Loe raamatut: «DASDA», lehekülg 2

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Dich finden

Ich ruhe tief in mir und finde dich.

Du begegnest ganz und findest dich.

Wie trockenes Land trinken wir die Tropfen

des Einsseins in der Zweisamkeit.

Wie aufblühende Knospen

entfalten wir das Ich-Sein im Du.

Ich ruhe tief in dir und finde mich.

Du begegnest dir in mir.

Genuss

»Mach dir kein Bild von meinen Gaben.

Nimm sie hin, genieße sie.

Forme nicht um,

was ich dir als Ganzheit schenke,

zerpflücke nicht die Blüten meiner Liebe«,

so spricht der Herr.

»Verkürze nicht die Liebe

durch Begriffe, die dich binden.

Du spürst die Sonne.

Sie ist so viel mehr,

als ein Wort auf dem Papier,

als gelbe Farbe in Kreisform hingemalt.

Sperre nicht die Demut ein,

die deine Liebe weit macht,

die dich sehen lehrt und zu genießen.

Genuss ist, wenn man trotzdem liebt.

Und wahrhaft frei ist, wer das erkennt«,

spricht der Herr.

Ich selbst würde so nicht denken.

Gebundene Freiheit

Freiheit ist so rätselhaft.

Sie ist mir das höchste Gut.

Und deine Freiheit hoch zu schätzen,

meine erste Pflicht.

Doch mein Herz,

dies ungezogene Ding,

lacht darüber.

Es bindet mich an dich,

bedingungslos.

Schlimm genug,

doch nun will es dich auch binden

an mich,

an Lust und Liebe.

Ersehnte Fesseln?

Wie verkehrt die Welt doch ist!

Doch mein Herz,

es lacht sich krumm und ruft,

dass so die wahre Freiheit aussieht,

der wahre Reichtum

und das Glück.

Ich weiß nicht recht

und warte ab.

Kommt Zeit,

kommt die Befreiungsnacht,

in welcher Form auch immer.

Dasda

Mein Leben war immer schon großartig gewesen; Freiheit, jederzeit gutes Essen, angenehmes Wetter, halbwegs annehmbare und oft auch hilfreiche Kolleginnen, Kollegen und Verwandte, alles in allem großartig. Überhaupt fühlte ich mich freier und selbstbewusster, als die meisten meiner Freundinnen, weil ich mich nie der kindischen Torheit hingab, mich an einen Herrn anzuhängen, mit ihm herum zu schwärmen, mich vom Rest abzusondern und gurrend wie die lächerlichen Tauben dahin zu schmachten.

Alle Liebe und Freude die ich brauchte, fand ich in mir und im Wind, in den Sonnenstrahlen, den erfrischenden Morgenstunden und, ja, ich gebe es zu, in den Leckerbissen überall hier an der immer reich gedeckten Tafel, die so viele ›Stadt‹ nennen. Zum Schauen und Genießen ist das, was gemeinhin ›Land‹ genannt wird, zwar schöner und auch kulinarisch durchaus ansprechend, vielfältiger aber ist die Stadt und oft auch aufregender.

Ich hatte ein Hobby, manche meiner Gruppe nannten es bereits eine Leidenschaft:

Da gibt es diese unbeholfenen plumpen Riesen hier überall. Sie geben unangenehme Geräusche von sich und scheinen ohne jeglichen Verstand zu sein. Das einzig Brauchbare an ihnen ist, dass sie meist Proviant hinterlassen, vielleicht um uns zu erfreuen, weil wir so edel und so überaus intelligent sind. Wahrscheinlich verehren sie uns deswegen. Nun ja, warum auch nicht.

Jedenfalls konnte ich einmal beobachten, wie eines dieser Wesen eine Blume betrachtete. Diese Wesen haben nämlich Augen wie wir, mit denen sie wohl nur verschwommen sehen können, denn sie bemerken kaum etwas um sich herum und gehen einher wie die gebauten Dinge, die sie besitzen und die rollen und heftig stinken, wenn sich jemand hineinsetzt. Ohne Verstand sind diese Wesen eben und sinnlos ist, was sie tun.

Also, dieses eine Wesen beugte sich über die Blume, als wolle es sie fressen. Es wetzte aber nur leicht den Schnabel daran und verzog das Maul Zähne fletschend. Das machen diese oft und fletschen dabei die Zähne wie wilde Hunde. Ich nannte dieses eine Wesen ›den Dasda‹, um es während meiner Beobachtung von den anderen zu unterscheiden, weil sie ja alle gleich aussehen. Dasda wiederholte diese sinnlose Schnabelwetzerei und blickte dann plötzlich auf mich, die ich mich ihm ungeniert genähert hatte. Er sah mich lange an und ich ihn, dann gab er einen Laut von sich, der direkt nett, wenn auch schwammig klang.

