Loe raamatut: «Dag Hammarskjöld»

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Hermann J. Benning

Dag Hammarskjöld

Leben – Profil – Bedeutung


Der Autor, Hermann J. Benning, Jahrgang 1949, arbeitete nach dem Studium an den Universitäten Nimwegen/Niederlande und Saarbrücken, ab 1980 als Verlagslektor. Seit 1989 ist er freiberuflicher Lektor und Übersetzer in München. Mit Dag Hammarskjöld beschäftigt er sich seit Mitte der 80er-Jahre.

2021, aktualisierte Neuausgabe

© Alle Rechte bei Verlag Neue Stadt GmbH, München

Printversion:ISBN 978-3-7346-1271-8

eBook:ISBN 978-3-87996-438-3

www.neuestadt.com

Inhalt

Zur Einführung

Erster Teil

SEIN LEBEN

Die Familie Hammarskjöld

Schulzeit und Studium

Karriere in Schweden

Die UNO

Der neue Generalsekretär

Die China-Mission 1955

Pulverfass Naher Osten

Der Volksaufstand in Ungarn 1956

Die Suezkrise 1956

Hammarskjölds Wiederwahl 1957

Bemühungen um Abrüstung

Die Libanonkrise 1958

Der Laoskonflikt

Die Bisertakrise

Die Kongokrise

Hammarskjölds Tod

Person und Ethos

Zweiter Teil:

SEIN TAGEBUCH

Der literarische Befund

Zur Rezeption des Buchs

Zentrale Themen

Der Stachel der Einsamkeit

Die Linse im Lichtstrom

Die sorgfältig angelegte Maske

Membrane der Stille

Der Tod mit am Tisch

Das Segel im Sonnensturm

Die Gebete im Tagebuch

Nachwort

Quellenhinweise

Zur Einführung

Als Generalsekretär der Vereinten Nationen in der turbulenten Zeit des Kalten Krieges ist der Schwede Dag Hammarskjöld in die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts eingegangen. Im Dienst der internationalen Gemeinschaft wurde er, der beide Weltkriege miterlebt hatte, zum Friedensstifter und Wegbereiter einer neuen Zivilisation. Am Beginn und Ende seiner Jahre in der UNO stehen zwei markante Daten der deutschen Geschichte: Zwei Monate nach seinem Amtsantritt wurde am 17. Juni 1953 der Aufstand der Arbeiter in Ostberlin gewaltsam unterdrückt. Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurde die deutsche Teilung zementiert und schloss sich der Eiserne Vorhang für fast drei Jahrzehnte. Hammarskjöld kam bei einem Flugzeugabsturz auf einer Friedensmission in Afrika am 18. September 1961 kurz nach Mitternacht Ortszeit ums Leben.

Dag Hammarskjöld war ein Weltbürger, Politiker und hochsensibler Intellektueller. Er führte ein intensives geistliches Leben, was erst 1963 nach der Veröffentlichung seiner Tagebuchaufzeichnungen bekannt wurde. Schon als junger Mann hatte er aus innerer Überzeugung eine Lebensentscheidung getroffen, aus der er in gesellschaftlicher und politischer Verantwortung seinen Dienst wahrnahm. Er sah sich persönlich in der Pflicht; aus seinem inneren Ja schöpfte er Kraft und Entschlossenheit. Sein Leben ist Zeugnis glaubwürdigen Menschseins – in Erfolgen und Momenten der Freude, aber ebenso in bitteren Stunden und Anfeindungen.

Sein Wirken ist gekennzeichnet von einer anspruchsvollen Ethik des Dienens, die bereits in seiner Erziehung im Elternhaus grundgelegt war. Mit den Jahren festigte er seine Überzeugungen durch Einsichten aus vielen Erfahrungen, durch Begegnungen mit geistig führenden Persönlichkeiten seiner Zeit und nicht zuletzt durch gezielte Auswahl seiner Lektüre, Reflexion und Gebet. So vermochte er sich den vielfältigen Herausforderungen zu stellen, die er als Mensch und Politiker zu bewältigen hatte.

