Erst mit dem gesprochenen Wort

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Erst mit dem gesprochenen Wort
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Helmut Lauschke

Erst mit dem gesprochenen Wort

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Licht dringt durch den Spalt

Morgendämmerung

Bilde dich im Land deiner Väter

Von der chirurgischen Bürde

Wo einst das Theater stand

Was leere Kleiderhaken noch erzählen

Der Finger reibt über das Auge

Tiefer im Sand stecken die Hinterbeine

Heftig weht der Wind um die Klippen

Andere Punkte im Blickfeld

Nun braucht’s das Üben

Zwischenbilanz

Weil es kein Lernen gibt

Mit Blick auf den Patienten

Sei gelobt, du Hort des Friedens (18. Psalm)

Ein besonderer Augenblick

Am Ende wird dir die verlorene Luft noch übergestülpt

Dinge, die dem Blick verborgen sind

Was du dir nicht ansehen willst

Das Telefon klingelt

Es gab einmal die Rose

Die Melanozyten als Entscheidungsträger

Die Armut, sie steigt

Ein Montag

Ein Wort schaukelt am Türspalt

Gang durchs Dorf

Der Wunsch nach Frieden

Im Blickkreuz

Erwartet wird, dass Entscheidendes geschieht

Impressum neobooks

Licht dringt durch den Spalt

Krücken stecken in lehmigen Klumpen, widerstandslos gibt die Tiefe das Gewächs her. Blicke fahren durcheinander im Krümmen der Hoffnungen und Schmerzen.

Dann richtet sich auf das große Licht über dem großen Platz der großen Leere. Beiworte fallen von entlaubten Bäumen, ihre Inhaltsleeren spritzen in ungedachte Räume.

Die Stiegen quietschen wie eh und je, da lässt sich das Gestern der Tage zwanglos binden. Den morgendlichen Flüsterton durchschwirrt das Brummen, anders kommen nun die abendlichen Summen.

Mit Blindenstab dem schwimmenden Ziel entgegen erwacht im noch unbekannten Namensbau hinter hämmernden Kontrolltürmen, als könntest du mein Wort noch hören.

Noch sind die Türen schattenverschlossen, und das Wenige bewegt sich auf schattigen Gelenken. Durch den Türspalt dringt wenig Licht in die Halle, doch mit dem Öffnen werden die ersten Türzölle erhoben.

Die Schleifgeräusche von Kisten mit Büchern werden auf Inhalt und Schriften übertragen, denn schon lange steht die Nachricht aus, wie es um die Ankunft der neuen Tage steht.

Erst mit dem Wort, dem deutlich gesprochenen, öffnet sich die zweite Tür in den Morgen. Auf das Licht des Sinngehalts muss gewartet werden, denn noch räkelt sich der Tag durch die Dämmerung.

Arme und Beine beginnen sich zu strecken gegen den Lichtspalt der zweiten Tür. Die Nervensteuerung kommt in Gang, da gibt’s Momente der erneuten Übung.

Schabotte und Schafotte, die Dinge liegen sich so nah. Schacht und Schächter, tief unten stöhnt es im Gebrüll.

Morgendämmerung

Die ersten Vögel zwitschern in den Bäumen, als Ferdinand auf dem Weg zur Wohnstelle den Platz vor dem Neubau der ‘Municipality’ überquert. Es ist still im Dorf. Die Menschen schlafen noch, und die Hunde und Katzen machen es ihnen nach. Ferdinand schließt die Tür auf und streift die verschwitzten Sandalen von den Füßen. Er setzt sich auf den Terrassenabsatz und zündet eine Zigarette an. Im Geiste sieht er die junge Frau hilflos im Bett der ‘Intensiv’-Station liegen, zu schwach, um über das, was vorgefallen ist, zu weinen. Sie liegt kraftlos da und weiß vielleicht gar nicht, dass sie schwanger ist. Willenlos überlässt sie sich dem Schicksal, dem Arzt und den Schwestern, die Entscheidung über Leben und Tod zu treffen.

