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Loe raamatut: «Der beiden Quitzows letzte Fahrten», lehekülg 40

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»Sollte sie vielleicht schon erfahren haben, daß ich nicht derjenige bin, für welchen ich mich ausgegeben habe?« fragte er, während er zu den Gemächern Frau Hedwigs empor stieg. »Nein, dies ist nicht möglich, sie kann es ihr nicht erzählt haben, und doch —!«

Diese Fragen und Erwägungen beschäftigten ihn, während er langsam den Corridor entlang schritt, so ausschließlich, daß er wenig auf das merkte, was um ihn vorging. Er sah also auch nicht, daß Frau Hedwig in eine Thüre getreten war, an welcher er eben vorbeiging, und erst ihre Ansprache erweckte ihn aus seinen Träumereien.

»Weshalb so tiefsinnig, lieber Henning?«

Erschreckt sah er auf.

»Ah, Tante, vergebt, daß ich so wenig aufmerksam gewesen bin. Ich wollte Euch eben aufsuchen!«

»Dann geh’ nur inzwischen in mein Gemach; ich werde bald zurückkehren!«

Lächelnd blickte Frau Hedwig dem jungen Mann nach.

»Ich ahne, was dem guten Jungen das Herz schwer macht,« murmelte sie, »doch wird sein Kummer wohl bald behoben werden!«

Längere Zeit bereits wartete er in dem Gemach seiner Tante, als sich leichte Tritte der Thüre näherten. »Endlich!« rief er in seiner Ungeduld lauter, als er beabsichtigt hatte, und erhob sich in dem Augenblicke vom Stuhle, als nicht die Tante, sondern Brunhilde eintrat.

Diese war im ersten Moment wohl nicht weniger überrascht, den jungen Mann hier zu finden, wie Henning selbst es war, so plötzlich das Mädchen vor sich zu sehen, mit welchem er sich eben wieder in Gedanken beschäftigt hatte.

Brunhilde faßte sich jedoch schneller und trat, wenngleich erröthend und den Blick zu Boden gesenkt, ihm näher.

»Wie soll ich Euch danken für das, was Ihr für mich und meinen Vater gethan habt!«

»Ich freue mich mit Euch, daß es mir so unerwartet schnell gelungen ist, Euren heißen Wunsch erfüllen zu können!«

»Wie ist es Euch denn möglich geworden, meinen Vater so schnell aus der Gewalt seiner Feinde zu befreien?«

Als er einen Augenblick mit der Antwort zögerte, fuhr sie fort:

Mein Vater hat mir mehrmals Andeutungen gemacht, die darauf hinweisen, daß Ihr bei seinen Gegnern hoch angesehen sein müßt. Und wie kann dies auch anders sein, da Herr Friedrich von Wedel ja selbst in meiner Gegenwart erklärt hat, Euch zu großem Dank verpflichtet zu sein. Daß sich freilich diese Dankbarkeit so weit erstrecken würde, wie ich dessen heut’ inne werde, konnte ich nicht ahnen!«

Henning Friedländer ließ diese versteckte Frage vorläufig unbeantwortet, suchte vielmehr dem Gespräch eine andere Wendung zu geben und fragte nun seinerseits:

»Erlaubt mir die Bitte um die mich in hohem Grade interessirende Auskunft darüber, ob meine Hoffnung, Frau Hedwig werde Euch gut aufnehmen, berechtigt war. Ich habe dies zwar als selbstverständlich angenommen, möchte die Bestätigung meiner Erwartung aber auch gern von Euch selbst hören!«

»Frau Hedwig begegnet mir mit solcher Liebe und Aufmerksamkeit, daß ich mich ihr hoch verpflichtet fühle. Ich werde sehr, sehr ungern von ihr scheiden!«

»Scheiden? Ihr denkt doch nicht etwa heut schon an Eure Abreise von Betow?«

Friedländer hatte diese Frage so hastig, so erregt hervorgestoßen, daß Brunhilde wagte, einen Moment das Auge zu ihm aufzuschlagen.

Der Blick, welchem sie begegnete, steigerte die in ihrem Gesichte aufsteigende verrätherische Gluth noch mehr und stotternd, mit unsicherer Stimme erwiderte sie:

Mein Vater hat mir erzählt, daß er, – daß wir nach Güntersberg zurückkehren werden. Durch Eure Vermittelung hat er nicht nur die Freiheit, sondern auch die angeblich nicht zerstörte Burg zurückerhalten!«

»Es ist allerdings richtig, daß Euer Vater sich angelegen sein lassen wird, den gelegentlich der Einnahme der Burg an dieser entstandenen Schaden so bald und so gründlich als möglich auszubessern, doch glaube ich nicht, daß er Euch jetzt schon mit dahin nehmen wird. Der Anblick, welcher heut Eurer dort wartet, kann kein erfreulicher sein. Endlich aber bin ich überzeugt, daß Frau Hedwig Alles aufbieten wird, Euch zu längerem Bleiben zu bewegen!«

