gesehen, geschweige denn betreten, von längerer Verweildauer gar nicht zu reden. Er stand da und blickte immer noch voller Furcht in die Schreckenskammer.

„Ist da kein Licht?“ fragte er zaghaft.

„Nein, Licht wird hier nicht geliefert“, sagte Smoky.

„Und das Bett?“

„Tja – wo ist denn das Bett geblieben?“ sagte Smoky. „Das mit den goldenen Pfosten und den Posaunenengeln? Scheint jemand durch eine Gräting ausgetauscht zu haben. Na, so was!“

„Tut doch auch nichts mehr zur Sache“, meinte Shane. „Goldenes Bett oder nicht. Ihr Lebensfaden leidet ohnehin an der Auszehrung, und dieser fette Faden magert jetzt sehr schnell ab und wird mit jeder Stunde dünner.“

Der Dicke zuckte wieder zusammen und sah sich hilflos um. Dann rannen ihm ein paar Tränen über die feisten Wangen, und er begann leise zu schluchzen, als Shane ihn in die Vorpiek schob.

„Ei-einen Augenblick, noch, Señores“, sagte er heiser und mit versagender Stimme. Er griff zum letzten Strohhalm, der ihm noch verblieben war – der Bestechung.

Sein ganzes Leben lang hatte er sich mit Bestechungen durchgemogelt oder sich selbst bestechen und schmieren lassen. Dabei hatte er die Erfahrung gewonnen, daß fast alle Kerle auf Geld oder Gold ansprangen und gierige Blicke kriegten, wenn derartige Schätze auch nur erwähnt oder angedeutet wurden. Hier bestand vielleicht auch die Möglichkeit, sich herauszuwinden, denn Piratenpack war ja sowieso immer auf Geld scharf.

„Was gibt’s denn noch?“ fragte Smoky ungeduldig.

Immer noch rannen Tränen über das Quallengesicht. Die Stimme sank zu einem kaum hörbaren Flüstern herab.

„Wenn Sie mir helfen, Señores, dann kann ich Sie reich machen. Sie werden in Gold und Silber baden können, wenn Sie nur wollen.“

Shane und Smoky warfen sich einen schnellen Blick zu. Alle beide grinsten ein bißchen. Aber sie gaben keine Antwort, und so drängte der Dicke und lockte weiter.

„Ich kann Sie reicher als den König von Spanien machen“, raunte er heiser und geheimnisvoll.

Shane strich über seinen Bart und horchte auf. Auch Smoky wurde sofort hellhörig.

„Interessant“, sagte Shane. „Reicher als der König von Spanien? Das gibt’s doch gar nicht. Wie soll denn das möglich sein?“

Der Dicke hob beschwörend seine feisten Patschhändchen hoch. Auf seiner linken Wange hing noch eine dicke Träne.

„Ich habe auf Kuba ein Schatzversteck – Gold, Silber, Perlen, viel erlesener Schmuck, Ringe, Halsketten und Edelsteine. Das alles gehört Ihnen, wenn Sie mir helfen. Mit den Kostbarkeiten sind Sie wahrhaftig reicher als der König von Spanien.“

„Soso“, sagte Shane, „und das stimmt wirklich?“

„O ja, es stimmt. Schon bald werden Sie sich persönlich davon überzeugen können. Überlegen Sie es sich gut.“

„Sehr gut“, sagte Shane heiter, „das werden wir tun.“

Energisch schob er den Dicken in die dunkle Vorpiek. Dann knallte das Schott zu und wurde von außen verriegelt.

Luke Morgan zog als Wache auf. Es war zwar äußerst unwahrscheinlich, daß dem Dicken die Flucht gelang, aber da sie schon einmal üble Erfahrungen hinter sich hatten, wurde grundsätzlich eine Wache aufgestellt, um allen Eventualitäten vorzubeugen.

Auf der Kuhl blieb Smoky grinsend stehen. Er langte nach einer Pütz und hievte Wasser hoch. Dann steckte er beide Hände in die Pütz, um sie zu waschen.

„Das muß ich einfach tun“, sagte er auf Shanes fragenden Blick. „Ich hab’ dieses dicke Schweinchen angefaßt und werde das lausige Gefühl nicht los, daß alles an mir klebt. Das war, als hätte man in einen glitschigen Pudding oder in einen Haufen Quallen gegriffen.“

„Oder eine matschige Seegurke ausgewrungen“, sagte Shane und tauchte ebenfalls die Hände in die Pütz. „Aber was hältst du von unserem unerhofften Reichtum?“

„Das ist doch was Feines, reicher als der König von Spanien zu sein. Der Kerl hat also ein Schatzversteck auf Kuba. Falls es stimmt“, setzte er einschränkend hinzu.

„Der Halunke hat bestimmt vorgesorgt“, meinte Shane, „darauf möchte ich wetten. Kerle wie der, die sorgen immer vor und bereichern sich an allem, was sie erraffen können.“

Sie gingen aufs Achterdeck zurück, wo Hasard stand und das Bergen durch die Jollen beobachtete.

„Den Kerl haben wir in sicherem Gewahrsam, Sir“, sagte Shane. „Luke bewacht ihn.“

„Sehr gut. Aber was gibt es da zu grinsen?“

„Er fragte, wo das Bett sei, und es gefiel ihm auch nicht, ohne Licht zu sein.“

„Ihm wird noch etliches nicht gefallen. Hat er noch was gesagt?“

„Er wollte uns reich belohnen. Er sagte, er würde uns reicher als den König von Spanien machen, falls wir ihm helfen. Und dann sagte er ganz unverblümt, er hätte ein Schatzversteck:“

„Sieh an, ein Schatzversteck. Möglicherweise hat er das nicht nur so dahingeredet. Wo soll das Versteck sein?“

„Auf Kuba.“

„Ein hübscher Gedanke“, sagte Hasard sinnend, „reicher als der König von Spanien zu sein.“

„Glaubst du, der Kerl hat die Wahrheit gesprochen, Sir?“

Hasard legte die Fingerspitzen gegeneinander und nickte.

„Halunken wie dem ist grundsätzlich alles zuzutrauen. Daß er sich über alle Maßen bereichert hat, wissen wir ja. Mit seiner Machtstellung auf Kuba saß er immer an den vollen Fleischtöpfen. Seht euch doch nur einmal die Perlen an, die er sozusagen als kleines Reisegepäck dabei hatte. Keine ist kleiner als eine Eichel, manche haben die Größe von Taubeneiern. Ich habe ein wenig in den Klunkerchen herumgewühlt. Mit einer kleinen Handvoll dieser erlesenen Perlen hätte ein normaler Mensch bis an sein Lebensende ausgesorgt. Außerdem wette ich meinen Kopf, daß das nicht alles ist, was der ehrenwerte Señor auf seiner abrupt unterbrochenen Spanienreise mitgenommen hat. Ganz besonders denke ich da an jene Galeone, auf der er sich eingeschifft hat und die in die Riffe gelaufen ist. Dort wird sicher noch einiges zu holen sein, was sich der Señor Gouverneur unrechtmäßig angeeignet hat. Der Bastard ist mehr als stinkreich.“

Die drei Männer grinsten sich an. Den Dicken würden sie sich noch vorknöpfen, aber erst einmal sollte er in der Vorpiek schmoren.

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