Ich wollte nicht wegsehen, denn mich amüsierte dieser Tollpatsch. So sagte ich: »Na du?« Da fletschte er wieder die Zähne, nahm das große edelschwarze Rohr, das er schwer um den plumpen Hals trug, und zielte auf mich. Erschrocken machte ich mich davon. Seitdem aber suchte ich ihn immer wieder dort auf, wo er oft war, und ich sah, dass er dieses Rohr oft benutzte und es vorwiegend auf Blumen richtete. Es surrte dann immer kurz, bevor mein Dasda es wieder senkte. Die Blumen erlitten keinen Schaden davon.

Als ich wieder einmal auf der Lauer nach ihm war und er dann endlich kam, um sich unter meiner Lieblingslinde niederzulassen, bemerkte ich, dass Regentropfen aus seinen Augen sickerten. Dergleichen hatte ich bis dahin nur manchmal bei den Jungen dieser Wesen beobachtet und gedacht, es handle sich um die Unvollkommenheit des Heranwachsens. Auch klagende Laute vernahm ich von meinem Dasda. Ich setzte mich bequem in seine Nähe auf der Linde über ihm und blickte auf ihn hinab, der da schwerfällig auf eines der Holzgerüste geplumpst war, die oft bei Bäumen stehen. Immer wieder schüttelte er das Haupt, bis er es schließlich in seine Pranken legte und laut wimmerte, wie Hundejungen es gern tun.

Ich setzte mich schließlich auf den aufragenden Teil des Holzgerüstes und sagte mit schmeichelnder Stimme:

»So schlimm wird’s doch wohl nicht sein, du jammerst ja ganz furchtbar!« Er schaute hoch und mir direkt in die Augen, wieder mit jenem Blickkontakt, der mich ganz gefangen nahm. Seine riesigen Kuhaugen schienen von Tiefe und Intellekt erfüllt zu sein. Diesmal gab er keinen Laut von sich und fletschte auch nicht die Zähne. Seine Augen waren auf mich gerichtet, während weiterhin Regentropfen daraus kullerten. In seiner ganzen stumpfen Plumpheit war er doch irgendwie nett. Mutig und überaus selbstbewusst trippelte ich zwei Schritte näher, sodass ich ihn sogar berühren hätte können. Da hob er eine Pranke und strich mir damit ganz leicht über den Hals.

Überwältigt starrte ich ihn an. Und er mich. Ich spürte etwas in mir, das ich bis dahin nicht gekannt hatte. Es war ein Gefühl der Wärme und Freude. Wäre dieser Dasda einer von uns gewesen, so hätte ich ihn in diesem Moment vielleicht sogar als einen Herrn an meiner Seite akzeptieren können. Eventuell. So aber wusste ich nicht, was mir diese Zuneigung bringen sollte, außer Beobachtungserkenntnisse vielleicht oder auch einen Happen hin und wieder aus seiner Pranke. Aber das schien mir in diesem Augenblick unwichtig zu sein. Das einzige was zählte, waren diese großen traurigen Augen und seine riesige Pranke, die so zart meinen Hals berührt hatte.

»Ich wünschte, ich könnte dir mein Leid klagen, hübscher Vogel«, vernahm ich ganz unerwartet mit meinem brillanten Verstand. Dieser Inhalt wurde aber weder von Artgenossen noch von den Luftschwingungen gesendet. Er kam direkt aus dem Riesenkopf meines Dasda. Oder besser gesagt aus seinem Inneren, dort wo bei uns das Fühlen und die Ewigkeit sitzen.

»So klag doch, ich hör dir zu. Wusste gar nicht, dass du denken und dich mitteilen kannst«, antwortete ich in freundlichem Ton. Da verzog er doch ein wenig das Maul nach oben und es sah freundlich aus, nun ja, für so ein plumpes Wesen eben.

»Werde ich meinem Vater jetzt je gerecht werden? Wird er jemals wieder glücklich sein können und sich von seiner Krankheit erholen? Was wird aus meiner Mutter nach all dem?«, klagte er also.

