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Loe raamatut: «Satan und Ischariot III», lehekülg 2

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»Das ist ihre Pflicht, und dafür werden sie besoldet. Uebrigens werde auch ich sofort nach der Fährte der drei Meltons suchen und, sobald ich sie gefunden habe, derselben folgen.«

»Möchtet Ihr das nicht lieber der Geheimpolizei überlassen? Ihr könntet leicht Fehler begehen, welche den Polizisten zum Schaden gereichen.«

»Meint Ihr?«

»Ja. Ihr seid ein vorzüglicher Prairiejäger; aber ein Wild aufsuchen oder drei so raffinierte Verbrecher verfolgen, das ist zweierlei.«

»Hm! Eure Belehrung wirkt so erdrückend, daß ich mir allerdings vornehme, den Herren Geheimpolizisten keine Störung zu bereiten. Wann ist der vermeintliche Small Hunter denn eigentlich abgereist?«

»Vor fast zwei Wochen.«

»Also ungefähr an demselben Tage, an welchem Euer Vorstand der Office seinen Urlaub angetreten hat. In welchem Hotel hat er gewohnt?«

»In keinem. Er hatte ein sehr hübsches Privatlogis bei einer Witwe hier in meiner Nähe. Er ging fast gar nicht aus und besuchte mich auch nur dann, wenn es notwendig war.«

»Womit begründete er diese Zurückgezogenheit?«

»Mit dem Studium der indischen Sprache, welche ihn ganz in Anspruch nahm.«

»So hat er mit niemandem sonst Verkehr gehegt?«

»Mit keinem Menschen. Die Witwe, Mrs. Elias, bewohnt ein Parterre fünf Häuser aufwärts von hier. Ich bin einigemal dort gewesen, fand ihn aber so in seine fremden Bücher vertieft, daß ich nur das Notwendigste mit ihm besprechen konnte.«

»Und da behauptetet Ihr vorhin, daß ein Betrüger Gefahr liefe, von Euch schon in der ersten Stunde durchschaut zu werden?!«

»Ihr habt recht. Nun Ihr mir die Augen geöffnet habt, mache ich mir sein Verhalten erst klar und komme da allerdings zu der Ueberzeugung, daß er sich außerordentlich in acht genommen hat, in ein intimes Gespräch mit mir zu geraten.«

»Und wo hat Euer wackerer Vorstand der Office gewohnt?«

»Im Parterre des Hofes rechts nebenan.«

»Wer ist sein Wirt?«

»Ein Händler, ich weiß nicht, womit. Hudson wohnte in Aftermiete. Wollt Ihr noch mehr über ihn wissen? Vielleicht den Polizisten doch noch in das Handwerk pfuschen? Thut das doch ja nicht; Ihr könntet vieles, vielleicht sogar alles verderben!«

Ich will aufrichtig gestehen, daß mich diese wiederholte Warnung ärgerte. Ich war früher auch als Detektive thätig gewesen und hatte meine Aufgabe zur Zufriedenheit gelöst. Vorhin hatte er meine Erzählung gehört, und wenn ich auch nur so wenig wie möglich mich dabei in Erwähnung gebracht hatte, so mußte er doch aus dem Berichte ersehen, daß wir wenigstens keine Hohlköpfe waren. Daß er dennoch meinte, ich könne leicht alles in Frage stellen, verdarb mir vollends die Laune, die schon vorher keine gute gewesen war. Ich machte also kurzen Prozeß, nannte ihm das Hotel, in welchem wir zu finden waren, und ließ ihn mit dem Bewußtsein allein, das zu sein, was ich nicht war, nämlich ein guter Jurist, trotzdem aber doch die beiden Meltons nicht durchschaut zu haben.

Wie staunten Emery und Winnetou, als ich ihnen erzählte, was ich bei dem Advokaten erfahren hatte! Der erstere schlug mit der Faust auf den Tisch, daß es dröhnte, und rief zornig aus:

»Hat man so etwas für möglich gehalten! Jetzt können wir nun anfangen, von neuem hinter den Halunken herzulaufen, nämlich, wenn sie so gütig gewesen sind, eine Spur zu hinterlassen. Und dabei steht noch gar zu erwarten, daß trotz der Mühe, die wir uns dabei geben, und trotz aller Gefahren, die wir laufen, das Geld deiner Schützlinge doch verloren ist! Und das ist ein Jurist! Und der redet davon, daß man ein Wild leichter fängt, als einen Menschen! Der Kerl sollte mir mal einen Grizzlybären fangen! Fliegen, ja, aber keinen Bären! Hält einen fremden Schwindler für seinen Busenfreund, stellt einen zehnfachen Räuber und Mörder in seiner Expedition als Vorstand an und will uns – uns – uns gute Lehren geben! Er mag Gott danken, daß er sich nicht jetzt in diesem Zimmer befindet; ich würde ihn – —!«

Er sprach seine Drohung nicht aus, versetzte dafür aber dem Tische einen zweiten Hieb, daß die Platte auseinandersprang. Winnetou sagte kein Wort. Wenn er ja eine Art von Aerger fühlte, so verbot ihm sein Indianerstolz, ihn sehen oder hören zu lassen.

