Loe raamatut: «Die Kraft, die aus der Liebe wächst!», lehekülg 3

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Wie oft schlucken wir diese drei kleinen Sätze lieber runter und „fressen“ stattdessen die ganze negative Energie in uns hinein, nur weil wir irgendwann einmal gelernt haben, dass es sich nicht gebührt, sich trotzig, rebellisch, aggressiv, wütend, schmollend etc. zu zeigen.

Macht es Sinn, diesen Gefühlen keinen Ausdruck zu geben, sie stattdessen wie ein Gepäckstück, einen schweren Rucksack, eine unerträgliche Last mit uns herumzutragen? Macht es Sinn, sich mit all diesen nicht gelebten Gefühlen selbst zu sabotieren, mit der Zeit sogar daran zu erkranken, weil wir sie schon viel zu lange Zeit in uns hineingefressen haben, statt sie ehrlich zum Ausdruck zu bringen? Macht es Sinn, lieber an dem ganzen Ballast zu ersticken, zugrunde zu gehen, als diese Gefühle für die Dauer eines Gesprächs dem anderen zuzumuten, dabei aber vollkommen ehrlich zu sich und zum anderen zu sein?

Nur, indem wir uns das Herz fassen und den Mut finden, über unsere wahren Gefühle mit dem anderen zu sprechen, um auf diese Art und Weise das Problem, das sich daraus ergibt, frühzeitig aus der Welt zu schaffen, kann im Hinblick auf das Missverständnis zwischen Person A und B eine Klärung des Sachverhalts und letztlich damit einhergehend unter Umständen auch Heilung und Transformation geschehen.

Wann jedoch haben wir das Sprechen über unsere Gefühle und damit auch das Einstehen für uns selbst verlernt? Kommen wir nicht alle – energetisch gesehen – als reine Wesen in die Welt? Schauen wir uns die Augen eines Babys an, dann strahlen diese Augen. Sie schauen voller Freude auf das Leben. Sind wach und aufmerksam. Voller Neugier und Abenteuerlust. Wann haben wir dieses Strahlen und Staunen verlernt? – Wann? Warum? Was ist geschehen?

2 Exkurs in den Bereich der Erziehung

Warum überhaupt Erziehung? – Der Mensch als „physiologische Frühgeburt“

Auf den Schweizer Anthropologen und Naturphilosophen, Biologen und Zoologen Adolf Portmann (1897–1982) geht zurück, dass er den Menschen als „physiologische Frühgeburt“ und als „sekundären Nesthocker“ bezeichnete. Begriffe, die auch heute noch in der Biologie Verwendung finden. A. Portmanns Interesse am Menschen konzentrierte sich dabei vornehmlich auf die ersten Lebensjahre. In vielen seiner Schriften veröffentlichte er Beiträge, die aus entwicklungsgeschichtlicher Sicht die Sonderstellung des Menschen innerhalb der Natur thematisieren. So nannte er den Menschen einen „physiologisch völlig unspezialisierten“, in seiner Entwicklung aber offenen, freien Menschen, der sich als ein „ewig Werdender“ von anderen physiologisch hoch spezialisierten Lebewesen unterscheidet.

Der Begriff der „physiologischen Frühgeburt“1 besagt dabei, dass der Mensch im Vergleich zu den Tieren viel zu früh geboren wurde, da er zum Zeitpunkt seiner Geburt vollkommen hilflos ist und auf eine Rundumversorgung durch seine Eltern angewiesen ist. So gesehen steht er – was seinen Reifezustand bei seiner Geburt angeht – vollkommen im Gegensatz zu einem Pferd, Bär, Giraffen oder Elefanten, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Nach Portmann führt diese Vorverlegung der Geburt für den Menschen dazu, dass viele seiner Entwicklungsprozesse letztlich in eine soziokulturelle Umgebung eingebettet sind. Aufgrund der Angewiesenheit auf Eltern und Erzieher ist das Kind daher vollkommen offen für Umwelteinflüsse und soziale Kontakte sowie für ein kulturelles und geistiges Lernen.