Es ist ein Phänomen der Zeit, dass junge Menschen trotz der Unabhängigkeit und Freiheit nicht glücklich sind. Sie bedrohen das Leben anderer Menschen und nehmen sich selbst das Leben. Sie tun es mit Messern, wenn sie wie die Verrückten in die Brustkörbe und Bäuche stechen. Sie tun es mit Pangas, die sie wie Schwerter schwingen, wenn sie auf Köpfe einschlagen und sie spalten, als müsse das Holz kleingehackt werden. Sie tun es mit Schusswaffen, die von den Exilanten ins befreite Land gebracht wurden. Die Kalaschnikows und andere Waffen kamen mit genügend Munition zurück, um das Schießen nach der Unabhängigkeit weiter zu betreiben.

Es ist daher ratsam, einem Mann, der bewaffnet aus dem Exil zurückgekommen war, nicht auf die Nerven zu gehen. Je dümmer er ist, desto größer ist die Gefahr der Verrohtheit, dass er Gebrauch von der Waffe macht. PLAN (People’s Liberation Army of Namibia)-Kämpfer wurden in den Familien voll integriert, was bei ehemaligen Koevoet-Angehörigen die Ausnahme ist. Es gibt in fast jeder Familie eine Waffe, mit der geschossen und getötet wird. Vergeblich hat die Regierung die PLAN-Kämpfer aufgerufen, sämtliche Schusswaffen abzugeben. Viele sind dem Aufruf nicht gefolgt, was bedeutet, dass man sich nach der Unabhängigkeit Namibias, wie in anderen afrikanischen Ländern, mit einer Schusswaffe sicherer fühlt.

So ist in den ersten Jahren der Unabhängigkeit viel an menschlichem Vertrauen erstochen, zerhackt und erschossen worden. Es ist unbegreifich, wenn einer jungen, werdenden Mutter in den Bauch geschossen wird, was leider kein Einzelfall ist. Außer der Mordrate von Schwarzen an Schwarzen ist auch die Selbstmordrate in der schwarzen Bevölkerung nach der Unabhängigkeit steil angestiegen. Junge Menschen hängen sich an den Bäumen auf. Ihre Körper hängen respektlos und baumeln von Fliegen umschwärmt sinnlos daher. Es trifft die Familien in der jungen Freiheit schwer. Sie können den Grund nicht begreifen, warum es geschieht. Zudem kommen die Morde, die die Schwarzen an den Weißen begehen. In diesen Fällen entkommen die Mörder meist der Strafverfolgung.

Die Zeichen der Zukunft stehen nicht so gut, wie es vor der Unabhängigkeit erhofft worden war. Die Menschen haben nicht den Trost und die Zuversicht gefunden, die sie zum Neubeginn in der Freiheit brauchen. Junge Menschen finden ihre Hoffnungen und Erwartungen nicht erfüllt. Sie finden keine Arbeit, auch dann nicht, wenn sie einen Schulabschluss haben. Sie sehen aber, wie die gutbezahlten Posten an diejenigen gehen, die ihre Beziehungen zu Ministern, Staatssekretären und Parlamentariern haben, die der regierenden Partei angehören. Opportunismus und Vetternwirtschaft haben von Beginn an Löcher in die Vertrauenswürdigkeit des jungen Staates geschlagen. Die oben leben in Saus und Braus, da wird abgesahnt. Und für die große Masse der Menschen unten bleibt wenig oder gar nichts übrig. Ein Sack Maismehl kostet etwa soviel, wie ein Rentner im Monat an Rente bezieht. Da bleibt die Frage, wie sich damit leben lässt.

Die Folge sind Prostitution und Kriminalität, denn von der Luft allein lässt sich nicht leben. Die, die als Sekretäre, Direktoren, Schreiberlinge oder Sekretärinnen an den Schreibtischen in den klimatisierten Büros des aufgedunsenen Verwaltungsapparates des Staates sitzen und dort auf Staatskosten privat telefonieren, sich die Nägel lackieren und auf die nächste Teepause mit belegten Brötchen warten, schauen auf die herab, die es zu diesem Status nicht geschafft haben und weiter auf der Straße sitzen. So haben sich die Bande der Höchst- und Hochbezahlten zu den schmerzlich Unterbezahlten, was die Rentner als ‘senior citizens’ sind, drastisch gelockert. Da sind die Fäden des Vertrauens und der Zusammengehörigkeit gerissen, vor allem zu jenen Alten, die für die Unabhängigkeit die großen Opfer gebracht haben. Daran haben bislang die großen Lippenbekenntnisse der großen Führer wenig beziehungsweise gar nichts geändert.