Als Generalsekretär der Vereinten Nationen gewann er weltweit hohes Ansehen, das auch der Weltorganisation zugutekam, für die er achteinhalb Jahre tätig sein konnte. Eines seiner großen Verdienste besteht darin, dass er diesem Amt klare Konturen gab, indem er es persönlich ausgestaltete und etablierte. Dabei hat er Maßstäbe gesetzt: Einer seiner Nachfolger, der ghanaische Friedensnobelpreisträger Kofi Annan, würdigte ihn in einer Gedenkrede zum 40. Todestag als jemanden, der wie kein anderer die Erwartungen an die Rolle des Generalsekretärs und seiner Organisation geprägt habe. Im Blick auf die Bewältigung von Krisen und Konflikten könne es für einen Generalsekretär der Vereinten Nationen keine bessere Methode geben, als sich zu fragen: „Wie hätte Hammarskjöld gehandelt?“

Als Friedensvermittler und Krisenmanager setzte sich Hammarskjöld mit allen Kräften ein; die Menschheit hat es auch ihm zu verdanken, dass es nicht zu einem Dritten Weltkrieg kam. Dabei kannte er auch herbe Enttäuschungen, Verleumdungen, tiefe innere Verletzungen und eine lange dauernde persönliche Einsamkeit. Die schmerzlichen Erfahrungen behielt er zeitlebens für sich, er rang damit allein und hielt den Herausforderungen stand, blieb darin bis am Ende immer ein Fragender.

Aus menschlicher Sicht ist sein früher Tod eine Tragödie, doch sein Lebenswerk ist ein bleibendes Vermächtnis. Die Vereinten Nationen sah Hammarskjöld nicht in erster Linie als eine Organisation für Staaten, sondern für die in ihnen lebenden Völker und Menschen. Für viele, besonders in den Entwicklungsländern, wurde er zu einem Hoffnungsträger, zumal sein Engagement auch der Bekämpfung von Armut, Hunger, Krankheiten und Analphabetismus in der Welt galt.

Dass dieses Buch anlässlich des 60. Todestags von Dag Hammarskjöld bereits in dritter Auflage als aktualisierte Neuausgabe erscheinen kann, zeugt von dessen ungebrochener Wertschätzung und Bedeutung. Was Hammarskjöld für die Neuordnung und Zukunft einer menschenwürdigen Weltgemeinschaft geleistet hat, bleibt wegweisend in den alten und neuen Krisen und Herausforderungen unserer Zeit und für die kommenden Generationen.

Hermann J. Benning

Erster Teil

DIE FAMILIE HAMMARSKJÖLD

Dag Hammarskjöld entstammte einer in Schweden hoch angesehenen adeligen Familie, in der es über Jahrhunderte Tradition war, in Staat, Gesellschaft und Kirche, Wissenschaft und Wirtschaft zu dienen. Am Südrand des Vättersees liegt die Stadt Jönköping, bis vor einigen Jahrzehnten das Zentrum der schwedischen Zündholzindustrie. Dort kam Dag in der Villa Liljeholmen im gleichnamigen Stadtteil am 29. Juli 1905 zur Welt. Er war der jüngste von vier Söhnen des Ehepaares Agnes, geb. Almqvist, und Hjalmar Hammarskjöld. Seine Eltern hatten sich 1884 kennengelernt und sechs Jahre später geheiratet. Sein Vater (1862–1953) war im Stammsitz der Hammarskjölds geboren, dem kleinen Gut Tuna ganz nahe bei Vimmerby, dem Geburtsort der Schriftstellerin Astrid Lindgren in der südschwedischen Provinz Småland.

