Loe raamatut: «Das Geheimnis des Stiftes 2»

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Janine Zachariae

Das Geheimnis des Stiftes 2

Die Rettung

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Zukunft

Oliver²

Melanie und Oliver²

Julians Geständnis

Gedankenaustausch

Geständnisse

Missionen in der Nacht

Untergang der Titanic

Blinde Passagiere

Paul und Julian

Unterhalb der Erde

Zukunft, Melanie² und Aliens

Future unknown

Fragen und keine Antworten

Ein Protokoll der Zerstörung

2315: Die Welt verbrennt

Julian², Melanie² und Liane

Pakt mit dem Planeten Rumi

Oliver², Julian ², Melanie², Penelope², Edward, Paul und Liane

Der Plan

Zurück am Hof

Operation und Auszeit

Back in Time

Auf der Suche nach Oliver

Vorwürfe

Hausarrest

Die Zeit ist zusammengebrochen

Julian

Lizzy

Geständnisse in der Nacht

Eine zweite Chance in der Liebe?

Eine Frage der Umwelt

Zeit, den Stift unter die Lupe zu nehmen

Oliver und Melanie

Merles Herkunft

Vorbereitung

Die Zeit ist gekommen

Planet Rumi

Merle

Die Lösung

Es ist nur fremd, wenn du es nicht kennenlernst

Das Geheimnis des Stiftes

Unterhaltung mit der Erde

Abschiede

Zum Schluss ...

Danksagung:

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Kontakt/ Impressum:

Über die Autorin:

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Triggerwarnung:

Impressum neobooks

Zukunft

Dieses Buch ist an alle gerichtet, die sich oftmals verloren fühlen und nicht wissen,

ob jemand an sie denkt ...

Das Geheimnis des Stiftes

2

- die Rettung

Text und Idee: Janine Zachariae

Bilder: Canva, Shutterstock, Zedge

Cover: Janine Zachariae

Lektorat 1: Vanessa Pätzold

Lektorat 2: Louise Bourbo

England, 2127

Das hat wehgetan, richtig weh.

»Verdammt«, sage ich und reibe mir den Hinterkopf, der leider nicht umhinkam, mit dem Boden Bekanntschaft zu machen. Etwas orientierungslos versuche ich, mich aufzusetzen, was gar nicht so leicht ist, da jemand auf mir liegt.

»Verdammt, Oliver!«, stoße ich überrascht aus, reibe mir meinen schmerzenden Kopf und kneife die Augen zusammen. Wie konnte Oliver nur so unüberlegt zu mir springen, als ich geschrieben habe?

»Hey, alles in Ordnung?«, fragt er. Seine Stimme ist leise und vorsichtig. Augenrollend sehe ich ihn an. So leicht kommt er mir nicht davon. Das war verdammt riskant!

»Wenn du endlich von mir runtersteigen würdest, ja«, stammle ich und werde mir unserer Nähe nur allzu bewusst. Verflucht! Ein Schmunzeln ziert seine Lippen und ich bekomme ganz weiche Knie. Dabei habe ich mir geschworen, mich nicht in ihn zu verlieben. Das funktioniert einfach nicht. Er ist der Sohn von Victoria II und somit auf eine verdrehte Art und Weise mein Stiefbruder. Mein Vater musste sich ja unbedingt in die Königin von England verlieben.

Meine Gedanken wandern zu meiner schrägen Familie. Während meine Mutter mit mir im Jahr 2017 gelebt hat, war mein Vater zehn Jahre lang spurlos verschwunden. Jedenfalls für mich. Meine Mutter war natürlich im Bilde. Aber ich machte mir große Sorgen – zu Unrecht, wie sich herausstellte. Mein Vater war nicht verschwunden, sondern im Jahr 2117 gelandet und konnte einfach nicht weg, da er seinen Stift bei uns gelassen hatte. Das klingt schon alles seltsam, oder? Selbst für mich ist es das noch immer und ich bin mittlerweile mittendrin.

Oliver hat sich endlich hochgerappelt und hält mir seine Hand entgegen, die ich direkt ergreife, um selbst wieder aufstehen zu können.

»Danke«, sage ich etwas verlegen und klopfe mir den Staub von meiner Hose, bevor ich mich vorsichtig umblicke. Die Zukunft.

Also ...

Na ja, in der Zukunft bin ich ja schon längst. Aber ich bin noch weiter vorgedrungen als zuvor. Meine Güte, ich glaube, ich habe mir den Kopf zu sehr angestoßen, so eigenartig klingen meine Gedanken.

