Die verwitwete Frau Pastorin Fleege hatte noch nie einen so netten Mieter gehabt wie den Herrn Schauspieler Ernst Lederer, der seit Ende Januar bei ihr wohnte. Nicht nur, dass er ein großzügiger Mieter war und von selbst erklärt hatte, fünfzig Mark seien viel zu wenig für solch schönes Zimmer, auch noch mit Heizung, auch noch mit Frühstück, er gäbe fünfundsiebzig, nein, er war auch der freigebigste Mann in Blumensträußen, Konfektschachteln, Theaterbilletts. Und das alles für eine alte, siebzigjährige Frau!
Aber das Schönste war doch, dass er gerne bei ihr saß und mit ihr plauderte. Sie war alt, ihr lieber Mann war nun schon über zwanzig Jahre tot, ihre Tochter oben im nun dänischen Flensburger Land mit einem Gutsbesitzer verheiratet. Sie kam so selten, und die alte Dame hatte keine Freunde mehr, oder die Freunde waren ebenso alt und gebrechlich wie sie und konnten keine Besuchswege mehr machen.
Sie hatte schon so lange allein gesessen in ihrem Zimmerchen, und dazu noch hatte sie sich vor ihren jeweiligen Mietern oder Mieterinnen geängstigt. Sie waren laut und roh, zahlten schlecht, verdarben die Sachen, stellten immer neue Anforderungen … aber nun der Herr Schauspieler Lederer …!
Zuerst hatte er ihr nicht so übermäßig gefallen. Er war laut gewesen und zu vertraulich, als er mietete, er hatte grundlos viel gelacht, hatte sie frech angesehen und war dann plötzlich still und wortkarg geworden.
Aber dann hatte sie ihn besser kennengelernt. Frau Pastorin Fleege hatte eine kleine grauschwarze Katze »Pussi«, eine ganz gewöhnliche Hauskatze, die ihr einmal als junges Tier halb verhungert zugelaufen war. Sie hatte sich an Pussi gewöhnt, es war ein liebes, zutrauliches Tier, man konnte im Schummern mit ihr sprechen, und sie schnurrte dann so nett, wie zur Antwort …
Doch was einmal eine Straßenkatze gewesen ist, behält leider diese Neigung, sie war eine Herumstrolcherin, davon konnte sie nicht lassen! Frau Fleege mochte noch so sehr aufpassen, irgendwann entwischte Pussi doch einmal durch ein offenes Fenster, schob sich unten bei ihren Beinen an der Entreetür durch, während sie oben mit dem Milchmann redete – und fort war sie!
Da kamen dann Stunden, oft Tage des Kummers für Frau Pastorin. Soweit es ihr ihre alten Beine erlaubten, lief sie in den Nachbarhäusern umher und erkundigte sich. Aber so viele Leute waren roh, sie lachten sie aus und nannten sie »verdreihte Olsch« oder »Katzenmadam«! Sie begriffen nicht, wie sehr sie sich ängstigte, es gab so viele böse große Hunde in der Nachbarschaft. Sie wusste wohl, man sollte sein Herz nicht an die unvernünftige Kreatur hängen, aber wo ihr lieber Mann schon so lange tot war und die Tochter Hete so weit weg wohnte …!
An solchen Tagen weinte sie viel, die klaren großen Tränen liefen ihr lautlos über das Gesicht, sie schluchzte nicht dabei. Aber das Leben war schwer so allein, und der liebe Gott hätte sich ihrer doch längst erbarmen können.
Herr Lederer wohnte erst drei oder vier Tage bei ihr, als Pussi wieder einmal ausriss. Erst wollte sie ihm gar nichts erzählen, Pussi war ja noch immer wiedergekommen, aber dann, als sie – erschöpft von den ersten Nachfragen – auf ihrem Fenstertritt saß, und ein Auto schrie so schrill draußen, und sie war zusammengefahren, weil sie dachte, es sei Pussi gewesen, die so schrie – also dann war sie doch zu ihm gegangen.