»Seid Ihr davon wirklich so fest überzeugt?«

»Ja, liebe Brunhilde,« ertönte die Stimme der unbemerkt von Beiden eingetretenen Burgfrau, »Henning darf dies wirklich sein. Doch laßt Euch in Eurer Unterhaltung nicht stören, ich muß noch einmal weggehen!«

Bei diesen Worten richtete sie einen schelmisch-lächelnden Blick auf die sich ihr verlegen nähernde Brunhilde, nahm einen der am Schlüsselbrett hängenden Schlüssel und verließ zur Freude Friedländers wieder das Gemach.

»Frau Hedwig,« begann Brunhilde nunmehr wieder, »meint es recht gut mit mir und ich werde die Zeit meines Aufenthalts auf Betow nie vergessen. Aber auch Euch ist sie sehr gewogen!«

»Hat sie sich während meiner Abwesenheit an mich erinnert?«

»Ja, wir – wir haben —«

Erröthend hielt sie inne; Friedländer, welcher verstehen mochte, was sie sagen wollte, griff diese Andeutung jedoch auf und fragte freudig erregt:

»Auch Ihr, Brunhilde, habt Euch meiner erinnert? Ihr habt mit meiner – mit Frau Hedwig von mir gesprochen?«

»Ja, weshalb sollte ich das bestreiten? Ich habe oft an Euch gedacht. Waret Ihr ja doch hinausgezogen, um meinem Vater die verlorne Freiheit wieder zu verschaffen, und setztet freiwillig Euer Leben in Gefahr, um ihm das seine zu erhalten und mich zu beruhigen. Doch,« fuhr sie, wiederholt ihm schärfer in’s Auge blickend, fort, »wollt Ihr mir nicht sagen, wen Ihr mit der nicht vollendeten Frage meintet? Ich soll mit Eurer – gesprochen haben? Mit wem denn? Außer Frau Hedwig wußte ich keine andere Frau oder – oder – Jungfrau hier, mit welcher ich mich hätte unterhalten können!«

Sichtlich verlegen kämpfte Friedländer mit einem Entschlusse. Er schien nicht zu wissen, wie er das, was er sagen wollte und sollte, zweckentsprechend in Worte kleiden könne, und Brunhilde, welche dies recht wohl bemerkte, harrte klopfenden Herzens und mit unverkennbarer Spannung, ja fast ängstlich dessen, was sie endlich werde hören müssen.

Ich habe Euch doch nicht wehe gethan mit meiner Bitte?« fragte sie endlich unruhig. »Sollte dies der Fall sein, dann vergebt mir, Euch, dem ich ja so viel zu danken habe, möchte ich – nicht betrüben!«

Jetzt war Friedländer nicht mehr im Stande, an sich zu halten.

Er ließ sich auf ein Knie vor ihr nieder, ergriff ihre Hand und fragte, während er diese an seine Lippen zog:

»Brunhilde, könnt Ihr mir verzeihen, daß ich mich einer Täuschung gegen Euch schuldig gemacht habe?«

»Ihr – Ihr hättet mich getäuscht?« fragte Brunhilde bestürzt, zweifelnd, und versuchte zwar, ihm die Hand zu entziehen, doch zeigten sich diese Versuche so schwach, daß Friedländer sie leicht festzuhalten vermochte.

»Ja, Brunhilde, und ich kann, ich darf nicht länger schweigen, ich muß Euch mein Vergehen bekennen, selbst wenn ich das Schlimmste, was mir geschehen könne, zu erwarten habe. Doch hoffe ich bei Eurer mir ja bekannten großen Milde und Nachsicht auf Vergebung!«

»Vor Allem bitte ich, Euch zu erheben; ich mag Euch nicht vor mir knieen sehen!«

»Nein, laßt mich knieend Eure Vergebung erflehen —«

»Aber, um Gottes Willen, sprecht doch, welche Täuschung Ihr begangen haben wollt. Es ist dies ja unmöglich; ich halte Euch dessen nicht fähig. Ihr habt mich mehrmals aus der Gewalt der Feinde, ja sogar vom Tode gerettet, mir dann ein Unterkommen verschafft, wie ich dies nie besser, freundlicher zu finden vermocht hätte, Ihr habt den Vater gerettet und nur Euch verdankt mein Vater die Wiedererlangung von Güntersberg, und Ihr, unser treuster Freund, solltet —? Unmöglich! Doch, was es auch sei, das Ihr gethan habt, so viel ist mir klar, daß Ihr nichts Böses gegen mich oder meinen Vater beabsichtigt habt, und ich verspreche, um Euch dieses Geständniß etwas zu erleichtern, Euch nicht zürnen zu wollen. Ich schulde Euch ja so viel, daß ich – nie im Stande sein würde – vergessen zu können!«

»Dank, Dank Euch, Brunhilde, für diese Zusicherung. Ihr werdet mich, wie ich ja nun weiß, nicht von Euch verstoßen, wenn ich Euch mittheile, daß ich nicht der bin, für welchen Ihr mich seither gehalten habt!«

Bestürzt zog Brunhilde ihre Hand, die er seither noch immer festgehalten hatte, zurück.

