Loe raamatut: «Sagenbuch der Stadt Erfurt», lehekülg 3

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9. Vom Grafen von Gleichen.

Wie oft eine unserer schönsten Sagen, nämlich die von der Doppelehe des Grafen Ernst von Gleichen in den verschiedensten Formen besungen und wiedererzählt worden ist und wie der romantische Stoff unter der Feder unseres begabten Landsmannes Musäus zu einem der anmuthigsten deutschen Volksmärchen sich gestaltete, ist allgemein bekannt. Ebenso offenkundig ist es auch, wie heiß der wissenschaftliche Streit über das historische Factum desselben entbrannt und wie viel für und wider in dieser Angelegenheit bis auf den heutigen Tag geschrieben worden ist. Weniger bekannt dürfte eine der ersten Fassungen der Sage sein, die uns Joh. Becherers „Neue Thüringer Chronik“, zu Mühlhausen im Jahre 1601 gedruckt, P. 267 mittheilt. Dort lautet sie folgendermaßen: „Anno 1227 erhob sich eine gemeine Heerfahrt ins heilige Land wider die Türken. Kaiser Friedrich zog persönlich sammt vielen Fürsten, und Grafen und Herrn, unter welchen auch Landgraf Ludwig. Als sich dieser nun auf die Reise machte, begleiteten ihn seine Brüder, Landgraf Heinrich und Conrad und St. Elisabeth bis gen Schmalkalden. Hier befahl er unter andern abgeredeten Sachen dem Landgrafen Heinrich seine Hausfrau, Kinder und Mutter, Frau Sophie, eine geboren Herzogin von Bayern und schied also von Schmalkalden an St. Johannis des Täufers Tag. Es zogen mit ihm Graf Heinrich von Stollberg, Burghart von Brandenburg, Meinhard von Mühlburg, ein Graf von Gleichen und sechs edle Herrn, Hermann von Heldrungen, Rudolph von Vargula, Heinrich von Erbisburg, Hermann von Schlotheim, Heinrich von Dreffurt und Heinrich von Fahnern. Ferner acht Ritter: Rudolph von Weberstedt, Rudolph von Bülzingsleben, Bernahrd von Elende, Dietrich von Seebach, Sigefried Rode, Ludwig Vied, Rudolph von Heuser, Erhard von Koppel und noch fünf Priester und viel Gesinde, so an seinem Hofe war … ….

In diesem Zuge hat sich ein wunderbarlicher Fall zugetragen; denn der Graf von Gleichen, so mit Landgraf Ludwig fortgezogen war, ist von den Saracenen gefangen worden und hat ihn eines großen Herrn Tochter liebgewonnen, welche ihm zugesagt, wenn er sie ehelichen würde, wollte sie ihm davon helfen. – Der Graf war allbereits ehelich. Jedoch wäre er gern frei gewesen und sagt ihr, daß er schon Weib und Kind habe. Da sich aber hieran das saracenische Mägdlein nicht kehret, verspricht er ihr die Ehe und sie hilft ihm davon. Er zeucht gen Rom, erzählt dem Papst seinen Zustand und erhält Dispens, daß er beide Weiber behalten möge. Als er nun heimkommt in Thüringen, lässt er die Saracenin in der Herberg, geht zu seiner Gräfin, welche ihn fröhlich empfängt und sagt ihr, wie es um ihn stehe und daß er noch ein Weib mit sich bringe, welche nächst Gott seines Lebens und seiner Erlösung Ursache sei, und daß er es gegen Gott nicht verantworten könne, sie in fremden Landen zu verlassen. Da sagt die Gräfin: Mein lieber Herr, sei es Gott gedankt, daß ich euch gesund und frisch wieder habe. Weil sie euch ledig gemacht, soll sie das ihr lebelang von mir genießen. Nahm sie also auf das Schloß und es vertrugen sich die zwei Weiber gar wohl und die Saracenin hatte der Gräfin Kinder nicht weniger lieb, als ob es ihre eigenen wären. Dieser Graf ist mit seinen zwei Weibern nach Aller Ableben in Stein gehauen und wird gezeigt auf dem Petersberge zu Erfurt.“ Gegenwärtig befindet sich besagtes Denkmal im Erfurter Dome, woselbst es unter dem großen Christoph an der Südwand aufgestellt ist. Ebendaselbst sind auch die Gebeine beigesetzt worden.

