Bikepacking

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JUSTIN LICHTER

JUSTIN KLINE

BIKE

PACKING

LANGSTRECKENABENTEUERMIT LEICHTEM GEPÄCK

AUS DEM ENGLISCHEN VON KLAUS BARTELT

DELIUS KLASING VERLAG

Du hast dein Leben nicht gelebt, bevor du nicht mit dem gelebt hast,was du aus eigener Kraft mitführen kannst.


INHALT

Prolog

1. Geschichte und Prinzipien des Bikepackings

2. Bikepacking-Touren planen

3. Gepäckhandling

4. Was man draußen wissen muss

5. Herausforderungen unterwegs

6. Ultrabike-Rennen

7. Unsere Favoriten: Reiseziele und Setups

Die Autoren

Register

PROLOG

Ich hebe die kleine Tonschale an meine Lippen und genieße die Wärme, die meine klammen Fingerspitzen durchströmt. Dies ist einer der besten Chais, die ich seit langem getrunken habe, vielleicht der beste überhaupt. Und ich sitze nicht in einem Teehaus, einer internationalen Kaffeehaus-Kette oder einem edlen Restaurant. Ich sitze auf dem Sperrholz-Fußboden eines umgebauten Güterwaggons hoch oben in den Tian-Shan-Bergen Kirgisiens, mit gekreuzten Beinen und mit allen Kleidungsstücken am Leibe, die ich zur Verfügung habe. Nur eine halbe Stunde vorher hatten meine Frau und ich uns noch Pedalumdrehung für Pedalumdrehung eine endlos lange Steigung hinaufgequält, durch Schlammlöcher, ausgewaschene Rinnen und unzählige Bächlein hindurch. Wir waren gerade zum Stehen gekommen, als uns ein Einheimischer nachdrücklich zuwinkte. Etwas zögernd legten wir die Fahrräder ab und stiefelten durch einen knietiefen Bergbach auf einen Mann mit wettergegerbtem Gesicht zu.

Wie die meisten Menschen, denen wir in dieser Region bisher begegnet waren, sprach er kein Englisch, also verständigten wir uns mit Händen und Füßen und ein paar einzelnen Begriffen auf Russisch oder Kirgisisch. Zeichensprache ist glücklicherweise weltweit verständlich, und so begriffen wir schnell, dass unsere Route nur wenig weiter von hohen Schneemassen blockiert und unpassierbar war.

Wir hatten um diese Möglichkeit gewusst, weil wir zeitig im Frühjahr unterwegs waren, aber das half uns beim Umgang mit der realen Enttäuschung wenig.

Obwohl wir uns mit ihm kaum verständigen konnten, las der Mann in unseren Gesichtern, als wir uns nun zwischen den Möglichkeiten einer Umkehr oder dem riskanten Versuch der Durchquerung eines alpinen Schneefeldes mit knapper Ausrüstung und wenig Verpflegung entscheiden mussten. Das war der Augenblick, in dem er das Wort chai, Tee, fallen ließ. Etwas Warmes zu trinken und ein bisschen Schutz gegen die Elemente war zweifellos die momentan beste aller denkbaren Möglichkeiten.

Während er etwas Brennmaterial für den Ofen zusammenraffte, betraten wir sein Heim, einen jägergrünen Güterwagen, das einzige von Menschenhand gemachte Etwas weit und breit. Trotz ihrer Räder sah diese seltsame Hütte nicht aus, als hätte sie sich in den letzten Jahrzehnten mal vom Fleck bewegt. In gemütlicher Enge war hier alles Notwendige zum Überleben vorhanden: Etwas Fleisch hing von der Decke, ein Eimer voll Wasser – mit einer dünner Eisschicht überzogen – stand in der Ecke, und ein paar Hühner gackerten bald um den Ofen herum, als er seine willkommene Wärme zu verbreiten begann.