»Wie? O Gott, meine Ahnung!«

»Hört mich nur ganz an und dann vergebt Eurem treuen Diener.

»Ich bin kein Falkenmeister, oder aber je ein Bediensteter gewesen, sondern der Sohn Henning von Wedels, Euer Jugendgespiele.«

Erschrocken hielt er inne, denn Brunhilde, welche ihn einen Moment sprachlos, starr angesehen, verdeckte ihr erschreckend bleich gewordenes Gesicht mit den Händen und schien zu wanken.

Er sprang auf und fing die Geliebte in seinen Armen auf.

Nur wenig Augenblicke vermochte diese plötzliche Anwandlung einer Schwäche sie zu beherrschen, dann schlug sie die Augen auf, ihr Blick begegnete dem des besorgt ihr in das Auge sehenden jungen Mannes und glühend roth befreite sie sich aus dem sie noch immer stützenden Arme desselben.

»Habe ich auch wirklich recht gehört?« fragte sie mit bebender Stimme, »Ihr seid —?«

»Henning von Wedel,« ergänzte dieser, »der Euch nun noch einmal um Verzeihung der begangenen Täuschung bittet!«

»Wie ist es denn aber möglich gewesen, daß – daß —«

»Erlaubt mir zu erzählen, was mich zur Begehung dieser tadelnswerthen Handlung veranlaßt hat!«

»Ich bitte darum!«

»Vielleicht ist Euch erinnerlich, daß ich vor vielen Jahren, als Knabe noch, zu einem am kurfürstlichen Hofe in Sachsen lebenden Freunde meines Vaters gebracht wurde, um dort meine Ausbildung zu erhalten. Als ich dann für kurze Zeit nach Friedland zurückkehrte, war der unglückselige Zwist zwischen Eurem und meinem Vater bereits ausgebrochen und allen meinen Bitten, Euch wiedersehen zu dürfen, wurde beharrlich ein starres Nein entgegengestellt. Dies empörte mich, ich habe alles Mögliche aufgeboten, nach Güntersberg gelangen zu können, jedoch vergebens, weshalb ich meinen Aufenthalt in Friedland abkürzte und nach Sachsen zurückkehrte mit dem festen Entschlusse, nur durch einen directen Befehl mich zur Rückkehr nach Friedland bewegen zu lassen. Diesen Befehl erhielt ich nach langjährigem ununterbrochenem Aufenthalt in Sachsen vor einigen Wochen und mußte gehorchen. Auf dem Wege nach Friedland begegnete ich Euch!«

»Mir? Bei welcher Gelegenheit? Ich entsinne mich nicht, Euch vor Eurem Eintreffen auf Güntersberg gesehen zu haben!«

»Ihr waret eben auf einem Jagdzuge begriffen. Eure Falken verfolgten ein paar Hasen, und einer Eurer Knechte war verwogen genug, zu Pferde den auf der Eisdecke eines Teiches mit den Hasen kämpfenden Falken zu Hülfe zu eilen. Die Eisdecke war noch zu schwach. Das Pferd brach ein und vermochte sich nur mit höchster Anstrengung an das Ufer zu arbeiten.«

»Ah! Ich entsinne mich des Vorfalls. Wo aber waret Ihr damals?«

»Ich war, als ich den Jagdzug kommen hörte, für alle Fälle hinter eine der Schlagwände getreten, während mein Pferd einige Schritte zurück hinter den Bäumen versteckt blieb. Als ich Euch sah, holde Jungfrau, beschloß ich, um etwaigen Einwänden der Meinen zu entgehen oder anderweite Verzögerungen zu hintertreiben, noch vor meiner Rückkehr nach Friedland mir Eintritt auf Güntersberg zu erringen. Auf geradem Wege durfte ich diesen Versuch nicht anstellen. Ich ritt deshalb nach Altenwedel, ließ mir dort einige der besten Falken geben und kam in Güntersberg als Falkenmeister an!«