Um seine körperlichen, geistigen und seelischen Anlagen über die verschiedenen Lebensaltersstufen hinweg ausreichend entwickeln zu können, bedarf der Mensch von Anfang an der Hilfe, Betreuung, Fürsorge und Unterstützung. Daneben kommt dem Prozess der Erziehung gesamtgesellschaftlich gesehen jedoch auch die Bedeutung zu, dass der Mensch durch die Erziehung erst zu einem vollwertigen Mitglied einer menschlichen Gemeinschaft (Familie, Verein etc.) wird. Erziehung lässt sich – um es ganz einfach zu sagen – folglich definieren als ein Prozess, der sich zwischen einem Erzieher und einer zu erziehenden Person ergibt. Dabei gelten sowohl die Eltern (Primärerziehung und Primärsozialisation) als auch die Erzieher in Kindertagesstätten und Lehrer nach wie vor als die wichtigsten Instanzen im Erziehungsgeschehen. Diese Verantwortung teilen sie letztlich aber auch mit weiteren Institutionen wie z. B. den Sport- und Musikvereinen oder religiösen Gemeinschaften.

Erziehung und Sozialisation

Laut dem Erziehungswissenschaftler Wolfgang Brezinka2 versteht man unter Erziehung ganz allgemein gesehen die pädagogische Einflussnahme auf die Entwicklung und das Verhalten Heranwachsender. Der Erziehungswissenschaftler Peter Menck3 konzentriert sich hingegen mehr auf den Bereich der Sozialisation und definiert „Sozialisation als einen Prozess, in dem ein Mensch sich unter Aufnahme von und in Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen, kulturellen und materiellen Umwelt zu einer Persönlichkeit entwickelt“.

Der gesamte Bildungsprozess des Menschen (Erziehung und Sozialisation) umfasst somit sowohl die Fremd- als auch die Selbsterziehung. Wobei unter Letzterem mit dem Wissen um ein lebenslanges Lernen die bewusste Übernahme der Eigen-Verantwortung für die weitere Entwicklung zu verstehen ist. Sich dieser Verantwortung bewusst zu sein, ist spätestens dann wichtig, wenn der junge Mensch das Elternhaus verlässt bzw. seine Berufsausbildung abgeschlossen hat.

Im psychologischen Sinne kann dann von einer guten Erziehung gesprochen werden, wenn der Heranwachsende die Art der Erziehung, die er genießt, akzeptieren kann, und der Prozess der Erziehung getragen ist von Vertrauenswürdigkeit, Dialogfähigkeit und positiver Vorbildwirkung. Somit wird die Art der Beziehung zwischen Erzieher und zu Erziehendem zu einem wichtigen Kriterium für einen gelungenen Erziehungsstil. Fordert die Art der Erziehung stattdessen nur „blinden Gehorsam“ ein, so zeigt sich darin laut Walter Schmidt bestenfalls die „Hilflosigkeit des Erziehers.“4

Als Richtschnur für eine gute Erziehung lassen sich auf der Grundlage der christlichen und humanistischen Erziehung, aus denen unsere westliche Erziehung hervorgegangen ist, Werte wie Toleranz, Gewaltlosigkeit, Kompromissbereitschaft, Mut sowie die Leistungsbereitschaft nennen. Dabei muss ein angemessenes Handeln sowohl der Persönlichkeitsstruktur des Kindes als auch den gesellschaftlichen Normen entsprechen. Nicht gewünschtes Verhalten, das den vorgegebenen Normen der Erziehung nicht entspricht, wird mittels entsprechender Maßnahmen sanktioniert; erwünschtes Verhalten hingegen durch entsprechende positive Verstärker belohnt. Die jeweilige Institution (Familie, Schule etc.) entscheidet dabei, welche Werte und Regeln des Verhaltens für sie angemessen und wichtig sind.

Das deutsche Wort „er-zieh-en“ geht auf das Althochdeutsche „irziohan“ zurück und bedeutet so viel wie „heraus-zieh-en“ dessen, was an natürlichen Vorgaben im Kind angelegt ist, um dessen Entwicklung zu fördern und seinen Geist und Charakter zu bilden. Wie die Art der Erziehung letztlich erfolgt (belehren, fördern, unterrichten etc.), ist je nach Bildungsanspruch verschieden und hat viel mit den Erziehungspraktiken der Erzieher zu tun.

