Seewölfe - Piraten der Weltmeere 667

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 667
Šrift:Väiksem АаSuurem Aa

Impressum

© 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

Pabel ebook, Rastatt.

eISBN: 978-3-96688-081-7

Internet: www.vpm.de und E-Mail: info@vpm.de

Jan J. Moreno

Haie und Helden

Edwin Carberrys große Tat

Unter vollen Segeln lief die Schebecke in den Hafen von Bombay ein.

„Heute stirbt kein Zollbeamter durch den Pfeil eines Meuchelmörders!“ verkündete der Profos in einer Lautstärke, daß es nur taube Männer überhören konnten.

Doch die Arwenacks waren nicht taub – von gelegentlichen Anfällen von Schwerhörigkeit abgesehen. Als dennoch niemand reagierte, fuhr Edwin Carberry fort: „He, Mac Pellew! Du darfst deine Kochkünste unter Beweis stellen! Zeig diesen Steuereintreibern mit einem Festessen, wie sehr wir sie schätzen!“

„Nicht so voreilig, Mister Profos!“ rief Big Old Shane. „Vielleicht gelingt uns ja wirklich der Beweis, daß Ruthland und Garcia den Toten auf dem Gewissen haben und sie Hasard die Tat in die Schuhe schieben wollten. Aber falls ein zweiter Beamter stirbt, weil er vergiftet wurde, müssen wir schon mit Engelszungen reden.“

Die Erwiderung Mac Pellews hatte ganz und gar nichts Engelhaftes an sich …

Die Hauptpersonen des Romans:

Edwin Carberry – wird plötzlich zum Helden des Tages für die Arwenacks und zum Gott Schiwa der Inder.

Tuti Ischwar – ein kleiner Prinz mit Flausen im Kopf, die gefährlich enden können.

Jawaharlal Cankuna – der Hafenkommandant von Bombay will die Arwenacks verhaften, muß sich aber eines Besseren belehren lassen.

Ischwar Singh – der Maharadscha gibt für die Arwenacks ein rauschendes Fest.

Old Donegal O’Flynn – erprobt sich beim „indischen Seiltrick“ und löst sich in Luft auf.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

1.

Die Schebecke, der schlanke Dreimaster mit den Lateinersegeln, lief den alten Liegeplatz an.

„Die Gemüter hatten Zeit, sich zu beruhigen“, sagte Hasard zu Edwin Carberry. „Außerdem denke ich nicht daran, Schwäche zu zeigen. Erst mußten wir aus Surat fliehen, danach aus Bombay, und morgen ist womöglich Goa an der Reihe. Was bleibt dann von unserem Vorhaben, Handeiskontakte für England zu knüpfen?“

Carberry massierte ausgiebig sein Kinn.

„Es scheint in der Tat einfacher zu sein, einen spanischen Geleitzug aufzubringen, als auf ehrliche und anständige Art und Weise Geschäfte zu tätigen“, maulte er.

„Ist es unanständig, den Spaniern auf die Finger zu klopfen?“ fragte Hasard. „Hast du schon vergessen, auf welche Weise sie Gold und Silber gewinnen?“

Carberrys mächtiger Unterkiefer klappte nach unten. Für einen Moment wirkte er ärgerlich, und es sah aus, als wolle er den Seewolf mit Haut und Haaren verschlingen. Auch gleich darauf überwand er seine Verblüffung und schloß den Mund wieder. Ein dröhnendes Geräusch, als wäre in nächster Nähe eine Culverine abgefeuert worden, war die Folge.

„Aaachtung!“ rief Dan O’Flynn aus der Tonne am Großmast. „Hinter den Magazinen marschierten Soldaten auf!“

„Kannst du abschätzen, wie viele es sind?“

„Schwer zu sagen, Sir. Etwa zwanzig – vorerst.“

Philip Hasard Killigrew, der Seewolf, nickte stumm. Er kannte das Risiko, und diesmal würden keine Lastkähne der Parsen in der Nähe sein und sich etwaigen Verfolgern in den Weg stellen.