Erst hatte er wohl gar nicht recht begriffen, er hatte mit dem Kopf in den beiden Händen am Schreibtisch gesessen, dass sie dachte, es sei ihm nicht gut … Aber dann, als er den Kopf hob, hatte sie gesehen, er hatte Kummer. Sie hätte nun gerne gar nichts gesagt, aber er hatte schon genickt und zugestimmt: »Machen wir …«
Nun wollte sie ihn zurückhalten und hatte gesagt, so sei es doch nicht gemeint gewesen, und der Herr Lederer müsse sich doch sicher noch seine Rolle für den Abend aufsagen …
Sie trug so ein komisches schwarzes Häubchen auf dem Kopf, ein flaches Ding aus schwarzen Glasperlen, wie es kein Mensch heute mehr trug, darauf musste Herr Lederer immer sehen. Es war auch verrutscht …
Also, er ging jetzt sofort suchen!
Er kam wieder zu ihr, alle viertel oder halbe Stunde machte er Bericht. Da hatte er Pussi gesehen, aber nicht gekriegt; jetzt hatte er einen Bückling gekauft, um sie zu locken, traf er sie noch einmal; und nun hatte Frau Lehmann, die Gemüsehändlerin, gesagt, sie habe Pussi bei den Abfalltonnen auf dem Hof gesehen …
Nun gut, sie, die Frau Pastorin Fleege, hatte ihn daran erinnern müssen, dass es höchste Zeit für ihn war, ins Theater zu gehen. Er war ein komischer Mensch, übereifrig, er hatte die Achseln gezuckt und gesagt: »Ach was, Theater!« – dann aber hatte er sich besonnen und war doch gegangen.
Und war um halb zwölf – sonst war er nie so früh zu Haus – wieder dagewesen und hatte gegen ihre Türe geklopft – sie schlief noch nicht – und hatte nur gesagt: »Ich hab Pussi!«
Sie war herausgekommen, auf dem kleinen, dünnen weißen Scheitel saß nun eine Nachthaube aus Spitze, in einer weißen Nachtjacke und in einem Unterrock, so hatte sie zum letzten Male ihr lieber Mann gesehen, aber sie hatte sich nicht geniert, nur die Tränen liefen wieder.
»Nicht, nicht, Frau Pastorin«, hatte er gesagt. »Da ist ja die Pussi. Sie hat übrigens unter der Haustür gesessen. Ich hab nichts dazu getan.«
Nein, von Dank wollte er nichts wissen, nie. Er nahm ihr den Weg zur Polizeiwache ab und meldete sich selbst an (»die sind oft so grob zu ’ner alten Frau«), er bestellte Briketts für sie und stand morgens um acht auf, als sie abgeliefert wurden, und zum ersten Mal bekam sie ihr volles Quantum und lauter heile, er steckte die Gardinen an und trug den Abfalleimer auf den Hof …
Und nie etwas von Dank. Nein, wenn sie ihm danken wollte und griff nach seiner Hand, dann wurde er richtig verlegen und ging ohne ein Wort in sein Zimmer. Oder er wurde auch böse und konnte sagen: »Nichts zu danken, Frau Pastorin, danken soll man immer erst am Ende …«
Und sie überlegte sich lange, ob das bedeuten sollte, dass er bald wieder auszog?
Ja, er war ein gefälliger, stiller, friedlicher Mensch, aber am schönsten war es doch, dass er nachmittags, während es dunkel wurde, bei ihr saß und zuhörte, wenn sie von ihrem Mann erzählte und von der schönen Pfarre in der Wilstermarsch, wo die Hete geboren wurde, wo sie ihre glücklichste Zeit verlebt hatte.