»Bla bla bla« antwortete ich ihm beruhigend. Doch ich ahnte schon, dass er diese Art von Trost, die bei unseren Jungen immer zieht, nicht verstehen würde. Wenn er sich auch überraschenderweise mitteilen konnte, verstehen war dann doch eine Nummer zu hoch für ein Wesen wie ihn. Dennoch blieb ich noch lange bei ihm sitzen und fand es schön, dass er mich immer wieder anblickte, direkt in die Augen, so ganz vertraut, und je länger er es tat, desto ruhiger wurde sein Gemüt. Schließlich teilte er noch mit:

»Dein Wille geschehe, Herr!« wobei ihm Sturzbäche von Regentropfen aus den Augen schossen. Mich irritierte diese Mitteilung. Von welchem Herrn sprach er da? Schließlich erhob ich mich und drehte genüsslich drei Ehrenrunden hoch über ihm. Der Wind und der Schwung meines eleganten Fluges erfüllten mich mit Lust, sodass ich laut aufjauchzte. Dieses herrliche Lied widmete ich meinem Dasda, der nie erfahren würde, wie leicht und schön es hier oben sein kann. Nie würde er wissen, dass seine Regentropfen nur Leben bedeuten und nicht Traurigkeit.

Wir alle haben Eltern, Verwandte, Kolleginnen. Und sie haben Flügel so wie jeder von uns. Zwar helfen wir einander und machen fast alles gemeinschaftlich, doch fliegen muss jeder selbst. Ja, klar, verletzt sich jemand von uns, lassen wir ihn nicht allein. Trotzdem, manchmal gib es Unerwartetes, Trauriges. Dann klagen wir gemeinsam und schweigen gemeinsam und erheben uns schließlich gemeinsam, um weiter zu leben, weiter zu fliegen, weiter zu genießen, jeder wie er kann. Mich belächelte man bereits ein bisschen wegen meiner Schwäche für Dasda.

Anfangs hatten mich Freundinnen begleitet, wenn ich auf der Lauer nach ihm war. Als sie aber sahen, dass es da keine Happen gab, fanden sie mich schrullig.

»Was hast du davon, den da anzustarren?« fragten sie verächtlich.

»Er teilt sich mir mit. Ich glaube, sein Vater ist krank oder er hat sich mit ihm gestritten oder so«, antwortete ich ehrlich.

»Diese Wesen haben keinen Verstand. Sie haben nur Proviant. Rede dir doch nichts ein«, antworteten sie. Ich gebe zu, dass ich mich etwas schämte, denn sie hatten ja Recht. Natürlich wusste ich, dass so ein Wesen nicht wirklich denken und empfinden kann, trotzdem rührte mich mein Dasda und erfüllte mich mit Freude, wann immer ich ihn sah.

Sehr bald schon hatte ich seine Gewohnheiten herausgefunden. Lang nach meinem Morgenflug bewegte er sich aus seiner Steinhöhle, um nach wenigen Metern, die ich vom Baum aus beobachten konnte, in die nächste Höhle zu wandern. Aus dieser zweiten Höhle kam er erst wieder, wenn die Sonne langsam der Dämmerung Platz gemacht hatte. Das war die Zeit unseres großen Tanzes über der Stadt und unseres Gesanges, so prächtig und wundervoll. Oft stehen die Wesen und staunen uns dabei an. Wie recht sie haben. Gemeinsam sind wir überwältigend.

In regelmäßigen Abständen veränderte sich der Tagesablauf meines Dasda. Immer nach mehreren Nächten kam er später aus seiner Höhle und betrat gemeinsam mit anderen eine dieser Höhlen, die Himmelstöne von sich geben, gewaltig und Ehrfurcht einflößend. Aus dieser Höhle dringen mitunter Klänge wie von tausend Nachtigallen gleichzeitig. Sehr eindrucksvoll ist das. Anscheinend holen sich die Wesen dort Weisheit für die Zeit zwischen diesen Versammlungen. ›Solche Klänge müssen sogar die stumpfsten Wesen erleuchten‹, dachte ich mir.

Mein Dasda setzte sich gerne auf das Holzgerüst unter meiner Lieblingslinde. Seit wir einander dort begegnet waren, schien er auf mich zu warten. Und ich wartete auf ihn. Wir hatten also tatsächlich ein Stelldichein. Meinen Kolleginnen durfte ich so etwas nicht sagen, aber ich freute mich täglich darauf, obwohl er nicht täglich kam. Wieder einmal saßen wir beisammen, blickten einander an, berührten einander. Ja, wir berührten einander, er streifte an mir entlang mit seinen Pranken und gab nette Laute von sich und ich wetzte liebevoll meinen Schnabel an seinem Riesenkopf.

