Loe raamatut: «Der Pontifex», lehekülg 3

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„Gegen die Nacht können wir nichts tun, aber wir können ein Licht anzünden!“
(Franz von Assisi)

Am nächsten Tag ist im Osservatore Romano zu lesen:

„Ausgerechnet diesen sozial gesinnten, starken und durchsetzungsfreudigen Papst wählt der neue Heilige Vater, Leo XIV. zu seinem Vorbild! Damit steht ihm eine Aufgabe bevor, die ihresgleichen sucht: Niemals war die Kluft zwischen den Superreichen und den Habenichtsen so groß wie heute, obwohl man diese Schieflage schon seit vielen Jahrzehnten wortreich beklagt und Besserung anmahnt – bisher vergeblich. Seiner Heiligkeit dafür Gottes Segen!“

Von denen, die über Kirchengeschichte in neuerer Zeit Bescheid wissen, unter anderem die hohen Kleriker in Rom – mag sich manch einer fragen, ob Leo XIV. einerseits die gebotene Standfestigkeit besitzen, andererseits die nötige Unterstützung für sein ambitioniertes Projekt erhalten wird.

Dass er ehrgeizige Pläne hat, schließt man daraus, dass er den letzten Leo als großes Vorbild benennt und ihm nacheifern möchte.

Gerade vom gerechteren Verteilen immenser Vermögen unter unsagbar Armen und Verelendeten kann derzeit nirgendwo auf der Welt auch nur im Ansatz die Rede sein. Ein schlechtes Beispiel dafür ist ausgerechnet die kommunistische Volksrepublik China, die zwar den einst bekämpften Kapitalismus verinnerlicht zu haben scheint – aber eben nur für die Oberschicht, Parteibonzen und ähnliches. Für die Millionen von Wanderarbeitern interessiert sich nach wie vor niemand.

Aber auch der angeblich sozial fortschrittliche, demokratische Westen lässt in dieser Hinsicht mehr als zu wünschen übrig. Überall sind soziale Kälte und rücksichtsloses Gewinnstreben vorherrschend oder auf dem Vormarsch.

So ist es nur verständlich, dass sich nicht nur die Augen katholischer Gläubiger voll Erwartung und Hoffnung auf den neuen Papst richten. Er hat zwar „keine Armeen zur Verfügung“, wie mal jemand treffend festgestellt hat, aber ein mahnendes Wort von ihm als einer moralischen Instanz gilt immer noch etwas – hofft man zumindest.

„Und er wird jede Träne abwischen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch wird Trauer noch Geschrei noch Schmerz mehr sein. Die früheren Dinge sind vergangen.“
(Johannes, Offenbarung 21, 4)

„Immerhin fünf der mir vorausgegangenen Päpste mit dem Namen Leo zählen zum Kreise der Heiligen, die ich ganz besonders verehre“, betont der Heilige Vater in seiner allerersten Stellungnahme vor laufenden Fernsehkameras.

Die katholische Welt, sofern sie noch existiert, ist begeistert! Der Neue schaut nicht nur fantastisch und für seine immerhin zweiundfünfzig Lebensjahre noch sehr jugendlich aus, er wirkt auffallend athletisch und es steht zu erwarten, dass dieser schwarze Diener Gottes über Jahrzehnte hinweg den irritierten Gläubigen den rechten Weg weisen wird in eine Zukunft voll Frieden und Gerechtigkeit. Auf ihm ruhen im Augenblick die Hoffnungen vieler, in die Jahre gekommener Kardinäle ebenso wie die junger Laienkatholiken. Hoffnungen auf eine Erneuerung, die diesen Namen auch verdient, und auf eine Wiederbelebung einer über zweitausend Jahre alten Institution, die mittlerweile längst bedenklich an Strahlkraft und vor allem massiv an Autorität eingebüßt hat.

Einige seiner letzten Vorgänger auf dem Stuhle Petri, allesamt glühende Marienverehrer, sind zwar darauf bedacht gewesen, besonders die Jugend für die Kirche und ihre Ideale zu gewinnen und zu begeistern. Letzten Endes sind sie gescheitert, die Kirche erneut zu jenem Erfolgsmodell werden zu lassen, welches sie einst (jeglicher berechtigten Kritik zum Trotz) über Jahrhunderte gewesen ist.