Es waren noch nicht zwei Stunden vergangen, so erschien ein Bote, um uns in das Verhör zu rufen. Als wir unsere Aussagen gemacht hatten, mußten wir sie beeiden. Winnetou bekam den Eid erlassen. Dann wurden wir ermahnt, uns jetzt stets zur Verfügung der Behörde bereit zu halten. Trotzdem aber waren wir entschlossen, New Orleans zu verlassen, sobald wir das für nötig halten sollten.

Kaum waren wir in unsere gemeinsame Wohnung zurückgekehrt, so brachte der Kellner uns einen Mann, welcher uns zu sprechen verlangt hatte. Es war ein sehr sorgfältig gekleideter und pfiffig aussehender Master bei guten Jahren. Er setzte sich ohne Umstände auf den ihm nächststehenden Stuhl, betrachtete uns der Reihe nach sehr aufmerksam, spuckte einmal tüchtig aus, schob sein Primchen in den andern Backen und fragte Emery:

»Ich schätze, in Euch den sehr honorablen Mister Bothwell vor mir zu sehen?«

»Ich heiße Bothwell,« nickte der Gefragte kurz.

»Und Ihr seid der bekannte Prairiemann, den man Old Shatterhand nennt?« wurde ich gefragt.

»Ja.«

»Und Ihr seid ein Redmann Namens Winnetou?«

Winnetou gab trotz der etwas unhöflichen Ausdrucksweise des Fragers eine Antwort, indem er nickte.

»Well! So bin ich bei den richtigen Leuten,« fuhr der Fremde fort, »und ich hoffe, daß ihr mir die nötige Auskunft geben werdet.«

»Wollt Ihr uns wohl zunächst sagen, wer Ihr seid, Master?« forderte Emery ihn auf. »Oder seid ihr vielleicht gar nichts und habt auch keinen Namen?«

»Ich bin alles und habe alle Namen,« lautete die selbstbewußte Antwort. »Wie ich heiße, kann Euch gleichgültig sein. Es genügt, Euch zu sagen, daß wir die drei Meltons suchen wollen. Ich habe die unter mir stehenden Detektives von allem zu unterrichten und möchte Euch vor allen Dingen ersuchen, die Hand dabei aus dem Spiele zu lassen.«

»Das werden wir außerordentlich gern thun,« erklärte Emery. »Erinnert Euch nur so oft wie möglich an die Weisung, die Ihr uns damit so freundlich erteilt!«

»Also nun meine Fragen! Ihr kennt doch die Meltons genau?«

Wir antworteten dem eingebildeten Patron kaum, sodaß er endlich zornig sich empfahl. Dann meinte Emery:

»Wir müssen die Meltons unbedingt selbst finden. Aber wo haben wir sie zu suchen? Glaubst du, daß Jonathan mit dem Schiffe fort ist?«

»Fällt ihm nicht ein. Er ist an Bord gegangen, nur um den Advokaten irre zu führen,« antwortete ich.

»Und sein Onkel Harry?«

»Ist nicht nach St. Louis. Nach Europa sind sie nicht, denn sie wissen, daß die Telegraphen spielen werden. Nach Afrika und so weiter gehen sie auch nicht, da sie dort Pfefferkörner unter den Rosinen gefunden haben. Es ist am klügsten für sie, zunächst in die Verborgenheit zu gehen und Gras über die Gegenwart wachsen zu lassen, ehe sie es wagen können, sich, ob hier oder dort, unter Menschen zu zeigen. Und wo finden sie die Zurückgezogenheit am schnellsten und besten? Hier in den westlichen Staaten. Ich möchte wetten, daß sie irgendwo droben in den Felsenbergen stecken. Sie können da ein ganzes Jahr und noch länger ungesehen stecken.«

»Möchte dasselbe behaupten. Hoffentlich haben sie eine Spur zurückgelassen!«

»Kein Ereignis und keine That bleibt ohne Spur.