Die mittlerweile gründlich erforschte Ahnengeschichte der Familie reicht zurück bis zu dem Rittmeister Peder Michelsson (um 1560–1640), der Oberst und Statthalter von Öland wurde. König Karl IX. hatte ihn 1610 für seine Verdienste ums Vaterland geadelt und ihm das kleine Rittergut Tuna mit drei weiteren ländlichen Anwesen in der Umgebung geschenkt; dazu bekam er den Adelsnamen Hammarskjöld und das Familienwappen mit zwei überkreuzten Hämmern auf weißem Schild; es setzt den neuen Namen der Familie heraldisch ins Bild. „Nennen Sie mich Hämmerschild“, so antwortete Hammarskjöld einmal einem englischsprachigen Journalisten auf die Frage, wie man seinen Namen aussprechen müsse.

Viele Nachfahren des adeligen Rittmeisters machten in den vergangenen vier Jahrhunderten Karriere im Staatsdienst, als Politiker und Diplomaten, ranghohe Offiziere, Wissenschaftler und Industriemanager. Die Hammarskjölds übernahmen Verantwortung für ihr Land und gehörten zur Elite Schwedens.

Auch Dags Vater und seine drei Brüder standen in dieser Tradition: Sein ältester Bruder Bo (1891–1974) arbeitete als Jurist im Range eines Staatssekretärs im Sozialministerium und regierte danach 23 Jahre die historische Provinz Södermanland in Mittelschweden. Sein Bruder Åke (1893–1937) wurde ebenfalls Jurist und Diplomat; als er 44-jährig starb, war er seit einem Jahr Richter am Ständigen Internationalen Gerichtshof des Völkerbundes in Den Haag. Der Journalist Sten Hammarskjöld (1900–1972) verklagte 1965 erfolgreich Presseorgane wegen Verleumdung seines Bruders, weil sie den Verdacht in die Welt gesetzt hatten, dieser habe seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Der Bruder des Vaters, ihr Onkel Carl Gustaf (1865–1940), war am Ende seiner beruflichen Laufbahn General und Stabschef der schwedischen Armee.

Hjalmar Hammarskjöld, der Vater, hatte an der traditionsreichen Universität Uppsala Jura und Philosophie studiert. Der junge Wissenschaftler arbeitete danach als Dozent für Zivilrecht an der dortigen Hochschule, ab 1891 als Lehrstuhlinhaber. So wohnte das junge Ehepaar Hammarskjöld zunächst in der einstigen königlichen Residenzstadt nördlich von Stockholm. Als Hjalmar Hammarskjöld 1895 in den Dienst des Justizministeriums berufen wurde, übersiedelte die Familie mit den bereits geborenen Söhnen Bo und Åke nach Stockholm. Hjalmar qualifizierte sich auch im Völkerrecht und machte weiter Karriere: Als parteiloser Konservativer wurde er 1901 Justizminister und war ab 1904 Mitglied des Haager Schiedshofs. Nach dem gescheiterten Versuch einer Wahlrechtsreform schied er bereits 1902 aus dem Kabinett aus und wurde Präsident des Appellationsgerichts von Götaland für ganz Südschweden in Jönköping, wo Dag 1905 zur Welt kam. Am Tag seiner Geburt weilte sein Vater in Stockholm. Er wurde eine Woche später zum Kultusminister ernannt und leitete damals als Experte für Internationales Recht die Verhandlungen über die Auflösung der schwedisch-norwegischen Union, die noch im gleichen Jahr erfolgte. Dags Taufe wurde wegen der Abwesenheit seines Vaters aufgeschoben; erst zwei Monate nach seiner Geburt wurde er auf die Namen Dag, Hjalmar, Agne und Carl getauft. Der altnordische Vorname Dag ist dem Wortstamm nach verwandt mit „Tag“ (schwedisch dag), was ursprünglich „Zeit, da die Sonne brennt“ bedeutet.

