Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler

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Das Leben des Antonio Filarete, Benozzo Gozzoli, Vittore Carpaccio und weiterer Künstler
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Neu ins Deutsche übersetzt von Victoria Lorini

Herausgegeben, kommentiert und eingeleitet von Matteo Burioni (Francesco di Giorgio und Lorenzetto Vecchietta), Sabine Feser (Paolo Romano, Mino und Chimente Camicia, Mino da Fiesole), Christina Irlenbusch (Antonio Filarete und Simone Scultore, Carpaccio und andere venezianische und lombardische Maler), Christina Posselt-Kuhli (Ercole Ferrarese, Cecca, Jacopo Indaco) und Anja Zeller (Dello Delli, Parri Spinelli, Lazzaro Vasari, Bellano da Padua, Benozzo Gozzoli, Francesco di Giorgio und Lorenzetto Vecchietta, Lorenzo Costa, Bartolomeo della Gatta, Francesco Francia)

Verlag Klaus Wagenbach Berlin

Wir danken dem italienischen Außenministerium für die freundliche Unterstützung dieses Buches durch eine Übersetzungsförderung.

Questo libro è stato tradotto grazie al contributo alla traduzione del Ministero degli Affari Esteri italiano.

EDITION GIORGIO VASARI Originalausgabe 2020

© 2020 Verlag Klaus Wagenbach, Emser Straße 40/41, 10719 Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Jede Vervielfältigung und Verwertung der Texte, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für das Herstellen und Verbreiten von Kopien auf Papier, Datenträgern oder im Internet sowie Übersetzungen.

Datenkonvertierung bei Zeilenwert, Rudolstadt.

eISBN 978-3-8031-4189-7

www.wagenbach.de

Nach dem Abschluß der gedruckten EDITION GIORGIO VASARI erscheinen die verbleibenden Lebensläufe Vasaris in elektronischer Form. Damit werden die Vite (etwa 160 Künstlerbiographien) komplett in neuer Übersetzung zugänglich sein.

Die zweite von drei Lieferungen vereint zweiundzwanzig Künstler, die im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert wirkten.

Giorgio Vasari
Lebensläufe der hervorragendsten Künstler

Kunsttheorie und Kunstgeschichte • Parmigianino • Raffael • Pontormo • Sebastiano del Piombo • Rosso Fiorentino • Giorgio Vasari. Mein Leben • Tizian • Giulio Romano • Andrea del Sarto • Steinschneider, Glas- und Miniaturmaler • Leonardo da Vinci • Einführung in die Künste der Architektur, Bildhauerei und Malerei • Sodoma und Beccafumi • Die Bildhauer des Cinquecento • Sansovino und Sanmicheli mit Ammannati, Palladio und Veronese • Bramante und Peruzzi • Die Künstler der Raffael-Werkstatt • Giorgione, Correggio, Palma il Vecchio und Lorenzo Lotto • Piero di Cosimo, Fra Bartolomeo und Mariotto Albertinelli • Perino del Vaga • Montorsoli und Bronzino sowie die Künstler der Accademia del Disegno • Francesco Salviati und Cristofano Gherardi • Daniele da Volterra und Taddeo Zuccaro • Baccio Bandinelli • Michelangelo • Die Sangallo-Familie • Sandro Botticelli, Filippino Lippi, Cosimo Rosselli und Alesso Baldovinetti • Tribolo und Pierino da Vinci • Bellini und Mantegna • Jacopo della Quercia, Niccolò Aretino, Nanni di Banco und Luca della Robbia • Masolino, Masaccio, Gentile da Fabriano und Pisanello • Perugino und Pinturicchio • Lorenzo Ghiberti • Lippi, Pesello und Peselli, Castagno, Veneziano und Fra Angelico • Andrea del Verrocchio und die Gebrüder Pollaiuolo • Brunelleschi und Alberti • Giuliano da Maiano, Antonio und Bernardo Rossellino, Desiderio da Settignano und Benedetto da Maiano • Paolo Uccello, Piero della Francesca, Antonello da Messina und Luca Signorelli • Donatello und Michelozzo • Ghirlandaio und Gherardo di Giovanni • Die Sieneser Maler • Taddeo Gaddi, Agnolo Gaddi, Buffalmacco, Orcagna, Spinello Aretino und Lorenzo Monaco • Bildhauer und Architekten des Duecento und des Trecento • Cimabue, Giotto und Cavallini • Andrea Tafi, Gaddo Gaddi, Margaritone, der Florentiner Stefano und der Sieneser Ugolino, Giottino, Giovanni dal Ponte, Antonio Veneziano, Jacopo del Casentino, Gherardo Starnina, Lippo Fiorentino und Lorenzo di Bicci

