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Baas Gansendonck

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Baas Gansendonck
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Erinnerung

In einem Dorfe zwischen Hoogstraten und Calmpthout in den Antwerpener Kempen wohnte Peer Gansendonck, der Baas der Wirthschaft zum Heiligen Sebastian.

Ich habe ihn gekannt nach 1830, als ich Soldat war; aus jener Zeit weiß ich aber Nichts mehr von ihm, als nur, daß er weder Soldaten noch Bauern leiden konnte und am Liebsten mit Officieren zu thun hatte; auch war er außerordentlich aufgebracht gegen den Bürgermeister, weil dieser den Capitain der Compagnie in seine eigene Wohnung genommen, die anderen drei Officiere zu dem Baron, dem Notar und dem Doctor gelegt und ihm, Peer Gansendonck, Niemanden zu beherbergen gelassen als den Sergant-Major, Euren gehorsamsten Diener.

Ich erinnere mich auch, daß ich meine müßigen Stunden oft damit ausfüllte, allerlei hübsches Spielzeug für Lieschen, das fünfjährige Töchterchen des Baas Gansendonck, zu verfertigen. Das Kind kränkelte und schien sich auszuzehren; aber es war etwas so Liebliches in seinen engelhaften Aeugelchen, etwas so Reines in einem marmornen Gesichtchen, so süß Klagendes in einem silbernen Stimmchen, daß ich eine Art von Glück darin fand, das kranke Lämmchen durch Spiel, Gesang und Erzählungen zu trösten und zu erquicken.

Wie bitterlich weinte Lieschen, wie rollten ihm die Thränen über die Wangen, als die Trommeln zum letzten Male Lebewohl! wirbelten und sein guter Freund, der Sergeant-Major, mit dem Tornister auf dem Rücken, dort marschfertig stand, um für immer fortzuziehen! Aber solche Eindrücke verschwinden so schnell aus dem jungen Gemüth. Seitdem habe ich nie mehr an das kleine Lieschen gedacht, und das Kind hat mich ohne Zweifel ebenso ganz und gar vergessen.

Vor Kurzem führten mich meine Streifzüge durch die Kempen wieder zum ersten Male in dasselbe Dorf. Ich betrat es ohne Vorgefühl, ohne die geringste Erwartung.

Kaum hatte jedoch mein Inneres das Bild der Kirche, der Häuser und der Bäume in sich aufgenommen, als ein Lächeln der Ueberraschung auf mein Gesicht trat und die Brust mir von froher Rührung schwoll. Ganz besonders war es der Anblick des alten Schildes über der Thür des Wirthshauses, der mir das Herz klopfen machte . . . Erschüttert senkte ich den Kopf und blieb eine Weile unbeweglich stehen, um den Strom jugendlicher Erinnerungen zu genießen, der wie eine warme wohlthätige Fluth mir durch das Haupt wogte.

Wie muß in der Jugend unsere Seele doch lieben und kräftig sein, daß die Alles, was sie umringt, auf immer in sich aufnimmt und in eine unvergängliche Wolke der Neigung hüllt! Menschen, Bäume, Häuser, Worte, Alles, lebend oder leblos, wird ein Theil unseres eigenen Wesens; an jeden Gegenstand heften wir eine Erinnerung, die so schön und so süß ist, wie unsere Jugend selbst. Unsere Seele fließt über von Kraft; sie sprüht Funken und Blitze ihres Lebens über alles Geschaffene, und während wir unaufhaltsam dem Glücke entgegenjauchzen, das uns, Kinder oder Jünglinge, in der unbegrenzten Zukunft erwartet, jubelt und singt Alles in der Natur einstimmig mit uns.

Ach! wie liebe ich die Weide, die Linde, den Pachthof die Kirche, und alle anderen Dinge, die mich grüßten, als die Rosen der Jugend und die Lilien reiner Lebenspoesie mir das Haupt schmückten! Sie haben genossen, was ich genoß; ich sah die üppig grünen, blühen und lachend im Sonnenschein glänzen, als ich fröhlich war und muthwillig dahinzog auf der unbekannten Bahn menschlicher Bestimmung. Sie sind meine alten Spielkameraden, meine Genossen; Jedes von ihnen ruft mir etwas Angenehmes, etwas Entzückendes zu; sie reden die Sprache meines Herzens; die feinsten Saiten meiner Seele klingen wieder mit jugendlicher Kraft bei ihrem Rufe … und in stiller frommer Rührung danke ich dem Herrn, daß er selbst in dem erstarrten Herzen des abgemüdeten Menschen noch den süßen Brunnen der Erinnerung fließen läßt.