 

Die Straßen füllen sich mit kurzberockten Mädchen mit den prallen Brüsten und Gesäßen. Hinter ihnen stehen, kommen und gehen die jungen Männer, die die Fotoapparate den Besuchern von den Hälsen und die Handtaschen von den Armen und aus den Händen reißen. Sie reißen und zerreißen noch viel mehr und greifen im Vorübergehen den Ahnungslosen in die Taschen und stehlen die Geldbörsen. Als Zuhälter sind sie gnadenlos. Sie nehmen und sahnen ab, schlagen beim ersten Widerwort ins Gesicht und bumsen jeden Widerstand weich. Dabei sind die Gefängnisse seit der Unabhängigkeit hoffnungslos überfüllt.

Nach Jahren der Frustration kehren Mädchen und junge Frauen aus der Stadt in ihre Dörfer im Norden zurück. Einige bringen das HI-Virus mit. Es sind jene, die es wissen, und die anderen, die es nicht wissen. Männer stecken junge Mädchen mit dem Virus an, die sich sexuell hergeben, und jene, die sich nicht wehren können. Es ist absehbar, wann aus dem kontaminierten ‘Teich’ das verseuchte Meer wird. Es wird Folgen haben, die in der Vielzahl der Zusammensetzungen nicht absehbar sind. Heimkehrer in der überwiegenden Zahl sind dankbar, wieder den gewohnten Mahangu-Papp zu bekommen und einen sicheren Schlafplatz zu haben. Ohne Widerspruch gehen sie aufs Feld, hacken den Boden, sehen nach den Ziegen und holen Wasser von den Brunnen. Sie tun, was ihre Mütter und Großmütter getan haben. Mit dem HI-Virus kommen allerdings neue Herausforderungen auf die Familien zu. Das besonders dann, wenn die jungen Mütter kräftemäßig verfallen und an Aids sterben. Dann muss die Großmutter mit ihrer kleinen Rente die Enkelkinder ernähren und aufziehen. Glück ist, wer von den elternlosen Kindern noch eine Großmutter hat.

Ferdinand stellt sich unter die Brause und macht sich frisch. Er ist abgespannt und müde. Doch ist an Schlaf, wie in so vielen Nächten, nicht zu denken. Die Hähne krähen in halbstündlichen Abständen den Morgen ein, und die Sonne schickt ihre ersten Strahlen über den Horizont. Es ist Donnerstag, und Ferdinand muss ohne den philippinischen Kollegen zurecht kommen, der an diesem Morgen mit seiner Frau nach Windhoek fährt, um seine beiden Töchter mit Beginn der Schulferien von der Konventschule abzuholen. Ferdinand zieht seine Sachen an, ein weißes Hemd mit kurzen Ärmeln und eine weiße Hose, und trinkt eine Tasse Instant-Kaffee. Er drückt die Zigarette auf der Untertasse aus und zieht die Sandalen an. Er verschließt die Eingangstür und steckt das Vorhängeschloss in die Gittertür. Er nimmt den kurzen Weg zum Hospital. Sonnenstrahlen ziehen durchs Laubwerk der Bäume und tauchen die Ostwand des neuen städtischen Verwaltungsgebäudes in grelles Licht. Vögel zwitschern den morgendlichen Wechselgesang und erfreuen sich auf ihre ‘gregorianische’ Art über den Anbruch des Tages. Ihre Gesänge erinnern an die kurzen Klavierstücke von Maurice Ravel, der sagte, dass es vor allem die singenden Vögel sind, die ihn zum Komponieren motivieren.

Bilde dich im Land deiner Väter

Ein Mensch von Bildung und drängendem Geist kam mit Reisebus und Reiseführer angereist, um von den ehrwürdigen Bauten die wichtigen mit Nennung der Epoche und Erbauer zu besichtigen.

Der Tempel der Athene, der zu bewundern wäre, war vom Gerüst verhängt zur historischen Leere. Auf der Akropolis wurden nämlich die Bauten renoviert, da fühlte sich der nicht junge Reiseleiter echauffiert.

In der Stadt Athen sah es anders aus, es war Samstag, und die Eingänge von Haus zu Haus wurden gewischt oder waren verschlossen, das machte die Reisegruppe dann doch verdrossen.