ZU DIESER NEUAUSGABE

Kaum ein anderes literarisches Werk hat auf die Kunstgeschichtsschreibung folgender Generationen einen so nachhaltigen Einfluß ausgeübt wie die von Giorgio Vasari (1511–1574) verfaßten und erstmals 1550 im Druck erschienenen

Lebensbeschreibungen der berühmtesten Maler, Bildhauer und Architekten, die achtzehn Jahre später in einer revidierten und erweiterten Fassung noch einmal herausgegeben wurden. Heute ist das Hauptwerk Vasaris vor allem unter dem Titel Le vite bekannt.

Vasaris Text wurde in der Fassung von 1568 (nach der kritischen Ausgabe von Rosanna Bettarini und Paola Barocchi) neu übersetzt – textgetreu, ungekürzt und vollständig auch da, wo Vasari sich zu wiederholen scheint.

Eine Einführung stellt die jeweilige Künstlervita vor. Der Anmerkungsapparat behandelt nicht nur die jeweiligen kunsthistorischen, literarischen und zeitgeschichtlichen Aspekte auf neuestem wissenschaftlichem Stand, sondern benennt auch die heutigen Standorte (und Zustände) der Kunstwerke, die wichtigen Abweichungen gegenüber der ersten Ausgabe der Vite sowie die uns heute bekannten Lebensdaten des Künstlers.

Herausgegeben von Alessandro Nova

mit Matteo Burioni, Katja Burzer, Sabine Feser,

Hana Gründler und Fabian Jonietz


Einleitung zum Leben des Dello Delli

Bereits vor Giorgio Vasaris erster Version der Vita aus dem Jahr 1550 finden sich in den Florentiner Bändchen Libro di Antonio Billi und Anonimo Magliabechiano kurze Lebensbeschreibungen des Künstlers Dello Delli aus Florenz. Vasari übernimmt nahezu wortgetreu die darin enthaltenen Informationen über dessen Weggang nach Spanien und über den Neid, den dieser bei einer kurzen, hochdekorierten Rückkehr in seiner Heimatstadt ausgelöst haben soll. In der zweiten Edition der Vita tilgt der Biograph fast alle moralisierenden Bemerkungen über die Konkurrenz unter Künstlern, füllt die Vita statt dessen mit ausführlichen, äußerst interessanten Bemerkungen zur Florentiner Truhenmalerei auf; Werke, die es auch im Besitz der Medici gegeben habe. Vasari erwähnt in der überarbeiteten Version von 1568 namentlich Lorenzo il Magnifico und die alte Residenz der Medici, Giovanni de’ Medici und schließlich Cosimo I. samt des Palazzo Vecchio, in dem Vasari selbst Bilderreste von Dello Delli konserviert haben will. Er gibt sich damit auch als Florentiner Denkmalpfleger und Kulturhistoriker, der bei der Herrscherfamilie in Diensten stand.