Es gilt nur, sie aufzufinden. Ich werde jetzt zunächst einmal nach den beiden Wohnungen gehen. Vielleicht bemerke ich da den Anfang eines Fadens, den wir aufwickeln können.«

Ich machte mich zu Mrs. Elias auf den Weg, ging aber nicht direkt zur ihr, sondern trat vorher in eine Trinkstube, welche ihrer Wohnung gegenüber lag. Ich wollte versuchen, da etwas zu erfahren. Leider wurde ich von einem alten, schläfrigen Neger bedient, welcher sich erst seit einigen Tagen in dieser Stellung befand; ich richtete also gar keine weitere Frage an ihn. Dennoch freute ich mich nachher, hier eingekehrt zu sein, denn ich saß noch gar nicht lange da, so sah ich unsern Detektive und »Gentleman« drüben aus dem Hause kommen. Er hatte Mrs. Elias gewiß einen Besuch abgestattet, um sich nach Jonathan Melton zu erkundigen.

Ich wartete noch eine Viertelstunde und ging dann hinüber. Die Inschrift eines kleinen Schildes sagte mir, daß die Wohnung wieder oder vielmehr noch zu vermieten sei. Als ich klingelte, öffnete eine ziemlich alte und sehr dicke Mulattin, die mit ihrer undurchsichtigen Gestalt unter der Thür stehen blieb und mich forschend betrachtete. Ich wußte diese Art von Dienstboten zu behandeln, zog den Hut sehr tief und fragte:

»Bitte, Mylady, bin ich so glücklich, Mrs. Elias zu sehen?«

Sie fühlte sich unendlich geschmeichelt, für ihre Herrin gehalten zu werden, und lächelte vor Wonne, daß ihr Gesicht noch einmal so breit wurde.

»Nein,« antwortete sie. »Ich bin nur die Köchin. Mrs. Elias ist im Zimmer. Kommt, Sirrrr!«

»Nehmt vorher meine Karte, Mylady! Man darf nicht unangemeldet zu einer solchen Dame kommen.«

Sie grinste mich wieder glücklich an, nahm die Karte, eilte mir voraus, riß eine Thür auf, trat hinein und sagte so laut, daß ich es hören konnte:

»Hier, Ma‘am, eine Karte von einem sehr, sehr feinen Sirrrr! Wonderful fine! Viel gebildeter als der, der vorhin da war!«

Dann kam sie wieder heraus, ließ mich ein und machte die Thür hinter mir zu. Ich stand vor einer ältlichen Dame, welche mir aus einem wohlwollenden Gesichte mit freundlichen Augen entgegenblickte.

»Verzeihung, Madam! Ich lese, daß hier eine Wohnung zu vermieten ist!«

»Ja«, nickte sie, indem sie ihren Blick zwischen mir und meiner Karte hin und her gehen ließ. »Wie es scheint, seid Ihr ein Deutscher?«

»Allerdings.«

»Das freut mich sehr. Ich bin eine Landsmännin von Euch. Bitte, macht mir das Vergnügen, Euch zu setzen! Die Wohnung, welche ich zu vermieten habe, besteht aus vier Räumen. Ist Euch das nicht zu viel?«

Sie hatte das deutsch gesagt. ich sah in ihr gutes, ehrliches Gesicht, und da war es mir unmöglich, sie zu belügen. »Schade doch, ein Deutscher und dennoch ein Lügner!« so sollte sie nicht von mir denken oder gar sagen. Darum antwortete ich:

»Allerdings. Selbst ein einzelner Raum würde mir zuviel sein. Ich komme nicht der Wohnung wegen, Madame.«

»Nicht?« fragte sie erstaunt. »Und doch fragtet Ihr nach ihr!«

»Das war nur ein Vorwand. Nun Ihr aber eine Landsmännin vor mir seid und ich in Euer aufrichtiges Gesicht blicke, darf ich Euch keine Unwahrheit sagen.

Mein Zweck war, mich nach Small Hunter zu erkundigen, welcher bei Euch gewohnt hat.«

»Nach diesem? Seid Ihr etwa auch ein Geheimpolizist?«

Bei dieser Frage verfinsterte sich ihr Gesicht.

»Nein, Madame; ich bin ein Privatmann, habe aber ein so großes und begründetes Interesse an Hunter, daß ich Euch zu großer Dankbarkeit verbunden sein würde, wenn Ihr die Güte haben wolltet, mir Auskunft über Ihn zu geben.«

Da lächelte sie:

»Ich sollte eigentlich nicht, weil Ihr nicht offen zu mir gekommen seid. Da Ihr aber Reue zeigt, will ich trotzdem Euern Wunsch erfüllen. Kennt Ihr Hunter?«

»Besser, als mir lieb ist.«

»Besser – —? als Euch lieb ist – —? So ist‘s wohl wahr, was der Polizist sagte?«

»Was hat er gesagt?«

»Daß Hunter ein Betrüger, ja sogar ein Mörder sei?«

»Das ist wahr.«

»Hilf, Himmel! Einen so gefährlichen Menschen, einen solchen Bösewicht habe ich bei mir wohnen gehabt! Hätte ich das gewußt, ich hätte keine Minute ruhen können, bis er wieder fort gewesen wäre. Es ist schrecklich; es ist geradezu entsetzlich!«