Vor der Thüre des alten Wirthshauses stehend, war ich ganz in bessere Zeiten zurückgezaubert. Ich sah meine Kameraden, meine Officiere wieder; die Trommel wirbelte in der Ferne; ich hörte das mächtige Commando-Wort erschallen, hörte den fortziehenden Kriegsgesang über den Häusern verhallen und das Jägerhorn im Lindenlaub tönen . . . Aber zwischen Allem erschien mir noch klarer und frischer Lieschens ruhiges Engelbild, das mir aus der Vergangenheit zulachte.

Der Gedanke des Menschen eilt schneller durch die Welt der Ideen, als der Blitz durch den Raum des Himmels. Nur eine Minute ungefähr hatte ich so gerührt dagestanden, und schon waren fünf schöne Monate meines Lebens in voller Klarheit vor meinen Augen vorübergezogen.

Mit großem Verlangen und fröhlichem Antlitz schritt ich auf das Wirthshaus zu – ich werde Lieschen sehen, sie wird mich nicht erkennen, ich weiß es wohl, denn das Kind muß jetzt ein schönes Weib geworden sein; ihr Anblick wird mich aber doch erfreuen; sie war kränklich und leidend; vielleicht liegt sie in der Erde auf dem stillen Friedhof. Fort mit diesem häßlichen Gedanken, den die kalte Vernunft mitten unter meine warmen Erinnerungen wirft!

Aber wie ist es mir hier fremd und trübe im heiligen Sebastian. Alles hat sich verändert, Menschen und Dinge. Wo ist Baas Gansendonck? Wo ist Lieschen? Wo der Einschiebtisch, auf welchem ich mit meinen Cameraden um so manche Kanne Bier spielte? Alles ist verschwunden!

Armes Lieschen! ich sehe noch die Ecke am Fenster, wo du mit deinem Köpfchen auf dem Schooß deiner Mutter ruhtet, wo ich dich so erfreute mit dem Wagen von Karten, den vier Maikäfer zogen, wo dein müder Blick wie ein Gebet mir dankte für meine Freundschaft! Ich hatte das Alles so ganz und gar vergessen, ich wußte nicht einmal mehr, daß ich einst in diese Gegend gekommen war; aber jetzt springt aus jedem Dinge ein Bild, eine Stimme hervor; ich sehe, ich höre Alles wieder; Alles wird jung und lachend; – selbst mein Herz, das zu der harmonischen Uebereinstimmung mit dieser bekannten und geliebten Umgebung zurückkehrt.

Süß Lieschen! wer würde damals gesagt haben, daß ich einst deine Geschichte meinen Landsleuten erzählte, wie ich früher dein Herz durch Kindergeschichten erfreute! Das Leben gleicht einem jener Riesenströme Amerikas, welche eine Zeitlang friedlich zwischen lachenden Ufern dahin fließen, aber dann plötzlich sich von einem hohen Berge herabstürzen und in brausenden Wogen stürmisch und vernichtend fortrollen. Der Mensch ist ein Strohhalm, der auf dem Strome dahinfließt; die stille Fahrt zwischen den blühenden Ufern ist die Jugend, der brausende Wasserfall, der tobende Strom die menschliche Gesellschaft, in die der Einzelne wie ein Strohhalm geschleudert wird. Er fällt, er geht zu Grunde, er erhebt sich wieder, er taucht von Neuem Unter; er wird gefoltert, gequetscht, zerschmettert, abgenutzt. – Wer kann wissen, an welches Ufer der arme Strohhalm geworfen wird!

I.
Wenn Nichts mit Etwas sich verflicht
Kennt sich das Etwas selber nicht

Baas Gansendonck war ein sonderbarer Mann. Obwohl von den niedrigsten Dorfbewohnern herstammend, hatte er sich doch schon früh eingebildet, daß er aus viel edlerem Stoffe gemacht sei, als die anderen Bauern, daß er allein weit mehr wisse, als ein ganzer Haufe Gelehrter zusammen, daß die Gemeineangelegenheiten in Verwirrung geriethen und den Krebsgang gingen, bloß weil er mit seinem Verstande nicht Bürgermeister sei, und viele andere Dinge dieser Art.

Und doch kann der arme Mann weder lesen noch schreiben und hat von den meisten Dingen sehr wenig vergessen . . . aber er hatte ja viel Geld.