»Mein Gott,« rief Brunhilde, als er hier einen Augenblick schwieg, »fürchtetet Ihr denn nicht, durch Zufall erkannt und bei der leider bestehenden, wenig freundschaftlichen Gesinnung zwischen Eurem und meinem Vater für Euer Wagnis übel belohnt zu werden?«

»Daran habe ich wirklich nicht gedacht. Dagegen hatte ich unablässig das hohe Ziel vor Augen, welches ich erreichen wollte, und ich muß gestehen, das das Geschick in sofern mir hierin günstig war, als ich Euch und nun wohl auch Eurem Vater zu beweisen vermochte, das die Wedel’s nicht diejenigen sind, als welche Herr Janeke von Stegelitz vielleicht sie characterisiren möchte. Frau Hedwig, meine Tante, besitzt ja schon Euer Vertrauen und Herr Hans von Wedel, mein Onkel, wird Euren Vater heut’ auch wohl davon überzeugen, das er seiner Freundschaft werth sei!« —

»Frau Hedwig ist Eure Tante? Und sie hat, trotzdem wir – trotzdem sie so oft Gelegenheit gehabt hätte, dies zu erwähnen, doch nie mit einer Silbe verrathen, das Ihr der edlen Dame verwandtschaftlich nahe steht?«

»Weil ich sie um Stillschweigen gebeten, so lange, bis ich nicht Eurer Vergebung der begangenen Täuschung sicher bin. Ob mir diese je zu Theil werden wird, muß ich leider, je länger ich darüber nachdenke, trotz Eurer mir ja bekannten großen Güte immer mehr bezweifeln. Denn ich darf mich ja der Einsicht nicht verschließen, daß ich, ungeachtet alles Beschönigens meines Schrittes Euch gegenüber mich wissentlich einer groben Unwahrheit schuldig gemacht habe!«

Er hatte die letzteren Worte mit dumpfer Stimme gesprochen, und in seinen Zügen, in seiner Haltung sprach sich so deutlich aus, daß er das Drückende dieses Geständnisses recht wohl empfand, daß Brunhilde in dem Wunsche, ihn zu beruhigen, vielleicht auch gedrängt durch ein anderes Gefühl, in wärmerem Tone, als es wohl ihre Absicht gewesen, erwiderte:

»Ich zürne Euch nicht! Ihr habt ja so viel Gutes für uns gethan, daß« – ihr Blick irrte, um demjenigen des vor ihr stehenden jungen Mannes nicht zu begegnen, bei diesen Worten im Gemach umher, und ihre Wangen rötheten sich höher – »ich mich Euch stets zu Dank verpflichtet erachten werde!«

Hennings Auge leuchtete auf.

»Dank, herzlichen Dank für die großmüthige Verzeihung! Darf ich Euch nun wohl aber auch sagen, welches hohe Ziel ich vor Augen gehabt habe, als ich Güntersberg als Falkenhändler betrat?«

Brunhilde machte eine leicht abwehrende Bewegung, Henning ließ sich hierdurch jedoch nicht zurückschrecken. Er ergriff ihre Hand und sprach halblaut und mit bebender Stimme:

»Zunächst wollte ich Alles aufbieten, Euer Vertrauen mir zu erwerben, dann durch ein offenes Geständnis Eure Verzeihung für die begangene Täuschung erflehen, und ausgerüstet mit der beseligenden Ueberzeugung, Euch – nicht mehr gleichgültig zu sein, endlich an den Versuch der Aussöhnung unserer Väter gehen. Der Gang der Ereignisse hat meinen Plan verschoben. Es ist mir gelungen, diese Versöhnung der beiden alten Feinde herbeizuführen, noch ehe ich Euch zu sagen vermochte, wessen ich mich schuldig gemacht habe, und noch ehe ich erfahren, das ich mich um den Preis bewerben darf, der mir als der schönste, der herrlichste auf Erden erscheint. Brunhilde,« schloß er, sich noch einmal auf die Kniee vor ihr niederlassend, »ich liebe Euch vom ersten Augenblick, in dem ich Euch sah, liebe Euch unbeschreiblich, mehr als Alles in der Welt; werdet Ihr meine Liebe nicht zurückweisen, darf ich hoffen, Euch einst mein nennen zu dürfen?«

Halb abgewendet stand das Mädchen fassungslos, überwältigt von diesem Geständniß, wortlos vor dem ihrer Antwort ängstlich harrenden Junker; das Zittern ihrer noch in der seinen ruhenden Hand verrieth ihm aber, wie mächtig Brunhilde erregt war.

»Nur um ein Wort bitte ich Euch,« drängte er auf’s Neue, »gönnt mir nur ein Wort, daß Ihr durch mein offenes Geständniß nicht erzürnt seid!«

In diesem Moment begegneten sich ihre Blicke – hastig sprang er auf.