Papst Leo XIV., bisher als Kardinal Maurice Obembe, zumindest in Europa nach außen hin sehr unauffällig, gilt offiziell als gemäßigt, auf ehrlichen Ausgleich mit anderen christlichen Glaubensbrüdern bedacht und vor allem als absolut tolerant gegenüber Anhängern anderer Religionen. Ob und wieweit dieser Ruf der Wahrheit entspricht, wird die Zukunft zeigen.

DEMÜTIGE KNIEBEUGE

„Wenn der Gerechte ruft, so hört ihn der Herr.“

(Psalm 34, 18)

Seine Heiligkeit, seit seiner Jugend unter Schlaflosigkeit leidend, vermag auch in den ersten Tagen nach seiner Wahl zum Pontifex in den Nächten keine Ruhe zu finden. Ruhelos und innerlich aufgewühlt wandert er in seinem Schlafzimmer umher, einem Raum, der ihm keineswegs zusagt. Die Größe mag ja noch angehen, aber das Mobiliar? Da wird er schleunigst für eine ihm genehme Ausstattung sorgen.

„Warum nicht mein afrikanisches Erbe betonen?“, fragt er sich laut, während er schon zum zehnten Mal die Strecke von der Tür bis zu den bodenlangen Fenstern durchmisst. Er hat es schon immer gemocht, laut mit sich selbst zu sprechen und gedenkt nicht, dies noch zu ändern. Außerdem ist er allein; abgesehen von Paddy, seinem Leibdiener. Aber der gehört ja gewissermaßen zum Inventar.

„Das ist das Angenehme daran: Vor ihm brauche ich mich nicht zu verstellen und muss mir keinerlei Hemmungen auferlegen.“

Leo XIV. klatscht in die Hände vor Vergnügen, als er überlegt, dass es nun an ihm liegt, das über Generationen gepflegte Gelübde, das alle jeweils ältesten Söhne der Obembe-Familie seit den „Tagen des Elends“ abgelegt haben, zu erfüllen: Vergeltung zu üben für die Schmach, die die Kolonialmacht Deutschland ihnen zugefügt hatte.

Wie hatte es Elisa, die Frau seines Ururgroßvaters, Mkwa Obembe, und Mutter des kleinen Maurice, seines Urgroßvaters, kurz vor ihrem Entweichen aus dem Sklavenquartier ihres weißen Bwanas ausgedrückt? Der Heilige Vater fühlt sich zeitlich zurückversetzt, ganz so, als wäre er selbst jener Knabe. Er kann das so oft Gelesene frei aus dem Gedächtnis heraus zitieren:

„Die Weißen haben uns alles genommen: unsere Freiheit, unser fruchtbares Land, unser Vieh, unsere Leute, sogar unsere Religion – und letztlich auch unseren Stolz!

Und was haben sie uns stattdessen „großzügig“ gebracht? Karge Wüsten­landschaften, in denen nichts wächst, demütigende Almosen, ihre Gier nach dem Fleisch junger schwarzer Frauen und das Gefühl tiefster Erniedrigung – sowie ihren angeblichen „Sohn Gottes“, diesen Jesus, der sich selbst nicht retten konnte und elendiglich, an ein Kreuz genagelt, krepieren musste. Fluch und Schande über sie! Vergiss das niemals, mein Sohn, und traue unter keinen Umständen einem Weißen!“

Eindringlich hatte Elisa dabei ihren Ältesten, der damals erst sechs Jahre alt war, angesehen und fest umarmt, ehe sie weitersprach.

„Irgendwann wird der Tag der Abrechnung kommen. Versäume ihn nicht! Falls du dennoch aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sein solltest, ihn wahrzunehmen, schwöre mir bei deiner Seele, dass du mein Vermächtnis genauso an deinen Erstgeborenen weitergeben wirst, damit er an deiner statt Rache üben kann.“

Dem kleinen Jungen war seine Mutter wie eine große Prophetin erschienen, noch viel mächtiger als Setuba, die uralte Seherin ihres Volkes, die dem Dolchstoß eines deutschen Offiziers beim Angriff auf ihr Dorf zum Opfer gefallen war. Weil sie ihn lauthals verflucht hatte, hatte der Eindringling die weise alte Frau niedergestochen …

„Irgendwann in der Zukunft wird die Unterdrückung unseres Volkes ein Ende haben und einer aus dem Volk der Wahehe und unserer Familie der Obembes wird die unsägliche Erniedrigung tilgen, die die weißen Teufel über uns gebracht haben!“

Zwar hatte der sechsjährige Maurice nicht alles verstanden; aber den feierlichen Ernst, mit dem Elisa ihn ermahnt hatte, sowie das brennende Feuer in ihren schwarzen Augen vermochte er niemals zu vergessen.