Der kleine kniehohe Tisch verwandelte sich schnell in ein Buffet mit allem, was uns der Gastgeber bieten konnte: Tee, Zucker, Butter, Fladenbrot, Kekse und Süßigkeiten. Wir steuerten eigene Kekse bei, dazu ein paar Snacks aus unserem Reiseproviant. Das kleine batteriebetriebene Radio mit der improvisierten Antenne sorgte für ein bisschen Hintergrundmusik in dieser abgelegenen Einsiedelei.


Eine klassische Unterhaltung war nicht möglich, aber Lächeln und freundliche Gesten machten nur allzu deutlich, wie sehr wir das Miteinander über dem einfachen Mahl genossen.

Als der letzte Schluck Tee und die letzten Kekskrümel ihren Weg gefunden hatten, war es Zeit, die Reise fortzusetzen. Wir hatten noch einige Höhenmeter vor uns, bevor wir einen Übernachtungsplatz finden konnten, an dem die Temperaturen erträglich bleiben würden. Am nächsten Tag wollten wir uns um eine alternative Reiseroute kümmern. Was sich anfangs wie eine absolute Enttäuschung angefühlt hatte, war zu einer unvergesslichen Begegnung geworden. Ein wortloses Band verband uns nun mit einem Menschen in einem fernen Land. Wir verabschiedeten uns mit deutlich mehr Wärme voneinander, als sie der Tee mit sich gebracht hatte.

In diesem Teil der Welt sind Radreisende sehr selten, und diese Begegnung sollte nur eines von vielen Abenteuern sein, die uns noch bevorstanden.

Unsere Reise wäre mit einem traditionell ausgestatteten Rad und voll beladenen Packtaschen nicht möglich gewesen. Um die abgelegenen und unzugänglichen Gebiete zu erreichen, in denen wir unterwegs waren, braucht es eine sehr reduzierte Ausrüstung und spezielle Packstrategien. Sie eröffneten uns den Weg zu Menschen und Regionen mit ganz anderen Lebensbedingungen, als wir sie bisher kannten. Sie ermöglichten uns eine unvergessliche Fahrradexpedition. Und wie alle großen Abenteuer steckte diese Expedition voller Herausforderungen.

Mit leichtem Gepäck per Rad unterwegs zu sein, ist immer ein Balanceakt zwischen Vorbereitung und Vertrauen in das, was dir begegnet. Mit weniger Gepäck fährst du weiter und auch schneller. Aber vor allem: Mit nur dem Notwendigsten ausgestattet steht nichts zwischen dir und deiner Umgebung – und das ist genau das, was das Bikepacking so wundervoll macht.

Justin Kline


1.
GESCHICHTE UND PRINZIPIEN DES BIKEPACKINGS

Abenteuerliche Reisen per Fahrrad haben eine lange Geschichte. Schon im fortgeschrittenen 19. Jahrhundert begaben sich wagemutige Radfahrer auf Expeditionen, die alles andere als Sonntagnachmittagsausflüge waren. Vielleicht am bekanntesten wurde der für einige Jahre in die USA ausgewanderte Brite Thomas Stevens, der 1884 bis 1886 von San Francisco aus in östlicher Richtung den Globus umrundete und dabei 22.000 Kilometer Landweg hinter sich brachte – auf dem Hochrad! Mit der Entwicklung des Safety Bikes etwa zur gleichen Zeit war dann die heute noch meistgenutzte Bauform des Fahrrades erreicht. Diese auch als Rover bezeichnete Konstruktion mit den gleich großen Rädern machte das Radfahren sicherer und sorgte für seine schnelle Verbreitung auf der ganzen Welt. Gepäcksysteme gab es jedoch noch längere Zeit nicht – wer per Rad reiste, musste sich diesbezüglich sehr einschränken.

Was Radfahren mit leichtem Gepäck betrifft, legte die 25. US-Infanteriedivision zum Ende des gleichen Jahrhunderts Lösungen vor, die noch heute als Beispiel und Inspiration dienen können. Eine als Buffalo Soldiers bekannt gewordenen Brigade von etwa zwei Dutzend Männern unter Führung ihres Leutnants James A. Moss unternahm verschiedene Langstreckenfahrten, darunter eine »Expedition« über 3.000 Kilometer von Montana nach Missouri in 40 Tagen, mit sechs Ruhetagen.