Als sein Vater 1906 Gesandter und kurz darauf Generalkonsul an der Schwedischen Botschaft in Kopenhagen wurde, lebte die Familie in der dänischen Hauptstadt. Dieser Aufenthalt währte aber nur kurz, denn im nächsten Jahr trat Hjalmar an die Spitze der Regierung der Provinz Uppsala, was er als persönliche Auszeichnung empfand. Die schwedische Amtsbezeichnung landshövding entspricht dem heute noch in Österreich und Südtirol gebräuchlichen Titel „Landeshauptmann“; in früheren Zeiten waren das in Schweden die Statthalter des Königs. Sein Amtssitz war das alte Wasa-Schloss in Uppsala, wo Dag einen Großteil seiner Kindheit und Jugend verbrachte und das ihm zur Heimat wurde. Dags Vater war ein konservativer Intellektueller, loyal zur schwedischen Krone, bestimmt im Auftreten und sehr reserviert. Manche in Uppsala nannten ihn den „Einsiedler auf dem Schloss“. Befreundet war er mit Nathan Söderblom, damals Professor für Religionsgeschichte und Kollege an der Universität Uppsala, später Wegbereiter der ökumenischen Bewegung und Friedensnobelpreisträger.

Während des Ersten Weltkriegs, von 1914 bis 1917, stand Hjalmar Hammarskjöld als Ministerpräsident Schwedens an der Spitze einer Beamtenregierung, die König Gustav V. eingesetzt hatte. Wegen der unnachgiebigen Durchsetzung einer Lebensmittelrationierung wurde er von Landsleuten als „Hungerskjöld“ beschimpft. 1918 wurde der Gelehrte durch die Aufnahme in die Schwedische Akademie geehrt, zu deren Aufgabe auch die Verleihung der Nobelpreise für Literatur gehört. Von 1923 bis 1938 war er Abgeordneter im Schwedischen Reichstag und leitete von 1929 bis 1947 die Nobel-Stiftung. Hjalmar Hammarskjöld starb 1953 im hohen Alter von 91 Jahren, sechs Monate nach dem Amtsantritt seines Sohnes als Generalsekretär der Vereinten Nationen. Als Kind und Jugendlicher profitierte Dag von den Kontakten seines Vaters mit führenden Intellektuellen; von ihm selbst übernahm er ein ausgeprägtes Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein, Selbstdisziplin und unbeirrtes Festhalten an persönlichen Überzeugungen im Reden und Handeln. Die bisweilen autoritäre Strenge und Zurückhaltung seines Vaters in der Äußerung von Gefühlen wirkten auch auf Dag, der sich dafür umso stärker mit seiner Mutter verbunden fühlte.

Seine Mutter Agnes (1866–1940) war in Stockholm geboren und aufgewachsen. Ihr Vater, ein Halbbruder des Schriftstellers Carl J. L. Almqvist, verantwortete im Staatsdienst den schwedischen Justizvollzug. Der älteste bekannte Vorfahre ihrer Familie war ein kirchlicher Würdenträger, der Superintendent Abraham Almqvist (1699–1760).

Da Agnes’ Mann beruflich vielseitig beschäftigt und häufig unterwegs war, führte sie besonnen Regie im Haus. Güte, Rechtschaffenheit und der Glaube an Gott zeichneten sie aus; dies vermittelte sie auch ihren Söhnen, ebenso wie Toleranz aus Respekt vor der Würde jedes Menschen. In ihrer liebenswürdigen, herzlichen Art schenkte sie den Kindern mütterliche Zuneigung und Geborgenheit.

Ganz im Gegensatz zu ihrem Mann war Agnes ausgesprochen kontaktfreudig. In ihren freien Stunden schrieb sie gern Briefe; sie interessierte sich besonders für Literatur und las viel in ihrer Freizeit. Ihre persönlichen Verdienste für die Zivilgesellschaft würdigte König Gustav V. 1930 mit einem hohen Orden. Zehn Jahre danach starb sie und wurde in Sigtuna bestattet. Zu Dags Konfirmation 1921 hatte sie ihm „Die Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempen geschenkt; diesen Klassiker der geistlichen Weltliteratur, lange Zeit das nach der Bibel meistgelesene Buch, fand man nach seinem Tod in jenem Zimmer in der kongolesischen Hauptstadt Léopoldville (heute Kinshasa), wo er seine letzte Nacht verbracht hatte.