Erziehung bedeutet meinem Verständnis nach, dem Kind etwas zu lehren, an dem es sich mithilfe bestimmter Fakten orientieren kann. Für den Lebensraum Schule bedeutete das für mich: Als Pädagoge gebe ich dem Schüler einen bestimmten Rahmen vor und erkläre ihm, warum die Einhaltung bestimmter Regeln wichtig ist, und dass er bei Nichteinhaltung dieser Regeln mit bestimmten Konsequenzen zu rechnen hat. Danach gebe ich dem zu Erziehenden aber auch die Zeit, damit er in seinem Tempo und gemäß seiner Wesensart nach und nach immer besser in diesen vorgegebenen Rahmen der Schule hineinwachsen kann. Ich erwarte mir also nicht sofort, dass sich alle Kinder von Anfang an gleich gut und am besten noch mustergültig benehmen. Ich weiß vielmehr, dass sie sich unterschiedlich bemühen werden. Dass es immer ein paar „Ausreißer“ geben wird, denen es schwerfällt, dem Regelwerk von Schule zu entsprechen. Doch ich bringe auch gegenüber dem Kind den Respekt, die Achtung der Würde seiner Person, die Wertschätzung und Liebe in Form von Zuwendung und Geduld im Sinne eines „Ich sehe Dich!“ auf, das es braucht, um Teil der Klassengemeinschaft und Schulfamilie zu werden.

Letztlich gebe ich diesen Schülern damit einen Vertrauensvorschuss und lasse sie wissen, dass ich fest daran glaube, dass wir es gemeinsam vermögen, den Lernort Klassenzimmer und den Standort Schule mit der Zeit so zu gestalten, dass für alle Beteiligten die besten Voraussetzungen für ein erfolgreiches Lernen und ein persönliches Wachstum gegeben sind. Und indem ich selbst motiviert, gut gelaunt und fröhlich bin, lade ich die Schüler dazu ein, dass trotz allen Lernens und aller Regeln auch in der Schule der Humor, die Leichtigkeit und die Freude am gegenseitigen Miteinander jederzeit möglich sind.

Gilt es als Pädagoge im Klassenverbund mitunter bis zu 33 Kinder zusammenzuführen, zeigt sich – wenn auch in einer etwas anderen Form – dennoch die gleiche Thematik innerhalb der Familie. Bereits mit dem zweiten Kind sind die Eltern gefordert, den individuellen Bedürfnissen jedes einzelnen Kindes gerecht zu werden. Denn so wie in der Natur ein Birnbaum kein Apfelbaum ist, oder eine Tomate keine Gurke, kann ich auch von einem Kind nicht erwarten, dass sich der Lukas genauso verhält wie sein Bruder Benjamin oder seine Schwester Susanne. Oder die Tanja wie ihre Schwester Rebecca. Jedes Kind hat sein ganz eigenes Naturell, auch innerhalb einer Familie. Diese ihm eigene Wesensart wurde ihm von Gott als ein Geschenk gegeben. Und mit der Art, ganz es selbst zu sein, ist ihm unter der Vielfalt aller Menschen nicht nur die persönliche Freiheit des Andersseins gegeben, sondern auch die Befähigung, darin sein eigenes Potenzial zu entdecken und seine eigenen Fähigkeiten zu leben, um diese sowohl mit der Familie im Kleinen als auch mit der Welt im Großen zu teilen.

Jeder von uns ist angehalten, die ihm eigene Wesensart bestmöglich zu verkörpern und zu leben. Dazu gehört auch, dass wir von unserem Umfeld dahingehend unterstützt und gefördert werden, nicht die Kopie von Papa und Mama, von Tante Olga oder irgendeinem Popstar etc. zu sein, sondern bereits von klein auf die eigenen Anlagen bewusst zu leben. Um jedoch ganz diese Person werden zu können, bedarf es auch des Vertrauens in das Kind. Und das auch dann, wenn es sich anders entwickelt als sein Geschwister. Sätze wie „Warum kannst du das noch nicht. Nimm dir ein Beispiel an deiner Schwester“. verletzen nicht nur, sie sind reines Gift für die Seele des Kindes und mindern seine Freude, sich in seinem Tempo zu entwickeln und zu lernen.

Mit anderen verglichen zu werden führt beim Kind nur dazu, dass es sich künftig auch selbst stets mit den anderen vergleichen wird. Stellt es dabei fest, dass es seinem Dafürhalten nach bei dem Vergleich unterliegt, und erhält es von Mutter, Vater, Erzieher, Pädagogen diesbezüglich keine Richtigstellung und positive Bewertung dessen, was es selbst zu leisten vermag, führt das sowohl bereits beim Kleinkind wie beim Teenager und auch später noch beim jungen Erwachsenen zu einer sehr ungesunden und kritischen Haltung gegenüber sich selbst, die sich bis hin zu anhaltenden Selbstzweifeln, einem verminderten Selbstwertgefühl, zu Minderwertigkeitskomplexen und nicht zuletzt sogar auch zu einem selbstverletzenden und schlimmstenfalls sogar zu einem selbstzerstörerischen Verhalten auswirken kann.

