Was zerfallen und zerfließen wird

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Was zerfallen und zerfließen wird
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Helmut Lauschke

Was zerfallen und zerfließen wird

Die Bilden und Unbilden des Lebens

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Blüten von einst wird es nicht mehr geben

Hoffnung bleibt das größte Angebot

Abgegriffene Mützen heben von den Köpfen

Was für eine Wucht steckt in dem Gedicht

Die Rücksprache mit dem Verlangen nach mehr Aufklärung

Da brechen Klippenprofile zugrunde

Die Geschichte schreiben andere

Menschlich wäre der gerade Weg vonnöten

Blut und Sand kleben an der Lippe

Die Wellen schlagen hoch

Stoß des Anstoßes

Das Differential der Sprachlichkeit

Wenn Winkel und Richtung stimmen

Wo das Wort nicht hingehört

Das Gedicht verliert den Anspruch

Blut klebt nicht nur an den Diamanten

Da gibt es viele Geschichten

Von der Knebelung der Zungen

Von den Hängen kommt das Echo

Unten zwischen wertlosen Dingen

Bewegung ist Anlass, Gedanke und Zustand

Wenn die Nächte länger werden

Ob mit der Zukunft noch zu rechnen ist

Die Tatsache des Hungers wird verworfen

Die Lebenspforte kann verschlossen sein

Der Denker als der Nichtgedachte

Das Geheimnis, das sich im Bild versteckt

Die Stunden malender Träumereien fliegen vorüber

Wiege das Wort auf der Waage der Wahrheit

Stürme lassen die Zeichenkämme erzittern

Dass endlich Entscheidendes geschieht

Sirenen heulen über dem Dorf

Vor der großen Helligkeit

Wunsch nach Frieden dieser Zeit

Farbig schlagen die Flügel

Was der Mund nicht mehr spricht

Das Gespräch wird schwierig sein

Um als Mensch gehört zu werden

Dein Name verträgt sich mit der Ruhe des Betrachtens

Hinter dem einstigen Klassenzimmer steht noch der alte Kastanienbaum

Dreh nach außen, was sonst innen ist

Was sich an Gewalten weiter staffelt

Die Blindenstöcke sind verteilt

Begreife den Wert der Beständigkeit

Risse und Schwielen sagen die Wahrheit

Das Wort muss neu geschrieben werden

Die Geschichte wird den Stoß begleiten

Die Gewitter schlagen nieder

Der aus dem Brunnen neu die Erkenntnis schöpft

An der Ethik des Friedens vorbeileben

Der Bauer nimmt den schmalen Weg zum Feld

Das Gesicht ist Grund, bescheiden und dankbar zu sein

Stell die Worte auf die Bretter

Ob wir noch bei Trost sind

Das wird mit Sicherheit noch Folgen haben

Wo ist dein Haus?

Vergiss den Menschen nicht

Die Krumen liegen noch auf dem Tisch

Mit der Erde in den Händen

So ist, was bleibt

Impressum neobooks

Die Blüten von einst wird es nicht mehr geben

Bilden und Unbilden des Lebens

Höhen und Tiefen hat der Traum zusammengefasst zu Bildern und Chören unter den Dächern der Menschheit und ihrer Tempel und Kathedralen. Hoffnung ist die Gerade, die sich vom Grund des Menschseins in die Höhe streckt. Was bleiben soll, ist das Hoffen hin zu jenem Tag, der die Befreiung bringt.

Meerisch glitzert der Boden, als stiege die Sonne von unten durch. Ein Finger reibt sich das Auge beim Blick in die Wüste im ersten Sonnenstrahl.

Messer steigen scharf aus dem Riff, bewehrt geht es ums Überleben am Griff. Es gibt den Gang am frühen Morgen, bis der Strahl auf der Schulter zu brennen beginnt.

Der Mund und das frohlockende Wort, das Lied und die Stimme am geliebten Ort, alles lag in Farben und Blüten getränkt. Warum nur hat sich die Seele erhängt?

Turm- und Tafelfelsen geben Kommando und Richtung über die Blickzeit hinaus. Finger fahren den Zweifel über die Stirn in der Maßlosigkeit der Durchquerung.

Die Blüten von einst wird es nicht mehr geben. Zerfallen und zerfließen wird, was du denkst und weißt.