Anlässlich der Übernahme des Amtes als Generalsekretär der Vereinten Nationen äußerte sich Hammarskjöld öffentlich über seine Herkunft: Generationen von Militärs und Staatsbeamten väterlicherseits hätten ihm als Erbe die Überzeugung hinterlassen, dass „es kein erfüllteres Leben gibt, als dem eigenen Land beziehungsweise der Menschheit uneigennützig zu dienen“. Solches Dienen erfordere Verzicht auf alle persönlichen Interessen, zugleich aber auch Mut, entschieden für das einzutreten, wovon man selbst überzeugt sei. Gelehrte und Geistliche aus der Familie seiner Mutter hätten ihm den Glauben vermittelt, dass „im radikalen Verständnis der Evangelien“ alle Menschen als Geschöpfe Gottes mit der gleichen Würde ausgestattet sind, was auch das menschliche Miteinander bestimmen und prägen müsse. Die hier von Hammarskjöld genannten Aspekte, soziale Verantwortung übernehmen, dienen, Achtung der Menschenwürde, Zivilcourage und Entschiedenheit, waren maßgeblich für sein persönliches Leben wie für sein Wirken in Politik und Gesellschaft.

In Briefen seiner Familie aus der Zeit seiner Kindheit wird Dag als „bescheidener lieber Junge“ beschrieben. Seine Brüder und er konnten sich unbeschwerter Kinderjahre erfreuen. In einer seiner Tagebuchaufzeichnungen aus dem Zeitraum 1945–1949 zitiert Hammarskjöld drei Sätze aus einem Nachruf, in denen er sich offenbar wiederfand: „Wir Geschwister waren so glücklich zu Hause. Noch erinnere ich mich der Weihnachtstage, an denen wir alle beisammen waren. Wer konnte damals glauben, dass das Leben so verworren werden würde?“

Schon als Kind hatte Dag Freude an der Schönheit und den Wundern der Natur; er sammelte Schmetterlinge und ausgestopfte Tiere. Mit Pflanzen, die er zum Konservieren trocknete und presste, legte er sich ein kleines Herbarium an. Auch später in seinem Leben nahm er immer wieder gern die Gelegenheit wahr zu Ausflügen, Wanderungen oder Skitouren in den weiten unberührten Wald- und Bergregionen Schwedens, öfter auch in Lappland. Er war nie ein typischer Gipfelstürmer, konnte aber einmal einem im Gebirge Abgestürzten das Leben retten. Ein Arbeitskollege aus der Zeit im schwedischen Finanzministerium berichtete später, er habe sich darüber gewundert, wie Hammarskjöld nach einer anstrengenden Woche gelegentlich den Nachtzug gen Norden nahm, am nächsten Morgen ausstieg, den ganzen Tag allein wanderte und dann am Montagmorgen sichtlich erholt wieder an seinem Schreibtisch saß. Auf manchen Touren fotografierte er faszinierende Landschaftsbilder, die von seiner einfühlsamen Wahrnehmung natürlicher Schönheit zeugen, ebenso seine späteren Aufnahmen der Himalaja-Gipfel aus einem Flugzeug. Der Naturschutz blieb ihm zeitlebens ein leidenschaftliches Anliegen, für das er sich aktiv engagierte; von 1946 bis 1951 führte er den Vorsitz im Schwedischen Alpinclub.

SCHULZEIT UND STUDIUM

Dag besuchte ab 1911 eine Privatschule in der schmucken kleinen Villa Totembo im vornehmsten Viertel Uppsalas. In einem Brief an seine Mutter schrieb eine seiner Lehrerinnen über ihren Schüler, es mache ihr Freude, ihn zu unterrichten, und er lerne leicht. Dabei kamen ihm seine Begabung, seine Wissbegierde und sein ausgesprochener Fleiß zugute; er war zielstrebig, aber kein Streber. Ein ehemaliger Mitschüler sagte später über ihn, er sei ein freundlicher und hilfsbereiter, aber zurückhaltender Kamerad gewesen. Von 1916 an war er Schüler der Allgemeinen Höheren Lehranstalt in Uppsala, heute als städtisches Gymnasium mit 1200 Schülern von den Einwohnern kurz „Katte“ (Kathedralschule) genannt. Seine Lieblingsfächer waren Geschichte, Schwedisch und Gemeinschaftskunde. Er bestand 1923 die Reifeprüfung mit acht großen A, fünf kleinen a und einem B im Fach Leibesübungen, nach dem seinerzeit üblichen Bewertungssystem schwedischer Schulen von der Bestnote A bis F.