Hinsichtlich Lerntempo und Entwicklung gilt es, sich auch den Unterschied zwischen den Geschlechtern anzusehen. Ich finde es immer wieder äußerst interessant und spannend, den Kindern beim Spiel auf dem Spielplatz zuzusehen und dabei die Kommentare der Erwachsenen zu hören. Selbst heute noch werden die Jungen so ganz anders erzogen als die Mädchen. Und bis in die Schule hinein hält sich trotz koedukativer Erziehung noch immer das Vorurteil, dass Mädchen keine Mathematik können. Stellt sich nur die Frage: Ist dieses Nicht-Können wirklich immer nur im Kind, in diesem Falle beim Mädchen begründet?

Egal wie die Antwort auf diese Frage lauten mag. Es ist nicht mehr meine Aufgabe, näher darauf einzugehen. Viel wichtiger ist mir, stattdessen zu sagen: Nur wir selbst können unsere eigene Wesensart und die damit einhergehenden Aufgaben, vor die uns das Leben stellt, leben. Kein anderer kann dies für uns tun. Es ist von daher nicht angezeigt, die Kopie von irgendwem zu sein. Viel wichtiger als irgendjemanden nachzuahmen und sich dessen Art anzugewöhnen, ist es ganz und gar wir selbst zu sein. Ein Individuum. Ich möchte sogar so weit gehen und sagen: Wir sind sehr wohl unserem Schöpfer gegenüber in der Pflicht, unsere Individualität und unser Potenzial bewusst zu leben. So gesehen ist es für mich auch die Pflicht guter Eltern, Erzieher und Pädagogen, jedes Kind darin zu unterstützen, seine ureigenen Fähigkeiten bereits früh genug zu erkennen, und ihm dann wiederum individuell zu helfen, sie nach und nach immer besser zur Entfaltung zu bringen, im Sinne von: fördern, statt nur zu fordern. Oder schöner und positiver ausgedrückt: Schwächen schwächen und Stärken stärken!

Erziehung als ein Akt der Balance

Spätestens ab dem dritten Lebensjahr gibt es das absolut bedürftige, hilflose und unbeholfene Kind nicht mehr. Die einstige „physiologische Frühgeburt“ entwickelt sich so schnell weiter, dass sie zwar nach wie vor der Betreuung und Unterstützung durch die Eltern bedarf. Doch ganz so unbeholfen, wie das Kind physiologisch gesehen geboren wird, ist es nicht. Neben den genetisch bedingten Anlagen von Vater und Mutter kommt es mit einem ganz eigenen Lebensskript zur Welt. Die Aufgabe der Eltern ist es, dem Kind dabei zu helfen, die Person werden zu können als die es gemeint ist, damit es eines Tages vergleichbar einer Blume die eigenen Knospen zur schönsten Blüte entfalten kann.

Die größte Herausforderung für Eltern und erziehungsberechtigte Personen besteht wohl darin, mit viel Aufmerksamkeit, Ausdauer und Geduld das jeweils Beste aus dem jungen Menschen „hervorzulocken“, ohne es zu sehr zu gängeln oder gar fremd bestimmen zu wollen. Geschweige denn, es mit zu viel Vorschriften zu demotivieren. Tenor der Erziehung sollte vielmehr sein, in allem zu versuchen, der Individualität des Kindes gerecht zu werden und seiner Entfaltung immer mehr Freiheit und Raum zu geben. Dies verlangt von Eltern wie Erziehern sehr viel an „Fingerspitzengefühl“, wozu für mich vor allem die Beobachtungsgabe, das Einfühlungsvermögen, das Mitgefühl sowie die Empathie zählen. Zudem ist es wichtig, den jungen Menschen mit viel Liebe und Vertrauen in seine Person durch den gesamten Prozess der Entwicklung zu begleiten, egal wie anstrengend dieser manchmal ist. Zudem bleibt es die Aufgabe der Erzieher, ihm Verständnis sowie Sicherheit und Halt zu geben.