Der Verkehr plärrte mit Hupen und lautem Gezerre, dass sich die Kunst der Antike den Augen versperre. So dachten reisende Menschen mit Groll in den Herzen, mit der Anfahrt und dem Drum und Dran ist nicht zu scherzen.

Antigone stand auf dem Abendprogramm, wenn auch in Griechisch. Es war falscher Kamm, denn die Beleuchtung tat es nicht zur ganannten Zeit und die Freibühne verschwand in Dunkelheit.

So war die Reise eine weitere Lehre, dennoch gab man der Antike die Ehre. Zu lernen war: Dränge nach Bildung im Land der Väter, da gibt es auch große Architektur und große Vertreter.

[Eugen Roth (1895-1976) in memoriam]

Von der chirurgischen Bürde

Auf dem OP-Tisch liegt ein zwölfjähriger Junge mit einem Knochensarkom im linken Oberschenkel. Der birmanesische Kollege mit dem fernöstlichen Schlafzimmerblick beziehungsweise dem tiefhängenden rechten Oberlid leitet die Narkose ein. Dr. Ferdinand hat die Hände gewaschen und kommt im grünen OP-Kittel in den OP. Der Junge schläft. Die OP-Schwester hat das Bein mit der braunen Desinfektionslösung gesäubert und den übrigen Körper mit sterilen Tüchern abgedeckt. Sie hält dem Operateur das Skalpell entgegen.

Ferdinand ist in Gedanken versunken. Innerlich entschuldigt er sich bei dem Jungen, dass er ihm das Bein abschneiden muss. Dann sieht er im tiefem Schmerz auf den verstümmelten Jungen, wenn er das abgeschnittene Bein in den Händen hält. Die seelische Belastung ist besonders groß, wenn er einem Kind den Arm oder das Bein abschneiden muss. Ferdinand sieht in der Sekundenmeditation auf die Hand der OP-Schwester. Dann fasst er das Skalpell und beginnt die Operation mit dem Fischmaulschnitt der Haut.

Die durchtrennten kindlichen Gefäße bluten unschuldiges Leben ins OP-Feld. Die großen Gefäße werden abgeklemmt, durchtrennt und ihre Enden unterbunden. Die Muskelansätze werden vom Knochenschaft gelöst und die Weichteile nach oben zurückgeschoben und hinter dem Weichteilteller zurückgehalten. Weit oben wird der Knochenschaft mit der oszillierenden Säge durchtrennt. Dann hält Ferdinand das kindliche Bein in den Händen. Beim Anblick des verunstalteten kindlichen Körpers und des abgetrennten Beines kommen ihm die Tränen. Er hat dem Jungen die physische Integrität verstümmelt und ihm damit die natürliche Lebensfreude für immer weggenommen. Ferdinand übergibt das Bein einer Schwester, die es in einem ausgebreiteten grünen Tuch in Empfang nimmt und auf dem Boden in eine doppelte Papierlage einwickelt.

Im Geist bittet er das schlafende Kind erneut um Entschuldigung, dass er an ihm eine so grässliche Operation ausgeführt hat. Ein kurzer Stumpf bleibt zurück, an dem die kleineren Blutungen koaguliert werden. Die scharfen Kanten des Knochenstumpfes werden glatt gefeilt, und die beiden großen Beinnerven werden unterhalb der Leiste durchtrennt. Dann vernäht Ferdinand schichtweise die Weichteillefzen über dem Stumpf und wickelt den Verband an.

Der Narkosearzt zieht den Atemtubus aus der Luftröhre des Kindes und setzt ihm die Atemmaske für den Sauerstoff aufs Gesicht. In der stillen Anteilnahme aller, die an der Operation beteiligt waren, wird der Junge vom OP-Tisch auf die Trage gehoben und in den Aufwachraum gefahren. Es ist Ausdruck des tiefen Mitgefühl, dass es mehr Hände gibt als nötig sind, um den Jungen vom OP-Tisch auf die Trage zu heben.