In dieser Hinsicht wenigstens glich er vielen vornehmen Leuten, deren Verstand auch in einer Kiste hinter dem Schlosse liegt, oder deren Weisheit für fünf Prozent Zinsen ausgeliehen, ihnen jährlich mit diesen Zinsen von Neuem in den Kopf kommt.

Die Bewohner des Dorfes, täglich durch die Einbildung von Baas Gansendonck beleidigt, hatten allmälig einen tiefen Haß gegen ihn gefaßt, und nannten ihn spottweise den Blaeskaek (den Prahlhans).

Der Baas oder Wirth zum heiligen Sebastian war Wittwer und hatte nur ein einziges Kind. Es war eine Tochter von achtzehn oder neunzehn Jahren, schwach und bleich, aber so zart und fein von Gesicht, so lieblich und anmuthig von Charakter, daß sie die Augen vieler jungen Männer auf sich zog. Ihr Vater, in seiner Thorheit, hielt sie für viel zu gut, zu gebildet und zu schön um sich mit einem Bauernsohn zu verheirathen. Er hatte sie auf einige Jahre in eine berühmte Erziehungsanstalt gethan um dort Französisch und feine Manieren zu lernen wie sie sich für ihre hohe Bestimmung geziemten.

Glücklicher Weise war Lisa, oder Lieschen wie die Bauern sie nannten, eben so einfach zurückgekehrt, obwohl dort allerdings der Same der Eitelkeit und des Leichtsinns, wenn auch nur in geringem Maaße, in ihren Geist gestreut worden; aber die natürliche Reinheit ihres Herzens ließ die gefährlichen Keime nicht aufkommen, während ihre jungfräuliche Unschuld, selbst den Anzeichen derselben etwas Reizendes verlieh, das Alles an ihr liebenswürdig machte.

Wie gewöhnlich hatte sie nur eine halbe Erziehung bekommen; sie verstand ziemlich gut Französisch, sprach es jedoch unvollkommen. Dagegen konnte sie sehr fertig sticken, bunte Pantoffeln und Ruhekissen machen, mit Perlen stricken, Blumen in Papier ausschneiden, äußerst freundlich guten Tag sagen, sich neigen und verbeugen, sehr kunstreich tanzen und viele andere Liebhabereien mehr, die zu dem Bauernhause ihres Vaters paßten, wie, mit dem Sprichwort zu reden, ein Spitzenkragen zu dem Hals einer Kuh.

Von Kindheit an war Lisa dazu bestimmt worden, sich mit Karl, dem Sohn des Brauers, einem der schönsten jungen Männer weit und breit, zu verheirathen. Er war für einen Dorfbewohner sehr wohlhabend und recht gebildet, da er einige Jahre das Gymnasium zu Hoogstraten besucht hatte.

 

Das Studieren hatte ihn indessen wenig verändert; er liebte die zwanglose Freiheit des Landlebens, war fröhlich wie ein Vogel, trank und sang ehr- und tugendsam mit Jedermann, voller Lebenslust und benahm sich gegen jeden Bekannten als ein wackerer Freund und Kamerad.

Wegen des frühzeitigen Todes seines Vaters hatte er das Gymnasium verlassen, um seiner Mutter bei der Verwaltung der Brauerei behilflich zu sein und die gute Frau dankte täglich Gott, daß er ihr einen so braven Sohn zu ihrem Troste gelassen, denn einen fleißigeren und ordentlicheren Jüngling fand man wirklich nicht.

Nur in Lisas Gegenwart verlor Karl seine Unbefangenheit, und versank in poetisches unbestimmtes Träumen. Bei dem geliebten Mädchen sitzend, wurde er mit ihm zum Kinde, fand Vergnügen an dessen unbedeutenden Beschäftigungen und fügte sich mit frommem Gehorsam in ihre geringsten Wünsche; sie war so zart, so schwach, aber dabei auch so sehr schön, eine Braut. Auch behandelte er, der starke, muthige Jüngling das zierliche Wesen mit solcher Eifersucht, Nachgiebigkeit und ängstlicher Sorgfalt, als habe man ihm das Leben einer hinwelkenden Blume anvertraut.

Fünf oder sechs Monate lang hatte Baas Gansendonck nichts Böses darin gefunden, daß seine Tochter Karls Frau wurde. Sein Hochmuth ward allerdings nicht ganz dadurch befriedigt; da jedoch ein reicher Brauersohn, nach einer Meinung wenigstens kein Bauer war, hatte er ein längst gegebenes Wort nicht brechen wollen und sogar eingewilligt, daß man Alles für die bevorstehende Hochzeit anordne und bereit halte.