Denn aus dem Meerischen steigt der Körper, und sieh, wie er sich hebt und höher steigt aus den Gipfeln wandernder Dünen als ein Gigant mit strammen Muskelpaketen und gespannten Sehnen.

An der Spannhärte prallt der Schlag des Messers und der Eisenstange ab, der Gigant steht wie ein Fels und ist undurchdringbar. Er ist unverrückbar, unzerdrückbar und gibt dem Menschen Schutz, der sich hinter ihn stellt und jede Silbe seines Wortes befolgt.

Erst wenn du dich von dem Giganten entfernst, weil du dich sicher und stark genug fühlst, beginnen die Fäden zunächst im Kleinen und schließlich im Großen zu reißen. Es hängt von den Stürmen ab, ob sie dir ins Gesicht schlagen oder deinen Rücken nach vorn drücken, dass du ins Laufen kommst, ohne dass du deine Kräfte dafür einsetzt,

Blüten kommen dir entgegen und rufen deinem Leben das Willkommen zu. Empfinde die Musik, die ihren Rufen folgt, denn diese Sprache steigt aus dem Boden in den Zustand der atmenden Schwebe und weit über die Schranken des Alltags hinaus. Es ist die Medizin für deine Seele, die sich mit ihr entspannt, weil sie sich tragen lässt in den Sänften der Harmonie mit den Wohlgerüchen der geheimen Liebe.

Du siehst aus dem Fenster und schweigst. Du steht hinter der Scheibe und hörst das Klopfen nicht, weil du es nicht hören willst. Dann wundere dich nicht, wenn dir in der Stille der Atem verweht, denn die Ewigkeit wurde dem schlagenden Herzen nicht mitgegeben, damit dein Körper nicht zuviel Platz einnimmt, den du mit anderen zu teilen hast. Das ist es, dass dein Platz hier kleiner wird, je älter du wirst. Das geht so weit, dass du am Ende nicht mehr zu sehen und nicht mehr zu finden bist.

 

Hoffnung bleibt das größte Angebot

Das Gedicht möchte Teil der Offenbarung in der Öffnung deines Geheimnisses sein. Es schließt die große Zahl von Versuchen ein, sich dir mitzuteilen, den Anderen im Anderssein zu finden und ihn in das Licht des Tages zu heben.

Das Auf-ihn-Zugehen soll helfen, dich zu trösten, den das Leben ins Elend geworfen hat, dass du an Einsamkeit und Hunger leidest.

Dazwischen geraten die Worte des Gedichts. Sie spreizen die Zeilen und bringen andere nahe zueinander, sie säubern, verbinden die Wunde und geben den Zuspruch, den du dringend brauchst. Denn Kranke und Verletzte sehnen sich nach Heilung, dass sie die Stärke bekommen, den Tag zu begreifen und zu überleben.

So bemüht sich das Gedicht, die Botschaft zu überbringen mit der Bitte um Geduld und Zuversicht. Es hilft, die Ketten der Kerkerung zu überwinden. Es ist der Bericht aus dem Paradies der Freiheit mit dem Richtungspfeil in die Welt des Lichts mit der Wahrheit und Gerechtigkeit.

Hoffnung bleibt das größte Angebot, das du nicht ausschlagen solltest, weil sie die Medizin ist, sich aus der Finsternis zu befreien und die Kraft zu erlangen, um die Vision zu motivieren und in die Tat umzusetzen, damit der Tag die Bedeutung der Schöpfung zurückerhält.

Die Knospe mit dem Geheimnis öffnet sich zur Blüte mit dem Duft- und Farbenfächer der Verzauberung. Die Einmaligkeit des Unvergleichlichen verschlägt die Sprache und nimmt die Schwere von den Füßen, dass das Gefühl einsetzt, man schwinge mit großen Flügeln in die Weiten und Höhen des grenzenlosen Seins mit den vorbeigleitenden Welten füllender Klänge und des Glücks.

Streck die Arme weit aus und nimm die Fülle der dampfenden Hoffnung aus der Schöpfungskelle entgegen. Es ist die Antwort auf deine Wünsche und Träume, die, wie du im Schreck unfassbarer Freude erfährst, erhört und zur Stärkung deiner Seele erwidert und auf den Weg der Erfüllung gebracht wurden.