Die Fahrräder dieser Infanteriebrigade waren alles andere als leicht. Diese Tatsache sowie das Ziel, schneller als die Kavallerie unterwegs zu sein, zwang die Truppe zu einem absolut minimalistischen Gepäckkonzept.

Jeder Soldat führte eine Lenkerrolle mit einer Zeltplane, einem Satz Wechselwäsche, zwei Paar Socken, Taschentuch und Zahnbürste bzw. -pasta mit sich. Im Rahmendreieck wurde der Proviant verzurrt, hauptsächlich Brot, Schinken, Bohnen, Dosenfleisch, Kaffee und Zucker. Weniger wichtige Dinge wie Handtuch, Seife und Lappen für die Fahrradpflege teilten sich jeweils zwei Männer. Gruppenführer transportierten das Notwendigste an Medikamenten, Werkzeug, Ersatzteilen und Zündhölzern. Die beladenen Räder hatten ein Gesamtgewicht von 25 bis 27 Kilogramm. Dazu kamen das etwa fünf Kilogramm schwere Gewehr und 50 Schuss Munition. Trotz deutlich leichterer Fahrräder ist die Mehrzahl der Radreisenden noch heute mit ähnlich hohen Lasten unterwegs.

In der jüngeren Vergangenheit hat die Entwicklung der sogenannten Self-Support-Ausdauerrennen wie etwa der Tour Divide (4.400 km vom kanadischen Banff bis nach Antelope Wells an der US-Mexikanischen Grenze) oder der GST/Grenzsteintrophy (ca. 1.300 km entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze) die Vorstellung dessen, was an Gepäckminimalismus möglich ist, entscheidend geprägt. Der Begriff »ultraleicht« hat im Zusammenhang mit derartigen Radtouren neue Dimensionen erreicht. In Analogie zum Backpacking (Rucksackwandern) hat sich inzwischen der englische Ausdruck Bikepacking eingebürgert, und zwar für meist offroad durchgeführte Fahrradtrips mit Übernachtung(en) bei minimalistischer Gepäckausstattung. So bleibt der Einfluss auf das Fahrverhalten gering, und die Auswahl der Routen und Regionen ist entsprechend groß.

 

Mit den heute sehr leichten, belastbaren und klein verstaubaren Campingausrüstungen hat sich das notwenige Transportvolumen für Touren mit Übernachtungen drastisch reduziert. Immer häufiger sind Gepäckträger und -taschen überflüssig und eng am Rad verzurrte Rahmen- und Lenkertaschen erfüllen deren Aufgaben, auch bei Touren, die über Wochen und Monate gehen.

Fraglos ist es Teil des Vergnügens, auf einer Radtour alles Notwendige mit sich zu führen. Dennoch ist das Ansammeln von individuellem Besitz ein zweifelhafter Zug unserer aktuellen Lebensweise.


Eine vollständige geländetaugliche Bikepacking-Radausstattung, inklusive Raum für eine digitale Spiegelreflex-Kamera: aufsteigen und losfahren!

Wer weniger Kram zu verwalten hat, hat mehr vom Leben – das ist der Hintergrund des Simplify-Trends. Und das gilt natürlich auch für Radtouren. Mit nur drei Leitlinien im Kopf holt man das Maximum aus einem Radabenteuer heraus:

• Nimm nur mit, was du wirklich brauchst

• Steigere deinen Fahrspaß

• Fahre weiter

NIMM NUR MIT, WAS DU WIRKLICH BRAUCHST

Das klingt erst einmal nicht weiter schwierig, aber tatsächlich neigen wir alle dazu, mehr einzupacken als wir unterwegs wirklich benötigen. Wir nehmen noch einen Satz Unterwäsche mit, denn »der braucht ja kaum Platz«, einen Reservekanister Brennstoff, das aufblasbare Kopfkissen »weil es bequemer ist« und das zweite Paar Handschuhe für »wenn das erste nass ist.« Die Liste ist endlos, und es finden sich Gründe für jedes einzelne Teil darauf. Bis auf den Campingstuhl vielleicht, denn wenn du auf der Erde schläfst, dann kannst du ja wohl auch darauf sitzen. Nein, es ist nicht nur der Campingstuhl: Bleib bei dem, was du wirklich brauchst. Alles andere ist eine Last, die dich bedrückt – so einfach ist das.