Die Angelegenheit der jungen Leute fand also ziemlich gut, – da starb der unverheirathete Bruder des Baas Gansendonck an einem hitzigen Fieber und hinterließ eine schöne Erbschaft, die bald nachher im Wirthshause zum heiligen Sebastian, in klingender Münze mit anderen Geldsäcken vereinigt wurde.

Peer Gansendonck theilte mit vielen anderen Leuten die Meinung, daß der Verstand, der Werth und die Vortrefflichkeit des Menschen allein nach dem Gelde, das er besaß, gemessen werden dürften, und obwohl er kein Englisch konnte, war er doch ganz von selbst auf den erhabenen englischen Gedanken gekommen, daß die Frage: »Wie viele Pfund Silber wiegt der Mann?« Alles abthut und unwiderleglich beantwortet, nach dem altvlämischen Volksreim:

 
Das Geld, das stumm ist,
Macht recht, was krumm ist,
Und klug, was dumm ist.
 

Es versteht sich von selbst, daß durch eine solche Lebensweisheit ein Hochmuth oder richtiger seine Verrücktheit noch größer geworden war als sein Vermögen. Er schätzte sich nun wenigstens gleich mit dem Herrn Baron im Dorf, denn er bildete sich ein, eben so viele Pfund zu wiegen wie der adelige Gutsbesitzer.

Seit diesem Tage nun rappelte es dem Baas Gansendonck noch mehr im Oberstübchen und er hielt sich für einen der ersten Männer im Lande. Oft träumte ihm die ganze Nacht, er sei von vornehmem Geschlecht, und selbst am Tage zogen ihm liebkosende Gedanken unaufhörlich durch Kopf. Um die Gegenprobe dieser eingebildeten Vortrefflichkeit zu machen, bemühte er sich zu Zeiten, herauszubringen welcher Unterschied zwischen ihm und einem Edelmanne sein möchte, aber fand wirklich keinen.

Sein Gewissen sagte ihm zwar dann und wann, er sei zu alt, um noch Französisch lernen oder seine Lebensweise gänzlich zu ändern und in höhere Kreise der Gesellschaft zu treten, indessen, wenn er das auch nicht mehr konnte, so sollte doch seine Tochter höher steigen und sich mit dem ersten besten Baron verheirathen. – Welche selige Gewißheit für Baas Gansendonck! Ehe er stürbe, würde er noch das Vergnügen haben, eine Lisa Frau Baronin nennen zu hören! Er selbst würde Großvater einiger Barönchen sein!

Deshalb nun fing die Liebe Karls des Brauers an, ihm gewaltig im Kopfe herumzugehen und er betrachtete in seinem Gemüthe den lustigen jungen Mann als ein Hinderniß für die Zukunft seiner Tochter. Bereits hatte er in Lisa‘s Gegenwart sich über Karl mit bissiger Geringschätzung geäußert und Dinge gesagt, welche das arme Kind so verletzten, daß es zum ersten Male in seinem Leben trotzig seinem Vater widersprach und dann wohl zwei Stunden lang bittere Thränen vergoß.

Um seine Tochter nicht zu betrüben gab er jeden direkten Angriff hinsichtlich der Liebe des Brauers auf, aber er beschloß die Hochzeit so lange zu verschieben, bis die Zeit Lisa die Binde von den Augen nähme und sie sich selbst überzeugte, Karl sei nur ein grober Bauer gleich allen Anderen.

II.
Deß Brod ich esse
Deß Lied ich singe

Auf dem Hofe der Wirthschaft zum heiligen Sebastian, waren die Dienstboten und Tagelöhner, bereits seit Tagesanbruch mit der gewöhnlichen Arbeit beschäftigt. Trees, die Kuhmagd stand am Brunnentrog und wusch Rüben für das Vieh; in der offenen Scheune hörte man das taktmäßige Niederschlagen der Dreschflegel; der Stallknecht fang ein rohes Lied und striegelte die Pferde.