Während er in der ersten Fassung der Vita nur ein einziges Werk Dello Dellis genannt hatte, das Fresko im Kreuzgang von Santa Maria Novella, stellt er seinen Protagonisten 1568 zunächst als Tonbildner vor, der Terrakotten für die Krankenhauskirche Sant’ Egidio von Santa Maria Nuova geschaffen habe. Tatsächlich können Dello heute, dank Vasaris Angaben, einige erhaltene Werke aus diesem Material zugeschrieben werden. Da er allein von der Tonbildnerei aber nicht leben konnte, so Vasari, habe er sich auch der Malerei zugewandt. Im Kolorieren begabt, seien ihm besonders die kleinen Figuren gut gelungen. Mit diesem (heute nicht mehr überprüfbaren) Hinweis leitet der Autor zu einem Exkurs über die alte Kunst des Möbelbemalens über, der Cassone-Malerei, derer sich heute viele schämen würden.

Zwar sind Vasaris Angaben, Delli habe sich als erster würdevoll der Bemalung von Hochzeitstruhen und Möbeln gewidmet, sicher nicht zutreffend. Doch bleibt der Passus als Zeugnis für Vasaris historiographisches Interesse bedeutsam, eine alte Kunstgattung samt ihrer Sujets und ihrer Verwendung in den Vite unterzubringen. Vasari erweiterte seine Künstlerlebensbeschreibungen an vielen Stellen in dieser Hinsicht, wohl nach Anregung durch Vincenzo Borghini und nicht zuletzt, um die wertvollen Sammlungsgegenstände der Familie Medici vorzustellen.

Weder Giorgio Vasari noch die früheren Biographen Antonio Billi und Giovan Battista Gelli wußten – mangels eigener Anschauung – von Werken zu berichten, die im fernen Spanien entstanden sind. Dorthin wanderte Delli 1433 aus, begleitet und gefolgt von seinen jüngeren Brüdern Niccolò und Sansone. Am Hofe Juans II. von Kastilien scheint er den größten Teil seines Arbeitslebens verbracht zu haben. Aber auch von Seiten Alfonsos von Aragon in Neapel gab es, der königlichen Korrespondenz zufolge, Arbeitsaufträge für ihn. Leider ist keine dieser Tätigkeiten konkret bezeugt. Delli war hier wahrscheinlich weniger als Maler, sondern eher als Architekt oder Baumeister tätig, auch wenn zuletzt wieder seine Mitarbeit am Retabel von Salamanca für möglich gehalten wurde. Antonio Filarete zählt ihn noch 1461/64 zu den »geeignetsten Architekten« seiner Zeit.

Vasari wiederholt die Berichte vom Ruhm, den sich Dello beim spanischen König erwarb, und vom Neid, den er offensichtlich damit bei den alten Bekannten in Florenz auslöste, als er reich und hoch dekoriert 1446 für kurze Zeit in seine Heimatstadt zurückkehrte, wie erwähnt gemäß Florentiner Überlieferung. Während diese Anekdote in der ersten Fassung der Vita Anlaß zu moralischen Äußerungen gegeben hatte, legt Vasari 1568 mehr Wert darauf, Dello Delli als vielseitigen Künstler vorzustellen. So soll Dello auch unter den ersten gewesen sein, die sich anatomischen Studien widmeten, selbst wenn er kein guter Zeichner gewesen sei. Vasaris beliebte Hierarchisierung der Künste wird in dieser Vita in gewisser Weise im kleinen nachgezeichnet: So entwickelt sich der Tonbildner über die kleinfigurige Malerei auf Gebrauchsgegenständen zum Maler von Aktstudien und Fresken.

An mehreren Stellen der Vita wird deutlich, daß Vasari in der Datierung von Dello Dellis Leben irrt. Er setzt es zu früh an: Donatello, der in Wirklichkeit knapp zwanzig Jahre älter war als Dello, kann nicht in jungen Jahren in seiner Werkstatt mitgearbeitet haben. Auch dem berühmten Feldherrn Pippo Spano wird Dello nicht als Sechsjähriger begegnet sein.