Es gibt eine kurze Teepause. Der kleine Teeraum ist gefüllt. Die kubanischen Kollegen sitzen auf den durchgesessenen Polsterstühlen und trinken den Kaffee mit viel Zucker. Sie schweigen und schauen den gegenübersitzenden Kollegen zu, wie sie den Zucker in den Kaffee einrühren und schluckweise die Tassen leeren. Über dem Schweigen hebt sich das Verlorene in den Gesichtern ab. Es ist menschliches Frachtgut, das darauf wartet, abgeholt zu werden. Auf keinem Gesicht gibt es die Glätte der Zufriedenheit. Vielmehr sind es die Folien der menschlichen Ratlosigkeit und Unsicherheit, die den Gesichtern aufgeklebt sind. Auf einigen liegen die erstarrten Züge der Resignation, als sei die Freiheit im und fürs Leben eine Utopie und der Lebenswert nicht mehr als eine imaginäre Größe. So bewegt sich der Fortschritt asymptotisch und das nur schwer erkennbar. Aber ohne Menschlichkeit bleibt er eine Farce. Dann ist jeglicher Fortschritt das makabre Kunststück der Lüge, die schmerzt.

Der ukrainische Narkosearzt kommt in den Teeraum. Er sieht an Ferdinand vorbei und geht zur kleinen Durchreiche, wo er sich die Tasse mit Tee füllt und den Zucker einrührt. Dem Durchreisegesicht hat er die steife Maske des Unberührbaren mit der Nichtansprechbarkeit aufgesetzt. Mit den arrhythmischen Paroxysmen des Augenzwinkerns bemüht er sich, die randvolle Tasse auf die zerkratzte schmale Tischplatte zu setzen, was ihm misslingt. Währenddessen irrt Dr. Ferdinand zwischen Fortschritt und Fortschrittsdenken hin und her. Beim Anlegeversuch der gedachten Asymptoten verliert er die Orientierung, dass es zum vorzeitigen Aus des Fortschritts kommt.

Das Sein oder Nichtsein vom Seinwollen oder Nichtseinwollen zu trennen, unterliegt einem strengen Denkprozess, der kein Ende hat. Zu oft liegen irgendwelche Trümmer von wertlosen, aber auch wertvollen Dingen, wie es die Integrität ist, herum und blockieren als Stolpersteine den Weg. Die Einheit von Mensch und Kosmos ist entweder zerfranst oder geplatzt. Jedenfalls fällt der Mensch nach unten durch. Er krampft an der Daseinsschwere als Folge der mangelnden Vorstellungskraft und der permanenten Unvernunft.

Dabei liegt der schöpferische Geist dicht dem weiten Schleier der unverstandenen Freiheit auf, die mit dem Mangel an Verstand auch weiterhin nicht zu begreifen ist. So bleibt die Einbildung im Käfig der Umnachtung hängen. Es bedarf der irritierenden Offenheit und des drängenden Mutes, sich bis zu diesem Selbstgeständnis, was dem Selbstverständnis am nächsten kommt, vorwärts zu bewegen und am Gespräch des Menschseins über Lebenssinn und Verantwortung aktiv teilzunehmen.

Die Bürde des Chirurgen ist dazu angetan, sich an solchen Gesprächen zu beteiligen. Das um so mehr, wenn Arme und Beine an Kindern amputiert werden.

Wo einst das Theater stand

Ob tauig oder trocken, ob Wälder oder Steppe, die Nacht schließt sich zum Gewand, dass du dich fühlst im fremden Land.

Was dir vorausgeht, bleibt dem Auge unsichtbar. Wohin du auch kommst, es lässt sich nicht erahnen.

Dinge, die einst standen, sind weggekippt und weggeräumt. Die Kinder von einst sind längst erwachsen mit Falten auf der Stirn.

Wo einst das Theater stand am Markt im Zentrum der Stadt, steht jetzt ein langgestreckter Neubau mit mondänen Geschäften. Das Theater wurde in einen kleineren Neubau an den Rand der Stadt verlegt.

Es ist vorstellbar, dass aus der großen Dramaturgie eine kleine geworden ist, weil sich die Einwohner der Stadt mondäner kleiden wollten und dafür das Schauspiel auf eine kleinere Bühne verwiesen.

Sie lassen das Theaterleben kleiner werden oder eben ganz verkümmern, weil sie in der Erinnerung behalten haben, dass moderne Kleider moderne Leute machen nach dem Ausspruch: “Kleider machen Leute”*.

[*Gottfried Keller, 1874 im 2. Teil des Novellenzyklus: Die Leute von Seldwyla]

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