10. Eligerus.

Man sah im Jahre 1232 ein geschäftliches Treiben in Erfurt an beiden Seiten der Gera. Es wurde gegraben und gebaut und das Volk sammelte sich in hellen Haufen, wenn die hohe edle Gestalt eines Dominikaner-Bruders in der bis zu den Füßen reichenden weißen Kutte und dem wehenden schwarzen Mantel sich zur Predigt erhob und in thüringisch volksthümlichen Worten einen Schatz frommer Gedanken den lauschenden Zuhörern darbot. Das war Elger, ein hochgeborener Graf von Hohnstein, der dem Glanze des Ritterthums entsagt und die Burgen seines Geschlechts mit der armen Holzhütte vertauschte, die sich die eben in Erfurt eingewanderten Predigermönche an der Gera erbaut hatten. Ihn hatte der Wissensdrang nach Paris getrieben und in der hohen Schule der Gottesgelehrsamkeit, der Sarbonne, hatte er mit hingebendem Eifer studirt. Dort lernte er den Orden der Dominikaner kennen und fühlte sich durch die große Frömmigkeit, die er in dem erst 1205 durch Dominicus Guzmann gegründeten Convente fand, so angezogen, daß er bald in denselben eintrat. Der Sage nach soll ihn der Ordensstifter Dominicus selbst seinem Orden einverleibt haben. Der niedrige Betsaal aus Holz, in der Nähe der St. Paulikirche zu Erfurt, in welchem nun Elger, den indessen seine Predigerbrüder zum Prior gewählt hatten, die Geistessaat ausstreute, wurde bald von den höher und höher steigenden Mauern einer umfangreichen Klosterkirche überragt, die man dem Evangelisten Johannes zu weihen gedachte. Aus der kleinen Zahl der Brüder, es waren Tangel, Albert von Meißen und Heinrich von Frankenhausen, Edle, die wahrscheinlich schon in Paris zusammengefunden, wuchs der Erfurter Dominicaner-Convent schnell an Brüdern und mancher Erfurter Bürgersohn mochte in denselben getreten sein. Groß war auch die Betheiligung der Bürger bei dem Bau der Prediger-Kirche. Als man den edlen Graf Elger, die Schürze über der Kutte, die Maurerkelle in der Hand, werkthätig beim Baue sah, strömte Alt und Jung hülfreich herbei und Jeder brachte an Liebesgaben, was er hatte und arbeitete nach Kräften am Bau. Derselbe war aber lange noch nicht vollendet, als Elger, einem neuen Rufe folgend, aus dem Westthor der Stadt Erfurt auszog. Er siedelte nach Eisenach über und richtete bei der vom Landgrafen Heinrich erbauten Johanneskirche ein neues Dominikanerkloster ein, in welchem er bis ans Ende seiner Tage verblieb. Er starb 1248.

Wunderbare Dinge erzählte das Volk von Prior Elger. Einst soll er in seiner Zelle gebetet und einen Monat lang in Verzückung gelegen haben. Als er wieder zu sich gekommen, hatte ihn sein Convent in dieser Zeit nicht vermißt.

(Vaterlandskunde V. 355.)

In den Excerptis ex Monacho Pirnensi heißt es, es habe Christus der Herr in Elgers Abwesenheit in seiner Gestalt sein Amt verwaltet und Gott habe viel Miracul durch ihn gethan.