Der Profos schien seine Gedanken zu erraten. Mit einer knappen Handbewegung deutete er über die Kuhl.

„Unsere Leute tragen nur Messer in den Gürteln. Wir sind die friedlichsten Händler, die jemals in Bombay ankerten.“ Darüber mußte er allerdings selbst lachen.

Die Fock wurde eingeholt und wenig später das Großsegel. Mit auslaufender Fahrt drehte die Schebecke.

Wohl jeder an Bord dachte in dem Moment an den hohen Zollbeamten, der das Schiff in der Absicht betreten hatte, mehr für seinen eigenen Geldsack zu kassieren als für die Schatzkammern des Herrschers. Der Mann war korrupt und unverschämt gewesen, es hatte einen heftigen Wortwechsel zwischen Hasard und ihm gegeben, aber schließlich hatte der Seewolf zähneknirschend gezahlt. Kurz darauf war der Beamte mit einem Pfeil im Rücken zusammengebrochen.

Vier portugiesische Galeonen lagen auf Reede.

„Ihre Stückpforten bleiben geschlossen“, sagte Ben Brighton. „Offenbar ahnen die Kerle noch nicht, daß wir diesen verräterischen und hinterhältigen de Pereira samt seiner ‚Madre de Deus‘ zu den Fischen geschickt haben.“

Hasard nickte knapp. Miguel de Pereira, der Kapitän des Handelsschiffes mit dem fromm klingenden Namen, hätte genügend Gründe gehabt, den Arwenacks dankbar zu sein. Statt dessen hatte er sich mit dem Halunken Ruthland und dem spanischen Kriegsschiffkommandanten César Garcia verbündet.

„Sir, die vier Galeonen im Rücken könnten uns Unannehmlichkeiten bereiten.“ Carberry deutete zu den Portugiesen hinüber.

„Wir sind nicht hier, um zu kämpfen“, erwiderte Hasard schroff.

„Nun ja“, sagte der Profos skeptisch, „da müßte schon ein kleines Wunder geschehen. Ich für meinen Teil glaube nicht daran.“

Die Distanz zu den Anlegestellen, an denen ausschließlich indische Schiffe vertäut lagen, schrumpfte nur noch langsam.

„Fallen Anker!“ befahl der Seewolf.

Die Schebecke drehte, endgültig in den Wind. Als das Besamsegel ins Gei gehängt wurde, fiel der Anker. Acht Faden Wassertiefe lagen unter dem Kiel, also rund vierzehneinhalb Yards.

Carberry verschränkte die Arme vor dem Brustkorb und blickte zu den Kais und Stegen hinüber.

„Da wären wir wieder“, sagte er grollend. „Und nun?“

Dan O’Flynn enterte über die Wanten des Großmastes ab. So nahe am Hafen wurde sein erhöhter Ausguck überflüssig. Was es zu sehen gab, war inzwischen genausogut von Deck aus zu erkennen.

Einige Kinder lärmten auf den Kais, die sonst wie ausgestorben wirkten.

„Keine Soldaten“, stellte Hasard fest, der aufmerksam durchs Spektiv beobachtete.

„Aber sie sind da“, sage Dan. „Wie Ratten hocken sie in ihren Löchern und warten auf uns.“

„Ein Scheißspiel“, verkündete der Profos. Er hatte die Hände ineinander verschränkt und zog sie nun langsam auseinander, daß die Finger vernehmlich knackten. „Wir sollten an Land gehen.“

„Um ein Mißverständnis zu klären, aber nicht, um ein neues zu provozieren.“ Hasard schob den Kieker zusammen und wandte sich zu seiner Mannschaft um: „Die Zolleintreiber lassen diesmal lange auf sich warten. Natürlich haben uns die Inder erkannt.“

„Wie schön, wenn sich keiner dieser Hyänen an Bord wagt.“ Old Donegal Daniel O’Flynn kicherte verhalten. „Die sind imstande und verlangen auch noch Geld für die Luft, die wir atmen.“

Einige Männer lachten. Aber dieses Lachen klang nicht so ungezwungen wie sonst.