Das Schönste am Reisen mit wenig Gepäck ist die Art und Weise, wie dies deine Tour formt. Aus der »Was ist, wenn …«-Gedankenwelt wechselst du in die Wahrnehmung dessen, was deine Reise in jedem gegebenen Moment für dich bereit hält. Wenn du neue Orte und Landschaften besuchst, wirst du nun viel mehr Kontakt zu Land und Leuten haben, als wenn du in einer »Ich hab alles dabei, was auch immer geschieht«-Blase durch die Welt kurbelst.


Eine unserer Unterkünfte im Himalaya war der Klassenraum einer Grundschule. Improvisation brachte uns in engen Kontakt mit der lokalen Gemeinschaft, und daraus entwickelten sich wunderbare Freundschaften.

Tatsächlich lässt sich fast alles, was du an Wichtigem nicht eingepackt oder verbraucht hast, auch unterwegs finden, improvisieren oder ersetzen.

Glücklicherweise bieten Bikepacking-Taschen von vornherein weniger Stauraum als ihre voluminösen Vorgänger an den Gepäckträgern. Wer gern reichlich packt, muss sich anfangs ziemlich umstellen, aber der begrenzte »Kofferraum« hilft beim Eindampfen aufs wirklich Notwendige.

Der Punkt ist, sich immer weiter an seine Komfortgrenze heranzuarbeiten. Mit etwas Erfahrung liegt die wesentlich weiter unten auf der Gewichtsskala als du am Anfang gedacht hast.

Kleine Sünden, große Freud’


Wildes Campen in Kirgisien, gewürzt mit lokalen Spezialitäten. Kapselheber und Korkenzieher sollte man unterwegs immer dabei haben.

Wir haben alle unsere kleinen Laster, und wann könnte man sie besser genießen als nach einem langen Tag auf dem Rad? Kennzeichen des ultraleichten Reisens ist der Verzicht auf unnötige Dinge, nicht der unnötige Verzicht auf den Spaß an der Tour! Irgendwo lässt sich immer noch ein Schokoriegel unterbringen, eine Tüte Erdnüsse oder ein Flachmann. Und der Abend hat sein Highlight.

Aber keine Angst: Zahnbürsten absägen ist nicht notwendig. Es sei denn, du hast Spaß dran …

STEIGERE DEINEN FAHRSPASS

Unterwegs auf einem Singletrack in den Bergen, leichtes Gefälle, ein paar Kuppen mit spektakulären Panoramen, frische Beine, ein gut abgestimmtes Rad, Kurven ohne Ende – der Stoff, aus dem Mountainbikers Träume sind.

Und nun stell dir die Szene mit Packtaschen vor, schwer beladen und breiter als der Trail. Statt der Reifen auf dem Weg und den hinter dir kullernden Steinchen hörst du nur dein lauter werdendes Keuchen und irgendein Quietschen am Gepäckträger. Plötzlich hoffst du bei jeder Kurve, es möge die letzte sein. Deine Beine hoffen mit dir.

Es geht aber nicht nur um die vermehrte Anstrengung, die ein höheres Reisegewicht mit sich bringt. Eine reduzierte Ausrüstung, gut am Rad verteilt (siehe Kapitel 3), macht sich auch im wesentlich besseren Handling des Bikes bemerkbar, besonders abseits des Asphalts. Mit richtig angebrachtem Minimalgepäck ist das Bike fast so perfekt zu fahren wie ohne jede Zuladung. So schenkt es dir ein Maximum an Fahrspaß, während es dich jeden Tag einem neuen Ziel entgegen trägt.