11. Die Sage von der hl. Brunnenskirche.

Es hatten in der Nacht vor dem Feste Mariä Verkündigung im Jahre 1249 zwei Diebe sich vereinigt, die Kirche St. Martini intra am langen Stege, der Predigerkirche gegenüber (wo jetzt die Neuestraße ist) zu erbrechen und zu berauben. Sie stahlen ein goldenes Ciborium, in welchem sich neun consecrirte Hostien befanden. Auf der Flucht warfen sie diese nicht ohne geheimes Grauen in einen Sumpf, der sich am Roßmarkte ihren Blicken zeigte und schlugen mit ihrem Raube den Weg nach Eisenach ein. Fünf Monate später erkrankte hier einer der beiden Räuber gefährlich und der Gedanke an die Beraubung des Gotteshauses und insbesondere an die Entweihung der consecrirten Hostien ließ ihm Tag und Nacht keine Ruhe. Da ließ er einen Franziskaner an sein Lager kommen und dem eröffnete er sein von Gewissensqualen gefoltertes Herz. Als er sich durch sein reumüthiges Bekenntniß erleichtert fühlte, bat er den Mönch noch, daß er es in Erfurt wegen der Hostien an Anzeige und Nachforschung nicht fehlen lassen sollte und da der Mönch alles zu thun versprach, konnte jener ruhig sterben. – In Erfurt war aber an besagter Stelle von einem dort wohnenden Geistlichen ein Licht gesehen worden und es nahm Wunder, daß der Sumpf auch bei der größten Kälte nicht zufror. Man untersuchte nun im Beisein des Erzbischofs Christian II. den Ort und fischte wirklich die neun Hostien unversehrt aus dem Wasser heraus. Ueber oder neben dem Orte, wo solches geschah, erbaute ein reicher Bürger, Ulrich Vierling, eine Kirche, welche von jener Zeit ab bis auf den heutigen Tag „zum hl. Brunnen“ genannt wird.

In der Kirche und zwar an der Nordwand, an welcher sich äußerlich der mit Steinen gefasste Brunnen befindet, ist ein großes Oelgemälde zu sehen, welches die fünf Hauptmomente der Sage darstellt und wegen der alterthümlichen Ansichten der St. Martinikirche und des Roßmarktes besonders interessant ist.

Im Dom zu Hildesheim ist auch eine Quelle unter dem Hochaltar und von der damit verbundenen Sage giebt noch heute der berühmte Rosenbaum Zeugniß. Auch zu Cobern im Moselthale soll unter dem Hochaltar ein Bächlein geflossen sein, dessen Murmeln die Worte des die Messe lesenden Priesters begleitet haben soll.

Eines Seitenstückes der zuerst erzählten Sage sei hier gedacht. Ein Jude stahl im Jahre 1285 im Dorfe Dechow eine Monstranz und vergrub in seiner Herzensangst die darin befindliche hl. Hostie unter dem Galgen. In Pritzwalk erregt er Verdacht und man wirft ihn ins Gefängniß, wo er nach langem Widerstreben einem als Priester gekleideten Bürger sein Verbrechen gesteht und unter dem Rade sein Leben büßt. Nun untersucht man den Raum unter dem Galgen und findet die Hostie blutend und auch die Erde mit Blut getränkt. Unter großem Gepränge wird nun das hl. Sakrament nach Wilsnack gebracht sammt der blutigen Erde und allda verehrt. Als nun der Bischof von Havelberg von seinem Schlosse zu Wittstock nach Pritzwalk reiste, überfiel ihn in der Nähe des Galgens ein heftiges Unwohlsein, das erst von ihm wich, als er dem in Rede stehendem Sakramente Verehrung gelobte. Als er den Boden unter dem Galgen untersuchte, vermochte ihn eine Vision dazu, an dieser Stelle eine Kapelle zu bauen, die er auch 1287 vollendete und in der Weihe das hl. Grab benannte. Zwei Jahre später baute Markgraf Otto der Lange das Kloster gleichen Namens daran, welches das schönste in der Mark ist.

Auch zu Konradsburg kam ein ähnlicher Kirchenraub vor. Der Dieb begiebt sich mit dem gestohlenen Ciborium, in welchem sich zwei consecrirte Hostien befanden, nach Marienburg und geht daselbst in das Muhmenhaus. Zwei über ihm schwebende Lichter bringen dort den Raub an den Tag. Der Verbrecher wird geständig und schon andern Tages gerichtet. Ueber den Besitz der wiedergefundenen Hostien aber erhob sich ein Streit zwischen dem Hochmeister Conrad v. Junginger und dem Pfarrherrn zu Konradsburg, der sich in die Länge zog und eine Appellation an den Papst zur Folge hatte.

Nach Grässe Pr. S.

1593 am 3. September geschah es, daß Einer, der des Ortes Gelegenheit wohl kannte, diejenige Büchse in der Kapelle der Heiligen Adolar und Eoban im Stifte Mariä zu Erfurt, in welcher man das hl. Blut beigelegt, ergriff und stahl. Das Heiligthum selbst hatte der Dieb aber nicht mitnehmen wollen, sondern auf einem Stuhl liegen lassen, damit es der Clerisei nicht daran mangeln möchte.