„Wenn der Berg nicht beim Propheten erscheint, muß der Prophet eben zum Berg gehen“, verkündete der Profos.

„Sehr richtig, Mister.“ Old Donegal nickte eifrig. „Einer von uns sollte an Land gehen und mit den Indern reden. Einer, der absolut vertrauenswürdig wirkt.“

Carberry reckte sein gewaltiges Kinn. Ein zufriedenes Lächeln erschien auf seinem Narbengesicht.

„Endlich siehst du die Dinge im rechten Licht“, sagte er. „Kein anderer wäre besser geeignet, die Interessen unserer Lissy mit größerem Nachdruck zu vertreten. Vertrauen wecken und Stärke zeigen, das ist genau die richtige Mischung.“ Er klatschte in die Hände. „Los, Kerls, fiert die kleine Jolle ab!“

„Nicht so hastig, Ed“, mahnte Old Donegal. „Ich will mich vorher noch landfein herausputzen.“

„Moment mal.“ Carberry hielt den Alten zurück, ehe er unter Deck verschwinden konnte. Seine Stirn umwölkte sich. „Dir ist doch sonst egal, wie du an Deck herumläufst. Was ist los, Mister?“

„Hast du immer noch nicht begriffen, daß ich an Land gehe, um mit den Behörden zu verhandeln?“

„Du?“

„Wer sonst? Nur eine wirklich vertrauenswürdige Persönlichkeit …“

„Eben. Schon Francis Drake setzte sein volles Vertrauen in mich, als ich unter seinem Befehl Profos war.“

„Wenn ihr noch lange streitet, erledigt sich das Problem von selbst.“ Hasard unterbrach den Disput mit einer schroffen Handbewegung und deutete zum Kai, wo die ersten Soldaten aufmarschierten. „Ich werde an Land gehen.“

„Das wäre sehr unklug“, sagte Don Juan de Alcazar, der bislang schweigend zugehört hatte. Er lehnte an der Querbalustrade und genoß den Vorteil, daß die Männer von der Kuhl aus zu ihm aufsehen mußten. „Du giltst als der Mörder des Zolleinnehmers und würdest sofort festgenommen werden.“

 

„Sehr richtig“, pflichtete Carberry bei.

„Ed …“

„Aye, Sir.“

„Du bleibst an Bord! Das ist ein Befehl.“

„Aye, aye, Sir.“ Das Zähneknirschen war unüberhörbar. Es geschah selten, daß sich der Seewolf auf diese Weise durchsetzen mußte. Aber damit erstickte er jeden Widerspruch schon im Keim.

Hasard ließ seinen Blick über die nahezu vollzählig versammelte Mannschaft schweifen. Jeder wollte an Land – trotz der Ungewißheit, die sie erwartete. Also mußte er eine Wahl treffen: „Ich brauche Leute, die sich nicht provozieren lassen und keine Prügel anfangen. Ist das klar?“

„Mäh“, sagte Carberry. „Natürlich.“

Hasard kniff die Augen zusammen und musterte den Profos durchdringend.

„Was soll das schon wieder?“ fragte er.

„Ich bin ein Lamm“, entgegnete Carberry. „Sanft, gutmütig und liebevoll.“

„Du bist ein Schaf“, verkündete Old Donegal. „Ein schwarzes obendrein.“

„Neidhammel!“ erwiderte der Profos. Er dachte nicht daran, auch nur einen Finger gegen den alten Zausel zu erheben. Im Gegenteil. Er lächelte und summte eine leise Melodie, ein englisches Liebeslied, das so gar nicht zu seinem Äußeren paßte.

„Keine unsinnigen Reden mehr“, sagte der Seewolf. „Es wird Zeit, daß wir die Jolle abfieren und den ersten Schritt zu einer vernünftigen Verständigung tun. Don Juan und Donegal, ihr übernehmt die Gespräche mit den Indern.“

Paddy Rogers und Mac O’Higgins pullten das kleine Boot. Don Juan de Alcazar saß an der Pinne, Old Donegal kauerte im Bug und fixierte den Kai.