 

Nicht bekannt war dem Biographen auch, daß Dello 1424 Florenz verließ, um sich mit seinem wegen Hochverrats aus der Stadt verbannten Vater mehrere Jahre in Siena und Venedig aufzuhalten. Erst 1433 schrieb sich Dello Delli in die Florentiner Malerzunft ein und verließ seine Heimatstadt Richtung Spanien.

AZ

DAS LEBEN DES FLORENTINER MALERS DELLO

Vita di Dello. Pittor Fiorentino (1568)

Obwohl der Florentiner Dello1 zu Lebzeiten und auch später immer nur als Maler bekannt gewesen ist, war er doch auch in der Bildhauerei tätig, ja, er hat sogar als seine ersten Werke Skulpturen geschaffen und, lange bevor er mit dem Malen begann, im Bogenfeld über dem Portal der Kirche Santa Maria Nuova eine Marienkrönung2 und für den Innenraum der Kirche die zwölf Apostel aus Terrakotta ausgeführt;3 dazu in der Servitenkirche einen toten Christus auf dem Schoß der Jungfrau und noch viele weitere Werke überall in der Stadt.4 Weil er aber sah (und außerdem wankelmütig war), daß er mit der Arbeit in Terrakotta wenig verdiente und in seiner Armut größeren Rückhalt benötigte, beschloß er, sich der Malerei zuzuwenden, zumal er einen guten disegno besaß. Dies gelang ihm mühelos, schnell lernte er gekonnt in Farbe zu arbeiten, wie es viele Werke zeigen, die er in seiner Stadt ausführte, und vor allem die kleinen Figuren, die er mit sehr viel mehr Anmut schuf als die großen.5 Dieser Umstand kam ihm sehr gelegen, weil man damals den Brauch pflegte, in den Schlafzimmern der Bürger große Truhen aus Holz aufzustellen, deren Deckel, wie bei Särgen, vielfältig gestaltet waren, und diese Truhen ließ niemand unbemalt. Neben den Szenen, die vorne auf dem Korpus und an den Schmalseiten angebracht wurden, ließ man an den Ecken und bisweilen auch an anderen Stellen das Wappen beziehungsweise die Insignien der Familien darstellen.6 Bei den Szenen, die auf der Vorderseite des Truhenkörpers angebracht wurden, handelte es sich in den meisten Fällen um Sagen aus Ovid und solche von anderen Dichtern oder auch um die Erzählungen griechischer oder lateinischer Geschichtsschreiber, desgleichen Jagdszenen, Turniere, Liebesnovellen und, je nach Vorliebe, andere Themen dieser Art. Das Innere [der Truhe] wurde dann nach Rang und Vermögen der Auftraggeber mit Leinen oder Tuch ausgekleidet, um die Kleider aus edlem Stoff und andere wertvolle Dinge darin besser aufbewahren zu können. Dazu kommt, daß nicht nur die Truhen in dieser Weise bemalt wurden, sondern auch die Betten, Wandtäfelungen, die rings umlaufenden Friese und andere Verzierungen dieser Art, mit denen man das Schlafgemach seinerzeit prächtig auszustatten pflegte und wovon unendlich viele Beispiele in der ganzen Stadt zu sehen sind. Dieses Vorgehen war viele Jahre lang dermaßen gebräuchlich, daß auch die vortrefflichsten Maler solche Arbeiten ausführten, ohne sich für das Malen oder Vergolden derartiger Werke zu schämen, wie es heute bei vielen der Fall wäre.7 Wie wahr dies ist, hat man bis in unsere Tage neben etlichen anderen Beispielen an diversen Truhen, Wandtäfelungen und Rahmenornamenten in den Gemächern von Lorenzo il Magnifico gesehen, dem Älteren aus dem Geschlecht der Medici, in denen von der Hand nicht etwa irgendwelcher gemeiner Maler, sondern von vortrefflichen Meistern alle Turniere, Kampfspiele, Jagden, Festivitäten und andere Schauspiele, die zu seiner Zeit stattgefunden haben, gemalt sind, und zwar mit Urteilskraft, Erfindungsgeist und wunderbarer Kunstfertigkeit.8 Werke dieser Art sieht man nicht nur im Palast und in der alten Residenz der Medici, sondern diverse Überbleibsel auch in allen nobleren Häusern von Florenz. Und es gibt einige, die an diesen alten Gepflogenheiten festhalten, die wirklich prachtvoll und überaus ehrwürdig sind, und die Werke von dieser Machart nicht haben entfernen lassen, um Raum für moderne Verzierungen und Gepflogenheiten zu schaffen.