»Was für eine wertvolle Freundin du mir geworden bist. Ich danke dir!«, teilte er mir mit. »Das mache ich doch gerne, du kannst ja nichts dafür, dass du so plump und flugunfähig bist und nichts verstehst. Lieb bist du ja trotzdem«, antwortete ich großzügig und spürte diese Wärme in mir, die ich sonst nur bei besonderen Höhenflügen fühlte, die Lust zu jauchzen. Ich jauchzte ihm mein Lied und er bellte mir mit gefletschten Zähnen ins Gesicht. Natürlich wirkte das brutal, noch dazu mit seinem großen Maul, aber ich wusste inzwischen, dass dies ein Zeichen der Freude bei diesen Wesen war, so unwahrscheinlich das auch klingen mag.

»Wenn du mich verstehen könntest, wäre manches einfacher für dich, mein lieber Dasda. Viele deiner Sorgen fallen einfach von dir ab, wenn du die Flügel hebst und über den Bäumen hinweg segelst, einfach aus Freude am Fliegen«, wollte ich ihm mitteilen.

»Du hast leicht reden, wo du doch selbst fliegen kannst. Andererseits, ich kann es mit meinen Gedanken, mit meinen Empfindungen auch; Fliegen im übertragenen Sinn. Es gibt keine Schranken für den, der wahrhaft glaubt«, antwortete er begeistert.

»Na ja, auf deine Gedanken solltest du dir nicht so viel einbilden. Mit unsereins kannst du natürlich nicht mithalten«, antwortete ich und putzte mir zum Zeichen meiner Würde die glänzend schwarzen, sagenhaft schönen, intakten Flügel.

Er fletschte laut auf, was er übrigens lachen nannte. Und im gleichen Augenblick zuckten wir beide zusammen. Wir blickten einander entgeistert an. Er wurde noch fahler als ohnehin schon und mir zitterten vor Staunen die Flügelspitzen. Hatten wir uns nicht gerade unterhalten? Konnten wir uns wirklich verständigen?

»Haben wir uns gerade miteinander unterhalten?« fragten wir gleichzeitig in dieser Kopf zu Kopf Sprache. Ich war so perplex, dass ich plötzlich ein Bedürfnis in mir spürte, wie seit meiner Kükenzeit nicht mehr, ich hatte Nestsehnsucht. Darum setzte ich mich auf seine Pranke und ließ es zu, dass er mich mit seiner anderen umschloss. Das war sehr schön. Wirklich schön.

»Meine liebe wertvolle Freundin du!«, vernahm ich, dann senkte er sein Haupt und berührte meinen Kopf mit seinem Maul. Es fühlte sich ganz wunderbar an. Ich mochte mein Dasda und niemand sollte mir sagen, dass diese Wesen ohne Verstand seien. Zumindest meines war ein edles, ein liebenswertes. Vielleicht waren andere so ähnlich.

Seitdem trafen wir einander häufig. Er brachte mir auch Tagesrationen mit und versorgte mich mit frischem Wasser. Dafür schenkte ich ihm meine kostbare Zeit und begleitete ihn auf manchen Wegen, vor allem wenn er aufs Land fuhr und das schwarze Rohr mitnahm. Er fuhr mit seinem Rollding und ich gönnte mir den Flug dahin. Es war nicht weit für meine Verhältnisse, obwohl sein Rollding ganz schön Geschwindigkeit erlangen konnte, trotz der Kriecherei am Boden.

Draußen am Land, wie er es nannte, fühlte er sich frei und froh, richtete ständig das Rohr auf Blumen, Bäume, auf mich und die ganze Landschaft und erzählte mir von seinen Sorgen, die natürlich nichtssagend waren, aber ich wollte ihm nicht die Illusion von Bedeutung nehmen und tröstete ihn so gut ich konnte.

»Du nimmst alles so leicht und vielleicht hast du Recht damit, aber ich trage Verantwortung, Menschen verlassen sich auf mich, Menschen kritisieren mich, ich habe über große Geldsummen zu entscheiden«, jammerte er.

»Wer fliegen will, sollte nicht zu viele Lasten tragen«, antwortete ich, räumte aber ein, dass ich einmal fast abgestürzt wäre, als ich von so einem runden Ding, auf dem immer die ganzen Happen liegen, eine Hühnerkeule genommen hatte. Die war wirklich schwer gewesen, aber von der Keule sättigten sich vier meiner Kolleginnen und natürlich auch ich. Mein Dasda lachte.