Etwa zwei Dutzend Soldaten hatten inzwischen den Anlegeplatz weiträumig abgesperrt. Nun standen sie wie Statuen, und nur ihre farbenprächtigen Uniformen und das gelegentliche Aufblitzen ihrer Blankwaffen verrieten, daß sie nicht aus dunklem Stein gehauen waren.

Old Donegal gab die Kommandos. Langsam glitt die Jolle an den Kai. Paddy Rogers sprang hinaus und belegte das Boot mit ein paar blitzschnellen Schlägen am nächsten Poller. Danach streckte er die Arme aus, um O’Flynn an Land zu helfen.

„Ich kann das noch gut allein“, schnaubte Old Donegal. „Oder sollen die Kerle hier denken, daß sie mit einem alten Mann verhandeln?“

Statt einer Erwiderung trat Paddy einen Schritt zurück, kreuzte die Arme vor der Brust, wie er es irgendwo von den Indern abgeschaut hatte, und verbeugte sich. Ein flüchtiger Seitenblick zeigte ihm, daß Mac krampfhaft bemüht war, sich ein Grinsen zu verbeißen.

Old Donegals sehnige Gestalt streckte sich, und wie durch Zauberei verschwanden etliche Falten aus seinem runzligen Gesicht. Er hatte Mühe, mit seinem Holzbein voran die schmalen, von Algen überwucherten Tritte in der Kaimauer zu erklimmen, aber er ließ sich nichts anmerken.

Dicht vor Paddy Rogers blieb er stehen und vollführte eine flüchtige Handbewegung.

„Es ist gut. Du bewachst zusammen mit Higgy das Boot.“

Paddy verbeugte sich abermals. Die Geste wirkte maßlos übertrieben, deshalb stieß Don Juan der ebenfalls an Land gestiegen war, den dicklichen, gutmütigen Mann an und schüttelte kaum merklich den Kopf, als Paddy ihn ansah.

Der „Admiral“ merkte nichts davon. Er stiefelte schon auf die Soldaten zu.

„Wir sind Engländer“, sagte er in akzentbehaftetem Portugiesisch, als sei damit alles erklärt, was es zu klären gab. „Na, dann eben nicht“, murmelte er, als eine Antwort ausblieb, und schickte sich an, zwischen den Kerlen hindurchzugehen. In den in Kainähe liegenden Gebäuden würde er zweifellos Hafenbeamte antreffen.

Old Donegal war gerade richtig schön in Fahrt, da zuckten langschäftige Waffen hoch und versperrten ihm den Weg. Er schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

„Laßt mich durch!“ befahl er.

Aber entweder verstanden ihn die Inder nicht, oder sie wollten ihn nicht verstehen.

Er trat vor den nächstbesten Kerl hin und stemmte herausfordernd die Fäuste in die Hüfte.

„Es ist ja schön, daß ihr so besorgt seid, aber mir passiert schon nichts. Ich will lediglich mit eurem Obersten sprechen, dem Hauptmann, dem Hafenkommandanten, oder wie immer er sich nennt. Also, laß mich durch! Welches Haus ist das richtige? Das mit den Säulen und den vielen Fenstern? He, hat es dir die Sprache verschlagen?“

Als der Soldat immer noch keine Regung zeigte, legte Old Donegal die Stirn in Falten und bleckte dazu die Zähne. Der Anblick war furchterregend, konnte den tapferen indischen Krieger aber nicht erschüttern. Der Kerl blickte stur geradeaus, geradewegs durch Old O’Flynn hindurch, als sei er Luft für ihn.

Old Donegal schnitt weitere Grimassen, doch erst als er mit beiden Händen nach dem Speer griff, wachte der Soldat urplötzlich aus seiner Starre auf und versetzte ihm einen heftigen Stoß zwischen die Rippen. Der alte Zausel wurde davon völlig überrascht.

„Laß es gut sein, Donegal!“ riet Don Juan.