Im Hinblick auf die erzieherischen Maßnahmen ist es weder förderlich noch kindgemäß, für alle Kinder innerhalb Familie, Kindergartengruppe oder Schulklasse die absolut gleichen Erziehungsmethoden zu verwenden. Erzieher, die sich dessen bewusst sind, wie wichtig die Art ihrer Erziehung ist, achten vielmehr darauf, Kinder auch hier möglichst individuell zu begleiten. So werden sie letztlich für das Kind zu einem „Brückenbauer“ zwischen dem guten Kern, der in jedem Menschen angelegt ist, und den Rahmenbedingungen innerhalb des sozialen Gefüges der jeweiligen Institution.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Kunst einer guten Erziehung und Pädagogik besteht für mich in der individuellen Beobachtung und Begleitung des Kindes sowie in der individuellen Anpassung eines entsprechend kindgerechten Erziehungsstils. Nur so kann das Kind sich selbst kennenlernen, Vertrauen in sich und andere finden, sein eigenes Selbstbild, die eigene Identität entwickeln. In sich selbst ruhen und aus diesem Zentriertsein heraus die eigenen Fähigkeiten entdecken. Eine wesentliche Aufgabe einer gesunden Erziehung ist es daher, das Kind in erster Linie typgerecht zu begleiten und ihm dann das entsprechende Wissen zu vermitteln, damit es nach und nach sein ganzes Potenzial immer mehr zur Entfaltung bringen kann.

Wichtig ist es außerdem, das Kind im Prozess des Lernens sehr genau zu beobachten und sich jederzeit konstruktiv mit ihm auseinanderzusetzen. So gesehen bedeutet für mich Erziehung mehr „Be-zieh-ung“ als „er-zieh-en“. Das heißt: Mit all meinen Beobachtungen und Empfehlungen beziehe ich mich dabei immer und immer wieder auf das Kind. Sein Alter. Sein Temperament. Seine Herkunft. Seine derzeitige Lebenssituation. Seinen persönlichen Entwicklungs- und Lernfortschritt. Sein aktuelles Leistungsvermögen. Sein persönliches Lerntempo. Seine Bedürfnisse etc.

Und so wie jedes Kind und jeder Erzieher seine eigenen Stärken und Schwächen hat, hat auch jedes Erziehungsmodell seine ganz eigenen Stärken und Schwächen. Daher ist es unablässig, dass sich jeder von uns – egal ob Eltern, Lehrer, Erzieher – immer wieder auch einmal Gedanken über die Art seiner Erziehungsmethoden macht, um den bestmöglichen Erziehungsstil zu finden, der sowohl den eigenen Ansprüchen als Erzieher (Authentizität) als auch dem jeweiligen Kind gerecht wird.

Mit meinen Ausführungen möchte ich weder Eltern noch alle anderen mit der Erziehung betrauten Personen irritieren, sondern vielmehr aufzeigen, wie wichtig es ist, den jeweils richtigen Erziehungsstil zu finden. Dazu gehört auch die Einsicht, dass die Erziehungsmethode, die vielleicht in den letzten drei, fünf oder zehn Jahren noch gut funktioniert hat, ab einem bestimmten Alter nicht mehr länger die Methode der Wahl sein kann. Denn sowohl das Kind, sein Alter und damit auch seine Bedürfnisse haben sich im Lauf der Zeit genauso verändert wie die Bedürfnisse der Eltern und Erzieher. Ist es da verwunderlich, dass eine wirklich gute Erziehung, die auch ein In-Beziehung-Sein-mit-dem-anderen bedeutet, immer wieder mal eines Updates bedarf, um die Beziehung zwischen den beiden am Erziehungsprozess beteiligten Personen lebendig, frisch und positiv zu halten?

Folglich bedarf es vonseiten der Eltern und Erzieher im Hinblick auf die Erziehungsmethode immer wieder einmal des Mutes, den alten Erziehungsstil in Frage zu stellen oder gar über Bord zu werfen, damit wir gemeinsam mit dem Kind etwas Neues wagen. Hierbei sind für mich zum einen die Liebe zum Menschen an sich, aber auch das Interesse und das Vertrauen in das Gegenüber gefragt, um herauszufinden, was der junge Mensch im Hinblick auf seine nächsten Entwicklungsschritte wirklich braucht. Erziehung ist von daher nicht statisch. Sie kann niemals festgeschrieben sein. Erziehung kann und darf sich niemals nur der alten Erziehungsmuster und das dann auch noch über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte hinweg bedienen.