»Was jetzt?«, möchte Oliver wissen und ich zucke mit den Schultern, denn ich weiß es nicht. Wir sind hier gelandet, weil die Königin in Gefahr ist. Eigentlich hätten wir direkt auf Penelope treffen müssen, aber ich sehe sie nirgends.

Wie eine Bekloppte drehe ich mich im Kreis und gehe sogar in die Knie, um vielleicht etwas zu spüren. Eine Vibration, die vom Boden auskommt oder Ähnliches. Ich fühle mich, als sei ich auf den Bahngleisen und versuche herauszufinden, ob ein Zug sich nähert. Jupp, reichlich dämlich von mir. Nur umherstehen und warten, dass sich ein Sturm nähert, kann ich nicht.

Plötzlich aber nehmen wir ein Geräusch wahr und ich fahre willkürlich zusammen. Es klingt wie ein Lachen.

»Bravo! Ihr seid schön in die Falle getreten«, ertönt eine Stimme.

»JULIAN!«, rufe ich erschrocken aus und starre ihn an.

Vor mir erblicke ich wirklich Julian. Seltsamerweise ist mein erster Gedanke, dass hier jemand steht, den ich von früher kenne, was total absurd ist. Die Gefahr ist nun einmal vorhanden und ich weiß, dass das hier kein Freundschaftsbesuch ist, auch wenn ich innerlich seufze. Julian. Mein Instagram-Freund. Ein Junge, den ich tatsächlich dort kennenlernte und mit dem ich mich so oft ausgetauscht habe, dass ich Gefühle für ihn entwickelte. Verdammt! Was macht er nur hier? Er sieht verändert aus. Trägt sogar einen Bart, seine Haare sind zerzaust, als wäre er seit Tagen unterwegs. Dabei war er früher wirklich sehr gepflegt. Aber von dem Blogger mit der Maske ist nichts mehr übrig. Er hat Augenränder und wirkt angespannt.

»Kleine Fee, so sieht man sich wieder«, sagt er und lächelt mich an. Warum nur musste er zur dunklen Seite wechseln? Oliver steht neben mir und scheint abzuwarten.

»Oliver«, beginne ich endlich, »darf ich dir Julian Schwan vorstellen? Sohn von Penelope.« Er zieht die Luft scharf ein und nickt schließlich.

»Das ist also der berühmte Julian? Irgendwie habe ich ihn mir anders vorgestellt«, flüstert er und mustert unseren Feind dabei sehr aufmerksam.

»Julian, wahrscheinlich hast du schon von Prinz Oliver gehört.«

»Selbstverständlich. Meine Mutter lässt dich schön grüßen.« Spott liegt in seiner Stimme und ich frage mich immer mehr, was nur aus ihm geworden ist. Was ist geschehen? Ja, er hatte mich hintergangen und angelogen. War wirklich alles nur Fassade? All seine Worte, all die Blicke?

»Was ist mit ...« Kurz verstumme ich. Aber ich muss es wissen. Ich muss erfahren, was mit seinem Bruder passiert ist. »Was ist mit Justin?«

»Dem ging es hervorragend. Ist natürlich mittlerweile Wurmfutter, aber er hatte ein gutes Leben, kleine Fee.«

»Mit meiner Mutter?«

Er lächelt und ich erkenne etwas in seinen Augen, was mich an unsere Telefonate von früher erinnert, damals klang seine Stimme charmant und schmeichelnd, manchmal auch voller Sehnsucht. Als alles noch normal war. Ohne Zeitreise. Julian steht einige Meter von uns entfernt, aber nah genug, um die eine oder andere Regung in seinem Gesicht zu erkennen.

»Justin und Saskia. Verliebt, verlobt, verheiratet, Kinder.«

Tränen brennen mir plötzlich in den Augen und ich spüre Olivers Hand in meiner. Er hat es gemerkt, was mich freut oder hat er einfach meine Gedanken gelesen? Justin hatte sein Happy End, so, wie ich es wollte. Justin. Mein erster Freund, für fünf Minuten oder so. Mir war direkt klar, dass er und meine Mutter zusammengehören. Der Altersunterschied von 18 Jahren war mir egal und ehrlich, so groß war er nicht.