Ein Mann allein wandelte sorglos auf und ab, rauchte seine Pfeife und blieb dann und wann stehen um der Arbeit der Anderen zuzuschauen. Er war auch wie ein Tagelöhner gekleidet, und trug eine Jacke und Holzschuh. Obwohl sein Gesicht in voller Ruhe träge Gleichgültigkeit beurkundete, blickte doch eine gewisse Schlauheit und Arglist aus seinen Augen. Uebrigens sah man deutlich an seinen glänzenden Wangen und seiner rothen Nase, daß er an einem fetten Tische saß und den Weg zum Keller kannte.

Die Kuhmagd ließ ihre Rüben stehen und ging nach der Scheune, wo die Drescher eben neue Garben spreiteten und die Gelegenheit benutzten zwischen der Arbeit ein Bisschen zu plaudern. Der Mann mit einer Pfeife war dabei.

– »Kobe, Kobe!« – rief die Kuhmagd ihm zu – »Ihr habt den rechten Brief gefunden. Wir plagen uns zu Tode vom Morgen bis zum Abend und bekommen statt des Lohns Schelte an den Kopf. Ihr habt den Wind von hinten; Ihr geht spazieren, raucht Euer Pfeifchen, seid der Freund des Baas, bekommt die fettesten Bissen. Ihr müßt sagen, daß Euer Brod in den Honig fallen ist, das Sprichwort hat Recht: Menschen äffen ist nur eine Gewohnheit.«

Kobe lachte schelmisch und antwortete:

–»Haben ist haben und Bekommen ist die Kunst; das Glück fliegt, der es fängt, der hat es.«

– »Schmeicheln ist Heucheln und Fuchsschwänzen ist scherwenzen«, murrte einer der Tagelöhner bissig.—

– »Worte sind keine Messer«, – lachte Kobe. »Jeder ist auf der Welt um dem Sohn eines Vaters Gutes zu thun und wer was findet, hebe es auf.«

– »Ich würde mich schämen« – rief der erzürnte Arbeiter – es ist keine Kunst aus fremdem Leder Riemen schneiden, und ein Ferkel wird auch gemästet ohne daß es arbeitet.

– »Dem einen Hund thuts Leid daß der Andere in die Küche geht,« – spottete Kobe. – »Ungleiche Schüsseln machen böse Brüder, aber besser Neider als Mitleider. Und da der Mensch auf dieser Welt doch einmal sitzen muß, setze ich mich lieber auf Kissen als auf Dornen.«

– »Schweig, Schmarotzer, und bedenke daß es unser Schweiß ist von dem Du so fett wirst.«

– »Titje, Titje, warum so verbissen auf mich? Du kannst nicht vertragen daß die Sonne auf meinen Teich scheint. Kennst Du denn das Sprichwort nicht: er gegen einen Andern hat Neid, zerfrißt sein Herz und verspillt sein Zeit? – Wenn ich etwas weniger bekäme, bekämst Du darum mehr? Bin ich hochmüthig? Thu' ich Böses? Im Gegentheil, ich steck' es Euch, wann der Baas kommt und schieb Euch immer eine gute Kanne Bier in das Kellerloch. Du suchst, wo man's nicht verloren hat, Titje.« —

– »Ja, ja, wir kennen. Deine Mildthätigkeit. Du bist wie der Pastor, der segnete Jedermann, aber sich selbst zuerst.«

– »Er hat Recht, und ich auch: wer dem Altar dient lebt vom Altar.«

– »Das ist wahr« – rief ein anderer Arbeiter – »Kobe ist ein guter Kerl und ich wollte, ich steckte in seinen Schuhen; dann würde ich auch mein Brod verdienen, indem ich den Krähen Rauch zu bliese; ist das Bäuchlein voll, hat das Herzlein Ruh.«

– »Ja, dicker Bauch, schlafende Füße; – voller Kropf, toller Kopf.«

– »Laß sie nur schwatzen, Kobe. Jeder kann nicht einen schönen Stern am Himmel haben, und ich sage daß Du viel Verstand hast!«

– »Nicht mehr Verstand als der Pilz dort am Kirschbaum« – sagte Kobe mit erheuchelter Bescheidenheit.

Alle blickten verwundert auf einen großen Baumschwamm der zwischen den schwersten Aesten des Kirschbaums wuchs. Eben so rasch wandten sie sich zu Kobe, um von ihm wie gewöhnlich, eine schalkhafte Erklärung zu erhalten.

– »Oho« – rief die Kuhmagd – »nicht mehr Verstand als der Pilz da – dann müßt Ihr ja ein schrecklicher Lump seyn.«

»Das kennt Ihr nicht, Mieken. – Was sagt das Sprichwort. Das Arbeiten ist für Dummköpfe. – Ich thue Nichts, also? . . . «

»Aber was hat der Pilz damit zu thun?«

»Seht Ihr, es ist ein Räthel: der schöne große Kirschbaum ist unser Baas. —

»O, Ihr Fuchsschwänzer!« – rief die Magd.