Erziehung bedarf des Interesses am Kind. Bedarf einer gewissen Neugier und Aufgeschlossenheit dafür, was sich aus diesem Kind herausentwickeln will. Bedarf eines wachen Geistes, eines guten Improvisationsvermögens und der Kreativität. Braucht aber auch viel an Humor, Lust und Freude, um gemeinsam mit der mir anvertrauten Person auf eine Reise zu gehen. Erziehung sollte niemals eine Einbahnstraße sein. Erziehung und Beziehung sind wie Geschwister im Sinne von: Ich gebe dir! – Du gibst mir!

Erziehung und Beziehung

Wo fängt Beziehung eigentlich an? – Wie steht es um unsere Beziehungsfähigkeit? – Ist Beziehung nur auf eine andere Person bezogen? – Wie sieht es mit der Beziehung zu uns selbst aus? – Ist diese Beziehung wichtig? – Wie wohlwollend, wertschätzend und liebevoll sind wir mit uns selbst? – Wie positiv wirkt sich dies auf unsere Beziehungen zu anderen aus? – Bin ich ihnen ebenfalls wohlwollend, wertschätzend und liebevoll zugewandt? – Immer? – Was, wenn nicht? – Was passiert, wenn wir unsere Beziehung zum anderen verlieren? – Warum thematisieren wir dann nicht, was uns auf der Seele und am Herzen liegt? – Warum schweigen wir lieber, statt zu sprechen? – Wer rät uns das? – Warum? – Wer flüstert uns zu, dass Schweigen die bessere, die scheinbar gesündere Alternative ist? – Stimmt das? Stimmt das wirklich, dass das Schweigen besser ist, als miteinander zu reden und die Themen zu klären, die der Klärung bedürfen? – Was können wir tun, um im Interesse aller handlungsfähig zu bleiben und in einem wertschätzenden und liebevollen Kontakt miteinander zu sein? – Was geschieht energetisch, wenn sich zwei Menschen einander nicht mehr zugewandt, respektvoll, wertschätzend und liebevoll verhalten?

Werden unsere Beziehungsmuster zueinander nie in Frage gestellt, obwohl es aufgrund bestimmter Differenzen einen berechtigten Anlass dafür gibt, legt sich mit der Zeit eine latent schwelende negative Energie über die Beziehung zwischen den betreffenden Personen. Geschieht dies öfters, verdichtet sich dieser „Beziehungsnebel“ immer mehr. Was dann geschieht, ist, dass beide – bewusst wie unbewusst – an Ereignissen festhalten, die im Kern unausgesprochen bleiben, obwohl sie dringend einer Klärung des Sachverhalts bedürften.

Waren es anfangs nur Nebelschwaden, die die Beziehung beeinträchtigten, verdichtet sich diese Energie mit der Zeit immer mehr. Schwebt letztlich wie ein Damoklesschwert über den beiden und stülpt sich irgendwann wie ein „Gefängnis“ über Person A und B. Ein Gefängnis, aus dem man glaubt, nicht mehr heraustreten zu können. Die Energien verdichten sich. Die Fronten verhärten sich. Bis irgendwann aus den Nebelschwaden, die mittels eines Gesprächs noch mit Leichtigkeit hätten entfernt werden können, eine Barriere, eine Front entsteht, hinter der sich zwar jeder der Betroffenen nur schützen möchte, die jedoch alles, was eine Beziehung noch möglich machen könnte, immer mehr in Frage stellt.

Sehen wir keine andere Lösung, als uns auf diese Art zu schützen, verschließen wir nach und nach vermehrt unser Herz. Irgendwann passiert es dann, dass die Beziehung zum anderen mehr nur noch aus der Macht der Gewohnheit heraus besteht, statt von der positiven Energie unseres Herzens motiviert zu sein. Dann versuchen wir mittels Manipulation und Kontrolle zwar alles noch irgendwie festzuhalten, was in unserer Macht steht, um die Situation nur ja noch einigermaßen annehmbar zu gestalten, doch werden unsere Gefühle dadurch nur noch mehr unterdrückt. Wir tun dies, weil wir glauben, dass wir uns nur dann sicher fühlen können, wenn wir es uns verbieten, unsere wahren Gefühle zu zeigen. So versuchen wir zu vermeiden, dass ein Konflikt entsteht.