»Er ist für euch tabu?«

»Das hatte ich dir versprochen«, sagt er leise, aber charmant und ich glaube ihm. Mein Herz spielt vollkommen verrückt. Auch Julian ist für mich unerreichbar, aber ihn so zu sehen ... Das lässt mich erschaudern und ein Loch in meinem Inneren entstehen.

»Genug mit dem Smalltalk, kleine Fee«, spricht er auf einmal mit fester Stimme und mir wird bewusst, in welcher Situation wir uns befinden. Er verschränkt die Arme vor der Brust und wirkt angespannt und doch abwartend. Er sieht mir direkt in die Augen und ich glaube, ein kleines Zucken in seinem Mundwinkel erkannt zu haben. Julian ist wie ein Buch mit sieben Siegeln.

»Warum sind wir hier gelandet? Mein Informant sagte, dass die Königin in Gefahr sei. Was hast du geplant?«

»Die Königin ist tatsächlich in Gefahr«, meint er und sein Blick verändert sich und er wirkt wie ein Löwe, der auf seine Beute lauert. »Ab jetzt hängt es nur von dir und deinen Entscheidungen ab, kleine Fee.«

»Wie meinst du das?«

Auf einmal wird die Luft um uns merkwürdig aufgewühlt und ich spüre, dass sich etwas anbahnt. Mein Kugelschreiber wird heiß, während ich ihn immer fester anfasse. Nur ich kann ihn benutzen, aber es wäre fatal, wenn er verschwinden würde. Dann wären wir hier gefangen. Wie einst mein Dad.

Nein! Das darf nicht wahr sein! Hinter Julian taucht eine Frau auf und sie hat jemanden bei sich.

Oliver²

2127

Oliver starrt sich selbst an und flucht leise vor sich hin. Das könnte böse enden.

»Was soll das? Habt ihr so wenig Ahnung von den Gesetzen der Zeitreisen?«

»Arme kleine Melanie ... Als ob wir uns um Konsequenzen kümmern«, sagt die Frau. Wow. Wenn sie nicht unsere Gegenspielerin wäre, dann würde ich meinen, sie sei direkt aus einem Film entsprungen.

»Melanie«, höre ich Oli neben mir flüstern und er blickt mich mahnend an. Dieses Gedankenlesen ... Es nervt total. Sie vor mir zu sehen, leibhaftig, nachdem ich schon so viel von ihr gehört habe, ist eigenartig. Mir fehlen die Worte und meine Gedanken spielen verrückt. Sie ist die Mutter von Justin und Julian und für all das Leid von Oliver verantwortlich. Wut steigt in mir auf, als ich sehe, wie gelassen sie wirkt. Als sei all das für sie nichts weiter, als ein Witz. Als würde sie nicht gleich wie eine Bombe hochgehen. Der Kies knirscht unter ihren Absätzen, ihr Outfit wirkt auf mich nicht passend für einen Ort wie diesen. Viel zu elegant, viel zu aufwendig. Ihr Kleid würde vermutlich eher zu einem Ball passen. Ihr Make-up sitzt perfekt, mit dem roten Lippenstift und dem leuchtenden Lidschatten. Ich hingegen, wirke eher, wie eine Vogelscheuche und ich versuche automatisch, meine Haare glattzustreichen, was ihr nur ein gehässiges Grinsen entlockt.

»Penelope!«, rufe ich aus. Mein Blick geht von einem zum anderen. Was soll das?

»So lernen wir uns endlich kennen. Wurde ja auch Zeit, oder?«

»Was willst du mit Oliver 2?« Sofort höre ich, Oliver 1 neben mir kichern, während mich der andere irritiert anschaut.

»Oliver 2? So also kategorisierst du?«

»Lenk nicht ab!«, rufe ich ihr entgegen.

»Das habe ich nicht vor«, schmunzelt sie und ich erkenne den Stift in ihrer Hand. Sie wird etwas unternehmen, aber was? Sie ist so schnell verschwunden, wie sie wieder auftaucht.

»OLIVER!«, schreie ich, als ich feststelle, was sie vorhat. Verdammt!

»Mel!«, höre ich ihn, bevor er sich in Luft auflöst. Keuchend gehe ich zu Boden. Oliver ist weg.