Zeitlebens hatte Elisa es den deutschen Okkupanten nicht verziehen, ihr den Mann und ihren Kindern den Vater genommen zu haben. Sie hatten Mkwa nach der letzten von drei kriegerischen Auseinandersetzungen, nachdem es ihnen endlich aufgrund ihrer hundertfach überlegenen Bewaffnung gelungen war, ihn zu besiegen, wie einen tollwütigen Hund erschlagen. Er hatte es nämlich geschafft, sich der unwürdigen Bestrafung durch Hängen im allerletzten Augenblick durch Flucht zu entziehen …

Der Heilige Vater weiß, wie es weitergeht im Tagebuch seines Vorfahren Maurice, jenes Jungen, der als Erwachsener seine Erlebnisse schriftlich festgehalten hatte:

„Drei Tage lang hatten sie meinen Vater durch den Busch verfolgt und wie ein Tier gehetzt, ehe sie den verletzten und halb verhungerten Häuptling unter Zuhilfenahme von schwarzen Askaris, die Bluthunde mit sich führten, stellten und auf der Stelle erschlugen, aus Angst, der noch erstaunlich kräftige Krieger könnte ihnen erneut entwischen.“

„Um seine Leiche für immer verschwinden zu lassen, mein Sohn“, hatte ihm Elisa noch eindringlich vor Augen geführt, „und seinen Anhängern damit die Möglichkeit zu rauben, ihn ehrenvoll zu bestatten und sein Grab zu einer Gedenkstätte werden zu lassen, haben sie anschließend seinen zerschundenen Körper ihren halbwilden Hunden zum Fraß vorgeworfen.“

Das Wissen um diese Gräueltat hatte in Maurice, dessen Namen – nomen est omen? – der neue Papst im zivilen Leben trägt, das lodernde Feuer der Rachsucht entflammt. Allerdings sollte sich ihm die Gelegenheit, die Feinde für diese ruchlose Tat und ihre anderen Verbrechen gegen sein Volk büßen zu lassen, niemals bieten.

Schweratmend unterbricht der Heilige Vater seine Wanderung durch das Zimmer.

„Aber er hat Elisas Auftrag getreulich erfüllt und an seinen Sohn Charles, meinen Großvater, weitergegeben. Der wiederum sah sich gleichfalls außerstande, Rache zu nehmen und übergab folglich die Verpflichtung dazu meinem Vater Patrice. Der seinerseits hat die Last aus politischem Kalkül auf meinen Schultern abgeladen, als ich gerade einmal zwölf Jahre alt gewesen bin. So ist schließlich nach etlichen Generationen der Vergeltungsschwur bis zu meiner Person gelangt.“

Leo muss lachen. „Ausgerechnet zu mir, dem höchsten Mann der Kirche! Einer Person, der man am allerwenigsten die Befriedigung von Rachegelüsten zutrauen wird …

Auf wie vieles habe ich verzichtet“, sinniert der Heilige Vater zum wohl hundertsten Mal, „zuvorderst auf eine Lebensaufgabe, die mir wirklich zugesagt hätte! Priester bin ich nicht etwa geworden aus Berufung, sondern um meine ganz persönliche Vergeltung zu üben, die längst überfällig ist!“

In der Tat hat er sich bis zum heutigen Tag peu à peu ein paar potente Mitstreiter gesucht und soweit es ihm möglich war, diplomatische, kirchliche Kanäle genutzt, um insgeheim in aller Stille jahrzehntelang stetig und mit allen Mitteln, auch denen der Heuchelei, Bestechung und Erpressung, auf diesen einen großen, erhebenden Augenblick einer für ihn günstig ausgehenden Papstwahl hinzuarbeiten.

Und beileibe nicht nur er allein: Hinter ihm steht ein kleines, aber recht solides Netzwerk: eine nicht ganz einflusslose Gruppierung, die die Anonymität über alles schätzt und die keinen Wert darauf legt, öffentlich in Erscheinung zu treten. Der erste Schritt ist getan: Maurice Obembe ist Papst!