Hogel 250.

12. Johannes Teutonicus.

Unter der sogenannten Laterne am Dom steht nach Norden gewendet die Statue des hl. Bonifazius. Die Bischöfe neben ihm sind die HH. Adolarius und Eobanus, welche seine Begleiter und Gehülfen waren und mit ihm von den Friesen ermordet wurden. Das Consol, auf welchem die Hauptfigur steht, läßt noch, trotzdem der Zahn der Zeit es vernagt hat, einen Ziegenbock mit langen Hörnern und Bart erkennen. Auf dem Thiere reitet ein Mann in langem Gewande. Er hält in der linken Hand ein musikalisches Instrument, welches einer Geige ähnelt. Die mittelalterliche Symbolik stellt in dieser Figur die niedere Weltlust dar und thut damit kund, daß Bonifazius sie stets beherrscht und – wie hier im Bilde – sie unter seine Füße getreten habe. Jedoch weiß die Friese’sche Chronik von einer andern Deutung des Bildes zu berichten und lautet die diesbezügliche Stelle also: „Der Teufel hatte in Gestalt eines Bockes Johann Teutonicum, der ein Priester und großer Zauberer zu Halberstadt war, so hurtig von einem Orte zum andern geführt, daß er zu Erfurt, Mainz und Köln die Christmetten hat halten können, wie er denn auf dem Bocke sitzend neben der großen Pforte in Stein gehauen noch zu sehen ist“. An einem andern Orte (Dr. Faust, von Platz) lesen wir von Johannes Teutonicus folgende Sage:

Anno 1271 war zu Halberstadt ein Domherr, ein Ausbund aller Schwarzkünstler. Mit diesem hatten gute Zechbrüder wacker gezecht und es wurde einer davon so betrunken, daß man ihn zu Bette bringen mußte. Bald darauf sagte Teutonicus: Ich muß einmal hinaufgehen und sehen was unser Cumpan im Bette macht. Er nahm ein breites Beil mit und ließ sich von Zweien leuchten. Teutonicus rüttelte den Trunkenen, aber dieser wachte nicht auf. Da sprach der Zauberer: Wart, ich will dir den ewigen Schlaf geben, zog den Kopf des Schlafenden über das Bettbrett und schlug ihn mit einem starken Hiebe ab. Das Haupt brachte er in einer Schüssel den Gästen und sprach: Ihr Herren, hier versucht diesen Kalbskopf. Die Gäste sahen sogleich, wessen Kopf es war und eilten hierauf zur Kammer, um den Mord zu sehen und fanden den kopflosen Rumpf und die Kammer voll Blut. Da rief Teutonicus hinauf, sie sollten den Todten nur liegen lassen, er würde vielleicht mehr Wein austrinken, als sie. Als nun jene herabkamen, fanden sie den Zauberer und den Enthaupteten am Tische gar wacker zechend und also zechten alle fröhlich weiter bis an den Morgen.

13. Kaiser Rudolph von Habsburg in Erfurt.

Kaiser Rudolph, der einst im Peterskloster zu Erfurt Hof hielt, wurde gemeldet, daß in der Mark Brandenburg ein gelehrter Mann sei, der vorhersagen könne, wann eine Sonnen- oder Mondfinsterniß einträte und wurde dem Kaiser dessen zum Wahrzeichen ein Abriß einer Finsterniß, welchen dieser Astronom verfertigt, vorgelegt. Darüber wunderte sich der Herr sammt seinen Fürsten sehr, da solch treffliche Kunst derzeit nur Wenigen im römischen Reiche bekannt war. Einer, der die Kunst Sterne zu deuten verstand, war allerdings einstmals an den Hof seines kaiserlichen Vorgängers Friedrich gekommen und hatte sich gegen den Grafen Rudolph von Habsburg, der damals noch jung und im Dienste des Kaisers war, sehr freundlich und wohlwollend bewiesen. Dem Kaiser war die Gunst des Sternsehers aufgefallen und als er ihn nach dem Grunde derselben frug, sagte er: Wenn der Kaiser dermaleinst ohne Leibeserben abgehen würde, sollte ihm der arme Graf auf dem Throne nachfolgen. Die Prophezeiung war wahr geworden und der Kaiser Rudolph verehrte wohl seit jener Zeit die Sternseherkunst als ein Wunderding, doch gaben ihm die Welthändel wenig Muße, sich um den Lauf der Gestirne zu kümmern.