Ein traumhafter Trail, aber einer von uns hat mehr davon, weil er die bessere Packstrategie gewählt hat.


Singletracks lassen sich am besten mit möglichst wenig Gepäck genießen, und das gilt nicht nur in den Schweizer Alpen.

Immer wieder heißt es, der Weg sei das Ziel. Natürlich gilt dies auch für eine Radreise, sei sie nun kurz oder lang. Die ständig wechselnden Perspektiven, die Geräusche, die Anstrengung – all dies werden bleibende Erinnerungen an deine Tour. Und je mehr du deine Zuladung minimierst, desto schöner werden diese Erinnerungen.

FAHRE WEITER

Weniger Gepäck bedeutet leichteres Reisen, was dich schließlich auch weiter fahren lässt. Das kannst du ganz nach persönlicher Vorliebe ausnutzen: längere Tagesetappen fahren, oder mehr Zeit außerhalb des Sattels (Sightseeing, Strand …) verbringen, oder abgelegene Regionen besuchen, die du mit einem vollgepackten Reiserad nicht erreichen würdest.

Man kann sich vielleicht selbst schwer vorstellen, täglich 250 und mehr Offroad-Kilometer abzureißen, wie es die Bikepacking-Spezialisten auf der Tour Divide regelmäßig tun. Aber es zeigt, was mit wenig Gepäck möglich wird und ist eine Quelle der Inspiration. Ein ultraleichtes Übernachtungs-Kit kann 20, 50 oder sogar 100 zusätzliche Kilometer möglich machen.


Verborgene Tunnel an der Grenze zu Afghanistan.

Ultraleicht kann auch zu leicht sein


Auf den rauen Bergstrecken Nepals sind 27,5- und 29 Zoll-Räder mit dicken Reifen die beste Wahl.

Man kann an den erstaunlichsten Stellen Gewicht sparen, soweit es um dich und dein Fahrrad geht, aber vorher sollte man sich den Untergrund anschauen, den man unter die Räder nehmen will. Natürlich ist es verlockend, rotierende Massen zu verringern. Aber mit dem Radumfang und den Reifendurchmessern zu geizen, kann knochenschindende Folgen haben. Raues Terrain erfordert Traktion, Kontrolle, Standfestigkeit und auch Komfort, vor allem, wenn du mit Gepäck unterwegs bist. An den Vorteilen größerer Rad- und Reifendurchmesser im Gelände sollte man nicht sparen.

Mit mehr Möglichkeiten bei den Reisedistanzen bleibt dir nur die Aufgabe, dich zwischen mehr Strecke, mehr Ruhe und mehr Abwechslung vom Rad zu entscheiden.

Noch eine wichtige Ergänzung: Wer rauere oder abgelegene Regionen der Erde bereist, wird schnell bemerken, dass übersichtliches, leichtes Gepäck auch dann von großem Vorteil ist, wenn man nicht im Sattel sitzt. Das Rad einen Trampelpfad bergauf schieben, einen Radtransport mit Bus oder Eisenbahn durchführen, eine Exit-Strategie finden, wenn Plan A und B nicht erfolgreich waren – das alles geht mit knappem Gepäck und kleinen Packtaschen wesentlich leichter von der Hand. So etwas hast du vielleicht gar nicht im Plan, aber es kommt einfach vor, wenn du die ausgetretenen Pfade verlässt. Und genau in diesen Momenten, gar nicht so sehr im Sattel, begreifst du die handfesten Vorteile deines reduzierten Gepäcks.


Beim Besteigen eines Fernzuges …


Rad und Gepäck auf das Dach des Reisebusses laden …


Schieben oberhalb 5.000 Meter.

Ob du dein Bike kurbelst, schiebst, trägst oder verlädst: Weniger Gewicht bedeutet weniger Schweiß, weniger Sorge und eine Menge mehr Möglichkeiten. Vom Spaß ganz zu schweigen.