»Brunhilde, Du liebst mich!« rief er jubelnd und schloß das widerstandslos sich fügende Mädchen in seine Arme.

»Ja, Henning, ich liebe Dich, liebe Dich schon lange, lange!« flüsterte sie, verschämt das Gesicht an seiner Brust bergend, hob dann aber, als sie das Geständniß ihrer Liebe abgelegt, das Köpfchen in die Höhe und ließ ihn auch in ihrem Auge lesen, daß und wie sehr er geliebt sei.

Ihre Lippen begegneten sich im ersten, langen Kusse, und im seligen Vergessen schwelgten die Glücklichen in ihrem Liebesgekose, als eine Beiden wohlbekannte Stimme neben ihnen fragte:

»Ist der Herzenskummer meiner beiden Lieblinge nun endlich behoben?«

Frau Hedwig stand vor ihnen und betrachtete lächelnd das glückliche Paar.

Erröthend, verschämt entwand Brunhilde sich dem Arme des Geliebten, um im nächsten Moment sich schon an der Brust ihrer mütterlichen Freundin wiederzufinden.

»Tante,« rief Henning laut aufjubelnd, »ich bin der Glücklichste der Menschen, Brunhilde, dieser Engel, hat mir nicht nur vergeben, sondern liebt mich auch, ist mein!«

»Ist das möglich?« fragte Frau Hedwig, lächelnd sich zu Brunhilde herabbeugend. »Meine herzige Brunhilde kann einen – einen Falkenmeister lieb haben?«

»Ja, ja!« flüsterte diese verschämt, »ich habe ihn so sehr lieb, lieber als mich selbst!«

»Dann werdet glücklich miteinander, Kinder!« rief Frau Hedwig bewegt, küßte das Mädchen und ließ sie leicht in die Arme ihres Geliebten zurückgleiten.

»Dein Onkel, Henning, hat ebensogut wie ich erkannt, wie lieb Ihr einander habt, und er wird sich nicht wundern, wenn er jetzt erfährt, daß ein glückliches Brautpaar auf Betow weilt. Was aber wird Herr Simon, was wird Dein Vater, liebe Brunhilde, sagen? Wird er in seinem Groll gegen die Wedel’s nicht seine Einwilligung zu Eurer Verbindung versagen?«

»Früher wäre dies wohl möglich, ja sogar wahrscheinlich gewesen, heut’ jedoch —«

»Ist an seiner Einwilligung nicht mehr zu zweifeln,« fuhr Henning fort, »da er ja mit meinem Vater versöhnt ist!«

»Hm! Hm! Ich habe von dieser sogenannten Versöhnung, nach dem, was ich von Deinem Vater, Brunhilde, gehört, keine hohe Meinung; sie ist durch den Tausendkünstler, den Falkenmeister, ja förmlich erzwungen worden!«

»Das Beste wird wohl sein, sofort zu ihm zu gehen und nicht nur mich meiner Würde als Falkenmeister selbst zu entkleiden, sondern auch ihn um Dich, meine theure Brunhilde, zu bitten. Bleibe bei der Tante, liebes Herz, bis ich zurückkehre. Ich zweifle nicht daran, daß meine Bitte den erwünschten Erfolg haben wird!«

Noch ein Händedruck, ein Kuß und rasch eilte er hinaus, dem Saale zu, in welchem die beiden Ritter zechend saßen.

Herr Hans, welcher durch Frau Hedwig davon bereits unterrichtet sein mochte, daß Henning mit Brunhilde eine längere Unterredung gehabt habe, deren Inhalt nicht schwer zu errathen sei, verließ nach einem forschenden Blick auf Henning, welcher freudestrahlend ihnen näher trat, unter einem gleichgültigen Vorwande den Saal, und Henning befand sich mit dem ahnungslosen Vater seiner Geliebten allein.

Ohne Zögern legte nun der Junker ein völliges Geständniß der begangenen Täuschung hinsichtlich seines Namens ab, erklärte, wie es ihm möglich geworden sei, dem gefangenen Ritter zu seiner Befreiung behülflich zu sein, und bat ihn schließlich um die Hand seiner Tochter.

Ritter Simon war, als er Hennings wahren Namen hörte, vom Stuhle aufgesprungen, hatte sich dann aber bald soweit wieder zu beherrschen gewußt, daß er den Junker ohne Unterbrechung zu Ende zu hören vermochte.