Was wir bei alledem jedoch übersehen, ist, dass gerade durch die Unterdrückung der Gefühle und vermehrten Selbstkontrolle aus der einstigen Sympathie, Wertschätzung und Liebe eine immer größere Verschlossenheit entsteht. Nach und nach verlieren wir uns immer mehr in der Angst, die Wertschätzung und Liebe des anderen zu verlieren. Aus dieser irrealen Angst heraus blicken wir – vor allem als Kind – noch verzweifelter und ängstlicher auf das, was innerhalb der Beziehung nicht mehr funktioniert, statt zu lernen auf das zu schauen, was gelingt. Benebelt vom Schmerz einer Enttäuschung sind wir es nicht gewohnt, im Miteinander mit dem anderen auf das zu sehen, was im positiven Sinne gelingt. Schauen stattdessen nur noch wie gebannt auf das, was nicht gelingt und verlieren uns in dieser unnötigen Angst, die uns zunehmend immer mehr von der ursprünglichen Liebe trennt. Doch Angst ist das Gegenteil von Liebe. War letztgenannte einst das Fundament der Beziehung, reagieren wir jetzt aus der Angst und Unsicherheit heraus immer mehr mit den Gefühlen eines Verletztseins sowie der Enttäuschung. Je nachdem, was vorgefallen ist, unter Umständen sogar mit Verbitterung und Groll. Die negativen Energien, die nun unser weiteres Handeln bestimmen, potenzieren sich. Entsteht daraus mit der Zeit sogar Verachtung oder gar Hass, endet die Beziehung leider sehr oft im Krieg. Doch muss er wirklich so weit kommen? Heißt es nicht, der Mensch ist ein friedvolles und soziales Wesen? Was heißt „friedvoll“? Was bedeutet es, „sozial“ zu sein? – Für mich: Sich für den anderen interessieren, neugierig sein auf die Person des anderen, den Menschen an sich lieben, den Wunsch zu haben, vertrauter mit ihm zu werden, in eine lebendige gute Beziehung zu ihm zu treten, ihn kennenzulernen, seine Wesensart zu erfassen, mich ihm gegenüber respektvoll und wertschätzend zu verhalten, sich auf den anderen einlassen, mich an ihm und dem, was an Kontakt bzw. Beziehung zwischen uns möglich ist, zu erfreuen. Sozial zu sein bedeutet auch: Selbst dann, wenn ich den anderen als Person noch gar nicht wirklich kenne, ihn in meinem Leben willkommen zu heißen und ihn zu einem Miteinander (als Bekannte, als Freunde, als „Wir“, als zu einem Team zugehörig) einzuladen, anstatt in Konkurrenz zueinander zu gehen.

Man versteht vielleicht nicht immer sofort, warum der andere ist wie er ist, aber müssen wir uns deswegen bereits von ihm abwenden, das Interesse an ihm verlieren? Könnte die Andersartigkeit des anderen nicht viel mehr auch eine Einladung an uns selbst sein, uns genauer anzusehen, was uns mit dem anderen verbindet oder trennt? Ist es nicht oft so, dass der andere gerade Wesensanteile in sich vereint, vor denen wir uns scheuen, einmal genauer hinzusehen, was ihre Botschaft für uns selbst ist?

In so vielen Situationen unseres Lebens ziehen wir uns lieber in unser Schneckenhaus zurück und kommen erst wieder heraus, wenn wir glauben, dass der größte Teil des Sturmes vorbei ist, statt mutig zu sein und die entsprechende Situation dahingehend zu hinterfragen, was sie uns lehren will. Doch bleiben wir über einen längeren Zeitraum hinweg in dieser Wortlosigkeit gefangen und fassen uns kein Herz, um die Beziehungsproblematik anders und vor allem besser anzugehen, wird die Beziehung nach und nach immer mehr nur noch von der Angst und Ohnmacht bestimmt. Anstatt die bestehenden „Schwelbrände“ zu löschen und unklare Sachverhalte zu klären, wird unser Verhalten immer mehr von der Macht der Gewohnheit und somit von der Macht des Unbewussten dirigiert.

Wer mein erstes Buch gelesen hat, erinnert sich bestimmt noch daran, dass unser Verhalten nur zu fünf bis zehn Prozent durch unser Bewusstsein bestimmt wird. Die restlichen neunzig bis fünfundneunzig Prozent gehen auf das Konto unseres Unterbewusstseins. Das heißt: Da in unserem Unterbewusstsein alle – aber auch wirklich alle – Ereignisse aus diesem wie aus früheren Leben gespeichert sind, reagieren wir unbewusst schneller, als wir bis drei zählen können, auf eine auslösende Situation mit dem Erinnerungsspeicher unseres Unterbewusstseins. Und das betrifft sowohl die schönen Erinnerungen als auch die, die wir am liebsten für immer vergessen wollten.