»Der Polizist hat Euch also gesagt, um was es sich handelt?«

»Ja. Hunter heißt eigentlich Melton, hat den echten Hunter ermordet und sich dann hier für diesen ausgegeben, um zu dem Vermögen desselben zu kommen. Ist das wahr?«

»So ungefähr. Ich weiß nicht, ob der Detektive recht gehandelt hat, indem er Euch diese Mitteilungen machte; da Ihr nun aber einmal alles wißt, kann ich mit Euch davon sprechen. Ich selbst bin es gewesen, der die Nachricht von der That hierher gebracht hat. Melton ist ein Schurke. Das Erbe, welches er durch Mord und Betrug an sich gebracht hat, gehört einer armen, braven deutschen Familie, welche in San Francisco in schwerer Bedrängnis lebt. Vielleicht könnt Ihr dazu beitragen, daß die Leute zu ihrem Rechte kommen.«

»Wie gerne würde ich das thun, wenn ich es vermöchte. Was wünscht Ihr von mir?«

»Irgend einen Aufschluß, der es mir ermöglicht, den jetzigen Aufenthalt Meltons zu entdecken.«

»Dasselbe wünschte der Polizist auch von mir.«

»Habt Ihr ihm Auskunft gegeben?«

»Nein, denn der Mann trat so brutal auf, daß er weniger erfuhr, als ich wußte. Ich habe ihm gar nichts gesagt, hätte ihm aber das, was er wissen wollte, auch gar nicht sagen können, weil ich mich darüber selbst in vollster Unwissenheit befinde.«

»Mit wem verkehrte Hunter?«

»Der Advokat Murphy kam einigemal zu ihm, und er ist auch zwei- oder dreimal ausgegangen; wohin, das weiß ich nicht, denke aber, eben zu diesem Advokaten.«

»Weiter kam niemand?«

»Einmal kam ein anderer. Der war wohl Schreiber des Advokaten. Er sah Hunters Diener außerordentlich ähnlich.«

»Hatte Hunter einen Diener?«

»Nur so lange, als er hier in New Orleans blieb. Er hat ihn erst hier engagiert und vor seiner Abreise wieder entlassen.«

»Hm! Was für eine Persönlichkeit war der Diener? Könnt Ihr mir eine genaue Beschreibung von ihm geben?«

Sie folgte dem Wunsche, und ich gelangte dadurch zu der Ueberzeugung, daß dieser sogenannte Diener kein anderer als sein Vater gewesen war.

»Habt Ihr vielleicht gehört, was er mit dem Diener gesprochen hat?« erkundigte ich mich weiter.

»Was ich da gehört habe, waren ganz alltägliche Dinge. Sie flüsterten aber sehr viel miteinander; sie mußten Heimlichkeiten haben, die niemand hören sollte.«

»Womit beschäftigte sich Small Hunter? Da er fast gar nicht ausging, stand ihm viel Zeit zur Verfügung. Hat er diese denn nicht auf irgend eine nützliche Weise verbracht?«

»Nein. Er saß immer am Fenster.«

»Mir aber wurde gesagt, er habe sich mit Studien beschäftigt?«

»Das ist nicht wahr. Nur wenn der Advokat kam, wurden Bücher zur Hand genommen.«

»Ah, dachte es mir! Was hattet Ihr eigentlich für eine Ansicht über den Mann? Es muß Euch doch aufgefallen sein, daß er sich nicht beschäftigte.«

»Ich hielt ihn für krank, für tiefsinnig. Diese Ansicht aber änderte sich dann, als wir bemerkten, daß er nach oben ging, zu der Dame, welche sich über uns eingemietet hat.«

»Wohnt sie allein?«

»Nein. Sie hat zwei Dienerinnen bei sich, welche ich für Indianerinnen halte.«

»Ist sie jung?«

»Ja, und schön.«

»Wie heißt sie?«

»Silverhill.«

»Das ist ein englischer Name.«

»Ja. Doch glaube ich kaum, daß ihre Eltern und Verwandten Yankees oder Engländer sind. Wir hören sie zuweilen mit ihren Dienerinnen sprechen; das ist immer spanisch.«

»Hm! Und bei dieser Dame verkehrte Euer Mietwohner?«

»Erst nach der ersten Woche. Da er stets am Fenster saß, ist sie ihm bei ihren Ausgängen und wenn sie heimkehrte, aufgefallen. Er erkundigte sich bei mir nach ihr; dann machte er ihr seinen Besuch, und von da an war er oft bei ihr.«

»Wußte Advokat Murphy davon?«

»Ich weiß es nicht, glaube es aber auch nicht.«

»Gäbe es sonst vielleicht noch irgend eine Bemerkung oder Mitteilung, welche Ihr mir über den falschen Hunter machen könnt?«