Als dieser schwieg, stieß er den vor ihm stehenden Humpen mit einer Gewalt auf den Tisch, daß dieser dröhnte und rief, halb belustigt, halb ärgerlich:

»Bei allen Teufeln, Junker, Ihr habt nicht nur gezeigt, daß Ihr Muth, Kraft und Geschick besitzet, sondern auch, daß das Glück mit Euch ist. Ich aber habe bewiesen, daß ich, trotz meiner guten Augen, doch blind bin. Himmel und Hölle, war ich denn völlig mit Blindheit geschlagen, daß ich gar nicht daran zu denken vermochte, Euer Einfluß bei meinen seitherigen Gegnern müsse auf andere, näherliegende Gründe und Verhältnisse zurückzuführen sein, als Ihr mir solche anzugeben für gut befunden habt. Darüber wollen wir indeß noch einmal sprechen, wenn ich in Güntersberg werde die frühere Ordnung hergestellt haben. Durch Eure Bitte um die Hand meiner Tochter bringt Ihr mich in arge Verlegenheit. Ich möchte sie Niemandem lieber geben als Euch, bin aber durch ein Versprechen gebunden, das ich Herrn Erasmus von Wedel gegeben habe!«

»Herrn Erasmus? Ihr habt Eure Tochter, die liebliche Rose, dem – alten Herrn versprochen?«

»Bewahre, aber dem Sohne desselben!«

»Dem Junker Waldemar, welcher, so viel ich weiß, vor einer Reihe von Jahren zu seiner Ausbildung nach Brandenburg geschickt worden ist?«

»Ja, kennt Ihr ihn?«

»Persönlich nicht. Einer meiner Freunde, der Junker Joachim Gans zu Putlitz hat mir aber vor wenig Wochen erst mitgetheilt, daß dieser Waldemar in einem Kampfe mit den Stachowern gefallen sei. Mein Freund theilte mir dies in dem Glauben mit, ich sei mit Waldemar befreundet und nähme irgend welchen Antheil an dem Ergehen desselben. Diese Zusage hat demnach jede Bedeutung verloren, und ich verstehe nicht, weshalb Herr Erasmus Euch, seinem Freunde, keine Kenntniß von diesem unglücklichen Ereigniß gegeben hat. Unmöglich kann ich annehmen, daß er selbst noch keine Mittheilung erhalten habe, vielmehr will mir scheinen, die Nachricht sei Euch durch Zufall oder die böse Absicht eines Dritten vorenthalten worden!«

Der Ritter Simon war durch diese Nachricht sichtlich ergriffen und er verharrte längere Zeit schweigend in ernstem Sinnen, in welchem Junker Henning nicht wagte, ihn zu stören.

Endlich richtete er sich empor.

»Weiß Euer Vater um Eure Absicht?«

»Ja, und mit seiner Billigung bitte ich Euch um Eure Tochter!«

»Wo ist Brunhilde?«

»Bei Frau Hedwig!«

»Natürlich habt Ihr mit ihr bereits gesprochen?«

»Ich mag es nicht in Abrede stellen, daß wir bereits einig sind!«

»Ruft sie hierher zu mir!«

Wenige Augenblicke genügten dem Junker, das entfernt liegende Gemach zu erreichen, in welchem Brunhilde in ängstlicher Spannung der Rückkehr des Geliebten harrte, und klopfenden Herzens folgte sie ihm in den Saal, wo ihr Vater sie mit der anscheinend barschen Frage empfing:

»Zu meinem Befremden muß ich hören, daß meine folgsame, unschuldige Brunhilde ohne mein Wissen ein Liebesverhältniß angeknüpft hat? Wie willst Du Dich von dem Vorwurfe befreien, Deinen Vater hintergangen zu haben?«

Ein Zittern überlief den Körper des armen Mädchens, während ihr verlegen gesenktes Gesichtchen im jähen Wechsel bald erglühte, bald erbleichte.

Henning wollte ihr zu Hülfe eilen, ein zwar entschiedener, jedoch keineswegs unfreundlicher Blick des Ritters hielt ihn jedoch zurück.

In demselben Augenblick schlang Brunhilde beide Arme um den Hals ihres Vaters und stieß unter Thränen und mit gepreßter Stimme hervor:

»Verzeihung, lieber Vater; ich liebe Henning so sehr! Begehe ich denn ein Unrecht damit, daß ich ihn, nur ihn lieb habe?«

»Allerdings, mein Kind, und zur Strafe sollst Du die Frau des jungen Mannes werden, der neben Dir steht!«

Brunhilde richtete einen scheuen Blick seitwärts. In demselben Moment aber umschlang sie aufs Neue stürmisch den Vater, welcher unter ihren Liebkosungen schließlich in komischen Zorn gerieth.

»Kind, Du erstickst mich ja! Hör’ auf mit dem Küssen und laß meinetwegen dem da auch einige zukommen; sieh doch, wie neidisch er mich betrachtet!«

Mit diesen Worten befreite er sich aus ihren Armen und legte die Hände der Liebenden ineinander.