»Wo ist er hin? Wo hat ihn deine Mutter hingebracht?«

»Das verrate ich dir nicht, kleine Fee«, sagt er grinsend und ich werde so wütend, dass ich auf ihn stürze. »Überlege dir gut, was du als Nächstes machen wirst. Schau dich mal um, meine süße kleine Fee.«

Mitten in meiner Bewegung stoppe ich und sehe mich einmal genauer um. Wir befinden uns an einem so abgelegenen Ort, dass man die gesamte Natur erblicken kann. Viele Steine liegen auf dem Boden, der kaum mit Gras bedeckt ist. In der Ferne kann ich einen Wald entdecken und eine Klippe. Hinter Julian und Oliver geht es tief nach unten, wie ich feststelle. Ich ziehe scharf die Luft ein und verlangsame meine Schritte.

»Oliver, geht es dir gut?«, möchte ich von der Zukunftsversion wissen.

Er sieht mir ganz fest in meine Augen und nickt.

»Kleine Fee«, beginnt Julian und kommt näher. So nahe, dass ich sein Deodorant riechen kann. Dasselbe, was er früher benutzt hat. Kurz schließe ich meine Augen und nehme seinen Duft in mir auf. Vertraut. Wohltuend und doch erinnert er an den Schmerz in meiner Brust.

»Julian«, hauche ich, zu mehr bin ich nicht fähig. »Warum nur? Wir hätten ein starkes Team sein können.«

Auch er schließt kurz seine Augen, nimmt meine freie Hand und unsere Finger verschränken sich ineinander. Hier geht es nicht um Liebe, sondern um Freundschaft. Er atmet tief ein und aus, ehe er mich loslässt und einen Schritt zurückgeht. Ich weiß, Oliver hat alles beobachtet und für außenstehende Personen wirken wir wie verdammtes Liebespaar.

»Kleine Fee, wir müssen jetzt etwas schreiben. Dazu werde ich den Stift halten und du darfst keinen Mist bauen, hörst du? Denke nicht einmal daran. Stelle dir auch keine Zahlen vor! Verstanden? Ansonsten ...« Irgendwas ist merkwürdig an der ganzen Situation. Hat er mir gerade zugezwinkert? Oder habe ich mir das nur eingebildet? Verdammt!

»Moment mal«, sage ich und spüre ein Beben in meiner Stimme. Julian scheint nicht recht zu wissen, wie er all das verarbeiten soll. Er muss knallhart sein, aber irgendwas stimmt hier nicht. »Du wirst erpresst!«

»Halt den Mund. Du weißt nicht, was los ist«, zischt er.

»Sag es mir, bitte. Ich kann dir helfen. WIR können dir helfen«, spreche ich weiter und blicke zu Oliver, der seltsam nervös wirkt. Ich glaube, er hat wirklich eine falsche Vorstellung dessen, was hier los ist. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, schließlich kennt er diese Version von mir gar nicht.

Julian erwidert nichts, aber ich kann es in seinem Blick erkennen. Da stimmt etwas ganz und gar nicht. Ein Hauch einer Ahnung in mir breitet sich aus und ich glaube, dass ich langsam alles begreife. Aber vorerst werde ich das machen, was er von mir verlangt. Nur so können wir alle unbeschädigt von hier Verschwinden und möglicherweise herausfinden, was mit der Königin los ist und was er mit seiner Andeutung von vorhin meinte.

Melanie und Oliver²

2127

Seine Hand legt sich sanft auf meine. Wir schreiben mit rechts, auch wenn ich Linkshänderin bin, aber er muss den Stift führen, nicht ich. Ich halte Olivers Hand und sehe kurz zu ihm. Er wirkt etwas verärgert und irritiert. Er darf nicht vergessen, dass ich nicht die Mel aus dem Jahr 2127 bin. Ganz gleich was passiert ist, das bin nicht ich.

»Keller, Versteck, Jetzt.«

Alles dreht sich im Kreis.

Der letzte Sprung liegt noch nicht lange zurück und ich fühle mich ziemlich ausgelaugt. Normalerweise esse und trinke ich nach einem Sprung direkt etwas, was ich nun deutlich spüre, zumindest hatte ich mir das angewöhnt. Bevor wir die Nachricht erhielten, die uns hierhergeführt hat, habe ich viele Male Testsprünge gemacht. Um festzustellen, wie ich auf das Zeitreisen und auf den Stift im Allgemeinen reagiere und wie mein Körper damit zurechtkommt. Mein Vater war da knallhart und wollte kein Risiko eingehen und mich unvorbereitet in etwas stürzen lassen. Doch all die Sprünge, die ich machte, waren nichts im Vergleich zu dem hier. Dies ist etwas komplett anderes. Während ich sonst nur wenige Minuten in der Zeit gereist bin, sind es nun einige Jahre. Nun ja, abgesehen von meinem aller ersten Sprung, der mich 100 Jahre in die Zukunft katapultiert hatte.