»Wohl nicht. Wenigstens könnte ich mich auf nichts besinnen, was für Euch von Wert sein könnte. Wenn Ihr mich aber noch einmal besuchen wollt, werde ich Euch gern sagen, ob mir noch etwas eingefallen ist.«

»Eurer freundlichen Einladung werde ich wahrscheinlich einmal Folge leisten, falls ich nicht fürchten muß, Euch allzusehr zu belästigen.«

»O, Ihr belästigt mich nicht; Ihr seid mir sogar willkommen. Ich freue mich darüber, daß Ihr aus einem Manne, der die Unwahrheit sagen wollte, zu einem ehrlichen geworden seid.«

»Aber nur durch Euch, Madame,« antwortete ich, auf ihren Scherz eingehend. »Wißt Ihr vielleicht etwas über die Verhältnisse der Dame da oben?«

»Sehr wenig. Sie ist reich. Meine Köchin hat einigemale mit den Indianerinnen gesprochen. Die Dame spielt leidenschaftlich, und dabei stets mit Glück. Sie lud Herren zu sich ein, welche ebenso leidenschaftliche Spieler sind. Das ist alles. Uebrigens nehme ich an, daß sie Witwe ist. Eine der Indianerinnen hat einmal eine darauf bezügliche Aeußerung fallen lassen. Und ihr Mann scheint nicht von gewöhnlichem Stande gewesen zu ein.«

»Wohl gar ein Indianerhäuptling!«

Ich sagte das im Scherze, und sie lachte auch darüber; aber in demselben Augenblicke kam mir ein sehr ernster Gedanke, dem ich auch gleich Ausdruck gab:

»Habt Ihr schon früher einmal ein indianisches Dienstmädchen gesehen?«

»Nein.«

»Eine freie Indianerin wird sich niemals erniedrigen, einer Weißen häusliche Dienste zu erweisen. Es müssen hier ganz besondere Verhältnisse vorliegen. Ich kenne da einen Fall, daß eine Weiße einen Indianerhäuptling geheiratet hat. Ist die Dame da oben blond?«

»Nein, tiefschwarz. Ich halte sie für eine Jüdin.«

»Jüdin? Ah! Kennt Ihr ihren Vornamen?«

»Ja, es wurde einmal ein Brief gebracht und meiner Mulattin übergeben. Diese kann nicht lesen und brachte ihn mir. Ich sah die Adresse. Die Dame heißt Judith Silverhill.«

»Meine Ahnung, meine Ahnung! Silverhill ist zu Deutsch Silberberg, und so hieß die Jüdin, welche den Indianerhäuptling zum Manne nahm. Ich muß hinauf zu ihr!«

»Wie? Ihr kennt Sie?«

»Ja, wenn ich mich nicht ganz und gar irre. Das ist ein höchst interessanter Zufall, welcher mir wahrscheinlich von großem Nutzen sein wird. Madame, Ihr seid so lieb und freundlich zu mir gewesen; ich bitte, mir noch eine große, recht große Gunst zu erweisen!«

»Wenn es in meiner Möglichkeit liegt, wird es sehr gern geschehen.«

»Ihr seid nie in ein Gespräch mit der Dame gekommen?«

»Noch nie.«

»Der Zufall könnte es fügen, daß dies doch geschehe. Bitte, erwähnt nicht, weshalb ich bei Euch gewesen bin; sprecht überhaupt nicht von mir, und verbietet auch Eurer Mulattin, den Indianerinnen da oben zu erzählen, daß der vermeintliche Small Hunter eigentlich ein anderer ist.«

»Sie weiß es noch gar nicht, und ich werde es ihr auch nicht sagen. Ihr wollt dieser Dame also wirklich einen Besuch machen?«

»Auf alle Fälle!«

Ich bedankte mich herzlich für die mir erwiesene Freundlichkeit und wurde aufgefordert, getrost wiederzukommen. Ich stieg die Treppe empor. Es gab da oben nur ein Entree. Als ich die Glocke gezogen hatte, wurde von einem Mädchen geöffnet, in welchem auch ich sogleich eine Indianerin vermutete. Sie trat beiseite, um mich einzulassen, und öffnete, ohne mich zu fragen oder ein Wort zu sagen, eine zweite Thür, durch welche ich in ein sehr schön ausgestattetes Zimmer kam. Im Nebenzimmer hörte ich ein Geräusch. Die Portieren wurden auseinandergeschlagen, und vor mir stand – —Judith Silberstein, die Jüdin, welche ich zuletzt als Verlobte des Yumahäuptlings gesehen hatte. Sie hatte sich seit damals noch mehr entwickelt und war schöner, höher und auch stärker geworden. Freilich zeigte der erste Blick gleich, daß sie ihre damaligen Anlagen fleißig ausgebildet hatte und eine vollständige Kokette geworden war. Sogar jetzt, daheim, wo kein Besuch zu erwarten war, hatte sie echte Diamanten am Halse und an den entblößten Armen schimmern. Sie erkannte mich auf der Stelle. In einem Tone, welchem halb Freude, halb Besorgnis anzuhören war, rief sie in spanischer Sprache aus:

»Sie, Sennor – – Sennor – —! Welch eine frohe Ueberraschung! Wie habe ich mich gesehnt, Sie einmal zu sehen! Bitte, kommen Sie herein ins Boudoir! Setzen Sie sich zu mir! Wir haben uns viel, viel zu erzählen.«

Sie zog mich an der Hand in ihr Zimmer, und ich mußte neben ihr auf dem Diwan Platz nehmen. Ja, sie war ein schönes Weib; aber der Scheitel lag voller Haarschuppen; der Hals schien heute noch nicht gewaschen zu sein; die schön geformten Fingernägel hatten Trauerränder. Sie behielt meine Hand in der ihrigen und sagte mit einem neckischen Augenaufschlage:

»Ich muß Ihnen gleich von vornherein gestehen, daß ich Ihren Namen vergessen habe. Ist das nicht unverzeihlich?«

»Allerdings, besonders da Sie mir soeben versicherten, sich so sehr nach mir gesehnt zu haben.«

»Sie dürfen verzeihen! Man sieht, hört und erlebt soviel, daß man das einzelne leicht vergißt. Sie hatten, wenn ich nicht irre, zwei Namen, Ihren wirklichen und einen andern, mit dem Sie von den Indianern genannt wurden. Dieser letztere hieß – hieß – wie nur gleich? Es war wohl Hand oder Fuß dabei!«

»Old Firefoot,« fiel ich schnell ein, indem ich ihr einen falschen Namen sagte. Es war mir ungemein lieb, daß sie sich nicht mehr besinnen konnte. Sie hatte mit Jonathan Melton hier verkehrt; es war jedenfalls besser, wenn sie meine Namen nicht wußte.

»Ja, ja, so war‘s – ein foot war dabei; das wußte ich,« nickte sie lachend. »Und Ihr Familienname? Wenn ich mich nicht irre, hießen Sie wie einer von den zwölf Monaten?«

»März,« sagte ich.

»Ja, März, März war es. Also, Sennor März, können Sie sich besinnen, wie wir damals auseinandergegangen sind?«

»Nicht eben sehr freundlich.«

»Nein, gar nicht. Wissen Sie, welche Drohung Sie sogar aussprachen?«

»Ja, das weiß ich noch.«

»Hätten Sie den Mut, es mir heute zu sagen?«

»Warum nicht? Ich wollte Sie peitschen lassen, falls Sie sich noch einmal von mir erblicken ließen.«

»Schrecklich! Hören Sie nur, wie das klingt! Eine Dame, noch dazu eine junge, hübsche, prügeln lassen! Hoffentlich war es nur eine Drohung von Ihnen!«

»Sie waren vom Gegenteil überzeugt, denn Sie haben sich dann nicht wieder sehen lassen.«

»Also hätten Sie die Drohung wirklich zur Wahrheit gemacht?«

»Ganz gewiß! Ich gebe Ihnen mein Wort, daß es mir voller Ernst war.«

»Entsetzlich! Sie sind kein Sennor, kein Mensch, sondern ein Tyrann!«

»Nein. Ich besitze im Gegenteil ein sehr weiches Herz, tausche aber nicht gern Wachs für Eisen ein. Beides hat Berechtigung, aber jedes nur zu seiner Zeit. Wenn es sich nicht nur um die Freiheit so vieler Menschen handelt wie damals, sondern um Blutvergießen, um Leben und Tod, pflege ich keiner Laune zu folgen, selbst wenn es die Laune einer jungen und hübschen‘ Dame wäre.«

»Warum legen Sie den Ton so auf dieses Wörtchen hübsch? Fanden Sie mich damals häßlich?«

»Nein.«

»Ihr Verhalten ließ es mich aber sehr vermuten.«

»Weil das Ihrige nicht hübsch war. Sie gingen von der noch warmen Leiche Ihres Verlobten wie von einem Braten, der für den Herd geschlachtet worden ist.«

»Ich liebte ihn nicht mehr. Also hübsch fanden Sie mich doch? Und jetzt? Haben Sie nicht bemerkt, daß ich mich verändert habe?«

»Ja. Sie sind schöner geworden.«

»Und das sagen Sie in einem so eisigen Tone? Sie sind wirklich ein entsetzlicher Mensch und ganz derselbe wie damals geblieben. Ich bin schöner, Sie aber sind nicht besser und gefühlvoller geworden. Aber gerade Ihre Kälte, Ihre Härte hat mir schon damals imponiert.«