Nach dem glänzenden Abitur unternahm er eine Reise ins englische Cambridge und immatrikulierte sich dann an der Universität seiner Heimatstadt Uppsala. Er studierte zunächst Literaturgeschichte und Philosophie, aber auch die französische Sprache. Schon zwei Jahre nach Studienbeginn legte er das Kandidatenexamen in Philosophie ab, das dem heutigen Bachelor gleichkommt. Anschließend widmete er sich dem Studium der Volkswirtschaft, belegte gleichzeitig Vorlesungen in Soziologie und studierte in der Tradition seiner Familie auch Rechtswissenschaft. 1930 schloss er das Jurastudium ebenfalls mit dem Kandidatenexamen ab. Im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften hatte er bereits zwei Jahre zuvor das Lizenziat in Philosophie erworben, dem heutigen Master entsprechend.

Der junge Wissenschaftler übersiedelte nach Stockholm und schrieb dort zum Abschluss seiner akademischen Ausbildung ab 1930 an seiner Doktorarbeit. Die Folgen der ersten großen Weltwirtschaftskrise waren zu jener Zeit auch in Schweden zu spüren mit steigenden Arbeitslosenzahlen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen.

1932 kamen die Sozialdemokraten an die Macht: Die neue schwedische Regierung reagierte auf die Krise ordnungspolitisch im Sinne keynesianischer Wirtschaftslenkung mit staatlichen Beschäftigungsprogrammen und Subventionen für die Landwirtschaft. Von 1930 bis 1934 arbeitete der Doktorand nebenher als Sekretär in einem 1927 gegründeten staatlichen Komitee zur Bewältigung der Arbeitslosigkeit; dazu verfasste er eigene wissenschaftliche Studien, die in Fachzeitschriften veröffentlicht wurden.

Die Sozialdemokraten konnten schon bald wichtige Reformen durchsetzen; so wurde ab 1935 auch in Schweden die Arbeitslosenversicherung eingeführt, eine der Säulen des modernen Sozialstaats.

Aktuell zur wirtschaftlichen Notlage seines Landes analysierte Hammarskjöld in seiner Dissertation theoretische Möglichkeiten einer Konjunkturbelebung, die er historisch begründete. Dabei orientierte er sich an dem 1930 veröffentlichten Werk Treatise on Money (dt. Titel: „Vom Gelde“) des Briten John Maynard Keynes, setzte aber eigene Akzente. Für Hammarskjöld standen Marktpreisbildung und Kaufkraft als Konjunkturmotoren im Vordergrund; seine Thesen untermauerte er detailliert mit teilweise selbst erarbeiteten Statistikmodellen. Im November 1933 verteidigte er seine Arbeit in einer öffentlichen akademischen Zeremonie an der Stockholmer Hochschule für Nationalökonomie. Dabei kam es zu einer Auseinandersetzung mit seinem Doktorvater, dem Wirtschaftstheoretiker Gunnar Myrdal; wie andere Mitstreiter der sogenannten „Stockholmer Schule“ vertrat dieser eher eine auf staatliche Subventionsprogramme setzende Konjunkturpolitik. Der ehrgeizige Doktorand bekam jedenfalls nicht die Bestnote, die er sich für seine Mühen erwartet hatte.

Ein Kuriosum am Rande dieser Veranstaltung: Als Erster brach er selbstbewusst mit der Konvention, dass ein Ökonom zu solchem Anlass einen Frack zu tragen hatte. Als Doktor der Philosophie in Wirtschaftswissenschaften – in Schweden kommt das Doktorat einer Habilitation gleich – hatte er nun die Befähigung für das Lehramt an Hochschulen in Schweden.