Er saß so still da oder ging auch ganz leise auf und ab und rauchte eine Zigarette. (Sonst mochte sie keine Zigaretten, aber seine Zigaretten, fand sie, rochen gut.) Er konnte zuhören, es wurde ihm nie zu viel, er fragte auch so verständig zwischenhinein, und in allem waren sie einer Ansicht.
Sie erzählte mit ihrer hellen hohen Altweiberstimme, die manchmal wie Singen klang, von der Pfarrei, zu der auch Land gehört hatte, sechzig Morgen. Wohl hatte ihr lieber Mann nichts von der Landwirtschaft verstanden, aber das hatte ihn doch so glücklich gemacht, den Boden selbst zu bewirtschaften, natürlich mit einem Knecht. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, selbst zu pflügen, und hinterher hatte er ganz erschlagen, aber unendlich glücklich gesagt: »Hete« (sie wurde auch Hete genannt, genau wie die Tochter), »Hete, jetzt kann ich ganz anders am Erntedankfest predigen als früher.«
»Hatten Sie auch Wasser da?« hatte Herr Lederer gefragt.
»Aber natürlich! Wir hatten alles da.«
Und sie erzählte, wie die kleine Hete einmal im Januar, sie war damals grade fünf Jahre alt, in den Teich gefallen war. Und ganz allein und ohne zu weinen war sie heraus und in den Wagenschuppen gekrochen, hatte sich in den alten staubigen Landauer gesetzt, sich splitterfasernackt ausgezogen und ihre Sachen Stück für Stück sorgfältig zum Trocknen aufgehängt. Sie hatte nicht eher ins Haus gehen wollen, bis alles trocken war.
»Und sie hatte doch ihr schwarzes Samtkleidchen an, das so in drei Wochen noch nicht trocken gewesen wäre. Und kein Schnupfen, kein Garnichts. – Jetzt freut sich Hete an ihren eigenen Kindern, sie müssen schon ganz groß sein … Da ist die Älteste, Ingrid – wie finden Sie den Namen Ingrid? Es sind jetzt Dänen, die Kinder leben in Kopenhagen, verstehen Sie, Herr Lederer?«
Ja, aber manchmal besann sich Frau Pastorin Fleege, dass sie immer nur von sich selbst redete, und sie wurde rot und entschuldigte sich, und nun sollte Herr Lederer berichten.
Aber das wurde nicht viel, er hatte nicht viel zu berichten. Er war eben Schauspieler, jeden Abend ging er ins Theater, und hinterher probten sie noch die halbe Nacht. Nein, er war keine große Nummer, so grade noch in der Mitte, sie hatte ihn ja auf der Bühne gesehen …
Ja, das hatte sie, er schenkte ihr öfter Karten. Sie hatte ihn zuerst gar nicht erkannt, aber das erklärte er ihr, dass das grade die Kunst sei, sich vollkommen unkenntlich zu machen. Einmal war er ein General gewesen und einmal, in einem Märchenstück, ein Wassermann, ein Nickelmann – da war es ja klar, dass er ganz verschieden aussehen musste und dass sie ihn nicht erkannte, ihre Augen waren ja auch nicht mehr gut. Sein Name, Ernst Lederer, hatte richtig auf dem Theaterzettel gestanden, und sie war sehr stolz auf ihren Mieter und schloss jedes Programm sorgsam weg.
Kufalt aber …
Kufalt war nicht gleich, als er in Hamburg angekommen war, zu der verwitweten Frau Pastorin Hete Fleege gezogen: Das war erst einige Tage später gewesen, als er schon einen festen Plan hatte, und die weltfremde Frau Pastorin war eben auch ein Teil dieses Planes gewesen.
Nein, zuerst war er in einem kleinen, ziemlich unsauberen Hotel abgestiegen und hatte da ein paar Nächte geschlafen. Am Tage aber war er weit umhergelaufen und hatte gegrübelt und sich überlegt, was er nun eigentlich mit seinem Leben anfangen sollte.