* * *

„Ausgerechnet diesen starken und durchsetzungsfreudigen Papst Leo XIII. möchte der ‚Neue’ nachahmen!“, spötteln viele altgediente Prälaten in Rom und anderswo. Es ist deutlich herauszuhören, dass sie förmlich danach gieren, das Scheitern dieses Mannes aus Schwarzafrika mitzuerleben.

Wer würde denn schon hinter ihm stehen und ihn unterstützen? Der Ausgewogenheit stehen in erster Linie Egoismus und Habgier der Besitzenden entgegen, die keineswegs bereit sind, freiwillig auch nur auf ein Jota ihres angeblichen „Rechts“ auf Anhäufung geradezu grotesk anmutender Reichtümer auf Kosten der weniger Privilegierten oder gar der Besitzlosen, zu verzichten (bestes Beispiel bietet die Kirche selbst!).

Die Last der Verantwortung, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, wird schwer auf den Schultern des Papstes ruhen.

„Und er wird jede Träne abwischen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch wird Trauer noch Geschrei noch Schmerz mehr sein. Die früheren Dinge sind vergangen.“
(Johannes, Offenbarung 21, 4)

Wer könnte das Offensichtliche leugnen? Der endgültige Niedergang der Sancta Ecclesia scheint absehbar. Die Kirchenaustritte sind alarmierend, und nicht nur in den „reichen“ Staaten, auch in den sogenannten Entwicklungsländern; die Anzahl der Eltern, die für ihren Nachwuchs auf die Taufe verzichten, wächst unaufhörlich.

„Kaum zum Kardinal ernannt, hatte der um die Menschheit und ihr Wohlergehen zutiefst besorgte Geistliche Maurice Obembe längst ein ausgearbeitetes Konzept in der Schublade liegen, worin er fein säuberlich ausgearbeitet hatte, wie es mit unserer heiligen katholischen Kirche weitergehen müsse.“

Das behauptet zumindest der Sprecher des Vatikans, ein hoher Prälat der „alten Garde“ unmittelbar nach der Papstwahl. Womit er natürlich die Neugier beträchtlich anheizt. Noch wimmelt es im Vatikan von Altgedienten. Mit dem Auswechseln des vatikanischen Personals würde der Heilige Vater in Kürze beginnen.

Jetzt ist man erst einmal gespannt auf das, was Leo XIV. aus der Schublade hervorzaubern wird. Etliches sickert bereits durch. In der Hauptsache das, was diejenigen, die dem Heiligen Vater vorgreifen, sich vermutlich selbst am meisten wünschen. Was zur Folge hat, dass es zweifelhaft ist, ob sich die hochgespannten Erwartungen auch erfüllen werden …

* * *

Leo XIV. ist immer noch wie im Rausch. Seit Jahrzehnten hat er auf diesen Augenblick mit wahrer Inbrunst hingearbeitet. Aber als es dann Wirklichkeit ist und er tatsächlich als Papst Einzug gehalten hat im Vatikan, tut er sich noch schwer, das Ganze auch für wahr zu halten. Eine ganze Nacht lang hat er über seiner „Antrittsrede“ gebrütet, die unter anderem bei seiner ersten Predigt im Petersdom weltweit sein „Konzept“ sowohl den Gläubigen wie den Ungläubigen verkünden soll.

Der Heilige Vater ist nervös und fahrig. Beim Anlegen der Prunkgewänder will er sich nicht helfen lassen, verheddert sich in den weiten Ärmeln und muss dann doch die Hilfe seines Dieners Paddy Lumboa, den er, was sehr selten vorkommt, barsch anfährt, in Anspruch nehmen.

Betroffenheit, zumindest Verwunderung, macht sich nach seiner Predigt bei vielen seiner Zuhörer breit.

Dieser Heilige Vater mit dem Ruf des sozial Engagierten, des Besonnenen und um Ausgleich Besorgten, verfolgt anscheinend ganz andere Ziele. Strebt er in Wahrheit nicht nach Balance? An Versöhnung scheint ihm auch nicht besonders viel zu liegen; dafür umso mehr an Kampf und Auseinandersetzung!