Wir landen an einem dunklen und feuchten Ort.

»Ihr bleibt hier«, weist er uns an und verschließt sogleich die Tür. Es sieht wie eine Gefängniszelle aus, mit Waschbecken und einem Klo in der Ecke – wirklich, ohne Mist! Als ob ich vor Oliver pinkeln würde! So nahe stehen wir uns nicht und doch wird uns keine andere Wahl bleiben.

Es gibt auch einen Schlafplatz mit Decken und Kissen für uns beide. Sie haben sich auf jeden Fall gut vorbereitet.

»Schatz ...«, höre ich Oliver sagen und stolpere fast zurück.

»Wie war das bitte?«

Er schlägt sich gegen die Stirn und lehnt sich an eine Wand, die Arme vor der Brust verschränkt.

»Entschuldige. Wie sagst du immer? Spoiler-Alarm? Melanie, was soll das hier alles? Du und dieser ... Julian, ihr seid euch so nahe ...«

Er hat nicht ›Schatz‹ zu mir gesagt. Ausgeschlossen.

»Oliver. Julian und ich ... Wir waren einst befreundet.«

»Befreundet? Mel, das sah nach so viel mehr aus. Ihr habt wie ein Liebespaar gewirkt.« Er sieht mich eindringlich an und sagt wieder etwas, was mich stutzig werden lässt:

»Nach dem, was Mel alles über ihn erzählt hatte ... Oder vielmehr dachte ... All die Gefühle, die sie einst mit in die Zukunft genommen hatte ... Nein ... Es wirkte beinahe, als ... Melanie, es wirkte beinahe so, als seien diese Gefühle noch immer vorhanden gewesen, als wärst du nie über ihn hinweggekommen ...«

Langsam schüttel ich den Kopf und gehe näher zu ihm.

Ich krame in meine Hosentaschen und hole eine Wasserflasche und Traubenzucker. In meiner Funktionskleidung habe ich jede Menge Stauraum.

Julian hat mich nicht einmal abgetastet und ich frage mich, warum das so ist.

»Ich weiß, wie wir auf dich gewirkt haben müssen«, sage ich schließlich und seufze. »Es ist vollkommen anders, als du denkst.«

»Ach, kommst du jetzt mit dem Spruch ›Es ist nicht so, wie es aussieht‹? Das ist doch lächerlich!«

»Oliver, bist du eifersüchtig?«, frage ich und stehe nun ganz dicht bei ihm.

Plötzlich nehme ich ein Geräusch in meinem Ohr wahr und runzel automatisch die Stirn, als sich eine Stimme bemerkbar macht.

›Das kannst du ihm ja kaum verübeln.‹

»OLIVER 1«, rufe ich aus.

›Wenn du mich meinst, ja. Die Verbindung besteht auch hier, das könnte zu unserem Vorteil sein‹, sagt die Stimme in meinem Ohr.

Oliver 2 beobachtet mich und seine Hand wandert vorsichtig zu meinem Ohr, er schiebt die Haare zur Seite und nickt wissend.

»Verbinde uns mal«, weist mich Oliver 2 an und ich muss schmunzeln. Wie soll das gehen? Er streckt seine Hand aus und ich gebe ihm das Knopfding, das ich im Ohr habe. Es ist so winzig, dass es nicht auffällt und zum Glück lädt es sich mit der Körper eigenen Temperatur automatisch auf.

Er fummelt etwas daran umher, nimmt seines heraus und stellt dort scheinbar dasselbe ein. Ich setze mir das Knopfding ins Ohr und denke an Oliver.

»Und nun?«, möchte ich wissen.

›Könnt ihr mich beide hören?‹, fragt Oliver 1.

»Laut und deutlich, Bro.«

»Ähm, ja.« Wenn ich mit Oliver 2 hier bin, könnte es dann sein, dass Oliver 1 mit Melanie 2 ebenfalls in einem Raum ist?

Das könnte verwirrend werden. Oliver 1, Oliver 2. Irgendwas muss ich mir einfallen lassen. Ansonsten gerate ich schnell ins Straucheln.