»Sprechen wir nicht von mir, sondern von Ihnen. Wie ist es Ihnen seit damals gegangen? Haben Sie sich immer wohlbefunden?«

»Ja.«

»Sie bereuten nicht, das Weib eines Wilden geworden zu sein?«

»Zunächst nicht, denn er hielt Wort. Ich bekam alles, was er versprochen hatte, Gold, Edelsteine, einen Palast und sogar auch ein Schloß.«

»Ach! Ich weiß zwar, daß es Indianer gibt, welche das Lager großer Schätze kennen, aber daß der Häuptling sein Versprechen so streng nehmen werde, das dachte ich damals nicht. Er war also wirklich so reich, wie er sagte?«

»Ja. Er trug viel Gold zusammen, woher, das weiß ich heute noch nicht; er hat es mir niemals sagen wollen. Jedenfalls holte er es aus den Bergen, wo es noch heute viele alte Stollen und Adern geben soll. Wir verließen die Sonora und zogen an die Grenze von Arizona und Neumexiko. Dort liegt das Schloß. Es ist ein gewaltiger Aztekenbau, den außer mir noch kein Bleichgesicht gesehen hat. Zehn Yumaindianer, welche von ihrem Häuptlinge nicht lassen wollten, zogen nebst ihren Frauen und Kindern mit. Es war sehr, sehr einsam da oben, und ich sehnte mich nach der Stadt. Wir gingen also nach Francisco, auch schon des Palastes wegen. Ich bekam ein Haus.«

»Sie Glückliche! Wo ist Ihr Mann?«

»In den ewigen Jagdgründen,« antwortete sie gleichgültig.

»Was war die Ursache seines Todes?«

»Ein Messer.«

»Bitte, erzählen Sie! Ich bin außerordentlich gespannt darauf. Er war ein Indianer, aber ein tapferer, braver und ehrlicher Mann. Er hielt mir treulich Wort, und ich habe immer gern an ihn gedacht.«

»Was soll ich da erzählen! Die Sache ist sehr einfach. Ich wurde in Frisco bald bemerkt; man besuchte mich; man machte mir den Hof, und das wollte er nicht dulden, Wir waren eines Tages auf Besuch bei einem Haziendero; es waren noch andere Herrschaften geladen. Dabei gab es einige sehr interessante Caballeros und Offiziere, welche sich mit mir beschäftigten. Die Messer wurden gezogen. Der Caballero erhielt einen Stich in den Arm, mein Mann aber einen in das Herz.«

»Und Sie? Was fühlten, was dachten, was thaten da Sie?«

»Ich? Was sollte ich thun! Wissen Sie nicht, daß eine Frau, deren Mann unter solchen Umständen stirbt, eine von andern Frauen beneidete Berühmtheit wird? Das Band, mit welchem ich mich so leichtsinnigerweise an den Wilden gefesselt hatte, war zerrissen, und ich hatte meine kostbare Freiheit wieder.«

Diese Herzlosigkeit war empörend. Sie fuhr in ruhigem Tone fort:

»Ich genoß sie natürlich mit vollen Zügen. Ich hatte das Spiel kennen gelernt und brauchte nun nicht mehr um die Erlaubnis zu bitten. Ich gewinne fast stets, so oft ich spiele, und was die Liebe betrifft, nun so habe ich jetzt, wenn ich heimkehre, einen neuen Bewerber, der so in Fesseln liegt, daß er mich um meine Hand gebeten hat.«

»Auch ein Offizier?«

»Nein, sondern ein junger, sehr hübscher und hochgebildeter Caballero, welcher fast die ganze Erde und besonders den Orient bereist hat, und dem soeben eine Erbschaft von einigen Millionen zugefallen ist.«

»Wetter noch einmal! Da haben Sie freilich Glück!« rief ich aus, innerlich hocherfreut, denn ich zweifelte nicht, daß Jonathan Melton gemeint war.

»Es kommt gar nicht zu früh, dieses Glück,« fuhr sie fort. »Ich habe zwar gesagt, daß ich fast nie verliere; aber ich verbrauche viel, und das Gold des Häuptlings ist alle geworden. Ich habe das Haus in Frisco verkauft, und wenn die dafür gelöste Summe zur Neige geht, bleibt mir nur der alte Aztekenbau in der Wildnis übrig, für welchen niemand einen Dollar zahlt.«

»Ist es denn gewiß, daß er Ihnen gehört? Haben Sie einen Besitztitel darüber?«

»Nein, doch ist mir das gleichgültig. Ich brauche nur zu wollen, so wird Mr. Hunter mein Mann, und ich kann mich zu den Millionärinnen rechnen. Was gebe ich da auf den alten Felsenbau in der Wildnis!«