Er hatte das letzte Dreivierteljahr, seit er frei geworden war, Revue passieren lassen, und gut waren sie nicht gewesen, diese neun Monate. Keine Stunde gut, keine Stunde! Er hatte sich Mühe gegeben, er hatte sich geduckt, er war feige gewesen und schmeichlerisch, aber er war auch fleißig gewesen – zu nichts nutze!
Nein, das sah er ein, es hatte nicht nur an den anderen gelegen, an den Teddy, Jauch, Marcetus, Maack, Hilde und so weiter – es hatte an ihm gelegen. Eine Weile schien immer alles glatt zu gehen, aber regelmäßig kam dann etwas dazwischen. Er konnte keinen ruhigen Weg gehen, er spielte sich selbst Streiche, er duckte sich dutzendmal und war feige, wo es gar nicht nötig gewesen wäre, aber plötzlich begehrte er unsinnig auf und gab an und zerschlug alles, wo es wieder gar nicht nötig war.
Warum war er so? War er früher schon so gewesen?
Nein, sagte er, es ist nicht nur, weil ich etwas zu verbergen habe, das ist das Wenigste. Nein, weil ich mit etwas noch nicht fertig bin, eigentlich bin ich immer noch im Kittchen. Und immer fühle ich, wie leicht es ist, wieder hineinzukommen.
Er hatte mal gesagt zum Direktor, damals war er noch in Haft, er sei doch jetzt wie ein Mann ohne Hände. Der Direktor hatte das bestritten, aber es war doch so. Fünf Jahre war ihm alles abgenommen, nicht einmal selbstständig denken durfte er, er hatte nur zu tun, was ihm befohlen wurde, und nun sollte er alles allein tun … nein, es wurde nichts, ohne Hände!
Was hatte Arbeiten, Demütigsein, Entbehren für einen Sinn, wenn man doch scheiterte?!
Er dachte an den langen Zug bekannter Gesichter, die er ins Gefängnis hatte zurückkehren sehen während seiner fünfjährigen Haft. Sie kamen wieder, alle kamen sie wieder. Oder sie saßen in anderen Gefängnissen, oder sie taten grade das, was sie eines Tages wieder ins Gefängnis bringen würde. Batzke hatte tausendmal recht, man musste etwas anfassen, aber zur rechten Zeit, irgendetwas Großes, dass es sich dann auch wirklich gelohnt hatte, wenn man wieder Knast schob.
Da war der Fall Emil Bruhn. Kufalt wusste jetzt aus den Zeitungen, er würde seinen alten Emil nie wieder treffen in Hamburg oder sonst wo, nie würde er in die Versuchung kommen, ihn in die Pfanne zu hauen. Emil war mit eingeklopftem Schädel unter dem Brandschutt gefunden, und irgendein polnischer Wanderarbeiter war geständig, ihn totgeschlagen und die Fabrik angesteckt zu haben.
Also Emil Bruhn: elf Jahre Ducken, immer freundlich, roboten wie ein Tier, kleine spärliche Ansprüche ans Leben: Kino, ein Mädel, eine Gesellenstelle. Schiefgegangen, wurde nichts draus. Vorbestraft bleibt vorbestraft. Die humanste Strafe war: Man richtete alle gleich hin.
Wann hatte er sich so recht in seinem Fahrwasser gefühlt, wann ist er in diesen Monaten obenauf gewesen und hat genau gewusst, was er zu tun und zu sagen hatte? Wo war Heimat?
Jawohl, der Herr Kriminalsekretär Specht hat sich über ihn beim Untersuchungsrichter beschwert, der Polizeioffizier hat ihn rausgepfeffert, der Kriminalassistent Brödchen ist vor Wut über ihn zerplatzt.
Als sie ihn wie einen richtigen Ganoven nahmen, da war er wieder zu Haus, da konnte er reden und frech tun, das lag ihm, das hatte er nun gelernt.