»Ein bisschen Leichtigkeit von dir würde mir nicht schaden!«, antwortete er.

»Ich möchte dich etwas fragen«, eröffnete er mir einmal. Wie umständlich, typisch er. Warum fragte er nicht einfach?

»Gibt es bei euch auch Liebe? Gibt es bei euch einen Gott?«

»Natürlich gibt es Liebe bei uns. Meine Kolleginnen veranstalten ein Riesenspektakel um das Thema mit ihren Herren. Und einen Gott kenne ich nicht. Ich weiß nicht, was du damit meinst«, antwortete ich leichthin.

»Kennst du die Liebe?« fragte er. Stolz wollte ich gleich damit prahlen, dass ich nicht bereit wäre, mich mit einem Herrn zusammen zu tun, Brut aufzuziehen und mich abhängig zu machen, doch ich konnte nicht stolz antworten. Ich blickte ihn an und wusste plötzlich, wie es sich anfühlen musste, wenn Regentropfen aus den Augen quellen. Traurig legte ich den Kopf schief und teilte ihm mit:

»Die Liebe, die ich gefunden habe, bringt keine Brut hervor und ist mehr als unsinnig. Denn ich liebe ein stumpfes dummes Wesen. Oder zumindest mag ich es sehr, nämlich dich.« Gerührt schaute mich Dasda an und ich schämte mich für meine sinnlosen Gefühle.

»Ich mag dich auch, meine wunderbare Freundin«, teilte er mit und nahm mich behutsam in seine Pranken. Dann legte er sein Maul auf meinen Rücken. So war ich geborgen und liebkost von diesem lieben Wesen, von meinem Dasda.

»Du glaubst also, dass es Liebe gibt, auch wenn sie nicht direkt gelebt werden kann?« fragte er eindringlich. Wieder so ein Beweis für seine Stumpfheit, die dadurch entsteht, dass Klares, Schönes von diesen Wesen immer von einem Netz komplizierter Gedankenverstrickungen umschlossen wird. Aber weil ich ihn so lieb fand, sah ich es ihm nach.

»Was fragst du immer so viel herum? Mach einfach, das ist das Gebot, das zählt. Ich liebe ja auch, obwohl es peinlich für mich ist. Wenn die Liebe da ist, ist sie da. Wenn sie Brut hervorbringt, ist es gut und wenn sie Glück hervorbringt, ist es gut und wenn sie tröstet und ermutigt, ist es gut. Wo sie auch immer auftaucht, wenn es wirklich Liebe ist, ist es gut.

Und wenn sie dich plötzlich verändern will, ist es nicht Liebe, wenn sie dich verurteilt, weil du nicht fliegen kannst, ist es nicht Liebe und wenn sie dich für sich allein besitzen will, ist es nicht Liebe.« Ich ereiferte mich richtiggehend, dennoch, bei dem Gedanken, mein Dasda würde auch meine Kolleginnen so liebevoll umfangen, war mir nicht ganz wohl.

»Ich will die Liebe mit einer Frau erfahren, mit einer bestimmten Frau. Ich glaube, dass ich sie liebe«, eröffnete mir mein Dasda. Mit Frau meinte er die Weibchen dieser Wesen.

»Na ja, dann mach«, antwortete ich. Warum er auch immer alles so kompliziert sehen musste.

»Das geht nicht so leicht«, meinte er nachdenklich.

»Hat sie einen anderen Herrn? Dann solltest du dich nicht einmischen, das gibt die schlimmste Zänkerei sage ich dir. Aber du kannst ihr deine Gunst erweisen. Beschenke sie mit Nüssen, Kuchenstücken oder mit süßen Früchten.« Mein Dasda zog das Maul nach oben.

»Das ist es nicht. Sie ist frei, aber ich bin es nicht«, meinte er.

»Du hast also schon ein Weibchen?« fragte ich überrascht. Ich hatte bis dahin sein Weibchen noch nicht gesehen, doch fand ich, solange es mich als Nebenfreundin akzeptierte, müsste es auch anderen Weibchen gegenüber tolerant sein. Überhaupt kommt es ja vor allem auf zwei Dinge an: auf die Freude beim Fliegen allein und auf die gemeinschaftliche Freude beim Fliegen im Schwarm. Alles andere sind Teilaspekte davon. So ähnlich teilte ich es meinem Dasda mit, der es aber natürlich nicht verstand.

»Die Liebe zu einer Frau ist nicht für mich vorgesehen«, meinte er.