Der Admiral lächelte schon wieder. Es war eine hintergründige, aufgesetzte Freundlichkeit die verbergen sollte, daß er innerlich kochte.

Er wandte sich erneut an den Inder: „Verzeih mein Ungestüm, du tapferer Wächter deiner Stadt. Aber ich bin nur hier, um mit deinem Befehlshaber zu sprechen, du Zierde dieses Hafens.“

Wieder erfolgte keine Antwort. Das war denn doch mehr, als Old Donegal vertragen konnte.

„Der Bursche ist taub, blind und blöd“, ereiferte er sich.

„Sachte“, mahnte Don Juan. „Hast du schon vergessen, daß wir uns friedlich einführen sollten?“

„Ich bin immer friedlich“, erklärte Old Donegal bescheiden. Er wischte dem Soldaten ein paar imaginäre Staubkörnchen von den Schultern. „Du tust schließlich auch nur deine Pflicht – wie wir alle. Nicht wahr, Freundchen?“ Mit den Fingerspitzen der rechten Hand berührte er nacheinander seine Stirn, den Mund und den Brustkorb.

„Vielleicht versteht keiner dein Portugiesisch!“ rief Paddy Rogers.

„Der nette junge Mann hier kapiert genau, was ich sage. Wollen wir wetten?“ Old Donegal wedelte ein letztes Staubkorn beiseite. Daß ein Mensch so stur sein konnte und sich nicht muckste, wollte ihm nicht in den Sinn. „Paß auf, Jungchen, du wirst jetzt endlich so gütig sein und deine Flossen heben, damit der gute alte Granddad passieren kann.“

Er hatte kaum zu Ende gesprochen, da ruckte der Arm mit dem Speer hoch. Der Inder schnappte nach Luft, die Augen quollen ihm schier aus den Höhlen, und im nächsten Moment begann er einen wahren Veitstanz und stieß jämmerliche Laute aus. Er hüpfte auf einem Bein, daß es eine wahre Freude gewesen wäre, seine künstlerische Darbietung bis zum Ende zu verfolgen. Aber dafür hatte Old Donegal keine Zeit.

Alles war so blitzschnell gegangen, daß nicht einmal Don Juan wußte, warum der Inder seine Waffe fallen ließ, mit beiden Händen den rechten Fuß umklammerte und sich im übrigen mit schmerzverzerrter Visage im Kreis drehte.

Lediglich Mac O’Higgins hatte beobachtet, wie Old Donegal mit seinem Holzbein zutrat.

„Das gibt Ärger“, raunte er Paddy zu. „Der Alte trampelt rum wie ein Elefant in einem Tonladen. Die Leine los!“

Aber der Ärger war schneller da, als ihnen lieb sein konnte.

Old Donegal Daniel O’Flynn spürte plötzlich ein eigenartiges Pieksen an seinem Bauch. Zwei Speerspitzen verursachten dieses unangenehme Magendrücken, gegen das nur ein einziges Pülverchen half, nämlich Schwarzpulver in Verbindung mit einer kleinen Kugel aus Blei und einem Feuerrohr.

Leider verfügte keiner der vier über eine Pistole oder gar eine Muskete, weil sonst ihre Friedfertigkeit von vornherein unglaubwürdig gewesen wäre. Dem Admiral blieb deshalb nichts anderes übrig, als die Arme zu heben.

„Wir sind in friedlicher Absicht in Bombay“, sagte er. „Wir wollen Handel treiben.“

„Maul halten!“ herrschte ihn der Soldat an, dem er so friedfertig auf den Fuß getreten war. „Sonst gehst du noch vor dem Urteilsspruch des Maharadschas ins Nirwana ein.“

Was für Old Donegal galt, traf in ähnlicher Weise auch auf Don Juan de Alcazar zu. Einen indischen Krummdolch an der Kehle, wagte er nicht mal mehr zu schlucken. In Gedanken verwünschte er die Tatsache, daß er Hasards kauzigen Schwiegervater nicht rechtzeitig zurückgehalten hatte.