Als sehr erfahrener und guter Maler vornehmlich, wie gesagt, sehr anmutig ausgeführter, kleinformatiger Malereien tat Dello viele Jahre lang nichts anderes, als mit großem Gewinn und allen Ehren Truhen, Wandtäfelungen, Betten und andere Verzierungen obengenannter Art zu gestalten und zu bemalen, weshalb man sagen darf, daß dies sein vorrangiger und eigentlicher Beruf war. Weil aber nichts auf dieser Welt Bestand hat oder von langer Dauer ist, so gut und lobenswert es auch sein mag, verging nur wenig Zeit, bis die Künstler ihre Begabung verfeinerten und man von dieser ersten Ausführungsweise zu reicheren Verzierungen und solchen aus geschnitztem und vergoldetem Nußholz überging und ähnliche Ausstattungsgegenstände mit wunderschönen Szenen in Ölfarbe bemalte, welche die Prachtentfaltung der Bürger wie auch die Vortrefflichkeit der Maler vor Augen geführt haben und führen. Um aber auf Dellos Werke zu sprechen zu kommen, der sich als erster mit Sorgfalt und guter Praxis dieser Art von Werken zugewandt hatte: Er malte insbesondere für Giovanni de’ Medici9 die gesamte Ausstattung eines Gemachs, das als wirklich außergewöhnliches Werk und wunderschönes Beispiel dieser Gattung galt, wie es einige davon verbliebene Überreste zeigen. Und wie sie sagen, hat Donatello10 ihm noch als ganz junger Mann dabei geholfen, indem er eigenhändig mit Stuck, Gips, Leim und Ziegelmehl Szenen und Ornamente im Flachrelief ausführte, die, anschließend vergoldet, die gemalten Szenen begleiteten und einen wunderschönen Anblick boten. Dieses und viele andere vergleichbare Werke erwähnt [Cennino] Andrea Cennini ausführlich in seinem Werk, über das weiter oben genügend gesagt worden ist.11 Und weil es gut ist, ein Andenken an diese alten Werke zu bewahren, habe ich im Palast von Herzog Cosimo einige bestehen lassen, die von Dellos eigener Hand stammen, wo sie damals wie heute Beachtung verdienen, und sei es nur wegen der unterschiedlichen Gewänder von Männern und Frauen der damaligen Epoche, die darin zu sehen sind.12