Allen war es entgangen, daß Herr Hans inzwischen eingetreten war und die Scene schweigend und glücklich lächelnd beobachtet hatte.

Erst sein freudiger Ausruf:

»Darf man das im siebenten Himmel schwebende Pärchen durch einen kurzen aber aufrichtigen Glückwunsch wieder auf die Erde zurückrufen?« veranlaßte sie, sich nach dem langsam sich Nähernden zu wenden, welcher Brunhilde und Henning freundlich die Hände darbot und durch seine offene Freude deutlich zeigte, wie lieb ihm die Verbindung seines Neffen mit Brunhilde sei.

»Herr Ritter,« fuhr er mit gedämpfter Stimme zu dem Vater der glücklichen Braut fort, »ich denke, wir überlassen das Paar sich selbst und richten unsere Aufmerksamkeit zunächst auf einen guten Nachttrunk, bei welcher Gelegenheit wir noch etwas besprechen können, was mit dem Jubel Verliebter und Verlobter nicht ganz in Einklang zu bringen ist!«

»Ist irgend etwas Unangenehmes vorgefallen?«

»Das ist gerade nicht der Fall, doch immerhin klingt die noch ziemlich weit aussehende Angelegenheit ernst!«

»Eine Fehde?«

»Ich bitte Euch, mich zu begleiten. Wir wollen es in Ruhe besprechen!«

Dieses kurze Gespräch war einige Schritte abseits von Henning geführt worden, so daß dieser es nicht vollständig verstanden hatte. Obwohl er Neigung zeigte, um näheren Aufschluß zu bitten, so verzichtete er jedoch auf Befriedigung seiner Wißbegier, weil Brunhilde ihn bat, mit ihr zu Frau Hedwig zurückzukehren.

»Seht ‚mal die kleine schlaue Hexe,« rief Herr Hans, welcher die Bitte Brunhildens verstanden hatte, lachend; »sie weiß, daß ich nirgends lieber trinke, als hier, deshalb will sie uns allein lassen, da sie aber heut’ sich fürchtet, allein zu gehen, muß ihr geliebter Henning wohl oder übel mit ihr fort! Henning, Henning, wie sehr wirst Du unter den Pantoffel gerathen! Armer Junge, Du dauerst mich!«

»Ohm,« erwiderte dieser lachend, während er, Brunhilden folgend, bereits an der Thür stand, »ich kann Dein Bedauern nicht annehmen, denn ich stelle mich freiwillig unter die Herrschaft meiner Brunhilde und fühle mich unbeschreiblich glücklich dabei!«

Als Beide den Saal verlassen hatten, wurde die Miene des Herrn Hans ernster und Simon fragte verwundert, was in aller Welt vorgefallen sei, das ihm die Freude an dem heutigen Tage zu verbittern vermöge.

»Verbittern? Nein! Soweit lasse ich mich durch das, was ich erfahren, nicht beherrschen. Daß die Sache aber ernst, sehr ernster Natur ist, werdet Ihr bald selbst erfahren.«

»Ich bin in der That begierig, zu erfahren, was Euch, dessen Kaltblütigkeit weit bekannt ist, in so hohem Grade ernst zu stimmen vermag!«

»Hört nur. Euch sind ohne Zweifel ebensogut wie mir die Zwistigkeiten bekannt, welche zwischen Markgraf Friedrich von Zollern und einem Theil der märkischen Ritterschaft seit der Ankunft des Nürnberger Burggrafen in den Marken bestehen und ebenso sicher werdet Ihr von dem Mißgeschick gehört haben, das Dietrich von Quitzow auf Friesack betroffen hat!«

»Gewiß habe ich über diese Streitigkeiten und über den Fall Friesack’s viel erfahren. Ritter Dietrich hat sich, wie mir gesagt wurde, nach seiner Flucht aus der als uneinnehmbar erachteten Veste nach Pommern gewandt, um hier Bundesgenossen zum Kampfe gegen den Markgrafen zu erwerben, und ich muß Euch offen gestehen, daß ich im ersten Augenblick, als ich diese Nachricht erhielt, den Wunsch gehegt habe, Herr Dietrich möge bei mir einkehren. Da erinnere ich mich eben dessen, was Henning und Brunhilde mir erzählt haben: Der Flüchtling sei auf Güntersberg eingekehrt und habe am folgenden Morgen vor seiner Abreise Henning das Versprechen gegeben, nach Güntersberg zurückzukehren. Ich muß gestehen, daß, wenn hier kein Irrthum vorliegt, ich diesem Besuch mit sehr viel Interesse entgegensehe. Einen so gewaltigen Kämpen, wie Dietrich von Quitzow, kann man ja nur hochachten; seine Klinge ist viel, sehr viel werth!«