2.
BIKEPACKING-TOUREN PLANEN

Das Planen deines ersten oder eines nächsten Trips mit Übernachtung unter den Sternen kann (und sollte) genauso viel Spaß machen wie die Tour selbst. Mit einer ersten Idee fängt es an, gefolgt von einem intensiven Blick in die Landkarte, sei sie nun aus Papier oder digital. Ob du einer schon bekannten Route folgen oder unbekanntes Gelände durchqueren willst, du sammelst alle möglichen Infos und heizt die Vorfreude dabei immer weiter an. Schließlich kramst du die notwendige Ausrüstung heraus und beginnst zu packen.

Overnighter lassen sich ziemlich spontan arrangieren, wenn du etwas vorbereitet bist. Hier ist die Planung kein behinderndes Element. Aber wenn du länger mit wenig Gepäck unterwegs sein willst, macht die Planung den entscheidenden Unterschied. Erst wenn du einigermaßen weißt, was dich erwartet, kannst du die ganzen »Was mache ich aber, wenn …«-Fragen eliminieren, die so viele Leute vom Losfahren abhalten. Ein bisschen Wissen über die Route, das vorherrschende Wetter und eventuelle Reisekumpels ist die Voraussetzung für ein gelungenes Ultraleicht-Abenteuer.

Eine gute Planung ermöglicht es dir, mit dem richtigen Bike an den Start zu gehen und dabei die passenden Klamotten und die richtige Ausrüstung mitzuführen – und nicht mehr.

Die abenteuerlichsten und schönsten Passagen eines Trips entstehen meist zufällig und stehen vorher nicht auf dem Plan, dennoch ist eine Grundvorstellung von der Route der Rahmen, der dir die Auswahl dessen erlaubt, was du mitnehmen willst und was nicht. Ein Campingkocher kann in Zentralasien eine Notwendigkeit sein. In Südostasien, wo in jedem noch so kleinen Dorf frisch zubereitetes Essen günstig zu bekommen ist, kann man ihn getrost weglassen.


Du weißt nie, welche Übernachtungsmöglichkeiten sich unterwegs ergeben.

 

Glücklicherweise gibt es unendliche Möglichkeiten der Reiseinspiration und Routenplanung. Neben den eigenen Favoriten (vom Gespräch mit Gleichgesinnten über den Chat in Reiseportalen zu lokalen Tourismus-Infos oder dem Lieblingsblog) lohnen auch die Klassiker wie Google Maps, Strava, Map my Ride, Adventure Cycling Association, bikeovernights.com, bikepacking.net und so weiter immer einen Blick.


In der Trockenzeit lässt es sich zwischen den Reisfeldern Vietnams ausgezeichnet radeln.


In den Bergen ist jeder Kilometer hart erarbeitet – auch bei gutem Wetter.

Wenn du deine Route zusammenstellst, schau dir das Terrain genau an und unterschätze niemals seine Steigungen. In den fruchtbaren Ebenen Südostasiens sind 100 km kein Problem, da kannst du den Nachmittag schon am Strand verbringen; 50 km offroad in den Rocky Mountains oder den Alpen sind dagegen ein ganz anderer Schnack.

Wenn die Route einmal steht, ist es Zeit, sich um das Gefährt zu kümmern, auch wenn sogar der schmallippigste und siegesgierigste aller Radfahrer, Lance Armstrong, zugeben würde: »Es liegt nicht am Rad.« Klar, ein großer Vorteil des Tourens mit leichtem Gepäck ist die Möglichkeit, mit einem leichteren Rad mit vielen Gängen unterwegs zu sein. Aber wir sind Fans der Devise: Nimm, was du hast. Wenn du diverse Räder in der Garage stehen hast, unter denen du wählen kannst, ist das prima.

Aber wenn nicht, sollte dich das niemals von einem Radabenteuer abhalten. Viele der schönsten Radexpeditionen beginnen mit genau dem Rad, das in deinem Schuppen steht, und der Ausrüstung, die eben noch auf deinem Dachboden vor sich hin verstaubt ist. Fast jedes Fahrradmodell taugt für ein Radabenteuer, wenn du es in Fahrt halten kannst.