Paddy Rogers hatte zwar die Leine losgeworfen, aber er zögerte danach zu lange, weil er Don Juan und Old Donegal nicht einfach ihrem Schicksal überlassen wollte. Dieses Zögern war schuld daran, daß die Inder Higgy und ihn ebenfalls erwischten.

„Auch das noch!“ Dan O’Flynn war bleich geworden. Er seufzte schwer, als er sein Spektiv zusammenschob und sich Hasard zuwandte, der neben ihm stand und ebenfalls beobachtete. „Wir taugen nicht als Händler. Oder können wir einen einzigen Erfolg verzeichnen, seit wir dieses Land angelaufen haben?“

„Na ja“, sagte Ferris Tucker, „eine Reihe von Beinahe-Erfolgen.“

Hasard senkte ebenfalls den Kieker.

„Wir müssen abwarten“, sagte er. „Oder willst du deinen Vater und die anderen befreien, bevor wir wissen, was überhaupt geschieht?“

„Old Donegal hat bestimmt geredet wie ein Buch“, sagte der Profos. „Wenn seine Argumente nicht überzeugen, müssen eben bessere her.“

„Schlagkräftigere meinst du wohl.“ Big Old Shane, der ehemalige Schmied von Arwenack, grinste schräg.

In Vorfreude auf eine Prügelei rieb sich Carberry die Hände.

„Wir bleiben friedlich!“ wies ihn Hasard zurecht.

„Sir“, sagte Ed trotzig und reckte das Rammkinn. „Manchmal kann sogar der Friedlichste nicht in Frieden leben. Das ändert sich erst, wenn man die eigene Stärke beweist.“

Er dachte an Plymouth und die Geschehnisse in Nathaniel Plymsons Kneipe. Zum erstenmal hatte er wirklich die Absicht gehabt, keine Prügelei anzufangen, doch dann war er von den stänkernden Iren förmlich überrollt worden, und seine verzweifelten Versuche, die Ruhe zu bewahren, hatten sich als einziger Fehlschlag erwiesen. Letztlich war es wie stets gewesen: Plymmie hatte eine Perle für die Schäden an seiner Kneipe und am Inventar erhalten.

Einige Arwenacks bedachten den Profos mit eindringlichen Blicken. Es waren jene, die in Plymouth kräftig mitgemischt hatten. Konnten Smoky, Ferris Tucker, Luke Morgan, Stenmark und Gary Andrews plötzlich Gedanken lesen?

Ihr könnt mich kreuzweise! dachte der Profos. Daran, daß keiner eine Miene verzog, erkannte er, daß seine Befürchtungen jeder Grundlage entbehrten. Seine Gedanken waren nach wie vor sicher wie in Abrahams Schoß.

„Al!“ befahl Hasard. „Die Culverinen klarieren und laden! Falls es Ärger gibt, haben wir vermutlich auch die Portugiesen sehr schnell gegen uns. Ich warte genau eine Stunde, dann gehe ich an Land.“

„Wer gibt die Waffen aus?“ fragte Carberry.

„Niemand. Du kannst helfen, die Jolle zu pullen. Ed, aber sobald ich den Kai betrete, verschwindest du wie alle anderen. Ist das klar?“

Zum zweitenmal an diesem Morgen mußte der Profos klein beigeben. Dabei juckte es ihn gehörig in den Fingern. Er begann sich ernsthaft zu fragen, ob nicht das Zweite Gesicht, wie Old O’Flynn es manchmal zu haben behauptete, ganz angenehm sei. Andererseits mußte niemand Hellseher sein, um zu erkennen, daß die Arwenacks in Bombay eindeutig auf Konfrontationskurs liefen, ob der Kapitän das nun wahrhaben wollte oder nicht.

Auch der Kutscher und Mac Pellew schienen ähnlicher Ansicht zu sein. Jedenfalls zog von der Kombüse her ein verlockender Bratenduft über das Schiff: Mit vollem Bauch ließen sich Streitigkeiten weit besser überstehen als mit knurrendem Magen.

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