Wenn es aber so war, wenn er wirklich ein Ganove geworden war während seiner Strafzeit, wenn er doch wieder hineinkam, dann hatte er sich zusammenzureißen für drei, vier Wochen, bis der große Coup gelandet war. Dann hatte er nicht mehr rumzuzittern an den Grenzen der Anständigkeit, dann hatte er einen großen Coup mit aller Bedachtsamkeit vorzubereiten, solange er noch Geld hatte. Und das hatte er nun noch. Schwer war das auch, seine Feigheit, seine Unentschlossenheit waren ihm auch da hinderlich, von Natur aus war er kein Verbrecher, er war es nur geworden, er hatte Verbrechen gelernt.
Und Kufalt ging dahin, er ging bis in die Walddörfer, er ging in die Vierlande, er stieg auf den Süllberg, er sah Elbe, Schiffe, Dörfer, winterliches Land, er war ein Mensch wie alle, unterschiedlich vom Äußern aus nicht, er war kein Verbrechertyp, aber – mitgefangen, mitgehangen. Nun schmiedete er also seinen Plan.
Da aber wurde er der Schauspieler Ernst Lederer, mietete sich bei dem armen Haubenhühnchen Frau Pastorin Fleege ein, ging nächtlich regelmäßig über den Jungfernstieg und schickte das Strichmädchen Ilse auf die Suche nach Batzke.
»Schick die Nutte weg, Willi«, sagte Batzke.
»Ist ein nettes Mädchen, heißt Ilse«, antwortete Kufalt.
»Sie vermasselt uns hier alles«, sagte Batzke.
»Habe nichts zu vermasseln«, antwortete Kufalt.
Eine kurze Pause entstand. Batzke musterte eindringlich das Zimmer, dann genehmigte er sich noch einen Kognak.
»Schnafte wohnst du«, erklärte er.
»Geht«, antwortete Kufalt.
»Wie wir damals zum Bunker nach Fuhlsbüttel fuhren, warst du mächtig abgebrannt«, erinnerte sich Batzke.
»Stimmt«, sagte Kufalt.
»Hättest du dir solches Zimmer nicht mieten können.«
»Mieten kann man immer.«
»Aber?«
»Aber die Miete bezahlen!«
»Und der Kognak? Und der Rum? Und die Zigaretten?«
»Kann Sore sein, Batzke.«
»Aber die Vierhundert hast du doch für mich?«
»Vielleicht, Batzke.«
Eine kurze Pause, dann beugte sich Batzke vor und sagte wütend: »Du hast mich kommen lassen, Jungeken, wegen der Vierhundert. Hast du sie, oder hast du sie nicht?«
Ihre Gesichter, einander zugeneigt, waren nur einen Meter auseinander. Batzkes Augen funkelten in besinnungsloser Wut, Kufalts Gesicht war bleich und zuckte, aber sein Blick hielt Batzkes Blick stand.
»Sieh mal, Batzke!« sagte er.
Er deutete kaum merklich mit der Schläfe auf die Pistole hinunter, in der rechten Hand.
Batzke sah, dann stand er auf, schüttelte die breiten Tischlerschultern, von denen die eine durch das Hobeln stärker entwickelt war. Er ging im Zimmer hin und her, er sagte: »Mit dir ist was los, Kufalt. Du hast dich mächtig verändert.«
Kufalt sagte: »Nimm das Zimmer hier, schnafte, sagst du. Und die Sachen. Und Geld hab ich auch noch. Und die Vierhundert für dich vielleicht auch – vielleicht, weil ich mir das alles verschafft habe« – Kufalt machte rundum eine Handbewegung –, »vielleicht bin ich darum anders.«
Batzke ging wieder auf und ab.
»Also sag schon, was du von mir willst, denn umsonst wirst du mich schon nicht von der Schneppe haben suchen lassen.«
Das Mädchen kam herein mit dem Grogwasser.