›Leider nicht. Penelope wollte mir nichts sagen. Und vermutlich hast du recht. Oliver 1 und 2? Denk nach Mel, du brauchst eine Lösung dafür. Du bist doch sonst so einfallsreich.‹

»Mmh, ja, das überfordert mich gerade.« Ich reibe mir den Nacken und kann mich nicht unnötig ablenken lassen, mit solchen Fragen. »Wir sollten uns erst einmal auf die Situation konzentrieren. Julian ist eher schweigsam, was das hier angeht«, berichte ich und knete nachdenklich meine Hände. All das ist so seltsam.

»Haha, dass ich nicht lache«, mischt sich Oliver 2 ein. »Ihr zwei habt die ganze Zeit geflirtet.«

»Das haben wir nicht!«

»Oh ja. Ich wollte schon fragen, ob ihr euch nicht in ein Zimmer teleportieren wollt. Meine Güte, Oli, das hättest du sehen müssen.«

›Er ist doch aber der Feind‹, sagt Oliver in unsere Gedanken hinein. Haben sie denn alles vergessen, was ich über Julian erzählt habe?

Sehen sie wirklich nur das, was sie sehen wollen?

›Wir haben NICHT geflirtet! Wenn ihr es genau wissen wollt.‹ Ich bleibe im Gedankenmodus, denn wer weiß, wer uns belauscht: ›Julian ist schwul! Okay.‹

Das Geheimnis wollte ich nicht weitergeben.

Sie kennen die Basis unserer Freundschaft und das sich Julian für die Organisation und gegen eine Zusammenarbeit mit mir entschieden hatte. Alles andere wollte ich nicht verraten.

Das ist nicht meine Sache.

›Ich glaube, es könnte seltsam wirken, wenn wir uns nur anstarren, Oliver.‹

»Melanie, rede endlich. Was war das zwischen dir und Julian?«, sagt Oliver und sieht mich vorwurfsvoll an. Er verschränkt die Arme vor der Brust und wartet, bis ich antworte. Okay, er hat es verstanden. Zumindest das wir uns nicht nur anstarren dürfen. Nicht, dass irgendjemand auf die Idee kommt, wir hätten etwas zu verbergen. Während ich ihn betrachte, fällt mir eine Narbe in seinem Gesicht auf. Automatisch fasst er sich an die Wange und runzelt die Stirn. Dann wandert sein Blick zu seiner Hand und auch dort ist eine Narbe, die der andere Oliver nicht hat. Was hat es damit auf sich? Was ist geschehen? Er sieht mich an und schüttelt den Kopf. Er möchte nicht darüber reden?

Das verstehe ich nicht, aber sein Blick ist deutlich: Ich soll es auf sich beruhen lassen.

»Irgendwas stimmt ganz und gar nicht mit Julian«, antworte ich schließlich.

›Wie meinst du das, Mel?‹, möchte Oliver 1 erfahren. Er ist wie ein kleines Männchen im Ohr und der Gedanken daran wirkt tatsächlich etwas merkwürdig.

Ich blicke zu seiner älteren Version und stelle überrascht fest, dass er noch etwas attraktiver geworden ist, als ... Oh, arg.

›Das habt ihr beide gehört, oder?‹

Oliver 2 schmunzelt verschmitzt und leckt sich über seine spröden Lippen. Er nimmt noch einen Schluck aus der Wasserflasche, ehe er sie mir wieder reicht. Auch ich trinke schnell daraus, da mein Mund plötzlich unglaublich trocken ist. Ich verschließe die Flasche wieder und lasse sie in einer meiner Hosentaschen verschwinden.

›Melanie, Fokus bitte.‹

»Eifersüchtig?«, frage ich und rüge mich gleich dafür. Was mache ich hier? Flirten? Das ist alles so verwirrend. Ich darf nicht!

Oliver 2 hat auch dies gehört und runzelt irritiert die Stirn. Scheinbar darf ich doch, wenn er mich Schatz genannt hat ... Arg, das halte ich echt nicht aus. Was ist nur los mit mir? Es geht hier um so viel mehr. Um Leben und Tod. Wenn ich nicht bei der Sache bin, kann verdammt viel schiefgehen.

»Wir sollten uns hinsetzen und etwas ausruhen. Es war ein anstrengender Sprung gewesen.«

Langsam lasse ich mich auf dem kalten Boden nieder, winkel die Beine an und ruhe meine Arme darauf aus, während ich mich an der Wand hinter mir anlehne. Es tut so unglaublich gut zu sitzen und nichts zu machen.