Hoffnung ist die Öffnung der Knospe der maßlosen Spende aus dem Duftkelch mit den Farbfächern der Verzauberung. Sie ist Ausbruch der Freude aus dem Rahmen von Erwartung und Widerspruch durch Zuspruch von Licht und Leben im Kern deiner Selbst.

Hoffnung ist die Gerade, die sich vom Grund des Menschseins weit in die Höhe streckt und noch weiter ziehen lässt, je nach den Gesichtspunkten und Blickwinkeln aus Einsicht und Vision, was der Mensch ist in der Idee und im Ausdruck von Form und Formung in einer Welt der Skulpturen, Bilder und symphonischen Klänge.

Hoffnung ist das, was begrifflich wie inhaltlich über den Verstand hinausgeht und mit dem Wechselgang der Atmung einhergeht, als wäre der Atemzug der andere Zwilling der Hoffnung, was beide für die Dauer des Lebens unzertrennbar macht, weil das eine ohne das andere nicht in die Zukunft gehen kann.

Abgegriffene Mützen heben von den Köpfen

Der Augenfalter sinkt herab und setzt sich auf das angewelkte Blatt. Die Flügel sind ermattet, verschattet schwindet der Kopf. Dein Blick auf das Blatt nimmt die Stunden vorweg und hält das Staunen in Atem. Du merkst nicht, dass dich ein Mensch anspricht und ein anderer dir die Hand geben will.

Nicht weit von dir stehen braune Krüge, die nicht mit Wasser gefüllt sind. Die Dämmerung bricht ein, und blass werden Licht und Falter. Fern verklingen Gesänge und die Rufe nach dem Kind. Es bellt der Hund gegen den mild stoßenden Wind und die vorbeifahrende Wolke.

Weiter weg reihen sich die Urnen, sie werden in Zukunft die Nachbarschaft halten. Aschenpfad und Scherbenplatz, dann der Jugend andere Träume. Hört die Uhren ticken, doch andere sind schon still. Der Blick kann sich durch den Scheibensprung nicht drücken, so wischen Hände den Feuchtbeschlag vom Glas.

Knoten reißen mit dem Alter in die Jahre, und Mäntel fallen eingerissen von den Haken. Nicht anders geht’s den roten Roben und den Schleifen, wenn es mit neuen schwarzen Schuhen in die neuen Zeiten geht, die mit neuen schwarzen Senkeln verschnürt sind. Alles braucht den Halt, das umso mehr, je dünner der Körper auf mageren Beinen steht.

Streifen ziehen Vergangenheit nach, und die schiebt andere Streifen vor sich her. Abgegriffene Mützen heben auch in Zukunft von den Köpfen, die ihr Haar in dem, was war, verlieren oder bereits verloren haben. Leben lässt sich nicht erneuern und das schon gar nicht, wenn Menschen steile Treppenstiegen herab oder vom Rand in die Steinbruchtiefen gestoßen wurde. Dann ist die Zerschmetterung mehr oder weniger total.

Auch wird es Köpfe ohne Mützen geben und das bei härtester Arbeit auf Feldern, Plätzen und Straßen in brennender Sonne oder eisiger Kälte, wenn Füße in zerrissenen Lappen oder abgelaufenen Schuhen stecken. Da zeigen sich die Unterschiede von arm bis erbärmlich, oder von verachtet bis verwahrlost, oder von unverständlich bis zerschlagen.

In der nackten Armut hängen an den Mützen die letzten Reste einstiger Achtung vor dem Menschen, wenn er noch stehen und sitzen kann. Die Mütze ist Zeichen der letzten Verteidigung menschlicher Würde gegen die Verrohung mit den Faust- und Kolbenschlägen und den Stiefeltritten gegen die verzehrte Körperlichkeit zum finalen Absturz mit der endgültigen Zerschmetterung, als hätte es den Menschen gar nicht gegeben.

Das Freund-Feind-Gegenüber ist erloschen, das Bewusstsein ist auf dem Weg des stummen Erlöschens. Das Gewissen ist zerbrochen und hängt zerrissen zwischen den Rippen in der Prominenz der ultmativen Verdrängung von Atmung und Herzschlag in der geistigen Entblößung, was schmerzhafter ist als die körperliche Entkleidung.