Während seines einjährigen Aufenthaltes in Erfurt begab es sich, daß der Kaiser, der bekanntlich ein fröhlicher und meist wohlgelaunter Mann war, drunten in der Stadt durch den Bierrufer nach Gewohnheit und Gebrauch das Bier ausrufen hörte. Der Kaiser nahm alsbald ein Glas Bier, das man wegen seiner Fettigkeit und Güte den „dicken Schlunz“ nannte und rief wie der Bierrufer: „Ein gut erfurtisch Bier hat Herr Seifert von Butstedt aufgethan!“

Nach einer andern Lesart soll der Kaiser Rudolph das Bier nicht droben im Peterskloster, sondern auf der Brücke, die man vom Rathhause nach dem Patrizierhause „zu den Wolfen“ gebaut hatte, vor allem Volke, das den Fischmarkt erfüllte, ausgerufen haben.

Nach Hogels geschr. Chronik S. 70.

14. Die Zerstörung des Schlosses Dienstberg.

Auf der Kuhweide, inmitten des Weges zwischen Erfurt und Rhoda, lag vor Alters ein festes Schloß namens Dienstberg, in dem sich Räuber aufhielten, die Bürger und Bauern überfielen und sie beraubten. Nun war damals ein Fleischer aus der Stadt verwiesen, den nahmen die Raubritter gefangen, führten ihn in ihr Schloß und machten ihn zu ihrem Koch. Die Räuber hatten aber verborgene Wege unter der Erde und ihre Pforten waren immer wohl verwahrt. Als nun eines Tages die Ritter ihrer Gewohnheit nach auf w e i ß e n Pferden ausgeritten waren und den Schlüssel zum Hauptthor einer alten Schloßverwalterin übergeben hatten, trat der Koch zu ihr heran und bat sie, ihm das Thor zu öffnen, damit er sich ein wenig im Walde ergehen könnte. Die alte Frau erfüllte seine Bitte und in Eile lief er nach Erfurt. Da er aber die Stadt nicht betreten durfte, schickte er Jemanden auf das Rathhaus und ließ bitten, daß man einen Ratsherrn zu ihm herausschicken möchte, dem wollte er eine große Heimlichkeit offenbaren. Als man ihm die Bitte erfüllte, erklärte er dem Abgesandten des Rathes, daß man mit seiner Hilfe leichtlich das Schloß Dienstberg gewinnen könnte, und daß er es ihnen überantworten wollte, wenn sie ihn wieder als einen ehrlichen Bürger in die Stadt aufnehmen wollten. Das wurde ihm zugesagt und nun verabredeten sie, daß die Erfurter an einem bestimmten Tage auf weißen Pferden vor das Schloß kommen sollten, damit die Knechte, welche nicht mit auf Raub ausgezogen, glauben möchten, ihre Kameraden kämen wieder. Dann wollte er sich des Schlüssels bemächtigen und ihnen das Thor aufschließen. Das wurde alles der Verabredung gemäß ausgeführt, das Schloß kam durch diesen Streich in die Hände der Erfurter und die Räuber in der Burg wie auch die heimkehrenden wurden entwaffnet, gebunden zur Stadt geführt und enthauptet. Das Schloß aber wurde von Grund aus zerstört.