»Und ich bin der arme demüthige Pilz . . . «

»Scheinheiliger!« murrte der aufgebrachte Tagelöhner.

– »Wenn Ihr das rathen könnt, so wißt Ihr was kleine Hunde thun müssen um mit den großen aus derselben Schüssel zu essen, ohne gebissen zu werden.«

Kobes Absicht war, sie noch länger mit seinen doppelsinnigen Worten zu plagen, aber er hörte die Stimme des Baas drinnen im Hause und sagte zu den Arbeitern, während er seine Pfeife einsteckte:

– »Laßt die Bauern nur dreschen, Jungen! Unser braver, freundlicher Baas kommt um zu sehn, ob das Werk gut von Statten geht.«

– »Wir bekommen unsern Morgenimbiß; das wird wieder kein kleines Geschrei geben!« – rief die Kuhmagd und lief nach dem Brunnentrog.

– »Wenn er mich wieder anschnauzt und wie gestern, Tagedieb und Bauerlümmel schimpft, so werfe ich ihm den Dreschflegel an den Kopf!« – sagte einer der Tagelöhner voll Zorn.

»Als der Krug mit dem Stein fechten wollte, ging er bei dem ersten Stoß entzwei!« – spottete Kobe.

»Was mich betrifft, so lache ich über sein Schelten und lasse ihn ruhig toben;« – bemerkte ein Zweiter.

»Das ist das Beste,« – fiel ihm Kobe in die Rede – »sperrt die Ohren weit auf, dann fliegt es hier herein und dort hinaus. Der Baas muß doch was haben für sein Geld! Gebt ihm Recht und thut, was er sagt.«

– »Thun was er sagt, und wenn man das nicht kann?«

– »So gebt ihm doch Recht und thut es nicht, – oder besser, sagt Nichts und haltet Euch als ob Ihr weder von tuten noch von blasen etwas wüßtet; denkt, aß Schweigen nicht verbessert werden kann.«

– »Alle Menschen sind Menschen. Ich spotte über eine Barschheit. Er soll nur anfangen, ich will ihm auch ein Mal die Zähne zeigen. Er hat nicht das Recht, mich wie ein Vieh zu behandeln, wenn ich auch nur ein Tagelöhner bin.«

– »Es ist wohl wahr, was Du sagst, und doch trifft Du daneben, Driesken,« – bemerkte Kobe – »Jeder muß seinen Platz in der Welt kennen. Was lehrt das Sprichwort? Bist Du Amboß, dulde wie ein Amboß, bist Du Hammer, schlage wie ein Hammer. Obendrein bringt ein kleines gutes Wort großen Aerger. Und willst Du es besser haben, so bedenke daß es nicht möglich ist mit Essig Fliegen oder mit Trommeln Hasen zu fangen . . . «

– »Kobe, Kobe!« – rief eine Stimme drinnen mit hörbarer Ungeduld.

– »Nun seht, seht, wie er die Heuchlerfratze zieht!« – spottete ein anderer Drescher.

– »Das ist gerade die Kunst, die Ihr nie lernen werdet,« – antwortete Kobe. – Sich darauf dem Hause zuwendend, rief er mit bittendem Tone, als sei er erschrocken:

»Ich komme, ich komme, lieber Baas! Werdet nicht böse, ich fliege, da bin ich schon!«

»Der gewinnt sich ein Brod damit, daß er den Schooßhund macht!« – murrte der erzürnte Tagelöhner verächtlich – da dresch' ich doch lieber mein Leben lang! Das ist so Einer der mit allen Wassern gewaschen ist.« —

»Er hat zehn Jahr lang gedient, da lernt man den Unschuldigen im Stücke spielen, um so wenig wie möglich zu thun. Nachher ist er Herren-Knecht geworden, dabei kriegt man auch keine Schwielen in den Händen. – Aber welch ein artig Räthsel gab er uns auf? Versteht Ihr was er meint?«

– »O das ist leicht zurathen« – antwortete der Erste – »er will damit sagen, daß er dem Baas auf dem Nacken sitzt und ihn aussaugt, wie der Pilz den Kirschbaum. – Kommt, kommt, laßt uns nun nur weiter dreschen!«