Kufalt sah sie gedankenvoll an, sah zu Batzke, wieder zum Mädchen und erklärte: »Nur zwei Gläser. Du kannst nach Haus gehen, Ilse. Hier sind fünf Mark.«
Batzke schielte nach dem Geld, es kam aber nicht mehr zum Vorschein als eben dieses Fünfmarkstück, das entschieden schon in Bereitschaft gehalten worden war.
Unzufrieden sagte er: »’nen warmen Grog könntest du ihr wenigstens geben, wo sie wieder auf die Straße muss. Übertreiben braucht man es auch nicht, Kufalt.«
Kufalt sah ihn an und grinste. »Ach nee! Nicht mehr so eilig? Trink einen Kognak, Ilse, und ab!«
»Wieso Kufalt?« fragte das Mädchen zögernd über dem Trinken. »Ich denke Lederer.«
»Habe ich Kufalt gesagt?« höhnte Batzke. »Wasch deine Ohren. Einfalt heißt er. Und so ist er auch.«
Das Mädchen sah argwöhnisch mit ihren eiligen, huschenden Augen von einem zum anderen und erklärte: »Also, dann geh ich.«
»Trink man noch einen, Mariechen«, sagte Batzke und zwinkerte Kufalt zu.
Aber das Mädchen wollte nicht mehr. Es sprach eilig und beleidigt davon, dass es sich nicht so behandeln lasse, und sie gehe nicht für fünf Mark und einen Kognak ins Kittchen, und außerdem hieße sie nicht Mariechen.
Batzke grinste.
Kufalt sagte: »Also hör zu, Ilse, wir sehen uns morgen wie immer.«
»Du kannst auch wegbleiben«, sagte sie, »du mit deinem falschen Freund und deinen zwei Namen.«
Dabei blieb sie im Zimmer stehen und sah die beiden immer herausfordernder an.
»Also nun mach schon«, sagte Kufalt ungeduldig.
»Ich gehe, wenn es mir passt«, sagte sie immer wütender. »Von solchen wie dir lasse ich mir noch lange nichts sagen. Und wenn ich jetzt zur Polizei gehe … Ich habe gut gehört, was du von Mieten und Sore gesagt hast …«
Aber sie kam nicht weiter.
Mit einem Satz war Batzke auf, umfasste sie mit seinen beiden Armen, sagte wütend: »Mariechen«, und drückte sie so fest, dass sie vor Schmerz aufschrie.
»Hau ab«, sagte er. »Du kennst mich doch, was?!«
Er ließ sie los.
Sie stand noch einen Augenblick da, ungewiss, ob sie noch hier zu weinen anfangen sollte, und ging weg.
»Und wenn der Laden klappen soll«, sagte Kufalt, »kann ich mir jetzt eine neue Wohnung suchen. Bloß weil du nicht aufpassen kannst.«
»Welcher Laden klappen soll?« fragte Batzke. »Ich weiß noch von nichts.«
Wie hatte sich die Lage verändert! Kufalt war schon so schön obenauf gewesen, Batzke hatte nur Fehler gemacht. Und doch war Kufalt, rätselhaft wie, plötzlich der Schwächere. (Bloß, weil der das Mädel angefasst hatte?)
»Ich habe eine Annonce, Batzke«, sagte er.
»Wird schon eine feine Annonce sein«, höhnte Batzke. »Du kannst doch nicht baldowern.«
»Also hier«, sagte Kufalt wütend, riss den Aschenbecher weg und legte das Häuflein Fünfzigmarkscheine bloß. »Nimm dein Geld und schieb ab. Mach ich es eben mit jemand anders.«
Batzke sah das Geld, nahm es, zählte es gemütlich, steckte es in die Tasche und sagte hochzufrieden: »Also, Willi, trink deinen Grog, ehe er kalt wird. Und dann erzähl, was du rausgekriegt hast. Wir alten Knastschieber …«