›Also ...‹, starte ich wieder gedanklich und sehe, wie sich auch Oliver hinsetzt. Laut kann ich all das, was ich vermute ich, nicht sagen. ›Ich glaube, Julian wird erpresst. Mein Gefühl sagt mir, dass es wegen eines Mannes ist. Vielleicht hat er ja jemanden gehabt? Möglicherweise hat es Penelope herausgefunden und derjenige ist nun selbst in Gefahr? Julian würde nie ... absolut niemals so schmuddelig umherlaufen. Er ist gepflegt, achtet sehr auf sich. So etwas würde er nicht anziehen. Never ever!‹

Sag niemals nie, geht es mir durch den Kopf. Nach alldem, was ich über mein zukünftiges Ich erfahren habe, müsste ich meine eigene Aussage wahrscheinlich revidieren ...

›Okay. Also, wenn Julian ebenfalls erpresst wird, dann könnte er durchaus noch auf unsere Seite kommen?‹, schlussfolgert Oliver 2.

Verdammt, ich brauche andere Spitznamen für meine Olivers.

›Deine Olivers?‹

›Könnt ihr wenigstens so tun, als würdet ihr nicht alles hören, was ich denke? Warum funktioniert das überhaupt noch hier?‹

›Weil wir physisch alle am selben Ort sind.‹

Ach, das wird mir jetzt alles zu viel. Ich stehe wieder auf, und ziehe mich in eine Ecke zurück, winkle meine Beine an und halte mich ganz fest. Oliver 2 hat mich ›Schatz‹ genannt. Sind wir etwa ein Paar in dieser Zeit? Wie ist das überhaupt möglich?

Ich bin so in Gedanken, dass ich Oliver erst bemerke, als er sich zu mir setzt und meine Hand ergreift.

»Mel, verschließe dich nicht vor deinen Gefühlen. Mach das nicht, hörst du? Du kämpfst so sehr dagegen an, dass es mir echt das Herz zerreißt.«

Langsam richte ich meinen Blick auf ihn und verliere mich in seinen Augen. Grau-Grün und irgendwie wirken sie so ... Verändert. Sanfter und zärtlicher. Lange halten wir einander, bis ein Räuspern zu vernehmen ist.

›Oliver, wir müssen uns unterhalten. Alleine‹, meint Oliver 1 und ich weiß nicht, was das soll. So viel Zeit muss wohl sein, auch wenn wir uns eigentlich einen Plan überlegen sollten, wie wir all das hier überstehen. Aber okay Jungs, unterhaltet euch erst einmal ...

Es wird still in meinem Ohr und ich fühle mich so leer und hilflos. Ich erinnere mich an früher und muss mich ein wenig fester halten. Mir ist bewusst, dass ich mich unmöglich verhalte. Aber diese Situation ist neu für mich. Alles, was bis her war, hat sich für mich innerhalb weniger Wochen abgespielt. Es liegen keine Jahre dazwischen, schon gar kein Jahrhundert.

Dieses ganze Zeitreiseding kenne ich doch erst seit wenigen Monaten und bin komplett ins kalte Wasser geworfen worden. Dabei wollte ich mich nur mit Justin treffen. Zwar hat es kein Date gegeben, aber einen Kuss.

Ein Jahrzehnt glaubte ich, dass mein Vater nur verschwunden war. Als ich die Wahrheit herausgefunden hatte, veränderte sich mein komplettes Leben. Als wäre meine eigene Umlaufbahn verschoben.

Noch immer ist es so seltsam, dass ich mit einem uralten Stift durch die Zeit reisen kann. Angetrieben durch meine DNA kann ich ihn benutzen, obwohl er eigentlich Dad gehörte und unseren Vorfahren ...

Früher einmal hat mein Vater für die ›Historical Real or Fiction‹ gearbeitet. Eine Art Agentur, die sich mit Mythen der Vergangenheit beschäftigt und auf den Grund geht – was praktisch ist, wenn man sich zu dieser Zeit schreiben und vor Ort recherchieren kann. Doch wurden sie korrumpiert und missbrauchten die Funktion.

Ich sollte nicht mehr darüber nachdenken. Das gehört nicht hierher.

Ich beobachte weiterhin Oliver, der einfach nur vor sich hinstarrt. Zu gerne würde ich wissen, was die Jungs zu besprechen haben.

Er sieht einfach umwerfend aus, stark und gesetzter. Als sei er wirklich angekommen und nicht mehr auf der Suche, nach was auch immer.