»Wieso vorgesehen. Entscheidest du das nicht selbst, wenn es sich eben ergibt?«, fragte ich, wusste aber gleich, dass er meine Intelligenz nicht fassen konnte und stattdessen lieber in seinen Gedankenirrwegen dümpeln wollte, die so typisch sind für diese Wesen. Ich wollte ihn aufmuntern, ihm irgendwie die Leichtigkeit des Lebens nahe bringen, so weit wenigstens, wie er es begreifen konnte. Darum drehte ich ein paar elegante Kreise um ihn und setzte mich dann vertraut auf seine Schulter.

Sein zähnefletschendes Bellen wirkte direkt schön und ich gewöhnte mich daran, es als etwas Freundliches zu akzeptieren. Wenn er das tat, kam außerdem bei mir die Botschaft an:

»Ja! Gut ist das! Fein ist das! Ja! Mehr davon!« Es war ähnlich wie unser unbeschreiblich großartiger Lobgesang abends, wenn wir uns versammeln, uns dann gemeinsam erheben und schließlich jubelnd über die Stadt hinweg ziehen, wie eine mächtige schwarze Wolke.

»Wenn du bei mir bist, ist alles gut. Gott lächelt mir durch dich zu, meine liebe Freundin«, sagte er glücklich über meinen Tanz und meinen vertrauten Landeplatz bei ihm.

»Ich lächle dir zu aus Großzügigkeit und aus Freundschaft und …« ich sagte es verschämt: »weil ich dich so sehr mag. Da lächelt kein anderer, nur ich. Wer soll das überhaupt sein, dieser Gott, den du ansprichst wie die Luft um dich herum?« antwortete ich.

»Ach, meine liebe Kleine, Gott ist in allem, er hat uns erschaffen und, wer weiß, vielleicht hat er uns hier zusammengeführt, damit wir Freunde werden.« Ich schaute mich um. Weiter hinten gingen andere Wesen. Bei einer Baumgruppe mit Holzgerüsten, mein Dasda nannte es ›Park‹, saßen welche und bliesen stinkigen Rauch aus ihren Nüstern und Mäulern. Doch jemand besonderen konnte ich nicht entdecken. Natürlich, überall verteilt gab es Meinesgleichen, wie wir ja nun ständig und immer mehr die Stadt als unser Zentrum betrachten.

»Wo ist dieser Gott?« fragte ich schließlich.

»Da in dir und da in mir« antwortete er glücklich. Dabei berührte er zart mit einer seiner Krallen meine Brust, ganz lieb und sanft machte er das. Dann deutete er auf seinen Körper.

Mir war sofort klar, wie wenig diese Wesen vom Sein und vom Leben verstehen. Mein Dasda wusste offenbar nicht, dass in uns roter Lebenssaft fließt und dass wir uns verwandeln und in ein neues Blau fliegen, wenn dieser Saft still steht. Anscheinend nennt er diesen kostbaren Saft ›Gott‹. Wir benennen ihn nicht, wie wir überhaupt selten etwas benennen. Wir leben einfach und jauchzen und fliegen und fressen und singen. Das ist ausreichend, um sich zu freuen und abends zufrieden auszuruhen.

Ich wollte ihm seine Kompliziertheiten aber nicht verderben und ließ ihm seinen Gott. Wenn ihn die eigenen Eltern nicht über den Irrtum aufgeklärt hatten, fühlte ich mich dazu auch nicht berufen. An diesem Abend aber hatte ich das erste Mal keine so große Freude daran, im gemeinschaftlichen Jubel über die Stadt hinweg zu ziehen. Ich wollte bei meinem Dasda bleiben, wollte sogar seine Höhle kennenlernen. Doch das schien mir verrückt. Darum flog ich mit einem fröhlichen »Auf Wiedersehen!« ganz ganz hoch hinauf, so weit, dass ich ihn nur noch als kleinen Fleck unter mir wahrnahm.

»Es soll dir gut gehen, lieber Dasda! Wenn du sie brauchst, sollst du Liebe finden oder zumindest alles, was für dich Freude bedeutet!« wünschte ich ihm. Der Gedanke, dass auch ich ihm so etwas wie Freude sein konnte, bei all seinem begrenzten Verstand, erschütterte mich direkt und machte mich klein und groß gleichzeitig. Mein Inneres war heiß und aufgewühlt bei diesem Gedanken und in mir klopfte etwas, als wolle es heraus, als sei ihm dieser, mein eleganter schwarz gefiederter Körper, zu klein vor lauter Lust. Vielleicht war es auch dieses innerliche tobende Jubeln, das mein Dasda ›Gott‹ nannte.