Weniger Gepäck, leichteres Bike


So lassen sich sogar die abgelegenen Regionen Zentralasiens bereisen. Ein Paar russische Stiefel für die häufigen Schneefeld- und Flussquerungen kamen noch dazu.

Mit kompaktem Gepäck sind auch Langstreckentouren nicht mehr auf speziell ausgerüstete Reiseräder beschränkt. Zentralasien ist nicht unbedingt der Ort, an dem man ein vollgefedertes Carbon Cross-Country-World-Cup-Rad erwarten würde, aber mit minimalem Gepäck und maximalem Interesse an Off-road-Streckenanteilen – warum nicht?

Natürlich ist das Fahren etwas leichter, wenn das Bike für den entsprechenden Untergrund ausgestattet ist, aber das Überschreiten der Grenzen dessen, was dein Bike ursprünglich bringen sollte, führt direkt zu ganz neuen Erfahrungen. Asphalt, Schotter, Kopfsteinpflaster, Radspuren, Singletrails – alles Tore zu neuen Abenteuern.

Einer der wichtigsten Vorteile einer gewissen Routenkenntnis im Vorfeld ist das Wissen über die Versorgungsmöglichkeiten unterwegs. Mit 1 kg Gewicht pro Liter ist Wasser vermutlich einer der schwersten Bestandteile deines Gepäcks. Wassernachschubmöglichkeiten unterwegs sind damit leistungsstarke Gewichtssparer. Ladengeschäfte, Waschräume an öffentlichen Gebäuden (Bahnhöfe, Busstops etc.), Bäche, Seen und Flüsse sind derartige Orte, besonders, wenn du Wasserentkeimungsmittel dabeihast. Die Wassermenge, mit der du startest, hängt natürlich stark von der Länge der Etappe, dem Nachschub und der Frage des Kochens unterwegs ab.


Nachschubmöglichkeiten können ganz unterschiedlich aussehen. Es gibt sie häufiger, als du denkst; alle Menschen brauchen Wasser und Lebensmittel.

Wie das Trinkwasser, so sind auch Essensvorräte zwar meist ein recht gewichtiger Bestandteil des Reisegepäckes, aber fast überall recht einfach zu ersetzen. Da lassen sich also einige Pfund sparen, ohne dass man unterwegs darben muss. Lebensmittelgeschäfte, Bäckereien, Marktstände und Hofläden bieten Nachschub. Auch ein Essen im Restaurant unterwegs kann deinen Bedarf an mitgeführten Vorräten verringern. Dazu bietet es eine Gelegenheit zum Ausruhen; Reste kannst du mitnehmen. Mit etwas Erfahrung in Sachen Wetter, Route und eigenem Verbrauch weißt du, was du an Nahrung an Bord haben musst, um damit gut ins Ziel zu kommen. Plus die kleine Reserve für das falsche Abbiegen … Es ist ziemlich spannend und oft auch sehr lohnend, sich ganz auf das Nahrungsangebot unterwegs zu verlassen. Dann sollte man aber möglichst nicht allzu viele Einschränkungen mitbringen (Veganismus, Laktoseintoleranz etc.) Die Entscheidung, den Kocher ganz zu Hause zu lassen, spart jedenfalls viel Gewicht beim Gepäck.

Das zu erwartende Wetter in deinem Reisegebiet und zu deiner Reisezeit ist ebenfalls ein wichtiger Planungsbereich. Auch dabei geht es unter anderem um Gewicht. Nichts ist leichter, als genug Klamotten für alle Eventualitäten vom Schneesturm bis zur Tropenhitze einzupacken. Aber wenn du die zu erwartenden Höchst- und Tiefsttemperaturen und Niederschlagsmengen kennst, zudem noch eine Idee von den Bedingungen bei Routenvarianten (um den Berg herum statt oben drüber) hast, kannst du wesentlich gezielter vorgehen. Neben der kurzfristigen Wettervorhersage solltest du also auch immer die klimatischen Grunddaten deines Reisezieles berücksichtigen: Tag/Nacht-Temperaturen, Niederschlag, vorherrschende Winde, UV-Belastung …


Hochgelegene Regionen erfordern zusätzliche Bekleidungsschichten, mit denen du dich über Nacht und in den kühlen Morgenstunden warmhalten kannst. Und auf längeren Abfahrten natürlich.