Dello führte außerdem im Kreuzgang von Santa Maria Novella an einer Ecke ein Fresko in terraverde aus, das die Szene von Isaak bei der Segnung Esaus zeigt.13 Kurz darauf wurde er nach Spanien in den Dienst des Königs geleitet, wo er zu solchem Ansehen aufstieg, daß man sich von keinem Künstler mehr hätte erhoffen können. Und obwohl man keine Einzelheiten über die Werke weiß, die er in jenem Land ausführte, darf man angesichts der Tatsache, daß er überaus wohlhabend und in großen Ehren von dort zurückkehrte, davon ausgehen, daß sie sehr schön und sehr gut gewesen sind.14 Einige Jahre später, nachdem man ihn für seine Mühen königlich entlohnt hatte, bekam Dello Lust, nach Florenz zurückzukehren, um den Freunden zu zeigen, wie er aus tiefster Armut zu großen Reichtümern aufgestiegen war. Als er ging, um die Erlaubnis jenes Königs einzuholen, wurde ihm diese nicht nur huldreich gewährt – obwohl jener ihn gerne bei sich behalten hätte, wenn Dello gewollt hätte –, vielmehr schlug ihn jener überaus großzügige König als weiteres Zeichen der Dankbarkeit auch noch zum Ritter.15 Als er sich im Anschluß an seine Rückkehr nach Florenz um die Fahnen und die Bestätigung seiner Privilegien bemühte, wurden sie ihm auf Betreiben von Filippo Spano degli Scolari verweigert, der zu jener Zeit als Großseneschall des Königs von Ungarn siegreich von den Türken zurückgekehrt war.16 Dello schrieb umgehend an den König in Spanien, um sich über dieses Unrecht zu beschweren, woraufhin der König mit so warmen Worten zu seinen Gunsten an die Signoria schrieb, daß ihm die gewünschte und ihm zustehende Ehrenbezeigung dann ohne weitere Umstände bewilligt wurde. Man erzählt sich, daß Dello, als er so in Brokat gekleidet mit den Ehrenbezeigungen der Signoria und den Fahnen zu Pferd nach Hause kam, auf dem Weg durch die Vacchereccia – in der damals viele Goldschmiedewerkstätten ansässig waren17 – von einigen Freunden, die ihn aus ihrer Jugendzeit kannten, aus Hohn oder Spaß verspottet wurde, woraufhin er sich in die Richtung drehte, aus der er die Stimmen gehört hatte, und ihnen mit beiden Händen die Feigen wies.18 Ohne ein weiteres Wort entfernte er sich, so daß außer denen, die ihn verspottet hatten, fast niemand etwas davon mitbekam.19 Dieses Vorkommnis wie auch andere Anzeichen machten ihm bewußt, daß in der Heimat der Neid nicht weniger gegen ihn eiferte, als es Bosheit zu der Zeit getan hatte, als er noch bettelarm gewesen war, und so beschloß er, nach Spanien zurückzugehen. Also schrieb er an den König und kehrte nach erhaltener Antwort in jenes Land zurück, wo er mit großer Gunst empfangen wurde und immer gern gesehen war; und so arbeitete und lebte er dort als Ehrenmann und malte fortan stets mit einem Kittel aus Brokat.20

So also hat er für Neid gesorgt, und er lebte,21 bis er mit neunundvierzig Jahren starb22 und von selbigem mit diesem Epitaph in Ehren bestattet wurde:

DER FLORENTINER RITTER DELLO, DURCH DIE KUNST DER MALEREI WEITBERÜHMT UND DURCH DES KÖNIGS VON SPANIEN FREIGEBIGKEIT UND AUSZEICHNUNGEN HOCHGEEHRT, IST HIER BEGRABEN. MÖGE DIR DIE ERDE LEICHT SEIN.23

Dello war kein sehr guter Zeichner, trotzdem gehörte er zu den ersten, die mit einigem Urteil die Muskeln an den nackten Körpern ergründet haben, wie man es in einigen chiaroscuro-Zeichnungen von ihm in unserem libro sieht.24 In Santa Maria Novella hat Paolo Uccello ihn in der Szene, in der Noah von seinem Sohn Ham berauscht [vorgefunden] wird, in chiaroscuro porträtiert.25

Ende der Lebensbeschreibung des Florentiner Malers Dello.


Einleitung zum Leben des Parri Spinelli

In der Lebensbeschreibung des Malers Parri Spinelli aus Arezzo zeigt sich Vasari ganz als begeisterter Landsmann, der die meisten Werke des Malers, selbst die zu dessen Lebzeiten schon nicht mehr erhaltenen, gewissenhaft aufzählt und Informationen und Anekdoten über die gemeinsame Heimatstadt unterbringt, wo er nur kann. Um das Fünffache erweiterte er den Text für die zweite Fassung, die 1568 im Druck erschien.

In die erste Riege persönlicher Aretiner Vorläufer, in deren Tradition Vasari sich sah, wurde Parri Spinelli jedoch nicht aufgenommen. In der Camera della Fama in Vasaris Privathaus porträtierte er ihn in der Genealogie der Vorbilder nicht, statt dessen den ungleich berühmteren Vater Spinello Aretino.