Am Tag darauf setzte ich mich auf das, was er ›Fenster‹ nannte. »Da ist mein Fenster« hatte er einmal gesagt, als ich neben ihm herflog und ihn zu seiner Höhle begleitete. Erstaunt bemerkte ich Luft, die mich wie Stein blockierte. Ich sah ihn an einem dieser Holzgerüste sitzen, mit zwei Runddingen vor sich, eines bedeckt mit guten Happen, das andere, kleinere aber tiefere, gefüllt mit braunem Wasser. Von diesem Wasser nahm er immer wieder einen Schluck. Er wirkte müde und traurig, irgendwie auch einsam. Seinem Schwarm begegnete er offenbar nur in diesen Abständen im Haus der schönen Klänge. Sonderbarerweise interessierten mich seine Happen auf dem Rundding gar nicht. Mich interessierte nur, ihn zu sehen. Wieder spürte ich das in mir, das sich wie Wind im Flug, wie frisches Wasser und wärmende Sonne gleichzeitig anfühlte. Sein Anblick weckte meinen Gott in mir.

»Lieber Dasda, du!« Mich störte die Steinluft. Verärgert klopfte ich mit dem Schnabel kräftig dagegen.

Da blickte er mich an, sehr überrascht, und im selben Augenblick verwandelte sich sein Gesicht. Alle Traurigkeit war weg und es war, als sei in seinem Gesicht die Sonne aufgegangen. Mit gebleckten Zähnen und Augen, die wie Sterne funkelten, kam er zu mir und schob die Steinluft hinfort.

»Was für ein lieber Besuch!« teilte er erfreut mit. Ich trippelte auf seine ausgestreckte Pranke und schaute mich um. Sonderbare Höhle, kein Baum, kleines lächerliches Grün eingesperrt in ein Rundding, Holzgestelle, kein Gras am Boden, auch kein Sand, alles glatt. Etwas wirkte weich und sah aus wie Schatten. Ich hob leicht die Flügel und segelte darauf zu.

»Ein Platz auf der Couch für meinen lieben Gast«, teilte mir Dasda mit. Ich verstand kein Wort, sagte ihm aber freundlich: »Schön, dich zu sehen!«

»Wie laut dein Krächzen hier drinnen klingt!« teilte er mit und ich erkannte an den schwammigen Geräuschen, die aus seinem Maul drangen, dass er diese Botschaft mit Geräuschen ausdrücken wollte. Nur gut, dass es ihm besser von Kopf zu Kopf gelang, denn seine Maullaute waren wohl nicht dazu geeignet, sich mitzuteilen, so wie wir das können. Und was meinte er mit ›krächzen?‹. Vielleicht nannte er meine Sangesstimme so. Das Wort gefiel mir aber nicht und, abgesehen von meinem Dasda, gefiel mir kaum etwas von diesen Wesen, außer ihr Proviant natürlich.

»Nun kennst du also mein Zuhause«, vernahm ich von ihm.

»Ja, du armes Wesen du«, antwortete ich mitleidig.

»Dein Himmel ist ja winzig klein. Du bist eingesperrt da drinnen«, fügte ich hinzu.

»Ich fühle mich aber geschützt und geborgen hier. Für mich ist es hier schön« antwortete er feierlich. War ja klar. Sein Verstand begnügte sich mit dieser Enge.

»Wo ist dein Weibchen?« fragte ich.

»Ich habe keine Partnerin« antwortete er überrascht.

»Ach ja, die will ja nicht in deine Höhle kriechen. Vielleicht ist sie wie wir; unabhängig und wohnt unter freiem Himmel«, versuchte ich mehr über dieses Anliegen zu erfahren, denn ich spürte, dass es ihn beschäftigte. Mehr sogar als dieser Gott, den er zu kennen glaubte. »Ja, sie ist frei und ich bin es nicht. Es ist wie es ist. Ich sollte darüber nicht mehr nachdenken«, antwortete er etwas kurz angebunden.

»Außerdem bist du zu mir gekommen. Das ist so etwas Besonderes! Ich will mich darüber freuen!«

»Dann mach einfach. Freu dich und wenn du dabei an dein Weibchen denkst, wird die Freude deswegen nicht weniger. Ich freue mich ja auch über dich, obwohl es unschicklich ist, einen von euch zu mögen,« antwortete ich.