Wie war das noch gleich? Er werde sich nicht davor scheuen, echte Streiter des Glaubens, wahre Krieger für den Katholizismus heranzuziehen und ausbilden zu lassen, kündigte er an. Vokabeln, die nicht gerade für Sanftmut und Güte zu sprechen scheinen …

„Die Welt muss endlich aufgerüttelt werden! Schluss muss sein mit erbärmlicher Weinerlichkeit und ratlosem Gewährenlassen!“, verrät Leo der staunenden Zuhörerschaft im Petersdom. Nicht den Forderungen der „Lauen“ dürfe die Kirche derzeit nachgeben, sondern sie müsse beherzt zu ihren allzeit gültigen Anforderungen stehen, falls sie überleben wolle! Christsein, ein Auserwählter sein, das gäbe es nicht zum Nulltarif, sondern müsse zumeist mühsam errungen werden.

„Auf in den Kampf für Christus und seine heilige Kirche! Opfere notfalls freudig dein Leben für den Herrn Jesus und dein ewiges Heil!“, lautet einer der Schlusssätze von Leos erster Predigt als frischgewählter Pontifex.

Dies wird in Kürze als Botschaft vom Vatikan aus rund um den Globus gehen. Für sehr viele eine veritable Enttäuschung. Auch das Folgende wird nicht bei allen so schnell dem Vergessen anheimfallen:

„Zur Hölle mit dem verweichlichten Gesäusel von Frieden und Ausgleich! Das andauernde Zurückweichen, die berechtigten Ansprüche an die Gläubigen betreffend, hat die Kirche nicht gestärkt, sondern sie im Gegenteil an den Rand des Abgrunds geführt! Es lebe die harte Konfrontation mit Irrglauben und Unglauben!“

‚O je’, mögen sich viele kopfschüttelnd denken. ‚Gegen die Ungläubigen, die es vorziehen, zu wissen, anstatt zu glauben, ist er ohnehin machtlos; aber der Heilige Vater sucht offenbar die Konfrontation mit dem Islam und anderen nichtkatholischen Religionsgemeinschaften! Und gewiss auch mit den Lauen, die der Herr ausspeien wird aus seinem Munde, weil deren Rede nicht auf kraftvolles und überzeugtes ‚ja, ja’ oder ‚nein, nein’ hinausläuft, sondern nur hilfloses Gestammel zuwege bringt: ‚Herr, Herr!’’

So steht es ja auch in der Heiligen Schrift. Und der Heilige Vater legte noch einiges an Leidenschaftlichkeit nach: „Wer behauptet, Christ zu sein, der beweise es!“, rief Leo XIV. in Sankt Peter mit Inbrunst aus. „Nicht der Beter im stillen Kämmerlein wird die bedrohte und verfolgte Sancta Ecclesia retten, sondern derjenige, der sich nicht scheut, Blut und Leben für die allein seligmachende heilige Kirche zu vergießen und zu opfern!“

Da zuckten einige regelrecht zusammen. Was meinte der Heilige Vater damit? Redete er etwa einem neuen Kreuzzug das Wort, bei dem das Blut der Ungläubigen vergossen werden soll?

Aber bereits der nächste Satz aus Leos Mund ließ die meisten Aufgeschreckten ziemlich beruhigt auf ihre Sitze zurücksinken. Hatte der Papst, (der allerdings ein fantastisches Italienisch spricht), in heiligem Eifer womöglich nur die falschen Begriffe gewählt, als er so pathetisch die Floskel vom „Blutvergießen“ in den Mund nahm?

„Nur wer den eigenen Tod nicht fürchtet und sich Jesus, den Sohn Gottes zum Vorbild nimmt, wird am Ende die Siegespalme erringen und kann den Teufelskreis der Gottlosigkeit durchbrechen, der sich mittlerweile auf dem Erdkreis ausbreitet; und er wird letztlich dafür sorgen, dass nicht irgendwelche ‚Ersatzgötter’ das Sagen haben werden, oder schließlich gar der Islam das Rennen macht!“

Also ein edler Wettstreit der Religionen und nichts mehr von „Leben opfern“ und „Blut vergießen“ …?

Die markigen Worte fallen bei einigen der anfangs geschockten geistlichen Zuhörer erstaunlicherweise auf fruchtbaren Boden. Angesteckt und überwältigt von den kraftvollen Einlassungen des charismatisch wirkenden Papstes würden diese wenigen alles, wirklich alles, dafür tun, um seine Botschaft zu verbreiten.