»Ist der Sennor, von welchem Sie sprechen, vielleicht jener so sehr interessante Small Hunter, dem vor einigen Tagen durch den Advokaten Murphy einige Millionen ausgezahlt worden sind?«

»Ja, derselbe. Kennen Sie ihn vielleicht?«

»Nein; ich habe von ihm gehört. Sie können es sich doch denken, daß von einem Millionenerben gesprochen wird. Man sagt, er sei nach Indien gegangen.«

»Das ist nicht wahr.«

»Ich habe es überall gehört. Man hat ihn doch auf das Schiff steigen sehen. Sein Advokat ist bei ihm gewesen.«

»Das ist richtig; aber er hat sich unterhalb der Stadt per Boot wieder abholen lassen. Ich selbst habe in dem Boote gesessen. Wir sind dann, als es Abend war, hierher gegangen und haben gespielt bis nach Mitternacht, wo erst seine eigentliche Abreise erfolgte.«

»Das interessiert mich ungemein. Warum hat er denn den Leuten weisgemacht, daß er mit dem Schiffe nach England und von da nach Indien will?«

»Das ist ein Geheimnis, welches ich nur Ihnen verraten will. An dieser Täuschung trage nämlich nur ich die Schuld.«

»Sie? Wieso?«

»Sein Vater, der alte Hunter, ist früher oft in Indien gewesen und hat das Land so liebgewonnen, daß er auf die Idee gekommen ist, daß sein Sohn vom Empfang des Erbes an zehn Jahre lang in Indien leben soll. Fehlt nur ein einziger Tag an den zehn Jahren, so wird ihm das Vermögen wieder abgenommen. Auch soll er während der zehn Jahre nicht heiraten dürfen. Er ist auf die Bedingungen eingegangen und hat sich unterschrieben. Zwei Tage später lernte er mich kennen. Was das heißt, können Sie sich denken. Mich sehen und mich zu seiner Frau begehren, war für ihn ganz dasselbe. Sagen Sie, kann er da nach Indien? Kann er die Bedingungen erfüllen, auf welche er eingegangen ist?«

»Warum denn nicht? Wer oder was soll ihn denn hindern, auf die an ihn gestellte Bedingung einzugehen?«

»Ich natürlich, ich.«

»Wieso? Wenn Sie beide so sehr aneinander hängen, kann er Sie doch mit nach Indien nehmen.«

»Ha, ha,« lachte sie. »Es kann mir nicht einfallen, eines Mannes wegen, und wenn ich ihn auch über die Maßen lieben Sollte, in ein wildfremdes Land zu gehen, Ich habe schon einmal die Heimat verlassen, nämlich damals, als ich nach Amerika ging; Sie selbst wissen, wie es mir da ergangen ist. Nun ich eine zweite Heimat hier gefunden habe, fällt es mir gar nicht ein, sie wieder zu opfern.«

»Aber von ihm verlangen Sie das Opfer, hier zu bleiben!«

»Es ist kein Opfer, denn er müßte in Indien ledig bleiben, hier aber kann ich seine Frau werden.«

»Würde man es denn in Indien erfahren, daß er verheiratet ist, und dies hierher melden?«

»Höchst wahrscheinlich. Wenigstens behauptete er dies.«

»Und hier? Meinen Sie, daß die Entdeckung hier nicht nur viel wahrscheinlicher, sondern beinahe ganz sicher ist?«

»Da irren Sie. Wir werden uns heimlich verbinden und dann verborgen wohnen. Mein Schloß liegt so versteckt, daß es noch nie von dem Fuße eines Weißen betreten worden ist, mich und meinen Vater natürlich ausgenommen.«

»Und der befindet sich dort?«

»Ja.«

»Da muß ihm die Einsamkeit ja schrecklich vorkommen!«

»Gar nicht. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß damals eine ganze Anzahl von Indianern mit ihren Frauen und Kindern zu uns gezogen ist. Die wohnen noch dort und bilden eine kleine Kolonie, in welcher es trotz der großen Abgeschiedenheit keine Langeweile giebt.«

»Aber zum Leben gehört sehr vieles, was Sie dort nicht erhalten können.«

»Wir beziehen vieles durch die benachbarten Mogollon- und Zuni-Indianer.«

»Haben sie die so nahe?«

Die Frage war von größter Wichtigkeit für mich, und ich wartete mit großer Spannung auf die Antwort, ließ mir das aber natürlich nicht merken. Das Weib war von Jonathan Melton getäuscht worden, doch fiel es mir gar nicht ein, ihr das zu sagen. Ich betrachtete sie trotz oder auch wegen ihrer Schönheit als den Regenwurm an meiner Angel, mit welcher ich die Meltons fangen wollte.