Während in der ersten Version der Vita allein dieser als Lehrer des Sohnes erwähnt wird, sind es in der zweiten Ausgabe die großen Florentiner der Zeit, mit denen Parri in Verbindung gebracht werden soll: Lorenzo Ghiberti, Masolino und Lorenzo Monaco. Über seine frühen Ausbildungsjahre – in der Werkstatt des Vaters in Florenz und Arezzo – und die verwandtschaftlichen Beziehungen nach Florenz weiß Vasari dennoch wenig Konkretes zu berichten. Daß er Spinello Aretino nachweislich im Rathaus von Siena unterstützte, bleibt beispielsweise unerwähnt (ebenso der ganze Auftrag im Leben des Spinello Aretino).

Vasari schrieb die einleitenden Sätze der Vita für die revidierte Fassung von 1568 komplett um. Während es in der ersten Ausgabe etwa geheißen hatte, Parri habe seine Heimatstadt niemals verlassen wollen, wurde er in der zweiten – laut Vasari – vom Gelehrten Leonardo Bruni nach Florenz gebracht, wo er mit Masolino Freundschaft schloß, dessen Stil nachahmte, aber auch seine eigene Malart der gelängten, schlanken Figuren entwickelte und erst in die Heimatstadt zurückgekehrt sei, als der Vater im Sterben lag.

Vasari scheut sich nicht, Parris Leben prominent zwischen denen von Masolino und Masaccio zu plazieren. Zur Aufwertung seiner Arbeiten dienten darüber hinaus die ausführlichen und (soweit nachweisbar) exakten Beschreibungen von Parris Fresken samt dezidierter Bewertungen.

Aretiner Künstler sind in den Augen Vasaris gerne auch Erfinder: So habe Parri die Freskotechnik vorangebracht, indem er als erster nicht mehr die terra verde unter den Fleischtönen verwendete. Eine nie dagewesene Ikonographie der Caritas und die kapriziöse Darstellung eines Spiegels, in dem der Heilige Thomas die Passion und der Betrachter sich selbst sehen könne, seien darüber hinaus seine innovativen Ideen gewesen.

 

Mit seinen Ausführungen zur Tragödie eines doppelzüngigen Verrats zeigt sich Vasari als leidenschaftlicher Dichter, der auch mit Anekdoten aus der Ortsgeschichte zu unterhalten weiß. Die Beschreibungen von Parris besonderen Ikonographien, seinem Stil und einer angeblich komplizierten Psyche gehören zu den Glanzlichtern der Vita.

Gewaltbereite Verwandte hatten Parri einen solchen Schreck versetzt, daß dieser nicht mehr nur sehr längliche Figuren malte, wie Vasari zu Beginn der Vita bemerkte, sondern jene nach diesem Vorfall immer auch einen Drall zur Seite hatten. Die Angst vor den Verwandten habe sich also auch in seinen Figuren widergespiegelt. Ausgehend von einer Steuereintragung aus dem Jahr 1427, der zufolge Parri viele Jahre krank war und nicht arbeiten konnte, und Vasaris Schlußbemerkung, Parri habe sein Leben durch Einsamkeit, Melancholie und zu viel Arbeit verkürzt, war Parri Spinelli lange Zeit in der Forschung nur als psychisch labiler Künstler interessant.

Die Lebensbeschreibung von Parri Spinelli bietet also weit mehr als eine Aneinanderreihung von Werken und biographischen Daten des zwischen 1428 und 1448 meistbeschäftigten Malers Arezzos, der laut Vasari im Zeichnen besser gewesen sei als in der Malerei (was noch heute an zahlreichen erhaltenen Blättern überprüft werden kann). Zurückgenommen ist in der zweiten Ausgabe trotz allem das allzu große Lob, mit dem Vasari die erste Fassung der Vita begonnen hatte.

AZ