So in etwa hören sich zumindest ihre allerersten Kommentare an. Genau das nehmen sich diese wenigen kirchlichen Würdenträger vor, getragen von einer nie gekannten Euphorie, die der frisch gekürte Heilige Vater in ihnen geweckt hat. Allerdings gibt es auch zahlreiche Kenner des menschlichen Herzens, das man in aller Regel zu Recht geschlagen weiß mit Trägheit, Klein- und Wankelmut; und diese Kenner ahnen, dass die Wirkung dieser päpstlichen Ansprache mehr oder weniger im Sande verlaufen wird.

Ob „der Neue“ sein Pulver etwa schon verschossen hat?

EHRFURCHTSVOLLER ALTARKUSS

„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt.“

(Psalm 121)

„Ecclesia semper reformanda!“

„Dass die Kirche immerfort reformiert werden müsse, ist eine Binsenweisheit, aber was Leo XIV. in seiner Predigt einfordert, ist kein Fortschritt, sondern das genaue Gegenteil!“, behaupten die Gegner. Und überhaupt:

„Tatsächlich würde es einer übermenschlichen Anstrengung bedürfen, um das schwerfällige Rad der Geschichte kraftvoll zurückzudrehen, um damit den schleichenden, sich neuerdings zunehmend beschleunigenden Niedergang der Kirche aufzuhalten.

Eine einzige Ansprache, und sei sie noch so aufrüttelnd, vermag solches nicht zu leisten. Da müsste schon Gewichtigeres hinzukommen …“, meinen die Skeptiker.

„Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“
(Matthäus, 11, 28–30)

Es ist kein Geheimnis: Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist der Mitgliederschwund der katholischen Kirche geradezu beängstigend. Und er hält noch immer an, ja, er scheint derzeit noch an Popularität zu gewinnen.

Die „Vernünftigen“, jene Leute, die sich dafür halten und nicht bereit sind, sich „intellektuell gängeln“ zu lassen, ja, die es sich verbitten, wie Kleinkinder behandelt zu werden, indem man sie mit Märchen von „vaterloser Zeugung“, Jungfrauengeburt, Auferstehung von den Toten, dubiosen „Himmelfahrten“, der „Dreifaltigkeit(?) Gottes“ und fragwürdigen „Wundertaten“ abspeisen möchte, treten in Scharen aus der kirchlichen Gemeinschaft aus, wollen diesen Schritt demnächst vollziehen – oder werden erst gar nicht Mitglied.

„Dazu kommt, dass ‚der moderne Mensch’ es heute nicht mehr hinnimmt, in seiner ganz privaten Lebensführung eingeengt und bevormundet zu werden, indem man ihm beispielsweise außereheliche sexuelle Beziehungen verbietet, ihm aber gleichzeitig Scheidung und spätere Wiederverheiratung als ‚schwere Sünde’ ankreiden will und ihn obendrein ‚zur Strafe’ von allen Sakramenten ausschließt“, moniert sogar ein als erzkonservativ angesehener Erzbischof aus Palermo, von dem gleichzeitig bekannt ist, dass er beste Beziehungen zur Mafia, der „Ehrenwerten Gesellschaft“, unterhält …

„Irren ist menschlich! Das weitere Zusammenleben mit einem im Verlauf der Ehe sich als unpassend erweisenden Partner sowie der Verzicht auf eine Verbindung mit einem anderen geliebten Menschen, darf nicht verlangt werden, weil es die Betreffenden nur unglücklich macht. Und“, doziert Vincente Camilleri mit erhobenem, von der Gicht verkrümmtem Zeigefinger, „es gilt vor allem, das Unglücklichsein während der begrenzten Lebenszeit zu vermeiden!“

Damit bestätigt der hohe geistliche Herr die Maxime der säkular eingestellten Menschheit: „Jeder hat das Recht, glücklich zu sein!“ Sogar vom letzten Dalai Lama ist überliefert, er glaube, „der einzige Sinn des Menschen auf Erden ist, glücklich zu sein!“

Das Gleiche behaupten mittlerweile selbst viele katholische Geistliche – allerdings vornehmlich die aus den unteren Rängen. Die aus den oberen tragen im Allgemeinen ganz selbstverständlich selbst Sorge für ihr eigenes Wohlergehen und ihre persönliche Zufriedenheit.

Ein weiterer Gemeinplatz lautet: Für die Kirche ist es, profan ausgedrückt, „fünf Minuten vor zwölf“. Dem lässt sich mit gutem Gewissen zustimmen.