Die reine Dauer deiner Reise hat dagegen eher wenig Einfluss auf die Menge der Kleidungsstücke, die du mitführst. Ob du zwei Tage, zwei Wochen oder zwei Jahre unterwegs sein willst: Doppelungen in der Garderobe sind nicht sinnvoll.

Die geplante Route bestimmt auch, wo und wie du die Nächte verbringen kannst. Wenn du nicht allzu weit von der Zivilisation entfernt unterwegs bist, kannst du eventuell komplett auf mitgeführtes »Nachtmobiliar« verzichten und Hotels, Gasthäuser, Fremdenzimmer, Hostels, Wanderherbergen und Schutzhütten nutzen. Auch Couchsurfing kann eine prima Sache sein, bei der man auch noch interessante Menschen kennenlernen kann. Dennoch: Lass dich von einem 2-Sterne-Hotel nicht von einer Nacht unter Tausenden von Sternen abhalten. Nirgendwo ist die Nacht schöner als unter freiem Himmel.


Geschützte Plätze zum Schlafen entlang deiner Route geben dir Ruhemöglichkeiten, ohne dass du Zelt, Biwak und Isomatte mitführen musst.

Wenn du die Fragen der Versorgung mit Wasser und Nahrung sowie das Bekleidungsthema grundsätzlich geklärt hast, stellt sich die Frage nach dem oder den Reisepartner(n). Mit anderen unterwegs zu sein ist nicht nur eine sehr verbindende Erfahrung, es ermöglicht auch das Aufteilen von mancherlei nicht-persönlichen Gepäckbestandteilen. Wasser, Essen und Kleidung wird üblicherweise jeder für sich selbst transportieren. Kochutensilien, Zelt, Reparaturwerkzeug, Luftpumpe, Ersthilfepäckchen etc. werden dagegen nur einmal für alle benötigt und können daher zum Transport gut verteilt werden. Das vermeidet Doppelungen und spart selbstverständlich Gewicht.


Die Aufteilung von Gepäck ist auch eine Möglichkeit, unterschiedliche Reisegeschwindigkeiten anzugleichen. Ob generelle Fitnessunterschiede, Abstimmungsprobleme am Bike oder akutes Unwohlsein – manchmal ist es gut, ein bisschen Last abgeben zu können.

Reisende Pärchen oder Kleinfamilien finden es vielleicht sowohl leichter als auch wärmer, unter einer gemeinsamen Daunendecke zu schlafen, statt diverse Schlafsäcke mit sich zu führen.

In manchen Ländern ist es möglich, Pakete mit Reiseutensilien oder Nachschub mit dem Vermerk »Postlagernd« (international: Poste restante/General Delivery) an Postämter (in den USA auch an Greyhound-Stationen) entlang der geplanten Route zu senden. Üblicherweise werden die Pakte für 30 Tage gelagert und gegen Vorlage des Ausweises ausgehändigt. Diese früher auch für schriftliche Nachrichten (Briefe, Postkarten) bei Rucksackreisenden sehr verbreitete Möglichkeit ist heute stark auf dem Rückzug, daher unbedingt aktuelle Informationen für dein Reiseziel einholen.

Auf diese Weise lassen sich Gepäckbestandteile passend erreichbar machen: der warme Schlafsack und die Daunenjacke für die Gebirgspassage, Kartenmaterial für das nächste Reiseland und so weiter. Und natürlich eignet sich ein solcher Besuch beim Postamt auch dazu, nicht mehr benötigtes Gepäck und/oder ein Reiseandenken in Richtung Heimat zu senden – am besten im gerade geöffneten Karton.