Diese Entblößung ist der letzte Differentialschritt der Auflösung durch Zersetzung des menschlichen Seins. Da hat auch der Zweifel jegliche Orientierung verloren, da sich nichts erkennen lässt, was dem Sein oder dem Nichtsein zuzuordnen wäre.

Was für eine Wucht steckt in dem Gedicht

Das Gedicht ist einsam, manchmal ist das Gedicht sogar schmerzhaft einsam. Es will unterwegs sein zu den Menschen, dabei stockt es und kehrt weinend zum Dichter zurück.

Die Menschen hören gar nicht hin noch zu, sie sind mit handfesten Dingen beschäftigt, wofür man sich was kaufen kann. Diesen Menschen steht der Kopf nicht nach Worten, auch wenn sie an den Zeilenenden noch so schön gereimt sind.

In schmerzhaften Fällen kommt das Gedicht zurück, und der Leser verlangt vom Dichter die Entschuldigung, dass er das Gedicht geschrieben und anderen Menschen vorgelesen oder zugeschickt hat oder in einem Gedichtsband drucken ließ. Der Dichter schaut fassungslos in den Spiegel und fragt sich mit faltiger Stirn, ob er noch derselbe ist wie jener, der das Gedicht verfasste.

Der Dichter spürt in sich die Sprachverkürzung, dass ihm die Worte wegrutschen, und fasst sich schließlich sprachlos an den Kopf. Er wird zum Kettenraucher und greift zum Alkohol, denn er versteht die Welt nicht mehr. Furchtbare Träume schütteln ihn durch die Nächte, und er gibt das Schreiben auf, weil der Verstand ihm sagt, dass die Menschen seine Gedichte nicht verstehen und nicht lesen möchten.

Er liest sein Gedicht und denkt über die Entschuldigung nach, die der Leser von ihm verlangt. Das Verlangen nach einer Entschuldigung geht ihm nicht aus dem Sinn, dass er schlaflose Nächte durchschwitzt und durchkämpft und an der Zwickmühle gedanklich verhakt, ob das Gedicht wirklich so schlecht ist, dass er für eines seiner besten hält.

Dem Dichter fährt das Wort ‘Schizophrenie’ durch den Kopf, dass er sich einen Termin beim Psychologen geben lässt, da er sich nicht sicher ist, ob ihn so ein Ding der Spaltung bereits getroffen hat. Der Psychologe nimmt die Vorgeschichte und vertieft sich im Gespräch in die Persönlichkeit des Dichters. Auf die Frage, warum er dichtet und seine Gedichte den Menschen vorliest und zuschickt, antwortet der Dichter, dass es so, wie es mit dem Verfall der Bildung, Ehrlichkeit und Moral zugeht, es doch nicht weitergehen kann. Auf die Frage, warum er als Dichter so etwas tut, wenn doch die Menschen keinen Wert auf die Wahrheit und die gute Sprache legen, ist dem Dichter die Antwort entfallen.

Diese Frage auf die Wertlosigkeit der Wahrheit und der Bildung kann der Dichter nicht beantworten. Ihm fehlt schlichtweg die Sprache für die Antwort zur Entgegnung des kulturellen und sprachlichen Verfalls. In der überdurchschnittlichen Geduld des Zuhörens, die als professionelle Geduld die besondere Beachtung und Hochachtung verdient, liest der Psychologe in mehreren Lesezügen das mitgebrachte Gedicht und ist von seinem Inhalt ergriffen. Er selbst spricht das Wort ‘begeistert’ aus, dass ihn beim Lesen das Gedicht getroffen hat.

Da sich der Dichter weiter im Unklaren fühlt, als sei er auf dem Klärungs- beziehungsweise Aufklärungsweg steckengeblieben, dass keine Besserung bezüglich der Verständlichkeit eintrat, landet der Dichter schließlich in der Psychiatrie, wo ihm der Professor eine schwere Depression mit dem psychiatrischen Spiegel unterschiebt.

Der Zweifel ist ausgeräumt, welch eine sprachliche Kraft und emotionale Wucht in dem Gedicht steckt, wofür Menschen, auch als Dichter, nicht davor zurückschrecken, sich das Leben zu nehmen.