Weil dies kein Geheimnis ist, kennt auch jeder kirchliche Würdenträger, selbst die hohe Geistlichkeit im Vatikan, das Dilemma. Ein wirksames Gegenmittel gegen den beängstigenden Mitgliederschwund hat allerdings noch niemand gefunden.

Von den Vielen, die zwar nicht austreten, sich aber innerlich längst von Mutter Kirche abgewandt haben, die sogenannten „Taufscheinkatholiken“, möchte man gar nicht erst reden.

„Jahrelang hat man gerätselt, woran es liegt, hat aufwändige Analysen erstellt und kluge theologische Bücher darüber verfasst, was die Gründe dafür sein könnten, dass offenbar die ‚modernen’ Menschen die Angst vor dem Teufel und den Höllenstrafen verloren haben“, bedauert ein anderer hoher Kirchenmann. „Verbunden damit ist die große Skepsis gegenüber einer ‚Belohnung im Himmel’ und dem sogenannten ‚Ewigen Leben’, im Sinne eines Bewusstseins nach dem körperlichen Tod, wo man doch weiß, dass mit dem Absterben der Gehirnzellen auch das Bewusstsein, und damit die sogenannte ‚Seele’, unwiderruflich dahin ist …“

„Wie leicht war es früher, die Gutgläubigen im Beichtstuhl zur Räson zu bringen und es für alle am Sonntag durch die Predigt von der Kanzel herab ein bisschen Schwefel regnen zu lassen, quasi als Vorgeschmack auf die gute alte Hölle!“, überlegt ein weiterer älterer Kleriker, ebenfalls Teilnehmer am kürzlich zu Ende gegangenen Konklave. Daran mag sich manch einer der älteren Seelenhirten mit Bedauern erinnern.

Im Avvenire, dem Hausblatt der Italienischen Bischofskonferenz, liest sich das folgendermaßen:

„Eine ständig sich ausbreitende Enttäuschung über die ‚unzeitgemäße Lehre’ der Kirche sei an der Abkehr von ihr schuld, meinen viele ‚moderne’ Theologen, weil die Kirche ganz offensichtlich nichts bewirkt, was zur Verbesserung der Lebensumstände der gesamten Erdbevölkerung beiträgt und auch keineswegs erreicht, dass das einzelne Individuum sich wohler, besser oder geborgener fühlen könne.“

Papst Leo äußert sich da schon wesentlich unverblümter – allerdings nur unter ein paar sehr guten Freunden in seinen privaten Gemächern: „Wo ist er denn, der gütige, barmherzige und vor allem der gerechte Gott? So es ihn jemals gegeben haben sollte, weiß er sich seit langem aufs Geschickteste zu verstecken …“

Der Heilige Vater vertritt die Meinung, mit der Verheißung auf ein jenseitiges Leben in Frieden und immerwährender Freude als Belohnung für kindlichen Glauben, „anständige“ Lebensführung im Sinne kirchlicher Sexualmoral, vor allem aber für gottergebenes Erdulden von Ungerechtigkeiten, locke man heute keine Anhänger mehr hinter dem Ofen hervor.

„Das himmlische Jenseits, geliebte Brüder, hat längst aufgehört, salopp gesprochen, als ‚Jackpot’ betrachtet zu werden, den es unter allen Umständen zu gewinnen gilt! Wichtig ist den Leuten vor allem das irdische Hier und Heute. Daran knüpfen sich die Erwartungen der aufgeklärten und vorwiegend materialistisch eingestellten Menschheit“, äußert Leo sich im intimen Kreis seiner Anhänger.

Sein Beichtvater, Monsignore Pierre Katanga, schlägt während eines kleinen, intimen Imbisses in der päpstlichen Wohnung „unter Gleichgesinnten“ in dieselbe Kerbe: „Die heutigen ‚Aristokraten’ gehören dem ‚Geldadel’ an und anscheinend sind sie, wie die früher herrschende Adelsschicht, der irrigen Meinung, das ‚Volk’ werde sich andauernden Betrug und Benachteiligung für ewige Zeiten wie dumme Schafe gefallen lassen.“

„Viele Herrschende auf sämtlichen Kontinenten gebärden sich am liebsten immer noch so, als habe es etwa eine Französische Revolution niemals gegeben, und das folgenschwere Jahr 1917 in Russland hat man anscheinend auch längst vergessen!“, bemängelt Papst Leo XIV.