Er dreht sich in die andere Richtung und steht nun mit dem Rücken zu mir und das, was ich sehe, gefällt mir wirklich. Ich seufze etwas und muss einfach daran denken, dass all das nicht für mich ist. Ich habe eine Mission, auf die muss ich mich konzentrieren.

Die Mission lautet: »Die Königin retten« und mehr zählt nicht. Königin Victoria II leidet möglicherweise gerade jetzt Todesangst und ich sitze hier und betrachte den Po von Oliver, der in einer sehr engen Hose steckt.

Nächsten Monat werde ich 20, es sind nur noch wenige Wochen bis dahin und ich hatte noch nie eine wirkliche Beziehung. Das mit Justin zählt nicht.

Es muss eine Qual für Oliver (1+2) gewesen sein, Penelope wieder gesehen zu haben. Verdammt, diese Frau hat nicht nur seinen Vater, sondern dessen Verlobte umgebracht.

Ich muss an sein Lied denken, was er für Rachel, seine Verlobte, schrieb. Er scheint allerdings nicht mehr so wütend wie damals zu sein, als ich ihn kennengelernt habe. Er wirkt nicht mehr wie ein Welpe. Hoffentlich lässt Penelope Oliver 1 in Ruhe. Wenn ich nur bei ihm sein könnte und ihn von da ... Meine Gedanken fahren Achterbahn, als mir eine Idee kommt.

Irritiert sieht Oliver mich an. Was? Können sie immer noch meine Gedanken hören? Aber ... Das ist unfair.

›Sorry, Mel‹, höre ich nun wieder Oliver 1 sprechen.

»Tut mir auch leid, aber deine Gedanken waren echt interessant und niedlich.«

Boden, geh auf, bitte. Sofort, ja? Das ist peinlich! Ich hab über seinen Po nachgedacht. Stopp. Gedanken, geht fort.

Ich verstecke mein Gesicht hinter meinen Händen und will nicht, dass Oliver 2 mich ansieht.

»Hey, es ist vollkommen in Ordnung. Ich kenne das doch nicht anders«, sagt er sanft und nimmt vorsichtig meine Hände runter, legt seine Hand unter mein Kinn und hebt es sanft hoch. Er will doch nicht ... Er schaut mir in die Augen und irgendwas ist seltsam. Was mache ich hier nur? Er rührt sich nicht, sondern blickt mich weiterhin an, manchmal auch auf meine Lippen.

›OLIVER!‹, hören wir plötzlich den anderen Oliver rufen.

Er seufzt und wendet sich ab. »Sorry, Bro«, sagt er und ich wundere mich, wie er eigentlich redet. Bro ist sowas von 2017.

Er sieht zu mir und lacht.

Scheinbar haben sie den Ernst der Lage nicht erkannt. Es geht hier um alles oder nichts. Verdammt, wir stecken hier fest. In einem Keller im Nirgendwo.

»Du hast vermutlich recht«, seufzt er und fährt sich mit der Hand durch seine Haare. Er setzt sich wieder zu mir, bleibt aber auf Abstand.

»Meine Mel hat mir so viel über deine Zeit erzählt, dass ich manche Begriffe einfach wieder aufgenommen habe.«

Warum sagt er so etwas auf einmal?

»Deine ... Mel. Wie ist sie so?«, möchte ich wissen. Es bringt nichts. Wir müssen die Zeit herumbekommen. Ich weiß nicht, was sie vorhaben. Warum sie uns hier festhalten.

Oliver 2 strahlt und meint (wirklich wahr):

»Sie ist dir sehr ähnlich!« Echt jetzt? »Ich weiß, ihr seid ein und dieselbe Person. Aber sie hat eine heftige Zeit hinter sich und war lange wirklich niedergeschlagen ...«

»Oh. Was war ... Sorry, nein, erzähle bitte nichts mehr. Wir sind hier in der Zukunft, ich darf nicht noch mehr wissen.« Oliver 2 nickt und zu gerne würde ich wissen, was er denkt, wenn er mich so ansieht. Möglicherweise bin ich irgendwann wie ein Hefekloß aufgegangen und passe nun nicht mal mehr durch eine Tür? Oder all meine Haare sind mir ausgefallen? Was kein Wunder wäre, bei diesen Zeitreisen und den Veränderungen im Hormonhaushalt.

Žanrid ja sildid
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