Doch wenn das Unterbewusstsein eine Situation erst einmal so richtig „dirigiert“, dann sind wir, was unsere Gefühle angeht nicht mehr aufzuhalten und zu bremsen. Dann wird das Ganze unter Umständen sehr emotional, denn da, wo ein Gefühl eher vorübergehender Natur ist und sich diese Energie auch relativ schnell wieder entlädt, transportiert eine Emotion die ganzen Altlasten vergangener Verletzungen mit sich, was letztlich dazu führt, dass eine scheinbar einfache Situation auf einmal in einem riesengroßen Fiasko zu enden vermag.

Je nachdem, wie stark die alte, im Unterbewusstsein eingeschlossene Emotion mit dem Gefühl einer Verletzung von früher ist, bestimmt sie dann unser Verhalten. Ob uns das gefällt oder nicht. Unser Unterbewusstsein arbeitet in diesem Sinne im Auftrag unserer Seele, die der Chef-Dirigent in der ganzen Angelegenheit ist. Sie will nämlich durch diese Szenerie von Ärger, Wut und neuer Verletzung, dass wir uns endlich dessen bewusstwerden, worin das eigentliche Problem und damit auch unser Seelenschmerz besteht. Von daher konfrontiert sie uns mit einem alten Schmerz der Vergangenheit, damit wir uns endlich eingestehen, was in unserem Leben der Heilung bedarf. Mithilfe des Unterbewusstseins wird sie so lange immer und immer wieder einmal schmerzvolle Ereignisse inszenieren, bis wir uns entscheiden, das ursächliche Problem anzugehen, anstatt es ständig nur zu re-inszenieren.

Erst wenn wir uns dieser Problematik bewusst sind und uns beim nächsten Anlass bewusst entscheiden, die Art und Weise unseres Handelns einmal bewusst in Frage zu stellen, um alternative Lösungen herbeizuführen, können wir bewusst selbst den Dirigierstab in die Hand nehmen und willentlich ganz bewusst in die Szenerie eingreifen und selbst bestimmen (Selbstbestimmung), wer in unserem Spiel des Lebens weiterhin das Sagen hat. Dann erst wird es uns möglich, mit unserem bewussten Verstand, statt mit der von einer Emotion geleiteten Ratio einmal ganz anders auf den betreffenden Sachverhalt zu reagieren und all diese uralten Energien von anno dazumal wie die von heute aus ihrem Gefängnis freizusetzen und aufzulösen. Nur so ist Heilung und Transformation alter Muster wirklich möglich.

Tun wir dies nicht, haben wir noch einen weiteren sehr raffinierten dritten Mitspieler im Spiel, der sich Ego nennt. Seine Rolle ist es, uns auch weiterhin in all den alten Gewohnheitsmustern gefangen zu halten. Ganz nach dem Motto: „Es lebe das Gewohnheitsrecht!“. Oder: „So haben wir es doch schon immer gemacht. Also behalten wir dieses erlernte Verhalten bei!“, ohne darüber nachzudenken, ob es sowohl für uns selbst als auch für die anderen eine gesündere Alternative gibt.

Raffiniert, wie das Ego nun mal ist, hat es Tausende an Tricks parat, um uns wieder in unsere alten Muster und vor allem in ein weiteres Konflikt-Vermeidungsverhalten zu bringen. Soll heißen: Wir reagieren auch in dieser neuen Situation wieder einmal ganz so, wie wir es schon immer getan haben. Ist doch praktisch, oder? Alles bleibt beim Alten. Irgendwann – so glauben wir – geht auch dieser Schmerz wieder vorbei. Das mag für bestimmte Zeit auch sein, doch eines schönen Tages – das kann auch mitten in der schönsten Situation im Urlaub sein – meldet sich unser Unterbewusstsein wieder, sobald es im Hinblick auf eine neues „Konfliktspiel“ Lunte gerochen hat. Und so geht das „Spiel“ so lange weiter, bis irgendwann einem der Betroffenen irgendwann der Kragen platzt. Ein Teufelskreis ganz eigener Art, den es mit bewussten Verhaltensstrategien endlich zu durchbrechen gilt.