Ob sich einigen Zuhörern dabei vielleicht die berechtigte Frage stellt, warum der Heilige Vater, wenn er schon so gut Bescheid weiß, in seiner Antrittspredigt darüber nichts hat verlauten lassen, dass die soziale Schere nicht weiter auseinanderklaffen dürfe, wenn man soziale Unruhen, ja blutige Bürgerkriege, vermeiden wolle?

Stattdessen hat er sich lang und breit darüber ausgelassen, die Gläubigen sollten gefälligst „für Jesus und die Kirche“ ihr Blut vergießen …

Aber jeder der anwesenden geistlichen Herren ist vorsichtig, und keiner getraut sich, als Gast in den päpstlichen Gemächern im Apostolischen Palast hinter den Kolonnaden an der Piazza di San Pietro, keck als Erster mit Äußerungen vorzupreschen, von denen man noch nicht recht weiß, wie diese vom neuen Heiligen Vater aufgenommen werden …

Seiner Heiligkeit geht es, nach eigener Aussage, in Wahrheit nicht um gerechtere Verteilung „schnöden Mammons“, sondern um etwas ganz anderes.

„Leider ist die Kluft äußerst kontraproduktiv, die sich auftut zwischen dem Anspruch der höheren Geistlichkeit an die Moral der Gläubigen und ihrer eigenen, vielfach verderbten Lebensführung“, behauptet Leo XIV. gerade und alle lauschen wiederum gebannt, wenn auch einige ziemlich unangenehm berührt. Hat da der Papst bei ihnen womöglich einen Nerv getroffen?

Großes Pech sei dabei, meint der Heilige Vater, dass „Privatleben“ in der allerneuesten Zeit so gut wie nicht mehr existiere; dank „sozialer Netzwerke“ und ähnlich indiskretem Schwachsinn sowie der Tatsache, das leidige Hacker-Unwesen nicht ausrotten zu können, wisse man umgehend selbst im unbedeutendsten Nest über jeden kleinen Fehltritt eines hohen Geistlichen Bescheid. Sei es nun dessen Vorliebe für die holde Weiblichkeit oder für kleine Ministranten.

„Im Nu ist solches bis in die letzte Ecke unseres Erdballs ‚getwittert’ und wird damit zum geschmacklosen Thema ausgerechnet der abscheulichen ‚Yellow Press’ sowie einschlägiger Skandalblättchen!

Dazu kommt, dass die niederen Chargen des Klerus, wie schon seit Anbeginn der Kirche, ihren geistlichen Vorgesetzten in ihrem verwerflichen Lebenswandel nacheifern! Die Fehltritte ihrer kleinen Pfarrer und Kapläne bekommen allerdings Tausende mit, während der Ausrutscher eines hohen Geistlichen im Allgemeinen doch eher anonym bleibt oder nur in kleinem Kreis erörtert wird.“

Letzteres mag seinen Gästen als eine reichlich erstaunliche und kühne Aussage Leos erscheinen, angesichts der Anwesenheit Schwester Moniques, einer auffallend attraktiven schwarzen Nonne, die offiziell als „leibliche Schwester“ des Heiligen Vaters ganz selbstverständlich in den päpstlichen Gemächern wohnt und ihrem „Bruder“ kaum von der Seite weicht.

Ein Verwandtschaftsgrad, den die wenigsten Anwesenden für der Wahrheit entsprechend halten, obwohl natürlich niemand auch nur ein einziges Wort darüber fallen lässt … Moniques Ankunft vor ein paar Tagen verlief vollkommen lautlos und unspektakulär: Sie war auf einmal einfach da ist und ist seitdem als „Schwester“ Leos ein Mitglied der „Papstfamilie“.

Die Herren sind diskret und genießen stillschweigend den Anblick der schönen, noch jungen Frau; auch diejenigen höheren Alters, sofern sie nicht zur Gruppe derer gehören, die sich lieber von Jünglingen verwöhnen lassen …

Carlo di Gasparini, einem Kurienkardinal aus der Runde, gefällt anscheinend die Richtung nicht so besonders, die das Gespräch zu nehmen droht. Dauerbewohner des Vatikans kennen sich unterei­nander sehr gut und jeder weiß in aller Regel vom anderen, wie der katholische Glaubensbruder „gepolt“ ist. Eine Mehrheit (wen wundert’s?) lässt sich lieber von attraktiven jungen Herren „begleiten“ … Di Gasparini möchte unbedingt das Thema wechseln.

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