In einer andern Chronik wird die Zerstörung des Schlosses so erzählt: Da die Edelleute noch nicht die Leute beraubten und Frieden hielten, gingen die Bürger zum Bier nach dem Schloß Dienstberg. Da die Ritter aber zu Räubern wurden, ward ihnen die Stadt feind. Bald fand sich eine Gelegenheit, ihrem Unwesen zu steuern. Im Jahre 1289 kam Kaiser Rudolph von Habsburg nach Erfurt und bot die Bürger, die den Hammer in ihrem Gewerbe führen, auf, mit ihm die Raubburgen zu brechen. Da zogen Alle freudig zur Wagd hinauf, schlugen die Ritter, brachen die Burg und streuten Waidsamen in die Trümmer, aller Welt anzuzeigen, daß die Erfurter hier gesiegt hätten. Das geschah am 13. Mai. Die Edelfrau hatte zwei junge Söhne, die behing sie mit allerlei Geschmeide, führte sie vor den Kaiser, fiel ihm zu Füßen und bat um der Kinder Leben. Der Kaiser begnadigte die Frau und die Knaben, alle Andern mußten sterben. Beim Einzuge in die Stadt mußten jene Drei mit im Zuge reiten und beim Walperzuge durften seit dieser Zeit die mit goldenen Ketten geputzten Knaben niemals fehlen. Die Erfurter machten aber damals ein Lied, das hieß: Eichen ohne Gerten. Wir kamen an ein Thälelein, Thälelein, rothe Rosenblätterlein! Steht still, steht still auf dieser Statt. Wir wollen aber singen: gebt was ihr habt, Prügel her. Das sangen die Kinder später noch auf den Johannisabend.

Nach Falkenstein.

15. Vom Fischmäuerlein.

Während seines Aufenthaltes in Erfurt setzte sich Kaiser Rudolph öffentlich zu Gericht, citirte den Rath und die Gemeine, hörte beide Theile und vertrug sie gütlich. Auf einer vor dem Rathhaus errichteten Bühne, die durch eine Brücke mit dem Rathhaussaale in Verbindung stand, ließ er acht der vornehmsten Meutemacher und deren Köpfe auf eiserne Nägel stecken, vier oben über der Kämmerei und vier nach dem „Stötzel“ oder „Wölfen“ zu. Die Körper aber wurden auf dem Fischmarkt begraben und die Grabstätte mit einer Mauer umgeben, welche man das „Fischmäuerlein“ nannte. Auch wurde daselbst eine Erztafel, auf welcher die Namen der Hingerichteten verzeichnet waren, mit vergraben. Die Mauer ist 1662 abgebrochen worden, die Thür, die damals in den Rathssaal gebrochen wurde, war noch im Jahre 1830 zu sehen, aber von der erwähnten Tafel fand man bei Fundamentirung des neuen Rathhauses nichts.

Nach Falkenstein.

16. Von der St. Gangolfs-Kapelle.

Eins der ersten Gotteshäuser in Erfurt war die St. Gangolfs-Kapelle. Sie lag in der Nähe des Augustthores und soll schon im Jahre 636 (nach Anderen wohl 1352) erbaut worden sein. Längst ungangbar als Gotteshaus wurde sie als Schullokal benutzt und war bis zu dem im Jahre 1875 erfolgten Abbruche unter dem Namen der alten Reglerschule bekannt. Höchst schlicht und einfach war ihr Aeußeres, denn längst hatte sie durch mancherlei bauliche Veränderungen den ursprünglichen Charakter einer Kirche verloren. Ihr Giebel lag nach der Bahnhofs-, ihre Langseite mit dem Eingange nach der Schmidtstedterstraße zu. An der Ecke ragte eine Console mit einem ziemlich roh behandelten Kopfe hervor und über demselben war die Kante des Gebäudes zu einer Nische abgeschlagen. Von einer Statue in derselben war indessen keine Spur mehr vorhanden und mag dieselbe im Bauernkriege von den hier versammelten und Einlaß begehrenden Rotten zerstört worden sein. Neben der Console war eine gotische geschlossene Nische in der Wand zu sehen, die wohl auch ein zugemauertes Fenster gewesen sein kann. Merkwürdig war ein nicht lange vor dem Abbruch entdeckter Stein im Kranzgesims, der eine in deutscher Sprache abgefaßte Inschrift aus sehr alter Zeit enthielt.

Die Sage erzählt von der Gründung der Kapelle, daß ein Bürger Namens Gangolf einstens auf dem Felde von einem wilden Eber bis an diese Stelle verfolgt und erst dann aus seiner großen Noth befreit wurde, als ein herbeieilender Waidmann den wüthenden Thier seinen Jagdspieß in den Nachen rannte und es tödtete. Zum Danke für diese unvermuthete Rettung ließ er auf derselben Stelle eine Kapelle bauen, die nach ihm die Gangolfskapelle genannt wurde. Nach Anderer Meinung war sie dem hl. Gangolf geweiht und hatte von diesem ihren Namen erhalten.