»Hm! Hm! Henning hat mir auch von seiner Begegnung mit Dietrich gesprochen, und auch ich fühle mich nicht ganz frei von Zweifeln, daß hier ein Irrthum vorliegt. Dietrich soll ebenso wortkarg als stolz sein. Henning ist ihm als Dienender, als – nun, als – Falkenmeister gegenübergetreten, und es will mir nicht einleuchten, daß der hochmüthige Ritter sich zu dem Versprechen der Rückkehr nach Güntersberg herbeigelassen habe. Andererseits ist Henning aber auch nicht der Mann, welcher so leicht das Opfer einer Täuschung wird. Von Brunhilde will ich nicht weiter sprechen. Das Mädchen mußte eben glauben, was ihr gesagt wurde. Die Sache ist mir nicht klar, doch werde ich mich hüten, Henning gegenüber einen Zweifel zu äußern. Er würde dies gewaltig und mit Recht übel vermerken.

»Auch seine Reise nach Reetz ist mir nicht klar. Wie ist er mit dem Erasmus zusammengekommen?«

»Ich glaube, seine Anwesenheit in Reetz läßt sich erklären. Er hat Janeke’s Mannen zur Hülfe für das bedrohte Güntersberg entboten, muß also doch wohl in Reetz gewesen sein und wird dabei den alten Erasmus kennen gelernt haben. Weniger erklärlich erscheint es mir aber, daß Dietrich nicht selbst mit den Knechten zurückgekommen ist. Von einem ernstlichen Hinderungsgrunde kann schwerlich die Rede sein, vielmehr muß ich annehmen, daß es am guten Willen gefehlt hat, das gegebene Versprechen zu einer Zeit einzulösen, in welcher seine Hülfe für mich von sehr hohem Werth war. Ein Grund wäre allerdings noch möglich, es ist jedoch nicht wahrscheinlich, daß dieser hier zutreffend sei. Erasmus mußte seine sofortige Rückkehr verhindert haben!«

»Wäre dieser Grund wirklich so ganz und gar außer Betracht zu lassen? Erasmus von Wedel scheut sich nicht, mit seinen nächsten Verwandten in hartnäckiger Fehde zu leben. Er wird deshalb auch nicht davor zurückschrecken, eines augenblicklichen, sei es auch nur scheinbaren, Vortheils wegen das Interesse eines Verbündeten dem eigenen nachzustellen!«

»Gleichviel! Ich denke, die heut’ noch unklaren Punkte der ganzen Angelegenheit werden sich in nächster Zeit schon aufklären, und ebensowenig zweifle ich daran, daß Dietrich von Quitzow uns lange fern bleiben wird. Wir sind durch die Erwähnung Dietrich’s übrigens von der Frage abgekommen, welche wir allem Vermuthen nach besprechen wollten!«

»Durchaus nicht in dem Grade, wie Ihr anzunehmen scheint, denn Dietrich wird in dem in Aussicht stehenden Kampfe mit den Markgräflichen keine unbedeutende Rolle spielen!«

»In einem Kampfe mit Markgraf Friedrich? Wer will gegen ihn zu Felde ziehen? Ich höre von dieser Angelegenheit zum erstenmale sprechen!«

»Ihr werdet Euch erinnern, daß die Herzöge Casimir und Otto von Pommern niemals Freunde des Markgrafen gewesen und nur durch persönliche Rücksichten auf die Interessen des eigenen Landes verhindert worden sind, angriffsweise vorzugehen. Inzwischen hat der Markgraf aber seine Macht in den Marken in einer Weise ausgedehnt, die den Fürsten Besorgniß wegen des Bestandes ihrer eigenen Herrschaft einflößt. Sie haben deshalb im Geheimen bereits Anstalten getroffen, welche die Eröffnung der Fehde zum Endziel haben. Es fehlte ihnen seither nur an der für sie günstigsten Gelegenheit, ihrem Groll gegen den Nürnberger Burggrafen nachhaltigen Ausdruck zu geben. Diese Gelegenheit soll sich nach den gestern erhaltenen Nachrichten jetzt bieten. Der Markgraf ist mit mehreren seiner tapfersten Ritter nach Kostnitz gereist, um dort an der Versammlung der geistlichen und weltlichen Fürsten theilzunehmen. Es ist zwar noch nicht genau bekannt geworden, was er dort zu thun beabsichtigt, doch dürfte man keinesfalls fehlgehen in der Annahme, daß er aus keinem anderen Grunde die weite Reise unternommen hat, als weil er durch den Kaiser eine erhöhte Machtbefugniß erlangen will. Dem muß rechtzeitig vorgebeugt werden!«

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Ilmumiskuupäev Litres'is:
30 august 2016
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