Er setzte sich zu mir auf das Schattending, das er Couch genannt hatte, ließ das Weiche seiner Krallen sanft über meinen Kopf gleiten und neigte dann ganz nah seinen Kopf zu mir. Würde ich ihn nicht kennen, hätte ich annehmen müssen, dass er mich nun frisst. Doch ich erwartete voll wohligem Schaudern sein Maul, das mich leicht berührte.

»Ich liebe dich!« dachte ich, wollte es ihm aber nicht mitteilen, er würde es ja doch nicht verstehen.

»Ich liebe dich auch«, vernahm ich aber als Antwort. Dann schauten wir einander an, innig und tief. Plötzlich blickte er zu seiner Pranke, an die etwas gebunden war. Er teilte etwas mit, das wie ›Zeit‹ klang und nicht mehr so liebevoll wirkte, wie das schöne ›Ich liebe dich auch‹. Schließlich setzte er mich an sein Fenster und ich erhob mich glücklich der Sonne entgegen.

»Ich liebe! Ich liebe! Ich liebe!«, jauchzte ich jubelnd und vollführte wahre Kunststücke hoch oben bei den Wolken, denn meine Freude verlangte nach Ausdruck. Demütig erkannte ich den Sinn der Aufregung bei meinen Verwandten, wenn es um die Liebe ging. So also fühlte es sich an. Es macht jubeln und wirbeln, es macht bescheiden und still, um jeden kleinen Hinweis in sich zu spüren, der von dem Lieben erzählt. Wie hatte Dasda diesen inneren Erzähler, diesen schweigend und jauchzend Machenden genannt? Gott? Schade, dass diese Wesen so überfüllt sind mit Begriffen für all das Schöne, das ja schon seinen Namen ruft durch das bloße Sein. Warum neue Wörter erfinden, neue Ordnungen für diese Wörter, neue Regeln, um sie sich zu merken? Armer Dasda! Viel schöner wäre es doch, alle Wörter und deren Regeln zu vergessen und hier oben mit mir den Freudentanz zu tanzen.

»Wie lustvoll du jubelst! Hast du einen Herrn für dich gefunden oder freust du dich einfach über die Sonne und den Wind?«, rief mir eine Kollegin von weiter unten zu. Ich ließ mich zu ihr und ihren Begleiterinnen hinab gleiten und sang weiter.

»Ja, es ist einfach alles schön, darum singe ich«, rief ich zurück. Das ist so unsere Art. Von meinem Dasda erzählte ich niemandem. Es war ein Geheimnis, wie wir es oft haben. Meist handelt es sich dabei um versteckte Leckerbissen oder um gute Happen, die leicht zu nehmen, aber schwer zu teilen sind. Warum sollte nicht auch mein lieber Dasda so ein Geheimnis sein?

Seit ich wusste, wie ich zu seiner Höhle kam, begegneten wir einander noch öfter. Ab und zu aber saß ein anderes Wesen bei ihm auf der Couch. In solch einem Fall klopfte ich nicht an sein Fenster. Er bemerkte mich aber manchmal trotzdem, verzog das Maul hinaufzu und deutete mit der Pranke auf mich, woraufhin das andere Wesen interessiert, aber meist ohne erkennbare Einsicht zu mir hinblickte. Ich konnte nicht unterscheiden, welche der Wesen Weibchen und welche Herren waren. Mir war nur klar, dass Dasda ein Herr war. Leider kein Herr meiner Art. Mit ihm hätte es mir Freude bereitet, mich für Nestbau und Brut stark zu machen. So aber hatte ich wenigstens beides: Unabhängigkeit und Liebe.

Als ich wieder einmal vom Fenster aus Dasda mit einem anderen Wesen auf der Couch beobachtete, erkannte ich, dass es sich hier um sein Weibchen handelte. Dasda blickte auf alle Wesen freundlich und bejahend. Nur bei mir blickte er freundlich, bejahend und erfreut. Bei diesem Wesen aber war seine Freude überdeutlich. Nicht äußerlich, sondern vom Rufen aus seinem Innern her. Sein Gott rief aus seinem Körper heraus ein lautes Klingen, so wie die Klanghöhle der Versammlungen dieser Wesen. Dieses Rufen war nicht hörbar, aber so deutlich spürbar, dass es mich zittern machte auch jenseits dieser lästigen Steinluft an Dasdas Fenster. Ich zitterte, weil ich mit betroffen war von diesem Rufen. Gott sagte so etwas wie: Liebe ist da und sie strömt und tut gut. Ich antwortete freudig:

Tasuta katkend on lõppenud.

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